European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:008OBA00028.18B.0625.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Das Vorliegen der Voraussetzungen für eine gerechtfertigte vorzeitige Auflösung des Dienstverhältnisses kann immer nur aufgrund der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (stRsp; RIS‑Justiz RS0106298, jüngst 8 ObA 48/17t). Eine Einzelfallentscheidung ist für den Obersten Gerichtshof nur dann überprüfbar, wenn im Interesse der Rechtssicherheit ein grober Fehler bei der Auslegung der anzuwendenden Rechtsnorm korrigiert werden müsste. Bewegt sich das Berufungsgericht im Rahmen der Grundsätze einer ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs und trifft es seine Entscheidung ohne grobe Fehlbeurteilung aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls, so liegt eine erhebliche Rechtsfrage nicht vor (RIS‑Justiz RS0044088 [T8, T9]). Eine solche Fehlbeurteilung zeigt die außerordentliche Revision nicht auf. Die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, dass der vorzeitige Austritt nicht berechtigt sei, da kein ungebührliches Vorenthalten von Entgelt vorliege, hält sich im Rahmen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs:
Von einem „ungebührlichen Vorenthalten“ des Entgelts iSd § 26 Z 2 AngG spricht man regelmäßig dann, wenn der Anspruch weder bestritten noch bezweifelt, das Entgelt jedoch bei Eintritt des Fälligkeitstermins nicht oder nicht zur Gänze geleistet wird (RIS‑Justiz RS0028896 [T9]). Gleiches gilt für das ungebührliche Vorenthalten von Bezügen iSd § 82a Abs 1 lit d GewO 1859 (iVm § 376 Z 47 GewO 1994).
Durch eine bloß objektive Rechtswidrigkeit, insbesonders also, wenn über das Bestehen des Anspruchs verschiedene Rechtsmeinungen vertreten werden können und daher der Ausgang eines diesbezüglichen Rechtsstreits nicht abzusehen ist, wird der Tatbestand des § 26 Z 2 AngG (oder § 82a Abs 1 lit d GewO 1859) nicht erfüllt (RIS‑Justiz
Entscheidend ist, ob der Arbeitgeber wusste oder infolge der ihm obliegenden Sorgfaltspflicht hätte wissen müssen, dass seine Vorgangsweise unrechtmäßig ist (RIS‑Justiz
RS0029257 [T7]). Die Vorinstanzen legten ihren Entscheidungen zutreffend aber auch zu Grunde, dass nicht jede, sondern nur eine wesentliche Vertragsverletzung zum vorzeitigen Austritt berechtigt (RIS‑Justiz RS0029312; RS0030641). Wesentlich ist eine Vertragsverletzung nur, wenn dem Arbeitnehmer die weitere Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses nicht einmal mehr für die Kündigungsfrist objektiv zugemutet werden kann (RIS‑Justiz RS0028914 [T1]; ebenso RS0028609; RS0029312 [T13]). Die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung bildet auch im Bereich des vorzeitigen Austritts eine unabdingbare Voraussetzung des Beendigungsrechts (RIS‑Justiz RS0030641 [T3]). Hier ist es – unter Beachtung der geringen Höhe der letztlich als berechtigt erachteten Überstundenforderung – jedenfalls vertretbar, wenn die Vorinstanzen die Unzumutbarkeit der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses verneinten. Dass die Beklagte keine Arbeitsaufzeichnungen führte war darin begründet, dass die Geschäftsführerin die Klägerin, die bereits 28 Jahre im Betrieb arbeitete, als „gleichsam zur Familie gehörend“ betrachtete und zu ihr ein großes Vertrauen bestand, sodass man auch nicht genau darauf achtete, wann sie kam und ging. Zudem hatte die Klägerin bislang die Gehaltsabrechnungen unbeanstandet unterfertigt. Erstmals mit dem (unter der Bedingung der Nichtbegleichung der Forderung binnen 10 Tagen erklärten) Austritt hat die Klägerin die Beklagte damit konfrontiert, sie hätte während der letzten drei Jahre Überstunden geleistet (wobei von den im Schreiben behaupteten 1.962,50 Überstunden letztlich nur 28 zu entlohnen waren [vgl Seite 20 iVm Seite 8 des Ersturteils]).
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