European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E124247
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen
Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
Der Antragsgegner ist der Vater der am 26. 2. 1999 geborenen, seit ihrer Geburt schwer behinderten Antragstellerin. Die Antragstellerin lebt im Haushalt ihrer Mutter, die zur Sachwalterin, nunmehr gerichtliche Erwachsenenvertreterin (§ 1503 Abs 9 Z 10 ABGB), bestellt ist. Die Antragstellerin benötigt aufgrund ihrer Behinderung intensive Pflege in Form ständiger Betreuung und Beaufsichtigung. Diese Pflege wird derart gewährleistet, dass die Antragstellerin während 40 Wochenstunden eine Werkstätte besucht, für 43 Wochenstunden besteht eine Betreuung durch externe Pflegekräfte, für die restliche Zeit erfolgt die Betreuung durch die Mutter.
Die Kosten der externen Pflegekräfte betragen 2.603,62 EUR monatlich. Die Antragstellerin bezieht Pflegegeld der Stufe 5 in Höhe von 920,30 EUR. Davon werden ihr – nach Abzügen für den Bezug der erhöhten Familienbeihilfe und für die Kosten der Werkstätte – 602,20 EUR monatlich ausgezahlt. Vom Antragsgegner wurde ein monatliches Nettoeinkommen von 4.887 EUR zugestanden.
Gegenstand des Verfahrens ist der Unterhaltsanspruch für den durch externe Pflegekräfte gedeckten Sonderbedarf an Betreuungsleistungen.
Mit Beschluss des Erstgerichts vom 22. 4. 2013 zu * wurde der Antragsgegner zuzüglich zum nach der Prozentsatzmethode unter Berücksichtigung der steuerlichen Entlastung festgesetzten Regelunterhalt zur Zahlung von 100 EUR für die Dauer der Inanspruchnahme von Pflegekräften verpflichtet. Zum Zeitpunkt dieser Entscheidung befand sich die Antragstellerin wochentags jeweils bis 16:30 Uhr in der Schule und im Hort; darüber hinaus beschäftigte die Mutter eine Pflegekraft im Umfang von 20 Wochenstunden, wofür 925 EUR anfielen. Rechtlich kam das Erstgericht zum Ergebnis, der ungedeckte Teil der Pflegekosten sei zu zwei Dritteln vom Antragsgegner und zu einem Drittel von der Mutter zu tragen.
Mit gerichtlichem Vergleich vom 23. 10. 2015 verpflichtete sich der Antragsgegner zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbetrags von 900 EUR zuzüglich eines Betrags von 100 EUR für die Dauer des Zukaufs von Pflegedienstleistungen für die Antragstellerin. Die Vereinbarung über diese Sonderbedarfsleistung orientierte sich am zuvor genannten Beschluss des Erstgerichts.
Die Antragstellerin begehrt die Erhöhung des für Sonderbedarf gewidmeten Unterhaltsbetrags auf 1.193,32 EUR ab dem 1. 3. 2017. Sie bringt vor, die Pflegeleistungen hätten sich verändert. Die Betreuung erfolge für 40 Wochenstunden in einer Werkstätte und im Ausmaß von 43 Wochenstunden durch Pflegekräfte. Der Antragsgegner habe zwei Drittel des Sonderbedarfs (Kosten der Pflegekräfte) zu tragen.
Der Antragsgegner hält dem Erhöhungsbegehren entgegen, er sei mit Beschluss vom 22. 4. 2013 zur Leistung von 100 EUR für die Dauer des Zukaufs von Pflegedienstleistungen verpflichtet worden; es bestehe kein Anlass für eine neuerliche Antragstellung. Sofern die Mutter vollzeitig berufstätig sei, erbringe sie keine Betreuungsleistungen; sofern sie nicht berufstätig sei, sei ihr zumutbar, die Antragstellerin selbst zu betreuen. Der Antragstellerin sei aufgrund des für die Behinderung kausalen ärztlichen Kunstfehlers ein Schmerzengeld geleistet worden, auf das sie zur Abdeckung ihres erhöhten Pflegeaufwands greifen müsse.
Die Vorinstanzen gaben dem Erhöhungsantrag zur Gänze statt.
Das Erstgericht errechnete einen nicht durch die Differenz zwischen Regelunterhalt und tatsächlich geschuldetem Unterhalt, sowie durch das anteilig auf die Mutter und die Pflegekräfte aufgeteilten Pflegegeldes gedeckten Sonderbedarf von 1.789,97 EUR, der zu zwei Dritteln dem Vater aufzuerlegen sei. Eine Anrechnung des erhaltenen Schmerzengeldes nahm es nicht vor.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragsgegners nicht Folge. Rechtlich führte es aus, der Mutter sei die alleinige Betreuung der Antragstellerin in den Zeiten, in denen diese nicht in der Werkstätte aufhältig sei, nicht zumutbar. Die Fremdbetreuung sei zudem im Interesse der Unterhaltsberechtigten, weil dadurch regelmäßige soziale Kontakte mit Dritten stattfänden und eine völlige Verausgabung des betreuenden Elternteils hintangehalten werde. Die Notwendigkeit der Betreuung durch Dritte ergebe sich daher nicht ausschließlich aus der (im Umfang einer Halbtagsbeschäftigung von der Mutter zugestandenen) Berufstätigkeit. Eine Aufteilung des ungedeckten Pflegebedarfs zu Lasten des deutlich besser verdienenden Vaters im Verhältnis 1 : 2 sei nicht zu beanstanden. Das Rekursgericht berechnete den ungedeckten Sonderbedarf mit 1.544,62 EUR. Neben dem auf den Antragsgegner entfallenden Anteil von 1.193,32 EUR trage die Mutter 354,30 EUR. Die Lebensverhältnisse des Vaters seien aufgrund des frei bleibenden Einkommens von 2.793,68 EUR nicht gefährdet. Die trotz teilweiser Fremdbetreuung hohe Bindung der Mutter in ihrer Lebensgestaltung stehe der finanziellen Belastung des Vaters in einem angemessenen Verhältnis gegenüber.
Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs zu, weil zu krankheitsbedingtem Sonderbedarf volljähriger, schwer behinderter Kinder durch den Zukauf von Pflegedienstleistungen keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.
Der Antragsgegner bekämpft mit seinem Revisionsrekurs die Antragsstattgebung in ihrem gesamten Umfang. Er steht zusammengefasst auf dem Standpunkt, die Erhöhung der Fremdbetreuung sei ohne Änderung des Pflegebedarfs erfolgt und daher nicht als Änderung der Umstände zu werten. Darüber hinaus sei das der Antragstellerin zugeflossene Schmerzengeld bei der Festsetzung der Unterhaltspflicht für Sonderbedarf zu berücksichtigen.
Die Antragstellerin beantragt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise, ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, er ist auch im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags berechtigt.
1.1. Jede Unterhaltsregelung, ob durch gerichtliche Entscheidung oder (gerichtlichen) Vergleich, unterliegt der Umstandsklausel, sodass wesentliche Änderungen der Verhältnisse auf Antrag zu einer Neufestsetzung des Unterhaltsanspruchs führen (RIS-Justiz RS0053297 [T9]; RS0018984 [insb T15]). Die wesentliche Änderung hat sich auf die Bemessungsfaktoren oder die der Bemessung zugrunde gelegten Sachverhaltselemente zu beziehen. Eine solche Änderung liegt darüber hinaus auch bei einer Änderung der gesetzlichen Regelung oder einer tiefgreifende Änderung der Rechtsprechung vor (RIS-Justiz RS0053297 [T13]; 4 Ob 22/18s).
Im Allgemeinen hat die Neubemessung der Unterhaltsansprüche infolge einer Änderung der Verhältnisse nicht völlig losgelöst von der bestehenden vergleichsweisen Regelung und der in ihr zum Ausdruck kommenden Konkretisierung der Bemessungsgrundsätze zu erfolgen. Das gilt aber – von einer ausdrücklichen bezüglichen Vereinbarung der Parteien abgesehen – jedenfalls dann nicht, wenn die Bemessung des bisher aufgrund des Vergleichs geregelten Unterhalts nicht bloß aufgrund einer Änderung der Einkommensverhältnisse, sondern auch unter Berücksichtigung weiterer für die Unterhaltsbemessung maßgeblicher Umstände (geänderte Bedürfnisse oder Sorgepflichten) vorgenommen werden muss (RIS-Justiz RS0047471). Entscheidend ist die Auslegungsfrage, was die Parteien im Einzelfall mit ihrem Unterhaltsvergleich für die Zukunft regeln wollten (RIS-Justiz RS0047471 [T5, T16], 1 Ob 89/17x).
1.2. Im vorliegenden Fall liegt der Bemessung der Unterhaltspflicht des Antragsgegners für Sonderbedarf eine Beschäftigung externer Pflegekräfte im Umfang von 20 Wochenstunden neben der Betreuung in Schule und Hort (nunmehr in einer Werkstätte) zugrunde. Dieser Sachverhalt hat sich gegenüber den Verhältnissen im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses durch eine Reduktion der von der Mutter persönlich erbrachten Betreuungsleistungen und durch die Erhöhung des Umfangs der Pflegedienstleistungen maßgeblich verändert, was die Neubemessung des Unterhaltsanspruchs für Sonderbedarf rechtfertigt.
Da der Vergleich keine ausdrückliche Regelung für eine Ausweitung des Umfangs der externen Pflegedienstleistungen enthält, redlichen Parteien aber zu unterstellen ist, in der durch die Behinderung geschaffenen schwierigen Betreuungssituation allen Entwicklungen in angemessener Weise Rechnung tragen zu wollen, kann dem im Jahr 2015 abgeschlossenen Vergleich keine bindende Regelung für zukünftige Entwicklungen entnommen werden.
2.1. Sonderbedarf ist jener Mehrbedarf eines unterhaltsberechtigten Kindes, der sich aus der Berücksichtigung der beim Regelbedarf (allgemeiner Durchschnittsbedarf) bewusst außer Acht gelassenen Umstände des Einzelfalls ergibt (RIS-Justiz RS0117791, RS0109908). Ob ein solcher Sonderbedarf vom Unterhaltspflichtigen zu decken ist, hängt davon ab, wodurch er verursacht wurde (vgl RIS-Justiz RS0047560) und ob er dem Unterhaltspflichtigen angesichts der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Eltern des Kindes zumutbar ist (RIS-Justiz RS0107179). Generell kann gesagt werden, dass ein Sonderbedarf durch Momente der Außergewöhnlichkeit, Dringlichkeit und Individualität bestimmt wird (RIS-Justiz RS0047539), also nicht mit weitgehender Regelmäßigkeit für die Mehrzahl der unterhaltsberechtigten Kinder zusteht (8 Ob 3/18a mwN). Darunter fallen hauptsächlich Aufwendungen für die Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit und die Persönlichkeitsentwicklung sowie Ausbildungskosten. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls (10 Ob 106/12w). Die Behauptungs- und Beweispflicht für die den Sonderbedarf begründenden Umstände trifft den Unterhaltsberechtigten (RIS-Justiz RS0111406; RS0109908 [T8]).
2.2. Sonderbedarf ist immer nur bei „Deckungsmangel“ zuzusprechen. Er darf daher weder aus der Differenz zwischen dem Regelbedarf und dem konkret ausgemessenen Unterhalt bestritten werden, noch durch Sozialleistungen von dritter Seite (wie Krankenkassen- oder Privatversicherungsleistungen, Waisenrente, Pflegegeld udgl) gedeckt sein (Neuhauser in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 231 Rz 129 mwN; vgl RIS-Justiz RS0047525 [T2]; RS0109908 [T11]).
Erbringt der Unterhaltsschuldner ohnedies Unterhaltsleistungen, die den Regelbedarf beträchtlich übersteigen, ist im Rahmen der Unterhaltsbemessung Sonderbedarf nur dann zu ersetzen, wenn dessen Aufwendungen höher sind als die Differenz zwischen dem Regelbedarf und der laufenden monatlichen Unterhaltsverpflichtung (RIS-Justiz RS0047525 [T9]). Dies gilt allerdings dann nicht, wenn der Unterhaltsberechtigte lediglich deshalb nicht Unterhaltsbeiträge entsprechend der vollen Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen erhält, weil er schon die Luxusgrenze erreicht hat. Dann muss der Sonderbedarf zusätzlich zugesprochen werden, weil bei einer solchen Konstellation das Argument der nicht zu billigenden Überalimentierung des Unterhaltsberechtigten ins Leere ginge, sind doch Leistungen aus dem Titel des Sonderbedarfs zweckbestimmt und stehen nicht zur freien Verfügung des Unterhaltsberechtigten (RIS-Justiz RS0047525 [T8]; 8 Ob 3/18a).
Soll eine öffentlich-rechtliche Leistung ausschließlich einen bestimmten Sonderbedarf des Unterhaltsberechtigten abdecken, so kann dieser Sonderbedarf vom Unterhaltsberechtigten in diesem Umfang gegen den Unterhaltspflichtigen nicht mehr als erhöhter Unterhaltsanspruch geltend gemacht werden. So dient etwa das einem Kind zukommende Pflegegeld dem Einkauf der gegenüber einem nicht behinderten Kind erhöhten Pflege- und Betreuungsleistungen durch Drittpflege und/oder einen eigenen Elternteil (10 Ob 20/13h; 10 Ob 17/12s je mwN).
3. Bei den Kosten der Betreuung durch Dritte unterscheidet die Rechtsprechung vielmehr grundsätzlich danach, ob diese allein oder überwiegend der Entlastung des betreuenden Haushaltsführers dient, oder ob sie allein oder überwiegend im Kindesinteresse liegt.
Der Elternteil, in dessen Haushalt der Unterhaltsberechtigte lebt, erbringt gemäß § 231 Abs 2 Satz 1 ABGB seinen Beitrag zum Unterhalt durch die Betreuungsleistung. Daher hat er die Kosten, die durch die teilweise Übertragung dieser Betreuung an Dritte auflaufen, regelmäßig dann zu tragen, wenn die Übertragung der Betreuung nur in seinem Interesse gelegen ist. Dies kann etwa bei Inanspruchnahme einer Tagesmutter, Krabbelstube, oder eines Kindergartens der Fall sein (4 Ob 532/90; 2 Ob 106/12w). Hingegen liegt eine außerhäusliche Betreuung – nichts anderes kann für die Heranziehung dritter Pflegekräfte gelten – allein oder überwiegend im Kindesinteresse, wenn sie durch berücksichtigungswürdige Gründe in der Person des Kindes notwendig gemacht wird, wie dies etwa bei besonderer Pflegebedürftigkeit behinderter oder kranker Kinder der Fall ist (2 Ob 106/12w). Für derartige Fälle hat grundsätzlich der nicht betreuende Elternteil die Kosten zu tragen (2 Ob 106/12w), oder es ist ein billiger Ausgleich der Geldkosten zwischen den Eltern geboten (4 Ob 532/90 zu den Kosten der Betreuung eines behinderten Kindes durch eine Tagesmutter; 10 Ob 17/12s zu den ungedeckten Kosten der Betreuung eines im Haushalt der Mutter lebenden behinderten Kindes durch Drittpersonen).
Bei der gebotenen Abwägungsentscheidung ist zu beachten, dass die Grundregel des § 231 ABGB, die einen anteilsmäßigen Beitrag beider Elternteile vorsieht, den Elternteil, in dessen Haushalt das Kind lebt, nicht dazu verpflichtet, im Fall eines überdurchschnittlichen Betreuungsbedarfs in einem derart hohen Ausmaß Betreuungsleistungen zu erbringen, dass für den geldunterhaltspflichtigen anderen Elternteil aus dem Betreuungsmehrbedarf gar keine oder nur geringe finanzielle Aufwendungen erwachsen. Auch die aus dem Eltern-Kind-Verhältnis entspringende, gleichermaßen gegenüber volljährigen Kindern geltende (RIS-Justiz RS0009634) Beistandspflicht gemäß § 137 Abs 2 ABGB ist einerseits durch die Zumutbarkeit für den Einzelnen und andererseits durch die gesellschaftliche Üblichkeit der Leistung begrenzt (RIS-Justiz RS0130878 = 8 Ob 37/16y). Eine generelle Verpflichtung des haushaltsführenden Elternteils zur Erbringung weit überdurchschnittlicher Betreuungsleistungen zwecks Entlastung des geldunterhaltspflichtigen Elternteils kann daher nicht angenommen werden.
Es liegt vielmehr auf der Hand, dass die Angemessenheit eines Ausgleichs der Geldkosten für Betreuungsmehrbedarf stets von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängt.
4.1. Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Antragstellerin aufgrund ihrer Behinderung der dauernden Betreuung und Beaufsichtigung bedarf. Dieser Pflegebedarf geht über den Regelbedarf gesunder „Kinder“ der gleichen Altersgruppe weit hinaus, die einer derartigen Betreuung gar nicht bedürfen. Die Vorinstanzen haben den durch den Einsatz externer Pflegepersonen entstandenen Aufwand daher zutreffend als Sonderbedarf qualifiziert, der in den besonderen Verhältnissen der Antragstellerin begründet ist.
Es kann daher keine Rede davon sein, dass die Beschäftigung der Pflegekräfte alleine oder überwiegend im Interesse der Mutter erfolge. Ob das therapeutische Ziel, die Antragstellerin an eine Betreuung durch dritte Personen zu gewöhnen und ihr Sozialkontakte zu ermöglichen, auch mit einem geringeren Umfang an Drittbetreuung erreichbar ist, ändert nichts an der Qualifikation der Pflegekosten als in den Verhältnissen der Antragstellerin begründeten Sonderbedarf.
Die Vorinstanzen haben aber zutreffend berücksichtigt, dass die Heranziehung von Pflegekräften gleichzeitig mit einer Verminderung der Betreuungsleistungen der Mutter einhergeht. In einem solchen Fall ist der für das Pflegepersonal anfallende Aufwand, sofern eine „Deckungslücke“ besteht, weder isoliert dem (geldunterhaltspflichtigen) Antragsgegner noch der die Antragstellerin im Übrigen betreuenden Mutter allein aufzuerlegen, sondern ein billiger Ausgleich dieser finanziellen Aufwendungen vorzunehmen.
4.2. Der festgestellte Sachverhalt reicht jedoch für die Vornahme der gebotenen Billigkeitsentscheidung nicht aus.
Insbesondere steht nicht fest, aus welchen Gründen der Umfang der Heranziehung von Pflegekräften in einem derartigen Ausmaß erhöht wurde. Das Rekursgericht weist zwar darauf hin, dass sich aus dem Pflegegeldgutachten eine tendenzielle Vergrößerung des Pflegebedarfs im Zuge der pubertären Entwicklung ergibt. Ob und gegebenenfalls inwiefern eine solche seit dem Abschluss des Unterhaltsvergleichs am 23. 10. 2015 eingetreten ist, steht aber nicht fest. Damit ist aber auch nicht ersichtlich, ob sich – abgesehen von der Notwendigkeit der dauernden Betreuung – etwa die Intensität der Betreuungsleistungen und dadurch die persönliche Beanspruchung der Mutter geändert hat. Auch auf deren im Lauf der Jahre allenfalls veränderte körperliche und psychische Belastbarkeit wird im Zuge einer Billigkeitsentscheidung Bedacht zu nehmen sein.
Darüber hinaus wird auch der Umfang der von der betreuenden Mutter ausgeübten Berufstätigkeit und das von ihr erzielte Einkommen zu berücksichtigen sein, um auch ihr gegenüber beurteilen zu können, in welchem Umfang ihr die Deckung der Pflegekosten angesichts ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse zumutbar ist (vgl RIS-Justiz RS0107179).
Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren Feststellungen zu den genannten Umständen zu treffen und diese in die Ausmittlung eines billigen Ausgleichs zwischen den Eltern einzubeziehen haben.
5. Der Antragsgegner strebt schließlich die Berücksichtigung des der Antragstellerin zugekommenen Schmerzengeldes bei der Unterhaltsbemessung an.
Der Unterhaltsberechtigte hat die Finanzierung eines Sonderbedarfs aus seinen eigenen Einkünften, zu denen auch die Erträgnisse eines Vermögens gehören, zu bestreiten (RIS-Justiz RS0047440 [T11]). Entscheidend für die Anrechenbarkeit oder Nichtanrechenbarkeit einer Leistung als „eigene Einkünfte“ des Kindes ist, sofern keine ausdrückliche gesetzliche Anordnung vorliegt, der Zweck der jeweiligen Leistung (RIS‑Justiz RS0047555 [T6]). Ein dem Unterhaltsberechtigten zugeflossenes Schmerzengeld hat keine Entgeltersatzfunktion; es dient nicht der Deckung des Allgemeinbedarfs und ist daher nicht als Eigeneinkommen des Kindes anzurechnen (4 Ob 156/18x; 1 Ob 149/13p; 8 Ob 1/05p).
Das Schmerzengeld bezweckt auch nicht die Abgeltung des hier gegenständlichen Sonderbedarfs. Das Schmerzengeld ist die Genugtuung für alles Ungemach, das der Verletzte infolge der Verletzung erduldet (RIS-Justiz RS0031175). Es dient der Abgeltung sämtlicher Schmerzempfindungen körperlicher und seelischer Art (RIS‑Justiz RS0031175 [T3]) und soll den Verletzten in die Lage versetzen, sich als Ersatz für die Leiden und anstelle der ihm entzogenen Lebensfreude auf andere Weise gewisse Annehmlichkeiten und Erleichterungen zu verschaffen (RIS‑Justiz RS0031061).
Die Betreuung der Antragstellerin durch Pflegepersonal ist aufgrund ihrer Behinderung zur Hintanhaltung einer Gefährdung oder Verwahrlosung erforderlich, dient aber nicht dem Ausgleich der erlittenen körperlichen und seelischen Schmerzen. Die Antragstellerin ist daher nicht verhalten, das erlangte Schmerzengeld für den hier gegenständlichen Sonderbedarf aufzuwenden.
6. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 78 AußStrG.
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