Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit 2.608,50 EUR bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung (darin 434,75 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Klägerinnen gehören zu einer Unternehmensgruppe, an deren Spitze ein Verein steht, der Alleingesellschafter der Erst- und Drittklägerin sowie Mehrheitsgesellschafter der Zweitklägerin ist. Diese Unternehmensgruppe verschrieb sich seit ihrer Gründung 1989 als gemeinnützige und politisch unabhängige Organisation dem Ziel, Menschen mit Behinderung bestmöglich in den Alltag zu integrieren. Die Unternehmensgruppe erbringt nicht nur Leistungen der Behindertenhilfe, sondern bietet darüber hinaus auch soziale Leistungen im Bereich Jugendwohlfahrt und Altenpflege sowie Schulungs- und Arbeitsintegrationsmaßnahmen für sozial schwache Gesellschaftsschichten an. Die Klägerinnen betreuen im Auftrag des beklagten Landes derzeit insgesamt 781 Menschen mit Behinderung, davon sind 316 Menschen mit Behinderung von den verfahrensgegenständlichen Hilfeleistungen betroffen. Ein Mitglied der Geschäftsführung der Klägerinnen ist zugleich Präsident des Dachverbands, der satzungsgemäß auch die Vertretung der Interessen aller anderen Träger der Behindertenhilfe bezweckt.
Neben den Klägerinnen existieren in der Steiermark noch weitere 85 Träger der Behindertenhilfe. Der Dachverband vertritt die Interessen von 48 Trägern unterschiedlicher Größe.
Die Menschen mit Behinderung können gemäß § 4 Abs 3 des Steirischen Landesgesetzes vom 10. 2. 2004 über Hilfeleistungen für Menschen mit Behinderung (StBHG) unter den für ihre Bedürfnisse in Frage kommenden gleichartigen Einrichtungen und Diensten frei wählen; sie werden im Bescheid der Landesbehörde, welcher über ihre Ansprüche auf Leistungen nach dem StBHG bestimmt, weder einem konkreten Träger noch einer konkreten Hilfeeinrichtung zugewiesen. Der Mensch mit Behinderung legt seiner Entscheidung, bei welchem Träger er die bescheidmäßig zugesprochene Hilfeleistung konsumieren möchte, neben der räumlichen Nähe auch Entscheidungsfaktoren wie das äußere und innere Erscheinungsbild der Einrichtung, die Qualifikation und Motivation der dortigen Mitarbeiter, die konkreten Leistungsinhalte und ähnliches zugrunde. Diesbezüglich müssen die Träger der Behindertenhilfe um ihre Kunden (Menschen mit Behinderung) werben und stehen daher untereinander im Wettbewerb.
Menschen mit Behinderung haben gemäß § 2 Abs 1 StBHG nach Maßgabe des Steiermärkischen Behindertengesetzes einen Rechtsanspruch auf Hilfeleistungen. Über Art und Ausmaß dieser Hilfeleistungen entscheiden die Verwaltungsbehörden des Landes mit Bescheid (§ 42 StBHG).
Einrichtungen der Behindertenhilfe dürfen nur mit Bewilligung der Landesregierung betrieben werden (§ 43 Abs 1 StBHG). Die mit Bescheid zu erteilende Bewilligung ist an gesetzliche und in einer Leistungsverordnung des Landes näher determinierte Voraussetzungen gebunden. § 43 Abs 4 StBHG sieht vor, dass Träger von Einrichtungen der Behindertenhilfe ihre Leistungen nur dann direkt mit dem Land verrechnen können, wenn sie mit dem Land einen Vertrag abgeschlossen haben, wobei die Übernahme der Kosten in Form von Tagsätzen erfolgt. Entsprechend dieser gesetzlichen Vorgabe und unter Zugrundelegung der in entsprechenden Verordnungen derSteiermärkischen Landesregierung festgelegten Leistungen und Leistungsentgelten schlossen die Träger der Behindertenhilfe, unter anderem auch die Klägerinnen, mit dem beklagten Land Leistungsverträge ab, aufgrund derer die Verrechnung der zu Gunsten der Menschen mit Behinderung erbrachten Leistungen zwischen den Trägern der Einrichtungen und dem Land erfolgte.
Im März 2011 kündigte das Land sämtliche Leistungsverträge mit den Trägern der Behindertenhilfe zum 31. März 2012 auf und bot den Trägern den Abschluss neuer Leistungsverträge zu geänderten Bedingungen - unter anderem zu neuen reduzierten Leistungspreisen/Tagsätzen - an. Diesem Anbot lag die mit der Novelle LGBl Nr 43/2011 geänderte Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung über die Festlegung von Leistungen und Leistungsentgelten nach dem Steiermärkischen Behindertengesetz (LEVO 2011) zugrunde. Mit Ausnahme der Klägerinnen (und einem weiteren Träger, gegen den ein Verwaltungsstrafverfahren läuft) haben sämtliche steirischen Träger der Behindertenhilfe das Angebot des Landes angenommen und Leistungsverträge auf Basis der reduzierte Entgelte vorsehenden LEVO 2011 geschlossen. Nur die Klägerinnen lehnten das Anbot ab, dies unter anderem mit der Begründung, dass die darin enthaltenen Leistungspreise für einen Durchschnittsträger bei weitem nicht kostendeckend wären.
Die Klägerinnen begehren, das beklagte Land zu verurteilen, in den Abschluss näher bestimmter Leistungsverträge mit Wirkung ab 1. April 2012 einzuwilligen sowie festzustellen, dass das beklagte Land für sämtliche zukünftige, derzeit nicht bekannte Schäden haftet, die aus der Weigerung des Landes resultieren, mit den Klägerinnen Leistungsverträge zu angemessenen Bedingungen abzuschließen. Hilfsweise begehren die Klägerinnen die Feststellung, dass das beklagte Land nach dem 31. März 2012 für bestimmte tatsächlich erbrachte Leistungen bestimmte näher genannte, nach Auffassung der Klägerinnen kostendeckende Tagsätze nach Rechnungslegung zu bezahlen habe. Weiters wird hilfsweise die Verpflichtung zum Abschluss bestimmter näher spezifizierter Verträge begehrt, welche einerseits kostendeckende Tarife und andererseits nicht bestimmte von den Klägerinnen beanstandete Vertragsklauseln enthalten sollen. Schließlich begehren die Klägerinnen hilfsweise, das beklagte Land zur Unterlassung zu verpflichten, den Klägerinnen die Verrechnung kostendeckender näher bestimmter Tagsätze zu verweigern und schließlich hilfsweise die Feststellung, dass die vom beklagten Land zum 31. März 2012 ausgesprochenen Vertragskündigungen unwirksam seien.
Zur Sicherung dieser Leistungs- und Feststellungsbegehren beantragen die Klägerinnen, das beklagte Land mit einstweiliger Verfügung bis auf weiteres, längstens jedoch bis zur rechtskräftigen Erledigung dieses Verfahrens dazu zu verpflichten, für von den Klägerinnen gegenüber Menschen mit Behinderung erbrachte Leistungen bestimmte näher genannte Tagsätze je nach Leistungsart nach Rechnungslegung verrechnen zu lassen oder für eine solche Verrechnungsmöglichkeit zu sorgen; hilfsweise dem beklagten Land (einstweilen) aufzutragen, in ein schriftliches Vertragsangebot der Klägerinnen einzuwilligen, nach dem diese bis zur rechtskräftigen Erledigung des Verfahrens zur Verrechnung näher bestimmter Tagsätze für die erbrachten Leistungen berechtigt sind; hilfsweise dem beklagten Land zu untersagen, die Verrechnung kostendeckender Tagsätze für die von den Klägerinnen erbrachten Leistungen zu verweigern und schließlich hilfsweise dem beklagten Land aufzutragen, über den 31. März 2012 hinaus bis auf weiteres, längstens jedoch bis zur rechtskräftigen Erledigung dieses Verfahrens, ihre Pflichten aus den zuvor geschlossenen, mittlerweile gekündigten Verträgen zu erfüllen.
Die Nichtannahme der rechts- und sittenwidrigen Vertragsanbote des beklagten Landes bedeute für die Klägerinnen einen vertragslosen Zustand ab 1. April 2012 und mache im Ergebnis die Einstellung des Geschäftsbetriebs sowie die Liquidation erforderlich. Unter Zugrundelegung der angebotenen Verträge würden die Klägerinnen bei fachgemäßer und rechtskonformer Betreuung der Menschen mit Behinderung einen Jahresverlust von 738.000 EUR erwirtschaften. Die mittels Bescheid auf Dauer zur Erbringung von Hilfeleistungen befugten Klägerinnen hätten einen Anspruch auf Leistungsverträge zu angemessenen Bedingungen, insbesondere einen kostendeckenden Leistungspreis. Die Steiermärkische Landesregierung habe mit der LEVO 2011 die Leistungspreise wider besseres Wissen willkürlich reduziert. Das Land habe auf dem Markt „Behindertenhilfe“ eine Monopolstellung als alleiniger Nachfrager und nutze seine Marktmacht rechtswidrig und unlauter aus. Während die Klägerinnen im missbrauchten Vertrauen auf die Vertragstreue des Landes ihre Unternehmen umfangreich und kostenintensiv für die Erbringung von Hilfeleistungen gegenüber Menschen mit Behinderung aufgebaut hätten, habe das Land seine Macht systematisch in unlauterer Weise ausgenützt, indem es unzulässige Kündigungen der bestehenden Leistungsverträge ausgesprochen und Scheinverhandlungen über neue Leistungsverträge geführt habe. Die angebotenen Leistungspreise seien bei weitem nicht kostendeckend. Wertsicherungsklauseln fehlten. Die einzelnen Träger der Behindertenhilfe im Hinblick darauf gewährten Subventionen seien unzulässig und verzerrten den Wettbewerb unter den Trägern am Markt „Behindertenhilfe“. Die Pflicht des Landes, mit den Klägerinnen Leistungsverträge abzuschließen, ergebe sich aus dem StBHG selbst, überdies unterliege das Land auch einem Kontrahierungszwang. Daraus folge die Verpflichtung, einen Vertrag zu angemessenen Bedingungen abzuschließen, andernfalls wäre der Kontrahierungszwang wirkungslos. Da die Klägerinnen die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erbringung der Behindertenhilfsleistungen erfüllten (aufrechte behördliche Bewilligung), hätten sie Anspruch auf Leistungsverträge mit angemessenen, das heißt kostendeckenden Preisen. Die Bestimmungen des StBHG seien im Sinn der Vollkostendeckung für die Träger auszulegen. Die beharrliche Weigerung des Landes, zu angemessenen Bedingungen zu kontrahieren, bilde einen gravierenden Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Die Tag- und Stundensätze der LEVO für die hier zu beurteilenden Leistungsverträge hätten nur empfehlenden Charakter, Preisfestsetzungen einer Vertragspartei iSd § 1056 ABGB seien unverbindlich, wenn sie - wie hier - offenbar unbillig seien. Offenbar unbillige von einer Partei festgesetzte Leistungspreise seien gerichtlich zu korrigieren. Überdies sei die Vorgangsweise des Landes, einerseits nicht kostendeckende Leistungspreise anzubieten, andererseits einzelnen Trägern der Behindertenhilfe Subventionen anzubieten, ein unzulässiger Eingriff in den Leistungswettbewerb und bei Gesamtbetrachtung unlauter iSd § 1 Abs 1 Z 1 UWG. Durch die Kündigung der Leistungsverträge sei der Fortbestand der Klägerinnen akut gefährdet; die Klägerinnen müssten den Betrieb einstellen und Liquidationsmaßnahmen einleiten. Ohne Verrechnungs-möglichkeit gegenüber dem Land für tatsächlich erbrachte Leistungen an Menschen mit Behinderung bestehe für die Klägerinnen ab 1. April 2012 eine unmittelbare Bestandsgefahr. Es drohe ein unwiederbringlicher Schaden, zumal mehr als 300 Menschen mit Behinderung nicht weiter betreut werden könnten und den Klägerinnen die Vernichtung ihrer wirtschaftlichen Existenz drohe.
Das beklagte Land wendete ein, mit der LEVO 2011 seien nicht nur die Leistungsentgelte, sondern auch die zu erbringenden Leistungen reduziert worden. Die Leistungsentgelte seien durch die LEVO 2011 verbindlich festgelegt, daran sei das beklagte Land gebunden. Beide Parteien seien aufgrund der Gesetzes- und Verordnungslage gezwungen, den Preis nicht im Vertrag zu regeln, sondern der Verordnungsgeberin zu überlassen. Die Verordnung sei einer gerichtlichen Prüfung entzogen. Nicht das beklagte Land frage Leistungen zugunsten Menschen mit Behinderung nach, sondern diese selbst, die sich selbständig den Träger aussuchen könnten. Ein Leistungsvertrag iSd § 47 Abs 4 StBHG sei für die Inanspruchnahme und Vergütung der Leistungen nicht Voraussetzung. Das Land habe lediglich aufgrund seiner gesetzlichen Verpflichtung jedem Träger den Abrechnungs- und Controllingvertrag zu denselben Bedingungen anzubieten, was auch gemacht werde. Das Land habe weder gegen das Willkürverbot noch das Gleichbehandlungsgebot verstoßen, ein Kontrahierungszwang sei nicht gegeben. Überdies seien die angebotenen Leistungsentgelte angemessen. § 1056 ABGB sei nicht anzuwenden, überdies liege keine grob unbillige Festsetzung der Preise vor. Das Land handle auch nicht im geschäftlichen Verkehr, UWG-Ansprüche schieden daher aus. Die Kündigungen unter Einhaltung einer einjährigen Kündigungsfrist zum 31. März 2012 seien rechtmäßig, Rechtsmissbrauch liege nicht vor. Die Klägerinnen seien nicht schutzwürdig, sie hätten sich selbst unlauter verhalten (Bieterkartell). Die beantragten einstweiligen Verfügungen seien teils unzulässig, weil zur Sicherung von Geldforderungen nicht gesetzlich gedeckt, jedenfalls aber unbegründet im Hinblick auf die angemessenen angebotenen Preise und darüber hinaus liege auch nicht die Gefahr eines unwiederbringlichen Schadens vor, weil die Klägerinnen nicht von Insolvenz bedroht seien.
Das Erstgericht wies das Sicherungsbegehren zur Gänze ab. Sämtliche Klagebegehren zielten darauf ab, das beklagte Land zur Leistung höherer Tagsätze zu verpflichten, als sie in der LEVO 2011 festgelegt seien. Die in der LEVO 2011 festgelegten Leistungsentgelte seien aber verbindlich, eine privatautonome Gestaltungsfreiheit fehle. Die LEVO 2011 stehe auch der Annahme eines davon abweichenden Kontrahierungszwangs oder der Anwendung der Regeln über die Preisbestimmung durch Dritte nach § 1056 ABGB entgegen. Handle das Land in Entsprechung einer Durchführungsverordnung, bleibe auch für einen Lauterkeitsverstoß kein Raum. Die Prüfung der Gesetzmäßigkeit der LEVO 2011 komme im Provisorialverfahren im Hinblick auf die Notwendigkeit einer raschen Entscheidung über die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nicht in Betracht. Die Ausführungen der Klägerinnen zu angeblichem rechts- und sittenwidrigen Verhalten des Landes, insbesondere im Zusammenhang mit dem Missbrauch seiner Sonderstellung, der Irreführung und der Gewährung von Subventionen fänden in den Sicherungsanträgen keine Entsprechung.
Das Rekursgericht bestätigte die Antragsabweisung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfragen erheblicher Bedeutung nicht zu entscheiden gewesen seien. Zwar bestehe für die öffentliche Hand Kontrahierungszwang zu angemessenen Bedingungen, soweit sie im Rahmen des Privatrechts tätig werde und in Ausübung ihrer faktischen oder rechtlichen Monopolstellung handle, die von den Klägerinnen als nicht kostendeckend bekämpften Leistungsentgelte seien aber durch die Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung verfügt worden. Der Mensch mit Behinderung habe demnach aufgrund des von der Behörde erlassenen Individualbescheids gegenüber dem beklagten Land Anspruch auf Abgeltung der vom Träger ihm gegenüber erbrachten und seinem Behinderungszustand entsprechenden Leistungen im Ausmaß der jeweils aktuellen Leistungsverordnung und der darin bestimmten Leistungskataloge und -preise. An diese Tagsätze sei das beklage Land bei Abschluss der Leistungsverträge gebunden. Ebenso stehe dem Gericht die Prüfung der Gültigkeit der gehörig kundgemachten und durch nachträglichen Erhalt einer gesetzlichen Grundlage gesetzgemäßen Verordnung nicht zu. Die vorliegenden Sicherungsanträge, mit denen die Klägerinnen die Verrechnung von der zitierten LEVO abweichender (höherer) Tagsätze anstreben, bekämpften die durch die LEVO verpflichtend verordneten Tagsätze, deren Überprüfung jedoch dem Gericht entzogen sei. Die Klägerinnen könnten sich auch nicht auf § 1056 ABGB berufen, weil die durch Verordnung festgesetzten Preise der gerichtlichen Kontrolle entzogen seien. Damit sei aber auch nicht relevant, dass das Erstgericht keine weiteren Sachverhaltsfeststellungen zur Monopolstellung der Beklagten sowie zur Angemessenheit der Leistungspreise getroffen habe. Im Hinblick auf die fehlende Anspruchsbescheinigung müsse zur bestrittenen Gefahrenbescheinigung nicht Stellung genommen werden. Auf Basis des bescheinigten Sachverhalts bestünden auch keine ausreichenden Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der Verordnung über die Leistungspreise.
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerinnen, mit dem sie ihre Sicherungsanträge weiter verfolgen, ist mangels Rechtsprechung zu einem vergleichbaren Sachverhalt zulässig, aber nicht berechtigt.
1. Bereits im Rekursverfahren beschränkten die Klägerinnen ihr Vorbringen zur Stützung der gestellten Sicherungsanträge auf den ihrer Ansicht nach bestehenden Kontrahierungszwang zu angemessenen Bedingungen, die sie in den Vertragsanboten des beklagten Landes infolge nicht kostendeckender Tarife vermissten, sowie auf eine grob unbillige Preisbestimmung durch Dritte bzw den Vertragspartner iSd § 1056 ABGB. Den erstinstanzlichen Versuch, das Begehren auf Zahlung nach Ansicht der Klägerinnen kostendeckender Preise, den Anspruch auf Abschluss entsprechender Verträge sowie Feststellung korrespondierender Vertrags- oder Schadenersatzpflichten mit behauptetem Missbrauch bestehender Marktmacht und/oder unlauterem Verhalten im Wettbewerb zu begründen, setzten die Klägerinnen hingegen nicht fort. In diesem Zusammenhang hat bereits das Erstgericht zutreffend darauf verwiesen, dass die erhobenen Leistungs-, Feststellungs- und Unterlassungsbegehren einem solchen Vorbringen auch nicht entsprechen.
Auch das Vorbringen zur behauptetermaßen unwirksamen weil unzulässigen Kündigung der bis 31. März 2012 wirksamen Leistungsverträge der Streitteile halten die Klägerinnen nicht aufrecht, sodass die auf Fortsetzung des gekündigten Vertragsverhältnisses gerichteten Ansprüche von vornherein ausscheiden.
2. Zum behaupteten Kontrahierungszwang zu angemessenen Bedingungen:
Das Steiermärkische Behindertengesetz (StBHG), dessen Ziel es ist, Menschen mit Behinderung zu unterstützen, damit sie an der Gesellschaft in gleicher Weise wie nicht behinderte Menschen teilhaben und ein möglichst selbstbestimmtes Leben führen können (§ 1), sieht für Menschen mit Behinderung nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Gesetzes einen Rechtsanspruch auf Hilfeleistungen vor (§ 2 Abs 1). Träger von Einrichtungen, die Hilfeleistungen für Menschen mit Behinderung erbringen, können nur dann [ihre Leistungen mit dem Land] verrechnen, wenn das Land mit ihnen einen Vertrag abgeschlossen hat, wobei die Übernahme der Kosten in Form von Tagsätzen erfolgt (§ 43 Abs 4 StBHG). Gleiches gilt gemäß § 45 Abs 7 StBHG für Träger eines Dienstes der Behindertenhilfe. Gemäß § 47 Abs 4 StBHG kann das Land mit den Trägern von Einrichtungen der Behindertenhilfe sowie Diensten der Behindertenhilfe einen Vertrag abschließen, der die zu erbringenden Leistungen, das Entgelt für die zu erbringenden Leistungen, soweit es nicht durch die Leistungs- und Entgeltverordnung nach § 47 Abs 1 StBHG erfasst sind, die Vertragsdauer und Kündigungsgründe zu regeln hat.
Den vorgenannten Bestimmungen ist somit kein Rechtsanspruch von Trägern der Behindertenhilfe wie den Klägerinnen zu entnehmen, mit dem beklagten Land Verträge über die Direktverrechnung der von den Trägern erbrachten Leistungen, insbesondere mit einem bestimmten Inhalt, abzuschließen. Der Oberste Gerichtshof hat aber bereits mehrfach zu vergleichbaren Selbstbindungsgesetzen der öffentlichen Hand darauf verwiesen, dass für die Verneinung der Leistungspflicht der Hinweis auf die Regelung über den Mangel eines Rechtsanspruchs in einem Selbstbindungsgesetz nicht genügt. Es besteht vielmehr ein klagbarer Anspruch gegen die auf Grundlage eines Selbstbindungsgesetzes leistungspflichtige Gebietskörperschaft, soweit ein solcher Anspruch nicht mangels Erfüllung der im Selbstbindungsgesetz normierten Leistungsvoraussetzungen oder in Ermangelung solcher Vorschriften deshalb ausscheidet, weil die Leistungsverweigerung in einem bestimmten Einzelfall dem Gleichbehandlungsgebot bzw dem Diskriminierungsverbot aus besonderen Gründen nicht widerspricht. Hat sich daher eine Gebietskörperschaft in einem Selbstbindungsgesetz zur Leistung unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet, so ist sie von Gesetzes wegen verpflichtet, diese Leistung jedermann, der diese Voraussetzungen erfüllt, zu erbringen, wenn sie eine solche Leistung in anderen Einzelfällen bereits erbrachte (1 Ob 272/02k = SZ 2003/17 ua; zuletzt etwa 4 Ob 213/11v; RIS-Justiz RS0117458).
Im vorliegenden Fall weigert sich das beklagte Land aber gar nicht, mit den Klägerinnen in gleicher Weise und zu den gleichen Bedingungen wie mit den anderen Trägern der Behindertenhilfe Verträge über die Leistungsverrechnung abzuschließen. Insoweit können die Klägerinnen dem beklagten Land daher weder Willkür noch eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes vorwerfen. Es würde hingegen dem Gleichbehandlungsgebot widersprechen, wäre das beklagte Land gerade gegenüber den Klägerinnen bereit, mehr für die von ihr in gleicher Art wie von anderen Trägern der Behindertenhilfe erbrachten Leistungen zu bezahlen als jenen Trägern, die bereits Verträge mit dem Land auf Basis des allen Trägern gemachten Anbots abgeschlossen haben.
Allgemeiner Kontrahierungszwang bedeutet, dass ein Unternehmer, der die Leistung bestimmter Sachen oder Dienste öffentlich in Aussicht stellt, einem zum angesprochenen Personenkreis gehörigen Interessenten, wenn diesem zumutbare Ausweichmöglichkeiten fehlen, die zur Befriedigung seines Bedarfs nötige einschlägige Leistung und den sie vorbereitenden Vertragsschluss ohne sachlich gerechtfertigte Gründe nicht verweigern darf, wenn es sich dabei um „Normalbedarf“ oder „Notbedarf“ handelt und er Willens und in der Lage ist, sie zu den gewöhnlichen Bedingungen zu erwerben. Zum „Normalbedarf“ gehört dabei auch die Sicherung der ungestörten normalen Berufsausübung, die jedermann für sich selbst in Anspruch nimmt (4 Ob 222/10s mwN). Insbesondere für Monopolisten gilt die privatautonome Abschlussfreiheit nicht; sie sind stattdessen zum Vertragsabschluss verpflichtet, weil sie andernfalls aufgrund ihrer marktbeherrschenden Stellung die Möglichkeit zur Fremdbestimmung hätten. Potentiellen Vertragspartnern von Monopolisten ist es nämlich nicht möglich, auf alternative Anbieter auszuweichen (4 Ob 222/10s mwN; vgl RIS-Justiz RS0016745, RS0016762, RS0016744). Dieser dargestellte Kontrahierungszwang trifft also Anbieter von Waren und Dienstleistungen, nicht jedoch (allenfalls alleinige) Nachfrager nach Waren oder Dienstleistungen (Monopsonisten). Tritt die öffentliche Hand als Nachfrager auf, ist sie zwar den Vorschriften des Vergaberechts unterworfen - deren Verletzung wird hier nicht geltend gemacht - sie unterliegt aber keinem Kontrahierungszwang. Der von den Klägerinnen behauptete Anspruch auf Abschluss von Leistungsverrechnungsverträgen mit von den Klägerinnen begehrten Tarifen, dessen Sicherung sie anstreben, besteht daher nicht. Im Rahmen allgemeiner privatautonomer Rechtsgestaltung ist das beklagte Land daher frei, Vertragspartner zu suchen, die bestimmte Leistungen für bestimmte Entgelte zu erbringen bereit sind, und die Klägerinnen sind frei, Leistungen zu angebotenen Entgelten zu erbringen oder davon Abstand zu nehmen, wenn die ihnen angebotenen Entgelte für sie nicht zumindest kostendeckend erscheinen.
3. Preisfestsetzung durch Dritte oder eine Vertragspartei:
§ 1056 ABGB sieht vor, dass Käufer und Verkäufer die Festsetzung des Preises auch einer dritten bestimmten Person überlassen können. Obzwar das ABGB nur von einer Preisfestsetzung durch Dritte spricht, bejahen sowohl Lehre als auch Rechtsprechung die grundsätzliche Zulässigkeit und Wirksamkeit einer Vereinbarung, mit der die Preisfestsetzung einem Vertragspartner überlassen wird (RIS-Justiz RS0019994, RS0020079). Die Preisbestimmung durch Dritte oder Vertragspartner wird darüber hinaus auch für andere Verträge als zulässig angesehen (RIS-Justiz RS0020079).
Eine derartige Preisfestsetzung durch einen Dritten oder eine der Vertragsparteien, die im Falle offenbarer Unbilligkeit einer richterlichen Korrektur zugänglich ist (vgl RIS-Justiz RS0020010, RS0020079), liegt hier nicht vor, weil die Streitteile keinen Vertrag geschlossen und das Leistungsentgelt der Bestimmung von wem auch immer vorbehalten haben, sondern das beklagte Land bestimmte Leistungsentgelte seinem Vertragsanbot zugrundelegte, das von den Klägerinnen aber nicht angenommen wurde, sodass es gar nicht zu einem Vertragsschluss kam. § 1056 ABGB liefert keine Handhabe dafür, einen potentiellen Vertragspartner zur Änderung seines Anbots zu zwingen.
4. Da die Klägerinnen gegenüber dem beklagten Land keinen Anspruch auf die von ihnen begehrte Verrechnung bestimmter Leistungsentgelte bzw den Abschluss eines Vertrags zu bestimmten Bedingungen haben, bedarf es auch keiner Prüfung, ob die in der Leistungs- und Entgeltverordnung (LEVO 2011) genannten Entgelte und damit diese Verordnung dem StBHG entspricht.
5. Mangels Anspruchsbescheinigung bedurfte es auch keiner näheren Erörterung, ob die von den Klägerinnen gestellten Sicherungshaupt- und Eventualbegehren für die zu sichernden Ansprüche überhaupt tauglich oder zulässig sind und die von den Klägerinnen behaupteten Ansprüche infolge (qualifizierter) Gefährdung zu sichern wären.
6. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens beruht auf §§ 41 und 50 ZPO iVm § 393 Abs 1 EO; der Kostenberechnung war der Streitwert im Provisorialverfahren von 150.000 EUR zugrundezulegen.
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