European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E123214
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Die Klägerin ist seit dem Jahr 2010 Eigentümerin der Liegenschaft mit dem Haus P*straße 54, 1020 Wien. Die Beklagte ist seit dem Jahr 1988 Hauptmieterin der dortigen Wohnung Top 9a. Die Tochter der Beklagten O* D* wohnt seit ihrer Kindheit in dieser Wohnung, seit einigen Jahren gemeinsam mit ihrem Ehemann und zwei Kindern. Die Wohnung hat eine Größe von 82,03 m2.
Der am 31. 7. 2012 verstorbene Ehemann der Beklagten I* H* war Eigentümer von zwei Eigentumswohnungen. Aufgrund des zwischen der Beklagten, der Tochter O* D* und den zwei Söhnen geschlossenen Erbteilungsübereinkommens vom 8. 11. 2012 und des Einantwortungsbeschlusses vom 24. 1. 2013 wurde im Grundbuch das Wohnungseigentum der Beklagten an der Wohnung im Haus N*straße 52, 1020 Wien, und das Wohnungseigentum der Tochter an der Wohnung im Haus F*straße 3, 1020 Wien, einverleibt.
Über die Wohnung F*straße 3 war am 1. 10. 2010 ein Mietvertrag mit einem im Vertrag vorgesehenen Ende, ohne dass es einer Aufkündigung bedürfe, am 30. 9. 2013 geschlossen worden.
Die Klägerin kündigte der Beklagten die gegenständliche Wohnung P*straße 54 aus dem Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 sowie Z 6 MRG am 11. 2. 2015 gerichtlich auf und stellte ein Räumungsbegehren. Sie brachte vor, die Beklagte habe die Wohnung weitergegeben; sie wohne – wie sie einem mit Recherchen beauftragten Detektiv gegenüber selbst am 20. 1. 2015 bestätigt habe – seit sechs Jahren [somit seit etwa 2009; Anm] ständig in der Wohnung N*straße 52. Die Beklagte benötige die vermietete Wohnung offenbar nicht in naher Zeit für sich oder eintrittsberechtigte Personen. Die Tochter sei Eigentümerin der Wohnung F*straße 3, die derzeit leer stehe, in unmittelbarer Nachbarschaft zur aufgekündigten Wohnung liege und – wie die aufgekündigte Wohnung – aus drei Zimmern sowie einem Vorzimmer, einem Abstellraum und einem Nebenraum bestehe. Die Tochter sei über die Wohnung F*straße 3 bereits im Jahr 2010 verfügungsberechtigt gewesen. Sie habe auch die Mietverträge dieser Wohnung unterschrieben. Es seien befristete Mietverhältnisse mit ständig wechselnden Mietern abgeschlossen worden. Die drei ursprünglichen Mieter seien nach dem März 2012 nicht mehr in der Wohnung gewesen; mit den Nachmietern sei kein Mietvertrag vereinbart worden, weshalb deren Nutzungsverhältnis jederzeit wieder beendet werden hätte können. Alle Benutzer der Wohnung F*straße 3 wären, wären sie aufgefordert worden, jederzeit ausgezogen. Die Tochter der Beklagten habe daher ein allfällig dringendes Wohnbedürfnis an der gegenständlichen Wohnung selbst herbeigeführt.
Die Beklagte beantragte, die Aufkündigung als rechtsunwirksam aufzuheben und das Klagebegehren abzuweisen. Sie brachte zunächst vor, mit ihrer Familie in der aufgekündigten Wohnung zu wohnen. Selbst wenn man aber eine regelmäßige Benützung der Wohnung durch die Beklagte verneinen sollte, läge der Kündigungsgrund gemäß § 30 Abs 2 Z 4 MRG nicht vor, weil die Tochter der Beklagten, die seit ihrer Geburt in dieser Wohnung wohne, ein dringendes Wohnbedürfnis an ihr habe, zumal sie über keine andere gleichwertige Wohnmöglichkeit verfüge. Mit Schriftsatz vom 22. 12. 2016 brachte die Beklagte sodann vor, unmittelbar nach dem Tod ihres Ehemanns in die Wohnung N*straße 52 gezogen zu sein, wo sie schon seit 2009 gemeldet gewesen sei und auch zeitweise gewohnt habe, um ihren Ehemann zu pflegen. Die Wohnung in der F*straße 3 sei vom 1. 10. 2010 bis 30. 9. 2013 und vom 1. 11. 2013 bis 30. 10. 2016 vermietet gewesen. Der Mietvertrag des Jahres 2010 sei vom damals noch lebenden Ehemann der Beklagten abgeschlossen worden. Bereits vor dessen Ableben habe unter den späteren Erben Einigkeit bestanden, dass der Beklagten das gesamte Vermögen einschließlich der Wohnungen N*straße 52 und F*straße 3 zukommen sollte. Erst einige Monate nach dem Ableben des Ehemanns habe sich die Familie aus steuerlichen Gründen darauf geeinigt, dass die Wohnung F*straße 3 der Tochter zukommen solle. In diesem Sinne sei sodann das Erbteilungsübereinkommen vom 8. 11. 2012 erfolgt. Mitte 2012 habe weder aus rechtlichen noch aus tatsächlichen Gründen irgendeine Aussicht der Tochter bestanden, mit ihrer Familie in die Wohnung F*straße 3 übersiedeln zu können, weshalb zum Zeitpunkt des Auszugs der Beklagten aus der aufgekündigten Wohnung ein dringendes Wohnbedürfnis der Tochter an ihr bestanden habe; die Tochter sei Mitte 2012 als dem maßgeblichen Zeitpunkt eintrittsberechtigt gewesen.
Das Erstgericht hob die Kündigung auf und wies das Räumungsbegehren ab. Es traf – soweit von rechtlichem Interesse – zusätzlich zum eingangs wiedergegebenen unstrittigen Sachverhalt im bereits zweiten Rechtsgang folgende Feststellungen:
„Zu diesem Zeitpunkt [gemeint: 31. 7. 2012; Anm] hat die Beklagte mit ihrer Tochter und deren Ehemann in der gegenständlichen Wohnung gelebt.
Die Wohnung F*straße 3 war seit 2010 als WG vermietet worden: Am 1. 10. 2010 schloss die Beklagte als Vertreterin ihres Ehemanns I* H* mit S* W*, M* Ho* und F* K*, allesamt Studenten aus Graz, einen auf drei Jahre bis 30. 9. 2013 befristeten Mietvertrag über die gesamte Wohnung ab. Der Mietvertrag wurde auch von ihrer Tochter O* D* unterfertigt. Um die Verwaltung dieser Wohnung, Vereinnahmung der Miete usw kümmerte sich die Beklagte, um technische Fragen ihr Sohn R* H*. Intern war zwischen den Mitmietern klar geregelt, wer welches Zimmer hatte und die Anteile an der gemeinsamen Miete bezogen sich auch auf die Zimmergröße. Die Beklagte handhabte die Vermietung sehr locker, was den Wunsch der einzelnen WG-Mitglieder auf vorzeitige Auflösung ihres individuellen Vertragsverhältnisses betraf – wurde von einem der Mieter ein Nachmieter für das individuelle Zimmer gebracht, wurde der Name des alten Mieters aus dem Vertrag gestrichen und der neue hineingeschrieben. Die anteilige Kaution wurde dem alten Mieter vom neuen refundiert. Auf diese Art und Weise verließ F* K* die Wohnung schon wieder im Februar 2011, weil sie das kleinste der drei Zimmer hatte, das noch dazu straßenseitig lag. Ihr folgte eine N*. Im Sommer 2011 zog der Zeuge S* W* aus, dem ein gewisser C* folgte, der Zeuge M* Ho* blieb auch nur 2,5 Jahre und gab seine anteiligen Mietrechte an einen namentlich nicht bekannten Studenten weiter. Bis Ende Oktober 2012 war die Wohnung auf diese Art vermietet.
[…]
Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beklagte oder ihre Tochter O* D* ab August 2012 versucht hätten die Mietverhältnisse zu der Wohnung F*straße 3 zu beenden oder den Wohnsitz von O* D* dorthin zu verlegen. Im Gegenteil war die Tochter der Beklagten niemals gewillt selbst in die Wohnung F*straße zu ziehen, da sie zwar über die selbe Anzahl von Räumen verfügte, wie die gegenständliche Wohnung, aber von der Fläche deutlich kleiner, zudem im Sommer heiß und straßenseitig sehr laut war.
Am 1. 11. 2013 schloss O* D* als Vermieterin mit drei neuen Personen einen auf drei Jahre bis 30. 10. 2016 befristeten Mietvertrag ab. Auch im Laufe dieses Bestandsverhältnisses wechselten die ursprünglichen Mieter zu nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkten, was im Mietvertrag durch einfache Streichung festgehalten wurde.
Die Beklagte selbst wurde in das Eigentum der Wohnung Top 6 im Hause 1020 Wien, N*straße 52 eingeantwortet. Die Beklagte ist in weiterer Folge dann in die Wohnung N*straße 52 eingezogen und lebt seitdem dort. [...]
Die Beklagte kommt gelegentlich zu ihrer Tochter, um sie im Haushalt und bei der Kinderbetreuung zu unterstützen, wenn sie bei ihrer Tochter schläft, dann nächtigt sie auf dem ausziehbaren Sofa im Wohnzimmer. Die Beklagte hat auch einige Kleidungsstücke in der gegenständlichen Wohnung. Sie verwendet die gegenständliche Wohnung jedoch nicht mehr zur Befriedigung ihres dringendes Wohnbedürfnisses.“
Rechtlich führte es aus, aus den Feststellungen folge, dass die Beklagte die Wohnung F*straße 3 zumindest ab dem Jahr 2010 mit Wissen ihrer Tochter fortlaufend vermietet habe, um damit ein Einkommen zu erwirtschaften; dass sie 2010 einen auf drei Jahre befristeten Mietvertrag über die Wohnung F*straße 3 abgeschlossen habe; dass 2012 dieses Mietverhältnis aufrecht gewesen sei; und dass die Abänderung dieser Mietverhältnisse 2012 problemlos möglich gewesen wäre. Hätte sich die Tochter der Beklagten bemüht, was sie nicht einmal ansatzweise versucht habe, so hätte sie den bestehenden Mietvertrag nach dem Ableben ihres Vaters einvernehmlich beenden können. Die ständige Rechtsprechung zum dringenden Eigenbedarf besage jedoch auch, dass eine vom Mieter nicht zu Wohnzwecken angeschaffte, von ihm nicht bewohnte Eigentumswohnung an einem anderen Ort sein schutzwürdiges Interesse am Mietgegenstand nicht ausschließe. Es müsse auch Mietern gestattet sein, Eigentumswohnungen oder allenfalls Häuser zur Vermögensanlage anzuschaffen, ohne dass dies – soweit nicht Rechtsmissbrauch vorliege – zum Verlust des schutzwürdigen Interesses an der Mietwohnung führen würde. Der Umstand, dass die Tochter der Beklagten weiterhin in der Wohnung verblieben sei, wie schon all die Jahre davor, könne nicht als Rechtsmissbrauch im Lichte dieser Judikatur gesehen werden. Es sei daher der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 MRG nicht verwirklicht.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, dass es die Kündigung für rechtswirksam erklärte und die Beklagte zur Übergabe binnen 14 Tagen verpflichtete. Das Berufungsgericht hielt eingangs seiner Beurteilung fest, dass der Kündigungsgrund der Nichtbenützung gemäß § 30 Abs 2 Z 6 MRG unstrittig nicht mehr verfahrensgegenständlich sei und dass die Tatsachenrüge gegen die Feststellung „Im Gegenteil war die Tochter der Beklagten niemals gewillt selbst in die Wohnung F*straße zu ziehen, da sie zwar über die selbe Anzahl von Räumen verfügte, wie die gegenständliche Wohnung, aber von der Fläche deutlich kleiner, zudem im Sommer heiß und straßenseitig sehr laut war.“ mangels rechtlicher Relevanz der Feststellung unerledigt bleiben könne. Rechtlich führte es aus, es stehe fest, dass die Wohnung F*straße 3 bis Ende Oktober 2012 an wechselnde Personen als Studenten-WG vermietet worden sei; dass die Beklagte nach der Einantwortung der Verlassenschaft am 24. 1. 2013, aber (was aus dem Verweis der Erstrichterin auf den Detektivbericht Beilage ./H hervorgehe) bereits vor Zustellung der Aufkündigung aus der aufgekündigten Wohnung aus- und in die Wohnung in der N*straße 52 eingezogen sei; und dass die Tochter erst am 1. 11. 2013 als Vermieterin über die Wohnung F*straße 3 mit drei neuen Personen einen auf drei Jahre befristeten Mietvertrag abgeschlossen habe. Demnach habe die Tochter im maßgeblichen Zeitpunkt über eine eigene Eigentumswohnung verfügt, die entweder (nämlich bis 1. 11. 2013) gerade nicht vermietet gewesen sei oder – wenn der Auszug der Beklagten nach diesem Tag erfolgt sei – von der Tochter neuerlich vermietet worden sei, womit sich diese einer Wohnmöglichkeit in ihrem Eigentum schuldhaft selbst begeben habe. An der Gleichwertigkeit der beiden Wohnungen (2. Bezirk, selbe Anzahl von Räumen) könne kein Zweifel bestehen, auch wenn die aufgekündigte Wohnung größer sei. Der Beklagten sei daher der ihr obliegende Beweis nicht gelungen, dass im Zeitpunkt ihres Verlassens (Weitergabe) der aufgekündigten Wohnung ihre Tochter ein dringendes Wohnbedürfnis an dieser Wohnung gehabt habe.
Die Revision ließ das Berufungsgericht nicht zu.
Die Beklagte releviert in der Zulassungsbeschwerde, das Berufungsgericht hätte in Widerspruch zur Judikatur ein dringendes Wohnbedürfnis des an sich eintrittsberechtigten Angehörigen bloß deswegen verneint, weil dieser etwa eine bereits vorhandene Wohnmöglichkeit wieder aufgegeben habe.
Rechtliche Beurteilung
Die Beklagte zeigt damit keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf.
1. Die Klägerin stützt die Aufkündigung sowohl auf Z 4 als auch Z 6 des § 30 Abs 2 MRG. Nach ständiger Rechtsprechung ist auf den Fall der Weitergabe einer Wohnung nur § 30 Abs 2 Z 4 MRG als die hiefür getroffene speziellere Regelung anzuwenden und nicht § 30 Abs 2 Z 6 MRG, der als Abhilfe gegen das Horten mehrerer Wohnungen durch den Mieter gedacht ist (RIS‑Justiz RS0070500; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht I23 § 30 MRG Rz 32). Da – wie noch zu zeigen sein wird – eine Weitergabe vorliegt, ist der Fall allein nach § 30 Abs 2 Z 4 MRG zu beurteilen.
2. § 30 Abs 2 Z 4 erster Fall MRG bestimmt, soweit hier von Interesse, dass ein wichtiger Grund, aus welchem der Vermieter den Mietvertrag kündigen kann, anzusehen ist, wenn „der Mieter den Mietgegenstand [...] ganz weitergegeben hat und ihn offenbar in naher Zeit nicht für sich oder die eintrittsberechtigten Personen (§ 14 Abs 3) dringend benötigt“. Der Tatbestand setzt damit einerseits die gänzliche Weitergabe, andererseits das Fehlen eines dringenden Bedarfs voraus (Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht I23 § 30 MRG Rz 32; Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht – MRG3 [2013] § 30 Rz 39).
3. Unter „Weitergabe“ im Sinne des § 30 Abs 2 Z 4 erster Fall MRG ist jede entgeltliche oder unentgeltliche Gebrauchsüberlassung zu verstehen (RIS‑Justiz RS0070718; RS0070650 [T1]). Es geht dabei um die – vom Willen der Beteiligten, vor allem des die Wohnung verlassenden Mieters getragene – Überlassung des Mietgegenstands an Dritte, also um den tatsächlichen Vorgang des Verlassens der Wohnung durch den Mieter und deren Übernahme durch einen Dritten, die zu keiner Änderung der Parteien des bestehenden Mietvertrags führt, sondern nur unter Umständen zur Kündbarkeit (3 Ob 129/13m = immolex 2014/13 [Reiber] mit Besprechungsaufsatz von Pesek in EF‑Z 2014/70). Für das Vorliegen der gänzlichen Weitergabe trifft grundsätzlich den Vermieter die Behauptungs- und Beweislast (Lovrek in Böhm/Pletzer/Spruzina/Stabentheiner, GeKO Wohnrecht I [2018] § 30 MRG Rz 74).
Dass die Beklagte mit ihrer Tochter und deren Familie in der Wohnung P*straße 54 lebte, bis die Beklagte auszog und seither in der Wohnung N*straße 52 wohnt, die Tochter hingegen mit ihrem Ehemann und den zwei Kindern in der Wohnung verblieb, ist im Revisionsverfahren nicht mehr strittig. Unzweifelhaft ist auch, dass all dies vom Willen der Beklagten und ihrer Tochter getragen war. Damit ist das Tatbestandsmerkmal der gänzlichen Weitergabe erfüllt. Dass die Beklagte gelegentlich zu ihrer Tochter kommt, um sie im Haushalt und bei der Kinderbetreuung zu unterstützen, zuweilen auf dem ausziehbaren Sofa im Wohnzimmer nächtigt und einige Kleidungsstücke in der Wohnung hat, steht der Annahme der gänzlichen Weitergabe nicht entgegen.
4.1. Der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 erster Fall MRG wird im Fall einer Weitergabe des Bestandgegenstands dann nicht verwirklicht, wenn im Zeitpunkt der Weitergabe des Bestandobjekts derjenige, dem die Wohnung überlassen wurde, zum Eintritt in den Mietvertrag im Falle des Todes des Mieters berechtigt gewesen wäre, somit wenn im maßgeblichen Zeitpunkt der Weitergabe alle Voraussetzungen des § 14 Abs 3 MRG– geschützter Personenkreis, gemeinsamer Haushalt, dringendes Wohnbedürfnis – vorlagen (1 Ob 305/99f = wobl 2000/160 [Deixler‑Hübner] mwN = RIS‑Justiz RS0070493 [T2]; Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Wohnrecht – MRG3 § 30 Rz 40; Lovrek in Böhm/Pletzer/Spruzina/Stabentheiner, GeKO Wohnrecht I § 30 MRG Rz 84, 87; S. Illedits in Illedits/Reich-Rohrwig, Wohnrecht Taschenkommentar3 [2018] § 30 MRG Rz 90 f). Zur Beurteilung des dringenden Wohnbedürfnisses ist – im Sinne einer ex-ante-Betrachtung (Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Wohnrecht – MRG3 § 30 Rz 43) – aus der Sicht des Zeitpunkts der Weitergabe eine Zukunftsprognose vorzunehmen. Diese kann somit grundsätzlich nicht von Ereignissen abhängen, die erst nach der Weitergabe des Mietgegenstands oder gar erst nach Zustellung der Aufkündigung eingetreten sind (RIS‑Justiz RS0070701; Würth in Rummel 3 § 30 MRG Rz 26). Spätere Entwicklungen, die ein dringendes Wohnbedürfnis begründen könnten, sind aber dann zu berücksichtigen, wenn sie in naher Zukunft und mit einer gewissen Sicherheit eintreten (Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, Wohnrecht – MRG3 § 14 Rz 22; Höllwerth in Gitschthaler/Höllwerth, Ehe- und Partnerschaftsrecht [2011] § 14 MRG Rz 52, je mwN).
Verfügt der Eintrittswerber über eine eigene Wohnung, muss diese, um das dringende Wohnbedürfnis auszuschließen, zumindest sicher absehbar bezogen werden (vgl Höllwerth in Gitschthaler/Höllwerth, Ehe- und Partnerschaftsrecht [2011] § 14 MRG Rz 44). Dies ist nicht nur bei einer freistehenden Eigentumswohnung, sondern auch dann der Fall, wenn sie zwar derzeit vermietet ist, der Mietvertrag aber in absehbarer Zeit endet, ohne dass es einer Aufkündigung bedarf, und auch keine tatsächlichen oder rechtlichen Gründe dafür bestehen, dass es dem Eintrittswerber nicht gelingen wird, nach Ablauf der Vertragsdauer die eheste Räumung seiner Eigentumswohnung zu erreichen (1 Ob 589/88; Schinnagl in Böhm/Pletzer/Spruzina/Stabentheiner, GeKO Wohnrecht I § 14 MRG Rz 19).
4.2. Ist – wie hier – das Tatbestandsmerkmal der gänzlichen Weitergabe erfüllt, so obliegt es dem Mieter, konkret zu behaupten und nachzuweisen, dass er selbst oder eine nach § 14 Abs 3 MRG eintrittsberechtigte Person den Mietgegenstand offenbar in naher Zeit – oder umso mehr bereits jetzt (3 Ob 129/13m [in Punkt 3.1. mwH]) – dringend benötigt (RIS‑Justiz RS0070679; RS0068946; RS0107852; Würth in Rummel 3 § 30 MRG Rz 26; Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Wohnrecht – MRG3 § 30 Rz 42). Weil es für das vom Vermieter zu beweisende Tatbestandsmerkmal der Weitergabe irrelevant ist, wann die Weitergabe erfolgte, es hingegen für das vom Mieter zu beweisende, einer Klagsstattgebung entgegenstehende Tatbestandsmerkmal, dass der Mietgegenstand in naher Zeit (oder bereits jetzt) dringend benötigt wird, auf den Zeitpunkt der Weitergabe ankommt (den auch der Vermieter regelmäßig nicht kennen wird, der hingegen dem Mieter und dem Übernehmer nicht unbekannt sein kann), müssen Zweifel am exakten Weitergabezeitpunkt zu Lasten des Mieters ausfallen.
Umgekehrt sind Umstände aus der Vergangenheit für die Beurteilung des dringenden Wohnbedürfnisses grundsätzlich irrelevant (Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, Wohnrecht – MRG3 § 14 Rz 22; Höllwerth in Gitschthaler/Höllwerth, Ehe- und Partnerschaftsrecht § 14 MRG Rz 51). So sprach 9 Ob 82/02b aus, dass der Auffassung, einem an sich eintrittsberechtigten Angehörigen wäre ein Eintrittsrecht bei schuldhaftem Verlust einer eigenen Wohnmöglichkeit ebenso zu versagen wie dem Vermieter das Kündigungsrecht bei selbstverschuldetem Eigenbedarf, schon wegen der ganz unterschiedlichen Ausgangslage nicht gefolgt werden könne. Anders müsste dies – wie Vonkilch (aaO) mit Grund lehrt – gesehen werden, wenn der „Mietrechtsprätendent“ (bzw hier: Übernehmer) ein dringendes Wohnbedürfnis im maßgeblichen Zeitpunkt geradezu mutwillig und bloß durch „Schielen“ auf sein Eintrittsrecht nach § 14 Abs 3 MRG (hier: iVm § 30 Abs 2 Z 4 erster Fall MRG) herbeigeführt hat.
4.3. Hat ein Eintrittsrecht eines Angehörigen im maßgeblichen Zeitpunkt bestanden, so kann es nicht im Nachhinein dadurch wieder wegfallen, dass das zum maßgeblichen Zeitpunkt bestehende Wohnbedürfnis später aufgrund einer anderen (im maßgeblichen Zeitpunkt noch nicht vorhandenen) Wohnmöglichkeit wegfällt (vgl RIS‑Justiz RS0069802 [T1]).
4.4. Im vorliegenden Fall gelang es der Beklagten nicht, den von ihr behaupteten Weitergabezeitpunkt – sie sei unmittelbar nach dem Ableben ihres Ehemanns am 31. 7. 2012 in die Wohnung N*straße 52 gezogen – unter Beweis zu stellen. Vielmehr steht fest, dass die Beklagte frühestens unmittelbar nach dem Einantwortungsbeschluss vom 24. 1. 2013 in die Wohnung N*straße 52 zog und damit die Wohnung P*straße 54 ihrer Tochter weitergab. Da es dem Mieter obliegt, den Weitergabezeitpunkt zu behaupten und unter Beweis zu stellen, kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, dass das Erstgericht keine nähere Feststellung zum Weitergabezeitpunkt traf. Die damit einhergehende Unklarheit geht zu Lasten der Beklagten. Zu Lasten der Beklagten ist damit anzunehmen, dass die Weitergabe der aufgekündigten Wohnung erst zu einem Zeitpunkt erfolgte, als die seit der Einantwortung der Tochter gehörende Wohnung entweder bereits freistand oder ihr Freiwerden in Kürze sicher absehbar war.
5. Zur Frage der Gleichwertigkeit von Wohnungen in Eintrittsfällen führte der Oberste Gerichtshof in 4 Ob 210/17m = immolex 2018/36 (Pfiel) jüngst aus [Unterstreichungen vom nunmehr erkennenden Senat]:
„3.1. In der jüngeren höchstgerichtlichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs wird das dringende Wohnbedürfnis eines Eintrittswerbers im Sinne eines schutzwürdigen Interesses verstanden und nur dann verneint, wenn ihm eine andere ausreichende und angemessene (vgl RIS‑Justiz RS0069974) sowie rechtlich gleichwertige Unterkunftsmöglichkeit zur Verfügung steht, wobei immer auf die Gesamtheit der Umstände des Einzelfalls unter Einschluss sowohl der rechtlichen als auch der tatsächlichen Verhältnisse abgestellt wird. Verfügt ein Eintrittswerber über eine eigene Wohnung, die er früher bewohnt hat, wird auf die unbedingte Notwendigkeit abgestellt, den beim Tod des Mieters gegebenen Zustand zu belassen. Soll er auf eine andere Wohnung verwiesen werden, muss es sich um eine ausreichende und gleichartige Wohnmöglichkeit handeln (5 Ob 89/12t mwN; vgl auch RIS‑Justiz RS0069957; RS0068334). In der zitierten Entscheidung wurde die gleich große und gleich ausgestattete Wohnung, die die Beklagte auch zu Lebzeiten ihrer Mutter zu Wohnzwecken nutzte, als eine nicht nur rechtlich gleichwertige, sondern auch ausreichende und angemessene Wohnmöglichkeit angesehen.
3.2. Nach der Rechtsprechung ist zwar bei Vorhandensein einer ausreichenden und rechtlich gleichwertigen Wohnmöglichkeit deren faktische Gleichwertigkeit nicht zu prüfen (RIS‑Justiz RS0068181; RS0069751). Allerdings werden bei der Prüfung, ob es sich dabei um eine 'ausreichende' Wohnmöglichkeit handelt, auch faktische und nicht nur rechtliche Gesichtspunkte herangezogen. So wurde zu 7 Ob 273/07h ausgesprochen, dass in einer 40 m 2 bzw 52 m 2 großen Garconniere keine mit einer 140 m 2 großen Wohnung vergleichbare ausreichende Wohnmöglichkeit gesehen werden kann, wenn die Beklagte bis zum Zeitpunkt des Todes des bisherigen Hauptmieters rund 20 Jahre in der gegenständlichen Wohnung lebte.“
Dies zugrunde gelegt wäre es – zumal dem Mieter die Beweispflicht dafür trifft, dass er oder ein Angehöriger in naher Zeit die Wohnung dringend benötigt (RIS‑Justiz RS0070679) – an der Beklagten gewesen, konkret zu behaupten und zu beweisen, dass die Wohnung F*straße 3 keine ausreichende und gleichartige Wohnmöglichkeit wie die aufgekündigte Wohnung P*straße 54 bietet. Ein solches Vorbringen unterließ aber die Beklagte; dass die Wohnung F*straße 3 keine ausreichende und gleichartige Wohnmöglichkeit biete, ist auch den Feststellungen nicht zu entnehmen.
6. Ob eine Anlegerwohnung – wie in der Entscheidung 3 Ob 186/03d in einem obiter dictum vertreten, auf welche das Erstgericht seine Klagsabweisung maßgeblich stützte – an sich nicht geeignet ist, zum Verlust des schutzwürdigen Interesses an der Mietwohnung zu führen, wird in der außerordentlichen Revision nicht als erhebliche Rechtsfrage releviert. Im Übrigen wurde weder vorgebracht noch festgestellt, dass es sich bei der Wohnung F*straße 3 um eine reine Anlegerwohnung handelt.
Mangels erheblicher Rechtsfrage ist die außerordentliche Revision zurückzuweisen.
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