European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0040OB00059.19H.0613.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit 2.437,73 EUR (darin enthalten 406,29 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Die Erstklägerin ist eine rechtsfähige Fachgruppe der Personenbetreuer der Wirtschaftskammer Steiermark, die Zweitklägerin eine Lebens- und Sozialberaterin mit der erforderlichen Gewerbeberechtigung. Das beklagte Land ist auf Basis des Steiermärkischen Behindertengesetzes (StBHG) verpflichtet, Menschen mit Behinderung verschiedene (Sach-)Leistungen zu gewähren. Zu diesem Zweck schließt das beklagte Land Verträge mit privaten Trägerorganisationen ab, die die Leistungen im Rahmen der Behindertenhilfe erbringen und mit dem beklagten Land verrechnen.
Für das Fachpersonal der Behindertenhilfe schreibt das beklagte Land die Inanspruchnahme von Supervisionen vor, die ebenfalls nach der Leistungs- und Entgeltverordnung 2015 zum StBHG (LEVO‑StBHG 2015) abgerechnet werden. Für die Durchführung der Supervisionen verlangt das beklagte Land, dass die Supervisoren entweder in die Liste der österreichischen Vereinigung für Supervision und Coaching (ÖVS) oder in die Liste beim Bundesministerium (nunmehr) für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz (BMG) als klinische Psychologen, Gesundheitspsychologen oder Psychotherapeuten eingetragen sind. Die – von den Klägerinnen ins Treffen geführte – Kurzausbildung zum Supervisor nach der Ausbildung zum Lebens- und Sozialberater reicht für die in Rede stehende Supervisorentätigkeit nicht aus.
Zur Sicherung ihres inhaltsgleichen, vor allem auf § 1 Abs 1 Z 1 UWG (Rechtsbruch) gestützten lauterkeitsrechtlichen Unterlassungsanspruchs beantragten die Klägerinnen, dem beklagten Land mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, als Mindeststandard für die Durchführung von Supervisionen in der Behindertenhilfe die Eintragung in die Liste der ÖVS oder in die Liste der Psychologen beim BMG oder ähnliche Voraussetzungen zu fordern und/oder vorzugeben. Die Zweitklägerin habe Supervisionseinheiten für Mitarbeiter der Lebenshilfe angeboten. Daraufhin sei sie um Mitteilung ersucht worden, ob sie in die Liste der ÖVS oder in die Liste beim BMG eingetragen sei. Diese Vorgangsweise begründe eine Diskriminierung; Lebens- und Sozialberater dürften nicht von der Durchführung der in Rede stehenden Supervisionen ausgeschlossen werden. Das beklagte Land trage durch Subventionen zur Finanzierung der Behindertenhilfe bei und sei an den Gleichheitsgrundsatz gebunden. Die Subventionsvergabe sei eine typische Wettbewerbshandlung, weil sie eine Stärkung der wettbewerblichen Position der Geförderten bewirke. Für den Ausschluss der Lebens- und Sozialberater von der Supervision genüge der Hinweis auf einen Mindeststandard zur Qualitätssicherung nicht.
Das beklagte Land bestritt im Wesentlichen ein Handeln im geschäftlichen Verkehr und das Vorliegen einer unsachlichen Ungleichbehandlung im Zusammenhang mit den Ausbildungserfordernissen für Supervisoren zur Betreuung des Fachpersonals in der Behindertenhilfe.
Das Erstgericht gab dem Sicherungsbegehren teilweise – hinsichtlich des Erfordernisses der Eintragung in die ÖVS‑Liste – statt. Bei dieser Liste handle es sich um eine solche eines privaten Vereins. Die bloße Eintragung in diese Liste sei kein Qualitätskriterium. Anderes gelte für die beim BMG geführte Liste, weil die Eintragung in diese Liste Voraussetzung für die selbständige Berufsausübung für Gesundheitspsychologen, klinische Psychologen und Psychotherapeuten sei.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Klägerinnen nicht, wohl aber dem Rekurs des beklagten Landes Folge und wies den Sicherungsantrag zur Gänze ab. Für einen Unterlassungsanspruch fehle es an einem Handeln im geschäftlichen Verkehr, weil die objektive Förderung bestimmter Supervisoren nur eine Reflexwirkung, nicht aber die hauptsächliche Zielsetzung sei. Im Übrigen könne im Rahmen eines Sicherungsverfahrens (ohne allfällige Einholung eines Sachverständigengutachtens) nicht geklärt werden, ob für den Supervisionsbereich die Ausbildung zum Lebens- und Sozialberater im Vergleich zur Ausbildung eines Supervisors gemäß den ÖVS‑Ausbildungsstandards qualitativ gleichwertig sei.
Der ordentliche Revisionsrekurs sei mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerinnen, der auf die Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung abzielt.
Mit seiner – vom Obersten Gerichtshof freigestellten – Revisionsrekursbeantwortung beantragt das beklagte Land, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.
Der Revisionsrekurs der Klägerinnen ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, er ist aber nicht berechtigt.
In ihrem Revisionsrekurs führen die Klägerinnen aus, dass dem Gleichheitssatz widersprechende Subventionen, wenn sie in Form des Privatrechts erfolgten, nach § 1 UWG zu prüfen seien. Aufgrund der Nachfragemacht des beklagten Landes werde eine Gruppe von Supervisoren in diskriminierender Weise vom Wettbewerb ausgeschlossen. Eine diskriminierende Maßnahme könne nicht als legitime Methode zur Verfolgung sozialer Zwecke akzeptiert werden.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof hat dazu erwogen:
1. Die Klägerinnen behaupten eine unsachliche Ungleichbehandlung durch die vom beklagten Land geforderten Voraussetzungen (Eintragung in eine von zwei Zertifizierungslisten zum Nachweis der Ausbildungsanforderungen) für die (Mit‑)Finanzierung der Durchführung von Supervisionen für im Rahmen der Behindertenhilfe tätiges Fachpersonal. Dies sei nach § 1 Abs 1 Z 1 UWG verboten.
2.1 Ganz allgemein wird eine Tätigkeit der öffentlichen Hand nur dann als Handeln im geschäftlichen Verkehr qualifiziert, wenn sie privatwirtschaftlich erfolgt (RIS‑Justiz RS0077512 [T1]). Dafür ist lauterkeitsrechtlich vorausgesetzt, dass das Verhalten objektiv geeignet ist, fremden Wettbewerb zu fördern. Nach der Entscheidung 4 Ob 40/11b greift aber auch bei Zutreffen dieser Voraussetzung das Lauterkeitsrecht nicht ein, wenn bei objektiver Betrachtung eine andere Zielsetzung eindeutig überwiegt. Dies trifft insbesondere bei der Erfüllung typischer Aufgaben der öffentlichen Hand, etwa im Bereich der Daseinsvorsorge oder der Schaffung von Infrastruktur, zu (vgl auch 4 Ob 73/15m).
2.2 Nach der Entscheidung 4 Ob 267/16t (ÖBl 2017, 282 [ Tahedl ]), die eine Maßnahme der Tarifgestaltung in einem Verkehrsverbund betrifft, lässt sich die Tätigkeit der öffentlichen Hand grundsätzlich in drei Fallgruppen einteilen, und zwar hoheitliches Handeln (das dem Lauterkeits- und Kartellrecht entzogen ist), privatrechtliches Handeln mit unternehmerischem Charakter (bei Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit) und privatrechtliches Handeln ohne unternehmerischen Charakter, das nicht als Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr qualifiziert werden kann ( Hoffer , Entscheidungsanmerkung ÖBl 2015, 228, 229 unter Verweis auf Herrmann in MüKomm Europäisches und Deutsches Wettbewerbsrecht² Einl Rz 955). Keine unternehmerische Tätigkeit der öffentlichen Hand werde etwa dann vorliegen, wenn sich das in Frage stehende Verhalten an öffentlich-rechtlichen Schutz- und Ordnungsfunktionen orientiere und keine marktbezogene Preisbildung stattfinde, sondern eine über lange Zeiträume unveränderte Gebühr eingehoben werde. Die Tarifgestaltung in einem von der öffentlichen Hand organisierten und mitfinanzierten Verkehrsverbund erfolge nicht marktbezogen als Ergebnis der Wechselwirkung zwischen konkurrierenden Angeboten und der Nachfrage, sondern im öffentlichen Interesse der betroffenen Gebietskörperschaften unter Verwendung öffentlicher Finanzmittel. Insoweit liege ein privatrechtliches Handeln der öffentlichen Hand ohne unternehmerischen Charakter vor, das mangels marktbezogener wirtschaftlicher Tätigkeit keiner lauterkeitsrechtlichen Verhaltenskontrolle unterliege.
Mit den zuletzt angestellten Überlegungen in der referierten Entscheidung werden die überwiegenden öffentlichen Zielsetzungen angesprochen. Solche liegen insbesondere dann vor, wenn die öffentliche Hand typisch ihr zufallende Aufgaben der Daseinsvorsorge oder der Schaffung von Infrastruktur erfüllt (siehe dazu auch Thiele , UWG als Rettungsanker gegen Willkür, RPA 2018, 7 [10]).
2.3 Nach der Entscheidung 4 Ob 247/14y (= ecolex 2015, 1075 [ Hofmarcher ] = ÖBl 2016, 24 [ Schwartz ]) ist für die Abgrenzung der Zugehörigkeit der öffentlichen Hand zum geschäftlichen Verkehr entscheidend, dass sich der Staat bzw die öffentlich-rechtliche Körperschaft am Erwerbsleben beteiligt. Nur wenn die öffentliche Hand Güter zum Zweck des weiteren Umsatzes beschaffe, handle sie als Unternehmer. Im Fall einer reinen Beschaffungstätigkeit liege keine Teilnahme am Erwerbsleben vor. Auch hier stehe das öffentliche Interesse an der Erfüllung typischer öffentlicher Aufgaben so eindeutig im Vordergrund, dass eine lauterkeitsrechtlich relevante Förderung fremden Wettbewerbs auszuschließen sei. Eine Ausnahme bestehe aber bei gezielter Förderung fremden Wettbewerbs.
Tritt die öffentliche Hand als reine Nachfragerin auf, so liegt somit regelmäßig kein Handeln im geschäftlichen Verkehr vor. Dies wird damit begründet, dass es zwar nicht ausgeschlossen sei, dass einzelne Unternehmer aus solchen Maßnahmen mittelbar als Reflexwirkung einen Vorteil ziehen, in diesen Fällen das öffentliche Interesse aber so eindeutig im Vordergrund stehen werde, dass eine lauterkeitsrechtliche relevante Förderung fremden Wettbewerbs zu verneinen sei (vgl auch 4 Ob 63/18w = ÖBl 2019, 92 [Hofmarcher]).
2.4 Aus den bisher referierten Entscheidungen ist abzuleiten, dass bei Leistungen der öffentlichen Hand, die im überwiegenden öffentlichen Interesse erbracht werden, der unternehmerische Charakter und damit ein Handeln im geschäftlichen Verkehr im Allgemeinen zu verneinen ist. Dies gilt auch für die privatwirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand als reine Nachfragerin.
3.1 In der Entscheidung 4 Ob 71/02y wurde zur privatwirtschaftlichen Tätigkeit der öffentlichen Hand ausgesprochen, dass ein Verstoß gegen § 1 UWG auch darin liegen kann, dass die öffentliche Hand Machtmittel missbräuchlich einsetzt, die ihr aufgrund ihrer öffentlich‑rechtlichen Sonderstellung zur Verfügung stehen. Ein solcher Missbrauch hoheitlicher Machtstellung werde in der Förderung bestimmter Mitbewerber gesehen. Auch dann, wenn die Förderung in der Gewährung von Subventionen bestehe, dürften nicht einzelne Unternehmen unbegründet bevorzugt werden. Da die Grundrechte auch gegenüber dem nicht hoheitlich handelnden Staat stärkere Bindungswirkung entfalteten als dies im Verkehr unter Privaten zutreffe ( Koppensteiner , Österreichisches und europäisches Wettbewerbsrecht³ § 22 Rz 10), stehe die öffentliche Hand gerade bei Subventionsvergaben unter weitgehenden Anforderungen des Gleichheitssatzes ( Korinek/Holoubek, Grundlagen staatlicher Privatwirtschaftsverwaltung 154 ff). Diese Grundsätze müssten auch dann gelten, wenn die öffentliche Hand nicht unmittelbar, sondern in der Rechtsform einer juristischen Person des Privatrechts tätig werde. Auch in diesem Fall handle es sich um öffentliche Unternehmen, weil auch hier die öffentliche Hand Einflussmöglichkeiten habe (Korinek/Holoubek 255; Adamovich/Funk, Allgemeines Verwaltungsrecht³ 204).
3.2 Aus dieser Entscheidung folgt, dass ein Verstoß gegen § 1 UWG auch dann vorliegt, wenn die öffentliche Hand Machtmittel missbräuchlich einsetzt, die ihr aufgrund ihrer öffentlich-rechtlichen Sonderstellung zur Verfügung stehen (vgl auch RS0077436; RS0053259). Außerdem unterliegt die öffentliche Hand im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung der Bindung an die Grundrechte und insoweit über die Transformationsschleuse des § 1 UWG auch der lauterkeitsrechtlichen Kontrolle. Die Bindung an den Gleichheitssatz verpflichtet die öffentliche Hand zur strikten Gleichbehandlung der wirtschaftlichen Akteure (vgl dazu Rüffler, Wettbewerb der öffentlichen Hand und UWG – offene Fragen, in FS Griss 557 [559 und 562]). Dies gilt insbesondere auch für die Vergabe von Subventionen (4 Ob 71/02y; 4 Ob 158/17i).
Mit Bezug auf den Anlassfall ist die öffentliche Hand aufgrund der Grundrechtebindung zur Gleichbehandlung von Wirtschaftsteilnehmern verpflichtet und darf diese nicht unsachlich bevorzugen oder benachteiligen (vgl auch 4 Ob 158/17i). Eine unsachliche Ungleichbehandlung von Wirtschaftsteilnehmern führt zur Förderung fremden Wettbewerbs, weshalb sie der lauterkeitsrechtlichen Kontrolle unterliegt. Dies gilt auch in jenen Bereichen, in denen die öffentliche Hand im überwiegenden öffentlichen Interesse tätig wird, weil der Gleichbehandlungsgrundsatz in allen Bereichen staatlichen Wirtschaftens zu beachten ist (RS0038110). Hinzu kommt, dass es sich beim Steiermärkischen Behindertengesetz um ein Selbstbindungsgesetz zur (Mit‑)Finanzierung von Leistungen im Rahmen der Behindertenhilfe handelt. Hat sich eine Gebietskörperschaft in einem Selbstbindungsgesetz zur Leistung unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet, so ist sie von Gesetzes wegen verpflichtet, diese Leistung jedermann zu erbringen, der diese Voraussetzungen erfüllt, wenn sie eine solche Leistung in anderen Einzelfällen bereits erbracht hat (https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0117458&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False ; https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&GZ=4Ob213/11v&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True ; 4 Ob 134/12b). Eine Leistungsverweigerung muss demnach mit dem Diskriminierungsverbot im Einklang stehen.
3.3 Für den Anlassfall ergibt sich daraus, dass eine privatwirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand auch dann, wenn die öffentliche Hand damit überwiegende öffentliche Zielsetzungen verfolgt bzw als reine Nachfragerin tätig ist, insoweit der lauterkeitsrechtlichen Kontrolle unterliegt, als sie die Grenze des Gleichbehandlungsgebots überschreitet und einzelne Wirtschaftsteilnehmer unsachlich bevorzugt.
4.1 Das beklagte Land ist verpflichtet, Personen mit Behinderung geeignete Leistungen der Behindertenhilfe zu gewähren. Zur Erfüllung dieser Verpflichtung kauft das beklagte Land die erforderlichen Leistungen auf dem Markt ein und tritt dabei als Nachfrager auf (vgl 4 Ob 134/12b). Aus diesem Grund unterliegt das beklagte Land bei dieser Tätigkeit dann einer lauterkeitsrechtlichen Kontrolle nach § 1 Abs 1 Z 1 UWG, wenn es gegen den Gleichheitsgrundsatz verstößt, der unsachliche Differenzierungen verbietet. Nachfrage und Angebot müssen daher auf objektiven und nachprüfbaren (Auswahl-)Kriterien beruhen, die transparent und sachlich gerechtfertigt sind (vgl 4 Ob 31/02s; 4 Ob 5/11f; 7 Ob 299/00x).
4.2 Ausgehend von diesen Grundsätzen ist von einer objektiven Förderung fremden Wettbewerbs dann auszugehen, wenn das beklagte Land im Zusammenhang mit von ihm nachgefragten Supervisorenleistungen sachwidrige Auswahlkriterien zugrunde legt und dadurch diesen Kriterien nicht entsprechende Anbieter unsachlich benachteiligt.
5.1 Nach der Formulierung des Sicherungsbegehrens soll dem beklagten Land auch verboten werden, „Mindeststandards nach ähnlichen Voraussetzungen“ (wie die Eintragung in eine der beiden Listen) für die Durchführung von Supervisionen im Rahmen der Behindertenhilfe zu verlangen. Das Begehren wendet sich damit gegen die Zulässigkeit jeglicher Ausbildungsstandards für die Tätigkeit als Supervisoren im Rahmen der Behindertenhilfe.
5.2 Dieses Begehren ist schon deshalb nicht berechtigt, weil das Verlangen von Mindeststandards für die Supervisorenausbildung nicht unsachlich ist. In dieser Hinsicht beruft sich das beklagte Land zu Recht auf die notwendige Qualitätssicherung in Bezug auf die Leistungen der Behindertenhilfe.
6.1 Da die Qualitätssicherung ein legitimes Ziel für hohe Ausbildungserfordernisse ist, ist es grundsätzlich sachgerecht, für die Supervisorentätigkeit geeignete Mindestanforderungen an die Ausbildung zu stellen. In Bezug auf solche Mindeststandards ist es zudem sachgerecht, wenn das beklagte Land die Überprüfung deren Einhaltung nicht in jedem Einzelfall vornimmt, sondern dafür eine Zertifizierung der Ausbildung verlangt, die auch durch die Eintragung in eine geeignete Liste (vergleichbar etwa mit einer Sachverständigenliste für gerichtliche Tätigkeit) nachgewiesen wird.
6.2 Das von den Klägerinnen erhobene Begehren könnte daher nur dann berechtigt sein, wenn das beklagte Land Bewerbern eine Qualifikation abspräche, obwohl sie in Zertifizierungslisten eingetragen sind, die den bisher verlangten vergleichbar sind, weil sie eine gleichwertige Ausbildung verbriefen.
6.3 Nach ihrem Vorbringen stützen sich die Klägerinnen in Wirklichkeit darauf, dass die von ihnen ins Treffen geführte „Kurzausbildung“ der ÖVS‑Ausbildung qualitativ gleichwertig sei, zumal die „Kurzausbildung“ zeitlich umfangreicher und eine universitäre Vorbildung für die Qualifikation irrelevant sei.
In dieser Hinsicht scheitert das Begehren im Sicherungsverfahren schon an den zutreffenden Überlegungen des Rekursgerichts, wonach eine Gleichwertigkeit der Qualität der „Kurzausbildung“ im Vergleich zur ÖVS‑Ausbildung mit den in diesem beschleunigten Verfahren gebotenen Mitteln nicht bescheinigt werden kann. Damit sind die Klägerinnen der sie treffenden Bescheinigungslast nicht nachgekommen. Die Frage, ob sich die öffentliche Hand bei einer Verletzung der Grundrechtebindung im Rahmen der lauterkeitsrechtlichen Kontrolle auf eine vertretbare Rechtsansicht beim Rechtsbruch berufen kann, muss damit hier nicht geklärt werden.
7. Soweit die Klägerinnen ausführen, dass die Leistungs- und Entgeltverordnung 2015 zum StBHG keine fachlichen Mindeststandards für die hier gegenständlichen Leistungsarten, sondern nur entsprechende Kostenansätze enthalte, ist darauf hinzuweisen, dass das beklagte Land im Rahmen der Behindertenhilfe privatwirtschaftlich tätig wird. In diesem Bereich werden die Rechtsbeziehungen durch privatrechtliche (vertragliche) Gestaltungsmittel geregelt, weshalb das beklagte Land die Qualifikationsanforderungen auch in den mit den Trägerorganisationen der Behindertenhilfe abgeschlossenen Verträgen festlegen kann (vgl dazu 8 Ob 134/17i).
8. Die Überlegungen der Klägerinnen zum angeblichen Kartellrechts- und Monopolverstoß widersprechen, worauf schon das Rekursgericht zutreffend hingewiesen hat, dem Neuerungsverbot.
9. Zusammenfassend ist die das Sicherungsbegehren abweisende Entscheidung des Rekursgerichts nicht zu beanstanden. Dem Revisionsrekurs der Klägerinnen war daher der Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 41, 50 ZPO.
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