OGH 2Ob105/17f

OGH2Ob105/17f16.5.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Hon.‑Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende, die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé sowie den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** L*****, vertreten durch PISTOTNIK & KRILYSZYN Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei G***** K*****, vertreten durch Dr. Peter Stoff, Rechtsanwalt in Wien, wegen 400.919,99 EUR sA, in eventu Übergabe einer Liegenschaft und Einwilligung in die Einverleibung des Eigentumsrechts, über die Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 197.100 EUR sA) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 15. März 2017, GZ 12 R 85/16g‑46, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt vom 20. Juli 2016, GZ 4 Cg 103/14t‑39, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0020OB00105.17F.0516.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird Folge gegeben.

1. Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung über das Hauptbegehren unter Einschluss der bereits in Rechtskraft erwachsenen Aussprüche als Teilurteil zu lauten hat:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 199.306,16 EUR samt 4 % Zinsen seit 9. 5. 2016 binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei auch schuldig der klagenden Partei weitere 201.613,83 EUR samt 4 % Zinsen aus 400.919,99 EUR vom 17. 7. 2014 bis 8. 5. 2016 und aus 201.613,83 EUR seit 9. 5. 2016 zu bezahlen, wird abgewiesen.“

2. Im Kostenpunkt werden die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben. Die Rechtssache wird hinsichtlich des Eventualbegehrens, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei die Liegenschaft EZ ***** KG *****, bestehend aus den Grundstücken 316/55 Baufläche (begrünt) und .2086 Baufläche (Gebäude) und Baufläche (begrünt) mit der Grundstücksadresse *****, zu übergeben und zwar mit der grundbuchsfähig auf ihre Kosten abzugebenden Aufsandungserklärung, dass ob der genannten Liegenschaft das Eigentumsrecht für Herrn A***** L*****, einverleibt werde, an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

3. Die Entscheidung über die Verfahrenskosten aller drei Instanzen bleibt dem Endurteil vorbehalten.

 

Entscheidungsgründe:

Die am ***** 2013 verstorbene Erblasserin hinterließ einen Sohn, den Kläger. Ihr Ehemann war bereits vorverstorben. In ihrem fremdhändigen Testament vom 15. 7. 2005 hatte sie die Beklagte, ihre Nichte, zur Alleinerbin bestimmt. Das Testament enthielt ua folgende weitere Anordnungen:

„[…]

Meinen Sohn […] setze ich auf den Pflichtteil.

Zur Abgeltung dieses Pflichtteils vermache ich [dem Sohn] als Legat folgende Liegenschaften bzw Liegenschaftsanteile:

1. 213/21710tel Liegenschaftsanteile BLNr 141 an der Liegenschaft EZ […], bestehend aus dem Grundstück Nr 724/36 Baufläche (Gebäude) und Baufläche (begrünt) mit den Grundstücksadressen […], mit welchen das Wohnungseigentum an […] untrennbar verbunden ist;

2. die Liegenschaft EZ […], bestehend aus den Grundstücken 316/55 Baufläche (begrünt) und .2086 Baufläche (Gebäude) und Baufläche (begrünt) mit der Grundstücksadresse […].

Hinsichtlich der Liegenschaft [in Punkt 2.] wird jedoch die Auflage erteilt, dass sie nach dem Ableben meines Sohnes […] an dessen [1996 geborene] Tochter [...] fällt. Diese Liegenschaft stellt meinen derzeitigen Wohnsitz sowie das Familienhaus dar, ist weitaus der wertvollste Teil meines Vermögens und soll im Familienbesitz erhalten werden. Der Pflichtteil ist mit diesem Legat jedenfalls abgedeckt.

[...]“

Die in Punkt 1. genannten Liegenschaftsanteile verkaufte die Erblasserin bereits zu Lebzeiten.

Im Verlassenschaftsverfahren erklärte der anwaltlich vertretene Kläger in der Tagsatzung des Gerichtskommissärs vom 21. 10. 2013, das belastete Legat unter Vorbehalt des Pflichtteils auszuschlagen. Er sei jedoch bereit, die unbelastete Liegenschaft in Anrechnung auf seinen Pflichtteil zu übernehmen. In der Tagsatzung des Gerichtskommissärs vom 8. 4. 2014 wiederholte er, das mit einem Substitutionslegat belastete Legat nicht anzunehmen und den vollen Geldpflichtteil zu beanspruchen, „sodass die Liegenschaft der Alleinerbin zufalle“.

Der Verkehrswert der dem Kläger vermachten Liegenschaft betrug im Zeitpunkt des Todes der Erblasserin 486.000 EUR. Der Reinnachlass wurde mit 1.637.214,99 EUR ermittelt, die Kosten des Verlassenschaftsverfahrens beliefen sich auf 35.375 EUR. Mit Beschluss vom 16. 7. 2014 wurde der Nachlass der Beklagten rechtskräftig eingeantwortet.

Die Beklagte leistete an den Kläger aus dem Titel des Pflichtteils eine Zahlung von 400.000 EUR.

Der Kläger hat keine Verwendung für die Liegenschaft, er befindet sich aus beruflichen Gründen ca ein Drittel des Jahres im Ausland. Ein Fruchtgenussrecht des Klägers an der Liegenschaft hätte im Zeitpunkt des Todes der Erblasserin einen Barwert von 197.100 EUR gehabt. Die Liegenschaft war sowohl zu diesem Zeitpunkt als auch bei Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz vermietbar. Zur Behebung von Schäden an der Gebäudehülle sind Sanierungsarbeiten mit einem Kostenaufwand von 17.035,20 EUR netto notwendig. Eine zeitgemäße „thermische Adaptierung der Außenhülle“ würde Kosten von 57.624 EUR brutto erfordern.

Die Beklagte wendete im Zeitraum zwischen dem Tod der Erblasserin und dem Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz für die Verwaltung und Erhaltung der Verlassenschaft einen Betrag von insgesamt 9.027,67 EUR auf, den sie von einem aus den Mitteln der Verlassenschaft dotierten Treuhandkonto beim Beklagtenvertreter leistete.

Der Kläger begehrte zuletzt Zahlung von 400.919,99 EUR samt 4 % Zinsen seit 17. 7. 2014. Hilfsweise begehrte er die Zahlung von nur 203.819,99 EUR samt 4 % Zinsen seit 17. 7. 2014 sowie die Verpflichtung der Beklagten zur Herausgabe der Liegenschaft und die Einwilligung in die Einverleibung seines Eigentumsrechts.

Zu seinem Hauptbegehren brachte er vor, es stehe ihm ein Pflichtteilsanspruch in Höhe der Hälfte des um die Kosten des Verlassenschaftsverfahrens verminderten Reinnachlasses zu, dies seien 800.919,99 EUR, worauf die Beklagte eine Teilzahlung von 400.000 EUR geleistet habe. Die fideikommissarische Substitution, die ihn jeglicher Verfügung über den Gegenstand des Legats beraube, sei eine unzulässige Belastung iSd § 774 ABGB aF. Er sei daher nach § 808 ABGB aF berechtigt, das Legat auszuschlagen und den Pflichtteil in Geld zu fordern. Da die Erblasserin vorrangig eine Nacherbschaft beabsichtigt habe, fehle der Verfügung schon die grundsätzliche Eignung zur Pflichtteilsdeckung. Eine Umdeutung in das Vermächtnis eines Fruchtgenussrechts widerspreche der klaren Verfügung der Erblasserin und sei unzulässig, auch wenn der wirtschaftliche Gehalt des mit einer fideikommissarischen Substitution belasteten Legats jenem eines Fruchtgenussrechts ähnlich sein möge. Der Kläger wohne seit 1998 in einem in seinem Eigentum stehenden Reihenhaus und habe kein Wohnbedürfnis an der Liegenschaft. Zur Herstellung eines „zeitgemäßen Mietgegenstands“ müssten hohe Sanierungs‑ und Adaptierungskosten aufgewendet werden.

Das Eventualbegehren werde ausschließlich für den Fall gestellt, dass das belastete Legat doch zumindest teilweise als pflichtteilsdeckend anzurechnen sei. Dem Kläger könne nicht unterstellt werden, er hätte auch für diesen Fall auf das Legat verzichtet, wenn also sein Anspruch auf den Geldpflichtteil rechtlich nicht durchsetzbar sein sollte. Eine Legatsausschlagungserklärung sei zudem gesetzlich gar nicht vorgesehen. Von den begehrten 400.919,99 EUR wären demnach 197.100 EUR abzuziehen, sodass ein Anspruch von 203.819,99 EUR verbliebe. Zusätzlich wäre ihm die Liegenschaft zu übereignen.

Die Beklagte wandte ein, aus dem Testament ergebe sich, dass die Erblasserin die Liegenschaft an den Kläger zur Abdeckung seines Pflichtteilsanspruchs übertragen habe wollen. Der Kläger sei nicht berechtigt, anstelle des Legats die Auszahlung des Pflichtteils in Geld zu verlangen. Er habe nur das Recht, die Ungültigkeit der Beschränkung gegenüber der Nachlegatarin geltend zu machen, müsse das Legat jedoch annehmen. Die unberechtigte Ausschlagung des Legats schmälere seinen Pflichtteilsanspruch. Der Kläger könne das Haus unbeschränkt bewohnen oder vermieten. Auch auf diese Weise könne ihm der Pflichtteil zugewendet werden. Die von der Beklagten geleisteten Zahlungen für die Erhaltung und Verwaltung der Verlassenschaft seien als die Bemessungsgrundlage mindernd zu berücksichtigen. Das Eventualbegehren bestritt die Beklagte nur mit dem Hinweis auf ihr zum Hauptbegehren erstattetes Vorbringen.

Das Erstgericht gab dem Klagehauptbegehren mit 396.406,16 EUR samt 4 % Zinsen seit 9. 5. 2016 statt und wies das auf 4.513,83 EUR sA lautende Mehrbegehren sowie das weitere Zinsenmehrbegehren ab.

Es stellte noch fest, dass der Erblasserin mit der in Punkt 2. des oben auszugsweise wiedergegebenen Testaments enthaltenen Anordnung in erster Linie an der Nacherbeneinsetzung, nicht aber an einer pflichtteilsdeckenden Zuwendung an den Kläger gelegen gewesen sei.

Diesen und den eingangs zusammengefasst wiedergegebenen Sachverhalt beurteilte das Erstgericht rechtlich dahin, dass die Eignung des mit einem Nachlegat behafteten Legats zur Abgeltung des Pflichtteils einerseits vom Wert des Vermächtnisses, andererseits vom Willen der Erblasserin abhänge. Es sei entscheidend, ob ihr nach ihrem durch Auslegung zu ermittelnden Willen in erster Linie an einer pflichtteilsdeckenden Zuwendung an den Vorlegatar oder – wie im vorliegenden Fall – an der Einsetzung des Nachlegatars gelegen sei. Einer gegenteiligen Lehrmeinung, wonach die Anrechnung des kapitalisierten Ertragswerts der Vorerbschaft aufgrund der Parallele zum Fruchtgenussrecht geboten sei, sei die Rechtsprechung bislang nicht gefolgt. Im Hinblick auf § 786 Satz 2 ABGB aF seien die über das Treuhandkonto geleisteten Zahlungen der Beklagten als das Nachlassvermögen mindernd zu berücksichtigen. Zinsen stünden erst ab Schluss der mündlichen Verhandlung zu.

Dieses Urteil erwuchs im Umfang eines Zuspruchs von 199.306,16 EUR sA sowie in seinem klagsabweisenden Teil unbekämpft in Rechtskraft.

Das im Umfang des weiteren Zuspruchs von 197.100 EUR sA von der Beklagten angerufene Berufungsgericht bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.

Es erachtete die Beweisrügen beider Parteien für unberechtigt und erörterte rechtlich, die fideikommissarische Substitution sei seit jeher der Paradefall einer mit § 774 ABGB aF unvereinbaren Belastung des Pflichtteils. Die bloße Einräumung der Rechtsstellung eines Vorerben oder Vorlegatars entspreche somit nicht einer pflichtteilsdeckenden Zuwendung. Dabei habe der Pflichtteilsberechtigte, der unter Beschränkung durch eine fideikommissarische Substitution zum Erben eingesetzt oder dem unter einer gleichartigen Beschränkung ein Vermächtnis ausgesetzt wurde, den Anspruch auf Ungültigerklärung der fideikommissarischen Substitution nach § 774 ABGB aF als Anfechtungsanspruch nicht gegen den Nachlass, sondern gegen den aus der fideikommissarischen Substitution Berechtigten zu verfolgen.

Ergebe die Auslegung des letzten Willens des Erblassers jedoch, dass für ihn der letztliche erbrechtliche Erwerb durch die Nacherben das vorrangige Anliegen gewesen sei, dann würde ein auf § 774 ABGB aF gestütztes Begehren eines Pflichtteilsberechtigten, die ihn als Vorerben belastende fideikommissarische Substitution (auch nur teilweise) als unwirksam zu behandeln, einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die Testierfreiheit des Erblassers bedeuten. Dem pflichtteilsberechtigten Vorerben stehe in diesem Fall daher nur ein Geldanspruch gemäß § 775 ABGB aF, nicht jedoch ein Anfechtungsanspruch im Sinne einer Ungültigerklärung der ihn belastenden fideikommissarischen Substitution zu. Der Geldanspruch sei nicht davon abhängig, dass der Pflichtteilsberechtigte sein Erbe ausschlage oder ein Vermächtnis nicht annehme.

Da im vorliegenden Fall feststehe, dass die „Nacherbeneinsetzung“ für die Erblasserin vorrangig gewesen sei, scheide eine Anfechtung der „Nacherbeneinsetzung“ aus und der Kläger sei auf den Geldanspruch nach § 775 ABGB aF verwiesen.

Richtig sei zwar, dass dem Vorerben (Vorlegatar) im Fall einer Substitution die Rechte eines Fruchtgenussberechtigten zukämen. Im Schrifttum trete deshalb Giller dafür ein, dass sich der Vorerbe (Vorlegatar) in Parallele zum Fruchtgenussrecht den kapitalisierten Ertragswert der zugewendeten Sache in den Pflichtteil einrechnen lassen müsse. Diese Ansicht setze allerdings die Möglichkeit der Hinterlassung des Pflichtteils in der Form eines Fruchtgenussrechts voraus, die nach herrschender Auffassung – für die Rechtslage vor dem ErbRÄG 2015 – abzulehnen sei. Begründet werde dies damit, dass der Fruchtgenussberechtigte nicht in der Lage sei, über die Substanz zu verfügen und das Fruchtgenussrecht alleine nicht sofort einen dem Pflichtteil entsprechenden Vermögenswert verschaffe. Damit wäre ein mit einem Fruchtgenuss bedachter Noterbe aber schlechter gestellt als etwa ein übergangener Noterbe, der einen sofort fälligen Geldanspruch gegen den Erben habe („Unzulässigkeit der sukzessiven Pflichtteilsabdeckung“).

Nach dieser herrschenden Ansicht müsse der Einräumung eines Vorerbrechts die grundsätzliche Eignung zur (auch nur teilweisen) Pflichtteilsdeckung abgesprochen werden. Das bedeute, dass sich der Kläger den aufgrund fiktiver Mieteinnahmen errechneten kapitalisierten Gebrauchswert der Sache nicht auf den Pflichtteil anrechnen lassen müsse.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil der Oberste Gerichtshof zur Frage, ob sich ein mit einem Nachlegat belasteter Vermächtnisnehmer nach der Rechtslage vor dem ErbRÄG 2015 den kapitalisierten Gebrauchswert der Sache auf den Pflichtteilsanspruch anrechnen lassen müsse, noch nicht Stellung genommen habe.

Gegen das Berufungsurteil richtet sich die Revision der Beklagten wegen Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass das Klagebegehren hinsichtlich weiterer 197.100 EUR abgewiesen werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil sich der Oberste Gerichtshof bereits im Sinne der Eignung eines dem pflichtteilsberechtigten Vorerben zustehenden Nutzungsrechts an Wohnungen zur Pflichtteilsdeckung geäußert hat. Das Rechtsmittel ist auch berechtigt.

Die Beklagte macht geltend, die vom Berufungsgericht übernommene Feststellung zum Willen der Erblasserin sei unrichtig und überschießend, sie widerspreche dem Testament und damit dem offenbaren Akteninhalt. Der begünstigte Vorlegatar habe die Möglichkeit, das ihm vermachte Haus auf Lebensdauer entweder selbst zu bewohnen oder durch Vermietung zu nutzen. Bei wirtschaftlicher Betrachtung würden jedenfalls die Gründe für die Anrechenbarkeit vermögenswerter Rechte – etwa eines Fruchtgenussrechts – an Liegenschaften überwiegen. Dies zeige auch die allmähliche Änderung der Judikatur in diese Richtung und die dieser Entwicklung folgenden Neuregelungen im ErbRÄG 2015.

Hiezu wurde erwogen:

I. Vorbemerkungen:

1. Der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit wurde geprüft. Er liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

2. Da die Erblasserin im Jahr 2013 gestorben ist, ist der Anspruch des Klägers noch nach den erbrechtlichen Bestimmungen des ABGB idF vor dem ErbRÄG 2015 zu beurteilen (§ 1503 Abs 7 Z 1 und 2 ABGB).

II. Zum Hauptbegehren:

1. Nach § 774 ABGB kann der Pflichtteil als Erbteil oder Vermächtnis hinterlassen werden. Er muss aber dem Berechtigten „ganz frei“ bleiben. Jede einschränkende Bedingung oder Belastung ist ungültig. Wenn dem Noterben ein größerer Erbteil zugedacht ist, kann die Bedingung oder Belastung nur auf den Teil, der den Pflichtteil übersteigt, bezogen werden.

Die Zuwendung eines mit einer fideikommissarischen Substitution belasteten Erbteils oder Vermächtnisses wurde in Rechtsprechung und Lehre lange als unzulässige Beschränkung des Pflichtteils iSd § 774 ABGB angesehen (vgl Kletečka, Ersatz‑ und Nacherbschaft [1999] 189 mwN aus Rsp und Lehre; Welser in Rummel/Lukas 4 § 774 Rz 7; Apathy in KBB4 § 774 Rz 2).

2. Vor diesem Hintergrund hatte der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 6 Ob 711/87 einen Fall zu beurteilen, in dem eine Erblasserin ihre Kinder als Erben und ihre Enkelkinder als Nacherben eingesetzt hatte und der Sohn die belastende Anordnung – allerdings gegenüber der passiv nicht legitimierten Verlassenschaft und schon deshalb erfolglos – angefochten hat.

Zur „Illustration der widerstreitenden Interessen“ führte er aus, es bedürfe zunächst einer Auslegung der letztwilligen Verfügung dahin, ob für die Erblasserin die Nacherbeneinsetzung ihrer Enkelkinder oder die Vorerbeneinsetzung ihrer Kinder Vorrang haben sollte. Sollte die Auslegung ergeben, dass für die Erblasserin der letztliche erbrechtliche Erwerb durch ihre Enkelkinder (als Nacherben) ihr vorrangiges Anliegen gewesen sei, dann bedeutete ein auf § 774 ABGB gestütztes Begehren eines Pflichtteilsberechtigten, die ihn als Vorerben belastende fideikommissarische Substitution (auch nur teilweise) als unwirksam zu behandeln, nicht nur eine einseitige Benachteiligung der Nacherben, sondern vor allem einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die Testierfreiheit der Erblasserin, deren Willen bei einer (auch bloß teilweisen) Aufhebung ihrer Anordnungen zu Gunsten der Enkelkinder gerade in der Grundvorstellung ihrer Anordnungen gestört würde. Wenn nämlich die erklärte Absicht der Erblasserin darauf gerichtet gewesen wäre, ihren Kindern keine über die Rechtsstellung eines Vorerben gemäß § 613 ABGB hinausgehende Rechtsstellung einzuräumen, dann dürfte wie bei einer Einsetzung der Enkelkinder unter Belastung mit einem Fruchtgenuss zu Gunsten ihrer jeweiligen pflichtteilsberechtigten Elternteile nicht davon ausgegangen werden, dass die Erblasserin mit ihrer letztwilligen Verfügung zu Gunsten ihrer beiden Kinder eine pflichtteilsdeckende Zuwendung beabsichtigt habe, sodass den Pflichtteilsberechtigten nur Geldleistungsansprüche nach § 775 ABGB zustünden und ein Anspruch auf Befreiung von Beschränkungen iSd § 774 ABGB materiell nicht gerechtfertigt sein könnte (vgl auch 7 Ob 71/00t; RIS‑Justiz RS0012566). Andernfalls stünde dem unzulässig belasteten Vorerben der Befreiungsanspruch gegenüber dem Nacherben zu (RIS‑Justiz RS0012874).

3. Tragender Gedanke dieser Rechtsprechung, auf die sich im vorliegenden Fall die Vorinstanzen stützten, war die grundsätzliche Untauglichkeit der Vorerbenstellung zur Pflichtteilsdeckung. Die Einräumung eines eingeschränkten Eigentumsrechts mit den Rechten und Verbindlichkeiten eines Fruchtnießers (§ 613 ABGB) wurde dafür als nicht ausreichend erachtet. Sie ging zudem von der Prämisse aus, dass der erblasserische Wille bei der Anordnung einer fideikommissarischen Substitution (nur) auf die Begünstigung entweder des pflichtteilsberechtigten Vorerben oder des „letztlich erwerbenden“ Nacherben gerichtet sein konnte. Die Möglichkeit, dass die Anordnung nach dem Willen des Erblassers sowohl dem pflichtteilsberechtigten Vorerben als auch dem Nacherben vermögenswerte – beim Vorerben als pflichtteilsdeckend anzurechnende – Vorteile verschaffen sollte, wurde hingegen nicht erwogen (zur Entwicklung von Lehre und Rechtsprechung vgl A. Hofmann, Die sukzessive Erfüllung des Pflichtteils nach dem ErbRÄG 2015 – Überlegungen zur Auflösung des angeblichen Widerspruchs zwischen §§ 766 und 762 ABGB, NZ 2017/158, 441 [443 f]).

4. Andererseits hatte der Oberste Gerichtshof schon in der Entscheidung 7 Ob 33/64 SZ 37/32 das Vermächtnis eines Fruchtgenussrechts (implizit) als zur Pflichtteilsdeckung geeignet angesehen (abl Welser in Rummel/Lukas 4 § 774 Rz 4; Schauer, Unteilbare Pflichtteilsdeckungen und unteilbare Belastungen, RdW 1987, 149 [151 und FN 16]), ebenso in 3 Ob 47/97a ecolex 1998, 209 (krit B. Jud) das Vermächtnis eines lebenslangen Gebrauchsrechts an einem Café. In der Entscheidung 6 Ob 189/98g SZ 71/166 hielt er schließlich das Vermächtnis einer „Unterbeteiligung“ an einem Gesellschaftsanteil zur Pflichtteilsdeckung für geeignet, weil sie einen anrechenbaren Vermögenswert repräsentierte. Der Oberste Gerichtshof stellte in diesem Zusammenhang auch klar, dass es auf eine sofortige ungehinderte Verwertungsmöglichkeit dieses Vermögenswerts für die Pflichtteilsdeckung nicht ankommt.

5. Unter Bedachtnahme auf diese und weitere Rechtsprechung sowie auf einschlägiges Schrifttum erging zuletzt die Entscheidung 2 Ob 167/16x NZ 2017/52 (Rabl) = EF‑Z 2017/63 (Tschugguel) = RIS‑Justiz RS0131267. Es galt einen Fall zu beurteilen, in dem der Erblasser seine Tochter zur (Vor-)Erbin bestimmt und eine vom Eintritt einer Bedingung abhängige Nacherbschaft verfügt hatte. Der Senat gelangte zu dem Ergebnis, dass das der Vorerbin eingeräumte Nutzungsrecht, einerseits eine Wohnung ohne Mietzins selbst zu bewohnen und andererseits aus der Vermietung von Wohnungen auf der ererbten Liegenschaft Mietzinse zu lukrieren, zur Pflichtteilsdeckung geeignet ist, wobei er auf § 613 ABGB verwies. Dieses Nutzungsrecht ist von der fideikommissarischen Substitution nicht betroffen, sondern „ganz frei“ iSd § 774 ABGB, kann schon jetzt bewertet werden und ist mit dem Ertragswert der Wohnungen auf den Pflichtteil anzurechnen.

Damit wurde letztlich auch jener Lehrmeinung aus dem jüngeren Schrifttum Rechnung getragen, die im Hinblick auf die in § 613 ABGB gesetzlich verankerte Parallele zum Fruchtgenussrecht die Deckungstauglichkeit des Vorerbrechts und die Einrechnung kapitalisierter Ertragswerte in den Pflichtteil vertreten hat (Giller in Gruber/Kalss/Müller/Schauer, Vermögensnachfolge [2010] § 19 Rz 69 ff; vgl auch Umlauft, Zwei wichtige Themen für die anstehende Erbrechtsreform, NZ 2012/2, 7 [10]).

6. Im Lichte dieser Entscheidung sind die Aussagen aus 6 Ob 711/87 teilweise überholt. Verschafft das letztwillig eingeräumte Vorerbrecht dem Berechtigten einen– wenn auch nur sukzessive zufließenden – Vermögensvorteil, ist dieser zur Deckung des Pflichtteils grundsätzlich geeignet, sofern dem Berechtigten die Nutzung auch zumutbar ist (zu dieser Schranke vgl 5 Ob 14/02y; Umlauft, NZ 2012/2, 7 [9 f]). Dann kommt es nicht mehr entscheidend darauf an, worauf der Wille des Erblassers vorrangig gerichtet war.

Der vorliegende Fall ist dafür exemplarisch: Mag die Auslegung des Testaments auch ergeben haben, dass der Erblasserin in erster Linie an der „Nacherbeneinsetzung“ (tatsächlich bestimmte sie ihre Enkelin zur Nachlegatarin) gelegen war, so besteht doch nach dem Wortlaut der Verfügung („Zur Abgeltung dieses Pflichtteils vermache ich ...“) kein Zweifel daran, dass sie mit der Zuwendung auch den Pflichtteil des Klägers decken wollte.

7. Die Grundsätze der Entscheidung 2 Ob 167/16x und der dort zitierten Vorjudikatur sind auch auf die Belastung eines Vermächtnisses mit einer fideikommissarischen Substitution, wie sie im gegenständlichen Fall verfügt wurde, übertragbar. Auch dem Vorlegatar stehen nur die Rechte und Verbindlichkeiten eines Fruchtnießers zu (§ 652 iVm § 613 ABGB), während der Nachlegatar – anders als der Nacherbe – nach dem Eintritt des Substitutionsfalls einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Vorlegatar bzw dessen Rechtsnachfolger auf Herausgabe des Substitutionsguts hat und erst durch dessen Erfüllung das unbeschränkte Eigentum an der Sache erwirbt (2 Ob 231/15g mwN; RIS‑Justiz RS0007574; Apathy in KBB4 § 652 Rz 1). Die Zuwendung an den Vorlegatar (eingeschränktes Eigentumsrecht mit den Rechten und Pflichten eines Fruchtnießers) ist daher auch nicht identisch mit jener an den Nachlegatar, der letztlich das Vollrecht am Substitutionsgut erwerben kann (vgl 4 Ob 536/88; 7 Ob 579/91).

8. Für den vorliegenden Fall bedeutet das zunächst, dass sich auch der Kläger den ihm zugewendeten Vermögenswert auf den Pflichtteil anrechnen lassen muss. Nach den Feststellungen ist die Liegenschaft im aktuellen Zustand, dh trotz des Sanierungsbedarfs der „Gebäudehülle“ und auch ohne deren „zeitgemäße thermische Adaptierung“, uneingeschränkt vermietbar. Diese Feststellung beruht ebenso wie der festgestellte Barwert des Fruchtgenusses (zu dessen Maßgeblichkeit vgl Giller, Vermögensnachfolge § 19 Rz 70 FN 56) auf dem mehrfach ergänzten und mündlich erörterten Gutachten des Sachverständigen, der dabei auch das Fehlen vermieteter Vergleichsobjekte in der Umgebung (AS 231 f) und die Feuchtigkeit im Keller (AS 233) berücksichtigt hat. Das in der Revisionsbeantwortung aus „prozessualer Vorsicht“ gestellte Begehren nach ergänzenden Feststellungen zur „Bewohn‑ bzw Vermietbarkeit“ läuft daher auf eine in dritter Instanz unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung der Vorinstanzen hinaus. Gründe, aus denen dem Kläger eine Vermietung nicht zumutbar wäre, sind nicht ersichtlich. Auch den Vorlegatar treffen im Übrigen die Erhaltungspflichten eines Fruchtnießers (§ 652 iVm §§ 613 und 513 ABGB; Koch in KBB5 § 513 Rz 1 f; zu den durch die Substitution bedingten Besonderheiten der Kostentragung vgl Kletečka, Ersatz- und Nacherbschaft, 286 f).

9. Das Erstgericht hat den nach der vorprozessualen Teilzahlung der Beklagten verbliebenen Pflichtteilsanspruch des Klägers – von diesem unbekämpft – mit 396.406,16 EUR ermittelt. Ein Zuspruch von 199.306,16 EUR sA ist bereits in Rechtskraft erwachsen, ebenso die Abweisung eines Zahlungsmehrbegehrens von 4.513,83 EUR sA. Der noch streitverfangene restliche Pflichtteilsanspruch ist mit dem anzurechnenden Barwert eines Fruchtgenussrechts von 197.100 EUR zur Gänze abgedeckt, weshalb das Zahlungsbegehren in diesem Umfang abzuweisen ist. Damit ist das Hauptbegehren zur Gänze erledigt.

III. Zum Eventualbegehren:

1. Der Kläger hat für den Fall, dass das ihm zugewendete Legat doch als pflichtteilsdeckend anzurechnen und sein Zahlungsbegehren im Umfang des Barwerts eines Fruchtgenussrechts daher nicht berechtigt sein sollte, ein Eventualbegehren gestellt. Da dieser Fall eingetreten ist, muss auch auf das Eventualbegehren eingegangen werden. Das davon umfasste eingeschränkte Zahlungsbegehren ist aber richtigerweise bloß als Minus zum Hauptbegehren zu behandeln (RIS‑Justiz RS0037601) und ist bereits rechtskräftig erledigt. Das Eventualverhältnis besteht somit nur zwischen dem mit 197.100 EUR bezifferten Teil des Zahlungsbegehrens und dem Begehren auf Übergabe der Liegenschaft sowie der Einwilligung in die Einverleibung des Eigentumsrechts des Klägers. Das Eventualbegehren kommt zum Tragen, weil das erwähnte Teilzahlungsbegehren (als Teil des Hauptbegehrens) abzuweisen ist.

2. Um tatsächlich Erträge aus der Vermietung der Liegenschaft lukrieren zu können, begehrt der Kläger die Übergabe der Liegenschaft samt der Einwilligung in die Einverleibung seines – unbeschränkten – Eigentumsrechts von der Beklagten als Vermächtnisschuldnerin, die seit der Einantwortung Eigentümerin der Liegenschaft (und als solche auch im Grundbuch eingetragen) ist. Er macht damit seinen obligatorischen Anspruch als Vermächtnisnehmer geltend, der zum sachenrechtlichen Erwerb noch des Verfügungsgeschäfts bedarf (5 Ob 224/08i mwN). Die Berechtigung des Begehrens hängt davon ab, ob diesem die vom Kläger im Verlassenschaftsverfahren erklärte Ausschlagung des „belasteten Legats“ unter Vorbehalt des Pflichtteils entgegengehalten werden kann. Das ist aus den folgenden Gründen zu verneinen:

3. Der Legatar erwirbt sein Recht auf Erfüllung mit dem Tod des Erblassers ohne Annahmeerklärung, er kann es aber auch „ausschlagen“ (7 Ob 576/90; 2 Ob 588/95 SZ 70/102). § 689 ABGB knüpft an die Ausschlagung die Rechtsfolge, dass das Legat auf den „Nachberufenen“ fällt, also auf einen vom Erblasser gemäß § 652 ABGB eingesetzten Ersatz‑ oder Nachlegatar. Das Forderungsrecht des Legatars wird durch die Ausschlagung ex-tunc zum Erlöschen gebracht. Ein Nachberufener wird so behandelt, als hätte er das Vermächtnis schon zum Anfallstag erworben (2 Ob 588/95; Volgger, Antritt und Ausschlagung der Erbschaft [2014] 16 f).

Die Rechtsfrage nach der Rechtsnatur der Legatsausschlagung und wem gegenüber sie zu erklären ist, ist in der Lehre umstritten (zum Meinungsstand Volgger, Antritt 18). Überwiegend scheint die Auffassung zu sein, dass die Legatsausschlagung während des Verlassenschaftsverfahrens an das Verlassenschaftsgericht (den Gerichtskommissär) zu richten ist, wofür hauptsächlich Gründe der Rechtssicherheit und der Praktikabilität ins Treffen geführt werden (so etwa Volgger, Antritt 21 und Kletečka, Ersatz‑ und Nacherbschaft, 129; vgl auch Welser in Rummel/Lukas 4 § 650 Rz 4). Nach einer Gegenmeinung stellt hingegen die Ausschlagung eines Vermächtnisses keine gegenüber dem Gericht abzugebende Prozesshandlung, sondern ein einseitiges Rechtsgeschäft des Privatrechts, eine empfangsbedürftige Willenserklärung dar, die stets an den Vermächtnisschuldner zu richten sei (Kralik, Erbrecht³ [1983] 236; Spruzina in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.02 § 684 Rz 3).

4. Dieser – auch nach Inkrafttreten des ErbRÄG 2015 weiterhin aktuelle (Kogler, Die Ausschlagung im neuen Erbrecht, EF‑Z 2018/2, 4 [9 f]) – Meinungsstreit muss hier aber keiner abschließenden Beurteilung unterzogen werden:

Der Oberste Gerichtshof hatte in der bereits erwähnten Entscheidung 6 Ob 189/98g SZ 71/166 (siehe II.4) auch zu prüfen, ob die von den zu Erben eingesetzten Töchtern des Erblassers im Verlassenschaftsverfahren unter Vorbehalt des Pflichtteils erklärte Erbsentschlagung auch die Ausschlagung der ihnen ausgesetzten Vermächtnisse umfasste. Er verneinte dies und führte aus, dass auch eine Legatsausschlagung als Prozesserklärung unbedingt erklärt werden müsste. Bei der Auslegung von Prozesshandlungen komme es darauf an, wie sie unter Berücksichtigung der konkreten, für Legatsausschlagungen jedoch fehlenden gesetzlichen Regelung, des Prozesszwecks und der dem Gericht und dem Gegner bekannten Prozess- und Aktenlage verstanden werden müsse. Danach bestehe (im Anlassfall) zwar kein Zweifel, dass die (damaligen) Klägerinnen einen Geldpflichtteil anstelle der in Legatsform angeordneten Zuwendung einer Unterbeteiligung verlangt hätten. Für die Annahme, dass sie auch für den Fall der fehlenden rechtlichen Durchsetzungsmöglichkeit eines Geldpflichtteils das Legat ausschlagen hätten wollen, fehle es aber an einem zweifelsfrei erkennbaren Verzichtswillen, der sowohl bei der Auslegung von Prozesserklärungen als auch von rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen feststehen müsse.

5. Der Kläger bezog sich bei der Begründung seines Eventualbegehrens erkennbar auf diese Aussagen, wenn er ausführte, es könne ihm nicht unterstellt werden, er habe auf das Legat auch für den Fall verzichtet, dass sein Anspruch auf den Geldpflichtteil rechtlich nicht durchsetzbar sein sollte. Die Beklagte hat das Eventualbegehren nur mit dem Hinweis auf ihr „bisheriges“, also das zum Hauptbegehren erstattete Vorbringen bestritten, in welchem sie zum ergänzten Vorbringen des Klägers aber nicht Stellung bezieht. Die Bestreitung der tragenden Begründung für das Eventualbegehren blieb somit gänzlich unsubstanziiert (AS 219). Es begegnet daher keinen Bedenken, die Grundsätze der Entscheidung 6 Ob 189/98g auch auf den vorliegenden Fall anzuwenden.

6. Schon die Wortwahl der im Verlassenschaftsverfahren abgegebenen Erklärungen des Klägers („belastetes Legat“) lässt die Deutung zu, dass er zwar eine belastete, nicht jedoch eine unbelastete Zuwendung ausschlagen wollte. Wie bereits ausführlich erörtert wurde, ist aber der ihm durch die Einräumung der Rechtsstellung eines Fruchtnießers zugewendete Vermögenswert frei von jeglicher Belastung (und daher zur Pflichtteilsdeckung geeignet). Ein zweifelsfrei erkennbarer Verzichtswille kann seinen Erklärungen insoweit nicht mit Sicherheit entnommen werden. Sind aber die Ausschlagungserklärungen des Klägers im Sinne seines – von der Beklagten unwidersprochenen – Vorbringens dahin zu deuten, dass der Verzicht nur „für den Fall“ der rechtlichen Durchsetzbarkeit des Anspruchs auf den Geldpflichtteil gelten sollte, ist ihnen eine unzulässige (vgl 6 Ob 189/98g; 2 Ob 121/01k; Volgger, Antritt 18 f) Bedingung immanent, die zur Unwirksamkeit der Ausschlagung (und nicht bloß der Bedingung) führen muss (vgl 6 Ob 3/09y EF‑Z 2010/19 [Volgger]; RIS‑Justiz RS0110927).

7. Die Auslegung der Legatsausschlagungs-erklärungen ergibt daher, dass der Kläger auf den ihm durch das Vermächtnis der Erblasserin „zur Abgeltung des Pflichtteils“ zugewendeten Vermögenswert nicht wirksam verzichtet hat. Die Beklagte ist demnach als Vermächtnisschuldnerin zur Übergabe der Liegenschaft an den Kläger verpflichtet, damit dieser die pflichtteilsdeckenden Erträge aus ihrer Vermietung lukrieren kann. Dieser Punkt ist für das aus dem nachstehenden Grund in erster Instanz fortzusetzende Verfahren abschließend geklärt und kann dort nicht mehr aufgerollt werden.

8. Das Eventualbegehren des Klägers ist noch nicht spruchreif:

Der Kläger begehrt die Einwilligung der Beklagten in die Einverleibung seines unbeschränkten Eigentumsrechts an der Liegenschaft, was jedoch der letztwilligen Verfügung der Erblasserin widerspricht. Das ihm zugedachte Eigentumsrecht ist durch die Anordnung der fideikommissarischen Substitution beschränkt. Die Beklagte kann daher nur zur Abgabe einer Aufsandungserklärung mit dieser Beschränkung verpflichtet werden (vgl 6 Ob 196/09f mwN [dort zur Amtsbestätigung nach § 182 Abs 3 AußStrG]). Einer Annahme der Aufsandungserklärung durch den begünstigten Nachlegatar bedarf es nicht (vgl 3 Ob 44/00t = RIS‑Justiz RS0114819). Da es sich nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bei einem durch ein Nachvermächtnis belastetes Vermächtnis gegenüber einem unbelasteten Vermächtnis nicht um ein Minus, sondern um ein Aliud handelt (6 Ob 196/09f = RIS‑Justiz RS0125473), wird das Erstgericht im fortzusetzenden Verfahren die richtige Fassung des Eventualbegehrens zu erörtern und dem Kläger die Gelegenheit zur Verbesserung dieses Begehrens zu geben haben (RIS‑Justiz RS0036871).

9. Zur Klarstellung ist anzumerken, dass die am gegenständlichen Verfahren nicht beteiligte Nachlegatarin – die Streitverkündigung der Beklagten (ON 7) konnte ihr bisher nicht zugestellt werden – an das erzielte Prozessergebnis nicht gebunden ist. Die Nachlegatarin hat im Verlassenschaftsverfahren den Standpunkt vertreten, der Kläger habe das ihm ausgesetzte Vermächtnis wirksam ausgeschlagen, sodass es ihr gemäß § 689 ABGB zugefallen sei. Die von ihr beantragte Ausstellung einer Amtsbestätigung nach § 182 Abs 3 AußStrG wurde jedoch mangels Zustimmung der Erbin verweigert (vgl 2 Ob 27/15g). Es bleibt ihr unbenommen, ihre behaupteten Rechte gegen den Kläger durchzusetzen.

IV. Ergebnis und Kosten:

1. Das auf die Zahlung weiterer 197.100 EUR sA gerichtete restliche Hauptbegehren ist in Stattgebung der Revision der Beklagten mit Teilurteil abzuweisen. Hinsichtlich des für diesen Fall gestellten Eventualbegehrens kommt derzeit nur die Zurückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung in Betracht.

2. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 4 ZPO.

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