European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0070OB00161.15Z.1016.000
Spruch:
I. Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 3.191,52 EUR (darin enthalten 304,92 EUR an USt und 1.362 EUR an Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
II. Die Revisionsbeantwortung wird zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe:
Zwischen den Streitteilen bestand im Zeitraum 1. 3. 2003 bis einschließlich 28. 2. 2013 ein Unfallversicherungsvertrag, dem die Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen der V***** (UVB 2000) zugrunde lagen. Diese lauten auszugsweise:
„...
2 Welche Leistungsarten können vereinbart werden?
…
2.1 Invaliditätsleistung
2.1.1 Voraussetzung für die Leistung:
2.1.1.1 Die versicherte Person ist durch den Unfall auf Dauer in ihrer körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt (Invalidität).
Die Invalidität ist
- innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten und
- innerhalb von fünfzehn Monaten nach dem Unfall von einem Arzt schriftlich festgestellt und von Ihnen bei uns geltend gemacht worden.
…
5 In welchen Fällen ist der Versicherungsschutz ausgeschlossen?
5.1 Kein Versicherungsschutz besteht für folgende Unfälle:
…
5.1.5 Unfälle, die der versicherten Person dadurch zustoßen, dass sie sich als Fahrer, Beifahrer oder Insasse eines Motorfahrzeuges an Fahrtveranstaltungen einschließlich der dazugehörigen Übungsfahrten beteiligt, bei der es auf die Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten ankommt.
...
7 Was ist nach einem Unfall zu beachten (Obliegenheiten)?
Ohne Ihre Mitwirkung und die der versicherten Person können wir unsere Leistung nicht erbringen; es gelten daher die im folgenden genannten Obliegenheiten gemäß § 6 VersVG als vereinbart.
...
7.2 Die von uns übersandte Unfallanzeige müssen Sie oder die versicherte Person wahrheitsgemäß ausfüllen und uns unverzüglich zurücksenden; …
...
8 Welche Folgen hat die Nichtbeachtung von Obliegenheiten?
Wird eine nach Eintritt eines Unfalles zu erfüllende Obliegenheit verletzt, verlieren Sie den Versicherungsschutz, es sei denn, Sie haben die Obliegenheit weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt.
Bei grob fahrlässiger Verletzung behalten Sie insoweit den Versicherungsschutz, als die Verletzung weder Einfluss auf die Feststellung des Leistungsfalls noch auf die Bemessung der Leistung gehabt hat. Bei vorsätzlicher Verletzung behalten Sie in diesen Fällen den Versicherungsschutz insoweit nur, wenn die Verletzung nicht geeignet war, unsere Interessen ernsthaft zu beeinträchtigen, oder wenn Sie kein erhebliches Verschulden trifft.
...“
Die Beklagte verfügt über kein eigenes Vertriebssystem und bedient sich daher unabhängiger Versicherungsvertreter. Der Unfallversicherungsvertrag des Klägers kam über einen selbständigen Versicherungsmakler zustande, über den der Kläger auch Versicherungen bei anderen Versicherungsunternehmen abgeschlossen hat. Dieser wird auf der Versicherungspolizze (unmittelbar unter dem Logo der Beklagten) als Ansprechpartner („Sie werden betreut von:“) mit seinen Kontaktdaten (Adresse, E-Mail, Telefon- und Faxnummer) angeführt. Die Kontaktdaten der Beklagten befinden sich kleingedruckt am jeweiligen Seitenende der Versicherungspolizze.
Am 24. 6. 2011 nahm der Kläger an einem Fahrsicherheitstraining, abgehalten an einem Fahrsicherheitszentrum eines österreichischen Autofahrerclubs, mit seinem „Supermoto-Motorrad“ teil. Ziel dieses Trainings war es unter anderem, das Kurvenverhalten der Teilnehmer zu beobachten. Es war ein „Instructor“ anwesend, der den Teilnehmern voraus und hinterher fuhr oder an gewissen Punkten stehend das Fahrverhalten von außen beobachtete. Es gab keine Zeitmessung; es wurde nicht gegeneinander um die Wette gefahren und es ging nicht darum, Höchstgeschwindigkeiten zu erzielen. Der Kläger kam anlässlich dieses Fahrsicherheitstrainings sehr langsam fahrend zu Sturz und verletzte sich dadurch bei der Schulter. Dies hatte eine dauernde Invalidität mit einem Invaliditätsgrad von 10 % zur Folge.
Unmittelbar nach dem Unfall und auch am 8. 7. 2011 erstattete der Kläger dem in der Versicherungspolizze angeführten Versicherungsmakler eine inhaltlich richtige Schadensmeldung. Dieser erklärte dem Kläger, dass die Verletzungsfolgen nach einem Jahr medizinisch zu prüfen seien. Da sich der Versicherungsmakler entgegen seiner Zusicherung nicht innerhalb eines Jahres beim Kläger meldete, wandte er sich im November 2012 an den Versicherungsmakler, der in weiterer Folge nochmals alle unfallrelevanten Daten aufnahm und die medizinischen Unterlagen des Klägers erhielt. Am 9. 11. 2012 erstattete der Versicherungsmakler die Schadensmeldung an die Beklagte, in der er als Unfallursache „Haushalt“ angab. Mit Schreiben vom 16. 1. 2013 lehnte die Beklagte eine Deckung ab, weil die Schadensmeldung nicht fristgerecht erfolgt sei.
Der Kläger begehrte die Zahlung einer im Rechtsmittelverfahren der Höhe nach nicht strittigen Invaliditätsleistung von 8.400 EUR sA aus der Unfallversicherung. Die verspätete und inhaltlich unrichtige Schadensmeldung an die Beklagte durch den Versicherungsmakler sei im Wege der Gehilfenhaftung der Beklagten zuzurechnen. Diese habe kein eigenes Vertriebssystem und bediene sich daher für den Vertrieb ihrer Produkte ausschließlich selbständiger Versicherungsmakler. Es liege ein intensives wirtschaftliches Naheverhältnis zum Versicherungsmakler vor. Die Beklagte bringe durch die Anführung des Versicherungsmaklers als Ansprechpartner in der Versicherungspolizze zum Ausdruck, dass sie keinen Kontakt zu ihren Versicherungsnehmern wünsche. Die Beklagte verstoße daher gegen Treu und Glauben, wenn sie sich auf die 15-Monatsfrist des Art 2.1.1.1 UVB 2000 berufe. Der Unfall habe sich bei einem privaten Fahrsicherheitstraining ereignet; dabei habe es sich weder um eine Rennveranstaltung noch um ein Renntraining gehandelt.
Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Der Anspruch sei nicht innerhalb der 15-monatigen Ausschlussfrist des Art 2.1.1.1 UVB 2000 gestellt worden. In der Schadensmeldung sei zudem zum Zweck der Irreführung der Beklagten ein unrichtiges Schadensereignis angeführt worden. Der selbständige Versicherungsmakler sei nicht ständig von der Beklagten betraut und stünde in keinem Naheverhältnis zu ihr. Dieser sei allein der Sphäre des Klägers zuzurechnen, der sich daher die verspätete und inhaltlich unrichtige Schadensmeldung zuzurechnen habe. Im Übrigen habe sich der Unfall im Rahmen einer Rennveranstaltung und damit bei einem vom Versicherungsschutz nach Art 5.1.5 UVB 2000 ausgeschlossenen Ereignis zugetragen.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Aufgrund der Ausgestaltung der Versicherungspolizze sei klar ersichtlich, dass der Versicherungsmakler als Ansprechpartner, insbesondere für die Annahme von Schadensmeldungen für den Kläger, zuständig sei. Der Kläger stünde zwar zum Versicherungsmakler aufgrund der über diesen abgeschlossenen Versicherungen in einem Naheverhältnis. Da die Beklagte kein eigenes Vertriebssystem habe und sich deshalb selbständiger Versicherungsvertreter bediene, sei das Naheverhältnis zwischen dem Versicherungsmakler und der Beklagten aber als stärker zu beurteilen. Die verspätete und inhaltlich unrichtige Schadensmeldung sei daher der Beklagten zuzurechnen. Der Unfall habe sich bei einem Fahrsicherheitstraining und nicht bei einer Rennveranstaltung oder einer Vorbereitung zu einem Rennen ereignet; demnach liege der Versicherungsausschluss des Art 5.1.5 UVB 2000 nicht vor.
Das Berufungsgericht gab der dagegen von der Beklagten erhobenen Berufung Folge und wies die Klage ab, ohne die Beweisrüge zur Gänze zu behandeln. Der Vertragsabschluss sei über einen selbständigen Versicherungsmakler und damit nicht über einen Versicherungsagenten im Sinn des § 43 Abs 1 VersVG erfolgt. Ein wirtschaftliches Naheverhältnis des Versicherungsmaklers zur Beklagten habe der Kläger nicht nachgewiesen. Das Verhalten des Versicherungsmaklers sei daher dem Kläger zuzurechnen. Demnach liege kein Verstoß gegen Treu und Glauben vor, wenn sich die Beklagte auf die Versäumung der 15-monatigen Ausschlussfrist des Art 2.1.1.1 UVB 2000 berufe.
Das Berufungsgericht ließ auf Antrag des Klägers nach § 508 Abs 1 ZPO die ordentliche Revision nachträglich zu. Der Oberste Gerichtshof habe sich bisher noch nicht mit der Frage befasst, ob der Fehler eines Versicherungsmaklers dem Versicherer bei Fehlen eines eigenen Vertriebssystems zuzurechnen sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers mit einem Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Revision ist zulässig, sie ist auch berechtigt. Die Revisionsbeantwortung ist als verspätet zurückzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
I. Zur Revision:
1.1. Mit Art 2.1.1.1 UVB 2000 vergleichbare Klauseln waren bereits Gegenstand zahlreicher oberstgerichtlicher Entscheidungen. Zur 15-Monatsfrist wird in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass es sich dabei um eine Ausschlussfrist handelt, bei deren - auch unverschuldeter (vgl RIS-Justiz RS0034591) - Versäumung der Entschädigungsanspruch des Unfallversicherten erlischt (RIS-Justiz RS0082292). Die Zweckrichtung der Regelung liegt in der Herstellung von möglichst rascher Rechtssicherheit und Rechtsfrieden. Es soll der später in Anspruch genommene Versicherer vor Beweisschwierigkeiten infolge Zeitablaufs geschützt und eine alsbaldige Klärung der Ansprüche herbeigeführt werden. Die durch Setzung einer Ausschlussfrist vorgenommene Risikobegrenzung soll damit im Versicherungsrecht (in aller Regel) eine Ab- und Ausgrenzung schwer aufklärbarer und unübersehbarer (Spät-)Schäden bewirken (7 Ob 225/14k mwN; RIS‑Justiz RS0082216).
1.2. Die Geltendmachung der Invalidität setzt nach der Bedingungslage weder die Nennung eines Invaliditätsgrades noch eines bestimmten Anspruchs voraus; erforderlich ist die Behauptung, es sei Invalidität dem Grunde nach eingetreten. Bei der Geltendmachung der Invalidität handelt es sich um eine Willenserklärung, auf die die allgemeinen Grundsätze des ABGB (§§ 859 ff ABGB) anwendbar sind. Das heißt, sowohl für die Frage, ob überhaupt eine Willenserklärung vorliegt, als auch für die Bestimmung ihres Inhalts ist nicht der wahre Wille des Erklärenden, sondern aufgrund der Vertrauenstheorie der Empfängerhorizont maßgeblich. Die Erklärung gilt so, wie sie ein redlicher Empfänger verstehen durfte (RIS‑Justiz RS0014160, RS0113932).
1.3. Die bloße Mitteilung des Unfalls und der unmittelbaren Verletzungsfolge genügt grundsätzlich noch nicht für die Geltendmachung des Ersatzanspruchs für Dauerfolgen; die Schadensmeldung kann für sich allein noch nicht als Geltendmachung der Leistung für dauernde Invalidität gewertet werden (RIS‑Justiz RS0082222 [T1]).
1.4. Vom Obersten Gerichtshof wurde aber im Einklang mit deutscher Judikatur und Lehre bereits mehrfach betont, dass auch ein Versicherungsverhältnis im besonderen Maße von Treu und Glauben beherrscht wird (zuletzt 7 Ob 225/14k mwN; RIS‑Justiz RS0018055), welchen Grundsatz der Versicherungsnehmer ebenso gegen sich gelten lassen muss wie der Versicherer. Diese starke Betonung von Treu und Glauben soll der Tatsache Rechnung tragen, dass jeder der beiden Vertragspartner auf die Unterstützung durch den jeweils anderen angewiesen ist, weil er dem jeweils anderen in der einen oder anderen Weise unterlegen ist: Der Versicherungsnehmer verfügt zB allein über die Kenntnis wesentlicher Umstände für den Vertragsschluss und die Schadensabwicklung; der Versicherer ist dem Versicherungsnehmer überlegen durch die Beherrschung der Versicherungstechnik, seine Geschäftskunde, seine umfangreichen Erfahrungen und wegen der Sachverständigen, derer er sich bedienen kann. Treu und Glauben beeinflussen daher das Versicherungsverhältnis in vielfacher Weise und können nach herrschender Meinung ergänzende Leistungs- oder Verhaltenspflichten schaffen (7 Ob 225/14k mwN).
1.5. So judizierte der Oberste Gerichtshof auch schon zu Art 2.1.1.1 UVB 2000 vergleichbaren Klauseln, dass ohne den Hinweis, dass der Versicherer in der erstatteten Schadensmeldung weder die Geltendmachung eines Anspruchs auf Leistung für dauernde Invalidität noch einen ärztlichen Befundbericht erblickt und die Geltendmachung des Anspruchs und die Vorlage eines Befundberichts innerhalb von 15 Monaten vom Unfalltag an zu erfolgen hat, die Berufung des Versicherers auf den Fristablauf gegen Treu und Glauben verstößt (RIS‑Justiz RS0082222; 7 Ob 225/14k mwN).
1.6. Im vorliegenden Fall meldete der Kläger den Unfall nicht dem beklagten Versicherer, sondern dem in der Versicherungspolizze angeführten Versicherungsmakler. Dieser verabsäumte es, die Schadensmeldung an die Beklagte weiterzuleiten. Vom Unfall erlangte die Beklagte erst nach Ablauf der 15‑monatigen Ausschlussfrist des Art 2.1.1.1 UVB 2000 Kenntnis.
Bei der zweiten Kontaktaufnahme zwei Wochen nach dem Unfall sicherte der Versicherungsmakler dem Kläger zu, sich bei ihm rechtzeitig zu melden, und teilte ihm mit, dass die Verletzungsfolgen nach einem Jahr medizinisch zu prüfen seien. Damit ging der Versicherungsmakler aufgrund der Darstellungen des Klägers vom Eintritt einer dauernden Invalidität aus.
Entscheidend ist, wem das Verhalten des Versicherungsmaklers zuzurechnen ist. Hat nämlich der beklagte Versicherer für diesen einzustehen, ist davon auszugehen, dass der Kläger die Schadensmeldung unmittelbar nach dem Versicherungsfall erstattet hat. Es wäre dann an der Beklagten oder ihrem Vertreter gelegen, allfällige noch fehlende Informationen und Unterlagen vom Kläger unter Hinweis auf die Ausschlussfrist zu verlangen. Wird dies unterlassen, verstößt die Berufung auf den Ablauf der Frist des Art 2.1.1.1 UVB 2000 gegen Treu und Glauben.
2.1. Nach ständiger Rechtsprechung ist der Versicherungsmakler zwar regelmäßig ein Doppelmakler, wird aber trotzdem als Hilfsperson des Versicherungsnehmers dessen Sphäre zugerechnet und hat primär als „Bundesgenosse“ des Versicherten dessen Interessen zu wahren. Davon zu unterscheiden ist der Versicherungsagent im Sinn des § 43 VersVG, der vom Versicherer ständig betraut ist, Versicherungsverträge zu vermitteln oder zu schließen, damit zum Versicherer ein Naheverhältnis hat und dessen Sphäre zugerechnet wird (RIS‑Justiz RS0114041).
Letzteres gilt auch für den sogenannten „Pseudomakler“ ‑ ein Vermittler, der zum Versicherer in einem solchen wirtschaftlichen Naheverhältnis steht, das es zweifelhaft erscheinen lässt, ob er in der Lage ist, überwiegend die Interessen des Versicherungsnehmers zu wahren (§ 43a VersVG; RIS‑Justiz RS0114041) ‑ und den sogenannten „Anscheinsagenten“; darunter ist ein Vermittler zu verstehen, der mit nach den Umständen anzunehmender Billigung des Versicherers als Versicherungsagent auftritt (§ 43 Abs 1 letzter Halbsatz VersVG; 7 Ob 157/12g; 7 Ob 58/09v). Ob der Versicherungsnehmer zu dieser Annahme berechtigt ist, beurteilt sich nach denselben Kriterien, wie sie für die Duldungs- und Anscheinsvollmacht entwickelt worden sind. Voraussetzung für die Zurechnung ist, dass der Versicherer einen äußeren Tatbestand schafft, aus dem auch der sorgfältige Versicherungsnehmer schließen kann, es müsse eine Betrauung der als Versicherungsagent auftretenden Person vorliegen ( Gruber in Fenyves/Schauer , VersVG § 43 Rz 12). Eine tatsächliche Billigung des Versicherers, also die Betrauung des Agenten, muss hingegen nicht vorliegen ( Gruber aaO § 43 VersVG Rz 13).
2.2. Das Berufungsgericht hat nicht geprüft, ob insbesondere durch die unstrittige Ausgestaltung der Versicherungspolizze ein solcher Anschein bewirkt wurde. Aufgrund des Hinweises in der von der Beklagten ausgestellten Versicherungspolizze, dass die Betreuung des Klägers vom namentlich mit Kontaktdaten angeführten Versicherungsmakler erfolgt, wird der Anschein eines besonderen Naheverhältnisses im Sinn des § 43 Abs 1 letzter Halbsatz VersVG zum beklagten Versicherer bewirkt. Aus der Diktion („Sie werden betreut von: ...“) ist dem in der Versicherungspolizze enthaltenen Hinweis der objektive Erklärungswert beizumessen, dass die Betreuung des Versicherungskunden durch den angeführten Versicherungsmakler nicht nur mit Wissen, sondern auch mit Willen der Beklagten erfolgt. Damit wurde von dieser ein Tatbestand geschaffen, aus dem der Kläger den Eindruck gewinnen musste, dass der Versicherungsmakler von der Beklagten generell mit der Vermittlung von Versicherungsverträgen betraut sei (vgl bereits zu einem ähnlich gelagerten Fall 7 Ob 58/09v = RIS‑Justiz RS0114041 [T10]). Dabei ist die Schadensabwicklung über den jeweils zwischengeschalteten selbständigen Versicherungsvertreter vor dem Hintergrund, dass die Beklagte über kein eigenes Vertriebssystem verfügt, offenbar auch gewünscht.
Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger kein entsprechendes Vertrauen gehabt hätte, sind nicht ersichtlich. Dieses Vertrauen wird nicht dadurch erschüttert, dass der Kläger über denselben Versicherungsmakler auch Versicherungen bei anderen Versicherungsunternehmen abgeschlossen hat; dieser Umstand schließt nämlich nicht eine ständige Betrauung des selbständigen Versicherungsmaklers mit der Vermittlung von Versicherungsverträgen durch die Beklagte aus. Die Feststellung, dass der Versicherungsmakler bereits den Vater des Klägers in Versicherungsfragen betreut hat, welche Feststellung die Beklagte im Rahmen des vom Berufungsgericht nicht behandelten Teils ihrer Beweisrüge anstrebt, ändert am rechtlichen Ergebnis nichts.
Unter den gegebenen Umständen ist es daher angezeigt, den Versicherungsmakler als „Anscheinsagenten“ nach § 43 Abs 1 letzter Halbsatz VersVG zu behandeln.
3. Insgesamt folgt daraus, dass die Beklagte für das Verhalten des von ihr dem Anschein nach betrauten Versicherungsmaklers einzustehen hat und sie sich nicht auf den Ablauf der Frist des Art 2.1.1.1 UVB 2000 berufen kann. Demnach ist noch auf die weiteren - ihrer Deckungs-verpflichtung entgegenstehenden - Argumente in der Berufung der Beklagten einzugehen.
3.1. Die Erstattung einer inhaltlich fehlerhaften Schadensmeldung kann dem Kläger nicht als Obliegenheitsverletzung vorgeworfen werden. Dieser hat nämlich gegenüber dem Anscheinsagenten der Beklagten den Unfall jeweils korrekt geschildert. Es lag allein in dessen Einflussbereich, dass die Schadensmeldung inhaltlich abgeändert dem Versicherer weitergeleitet wurde.
3.2. Die Leistungsfreiheit wird in der Berufung weiters auf die fehlende Straßenverkehrstauglichkeit des vom Kläger benützten Motorrads gestützt, weil damit eine Gefahrenerhöhung im Sinn der §§ 23 ff VersVG verbunden sei. Die fehlende Straßenverkehrstauglichkeit führt aber nicht zwingend zu einer (relevanten) Gefahrenerhöhung bei ‑ wie hier ‑ Verwendung eines Fahrzeugs auf einem abgesperrten Übungsgelände, kann dies doch in Umständen begründet sein, die ‑ zB überhöhte Abgaswerte/Lärmemissionen ‑ für die Sicherheit der Fahrzeugbenützung keine Auswirkung haben. Die Beklagte hat zwar im erstinstanzlichen Verfahren auf die fehlende Straßenverkehrstauglichkeit des Motorrads des Klägers hingewiesen, sie hat aber in diesem Zusammenhang weder vorgebracht, dass damit für den zu beurteilenden Sachverhalt eine Gefahrenerhöhung verbunden gewesen sei, noch welche konkreten Umstände dafür maßgeblich seien. Indem sie sich insofern erstmals im Rechtsmittelverfahren auf das Vorliegen eines gefahrenerhöhenden Umstands beruft, verstößt sie demnach gegen das im Rechtsmittelverfahren zu beachtende Neuerungsverbot (§§ 482 Abs 1, 504 Abs 2 ZPO).
3.3. Nach Art 5.1.5 UVB 2000 besteht kein Versicherungsschutz für Unfälle, die dem Versicherten dadurch zustoßen, dass er unter anderem als Fahrer eines Motorfahrzeuges an Fahrtveranstaltungen einschließlich der dazugehörigen Übungsfahrten beteiligt ist, bei der es auf die Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten ankommt. Nach den vom Berufungsgericht aufrecht erhaltenen Feststellungen gab es beim hier zu beurteilenden Fahrsicherheitstraining keine Zeitmessung, wurde nicht gegeneinander um die Wette gefahren und ging es nicht darum, Höchstgeschwindigkeiten zu erzielen. Demnach gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass das Fahrsicherheitstraining die Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten bezweckte. Die Teilnahme des Klägers am Fahrsicherheitstraining mit seinem „Supermoto-Motorrad“ unterliegt daher nicht dem Risikoausschluss des Art 5.1.5 UVB 2000. Die Berufungsausführungen gehen in diesem Zusammenhang nicht vom festgestellten Sachverhalt aus und sind daher nicht gesetzmäßig ausgeführt (vgl RIS‑Justiz RS0043312).
4. Insgesamt ist demnach keine der im Berufungsverfahren von der Beklagten gegen die Versicherungsdeckung aufrecht erhaltenen Einwendungen berechtigt. Die Höhe des Versicherungsanspruchs ist im Rechtsmittelverfahren nicht mehr strittig, sodass das Ersturteil wiederherzustellen ist.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO.
II. Zur Revisionsbeantwortung:
Der Beschluss des Berufungsgerichts, womit es die Revision gemäß § 508 Abs 3 ZPO zuließ, wurde der Vertreterin der Beklagten am 20. 7. 2015 zugestellt. Die im Elektronischen Rechtsverkehr (ERV) beim Erstgericht eingebrachte Revisionsbeantwortung langte dort am 14. 9. 2015 ein. Sie wurde von diesem an das Berufungsgericht weitergeleitet, wo sie am 16. 9. 2015 einlangte.
Im Fall der nachträglichen Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht gemäß § 508 Abs 3 ZPO ist die Revisionsbeantwortung beim Berufungsgericht einzubringen (§ 507a Abs 3 Z 1 ZPO). Die Anwendung des § 89 GOG hat zur Voraussetzung, dass die Anschrift der Postsendung an jenes Gericht lautet, bei dem die Eingabe gesetzmäßig zu überreichen ist, andernfalls entscheidend nur der Tag ihres Einlangens beim zuständigen Gericht (RIS‑Justiz RS0041608 [T22], RS0041653 [T8]). Die in den Gesetzesmaterialien zu § 89d GOG vorgesehene Funktion der Bundesrechenzentrum GmbH als „vorgelagerte Einlaufstelle des Gerichts“ ändert nichts daran, dass ein im Wege des ERV übermitteltes Schriftstück ‑ unter Nichteinrechnung des Postlaufs ‑ nur dann als rechtzeitig eingebracht angesehen werden kann, wenn es durch Angabe des jeweils zutreffenden „Dienststellenkürzels“ an das richtige Gericht adressiert war. Wurde hingegen die Dienststellenkennzeichnung des Adressatgerichts anlässlich der Eingabe des Rechtsmittels unrichtig angegeben und langte der Schriftsatz deshalb beim falschen Gericht ein, das ihn (mit Zeitverzögerung) an das zuständige Gericht übermitteln musste, so ist die Eingabe nur dann als rechtzeitig anzusehen, wenn sie noch innerhalb der Rechtsmittelfrist beim zuständigen Gericht einlangt (RIS‑Justiz RS0124533).
Nach diesen Grundsätzen war die vierwöchige Frist zur Erstattung der Revisionsbeantwortung (§ 507a Abs 1 ZPO) am 16. 9. 2015 schon abgelaufen (§ 507a Abs 2 Z 2 ZPO iVm § 222 Abs 1 ZPO). Die verspätete Revisionsbeantwortung ist daher zurückzuweisen (RIS‑Justiz RS0035958 [T2]; RS0043688 [T1]).
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