OGH 7Ob579/91

OGH7Ob579/9126.9.1991

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach Eva V*****, infolge Revisionsrekurses des Werner O*****, vertreten durch Dr. Siegfried Leitner, Rechtsanwalt in Graz, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 3. Mai 1991, GZ 3 R 125/91-36, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 4. März 1991, GZ 18 A 374/91-31, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Eva V***** hinterließ keine gesetzlichen Erben, sie verfügte in ihrer letztwilligen Anordnung: "Für den Fall meines Todes bestimme ich Herrn Werner O***** zum alleinigen Erben meiner Eigentumswohnung in Graz, A*****straße 59/3. Nach seinem Ableben wird die Wohnung verkauft, aus dem Erlös geht die Hälfte dem B*****institut O***** zu zwecks Anschaffung neuer Geräte, die zweite Hälfte dem Tierschutzverein A***** ...". In den Nachlaß fällt nicht nur die genannte Eigentumswohnung, sondern auch eine weitere in S*****straße 35 sowie Wertpapiere und Sparguthaben im Gesamtwert von etwa S 700.000,-. Über diese Wertgegenstände liegt keine letztwillige Verfügung vor.

Werner O***** gab zum gesamten Nachlaß zunächst eine bedingte Erbserklärung ab, die er in der Folge in eine unbedingte umwandelte. Letztere wurde vom Erstgericht mit Beschluß vom 4. 2. 1991 (ON 27) angenommen.

Die beiden Nachlegatare vertreten den Standpunkt, daß ihnen hinsichtlich des gesamten Nachlaßvermögens die Stellung von Nacherben zukomme. Sie beantragten die Inventarisierung und Schätzung des gesamten Nachlasses. Demgegenüber stellte Werner O***** den Antrag auf Abstandnahme von einer Inventur und einer Schätzung, weil sich die fideikommissarische Substitution zugunsten der beiden Nachlegatare nur auf die Eigentumswohnung in der A*****straße beziehe.

Das Erstgericht gab dem Antrag Werner O***** statt. Eine Inventarisierung und Schätzung des Nachlasses sei entbehrlich, weil keine Nacherbschaft, sondern ein Nachvermächtnis vorliege.

Das Rekursgericht änderte diesen Beschluß über Rechtsmittel der beiden Nachlegatare dahin ab, als daß es die Inventarisierung des Nachlasses anordnete, jedoch das Schätzungsbegehren abwies. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 50.000,-

übersteigt und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig. Der letztwilligen Verfügung der Erblasserin könne keine Ungleichbehandlung der beiden Nachlegatare gegenüber dem Vorvermächtnisnehmer entnommen werden, diese seien daher in ihrer ihnen vom Gesetz gemäß § 726 ABGB eingeräumten Möglichkeit, Erben zu werden, einander gleichzustellen. Den beiden Nachlegataren stehe daher ein außerordentliches (Nach-)Erbrecht jeweils im Umfang der halben Erbquote nach dem Vorerben zu. Daraus ergebe sich aber die Notwendigkeit einer Inventarisierung. Eine Schätzung sei zur Sicherung der Nacherbenrechte nicht erforderlich.

Der gegen diesen Beschluß erhobene Revisionsrekurs des Vorerben Werner O***** ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Rechtsauffassung des Revisionsrekurswerbers, daß mit der Erbserklärung des Vorvermächtnisnehmers die auch Nachlegataren nach § 726 ABGB eingeräumte Möglichkeit, selbst Erben zu werden, konsumiert sei und daß Nachlegatare nur das ihnen letztwillige zugedachte Legat, nicht aber die Erbschaft bzw. Teile davon zustünden, kann nicht geteilt werden. Nach der Lehre (Ehrenzweig-Kralik, Erbrecht 81 ff; ihm folgend Welser in Rummel, ABGB2 § 726 Rz 4) verfolgte der Gesetzgeber mit der Bestimmung des § 726 ABGB klar erkennbar die Absicht, den Nachlaß, bevor er heimfällig wird, Personen zuzuwenden, die in einem besonderen Naheverhältnis zum Erblasser standen. Demnach sind die in der letztwilligen Verfügung bedachten Legatare in einem solchen Fall so wie eingesetzte Erben zu behandeln. Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem Wortlaut des Testamentes, daß Werner O***** nicht das unbegrenzte Verfügungsrecht an der Wohnung erlangen sollte, sondern nur ein lebenslängliches Nutzungsrecht. Die Gegner des Rekurswerbers sind daher nicht Nachvermächtnisnehmer, weil sie nicht die dem Vermächtnisnehmer gemachte Zuwendung nach dessen Tod erhalten, sondern das Eigentumsrecht unbelastet erwerben. Sie sind also neben Werner O***** Vermächtnisnehmer, für die § 726 ABGB gilt. Ergibt sich aus dem Testament nichts gegenteiliges, so entspricht es dem Willen des Erblassers, daß der "Vor"vermächtnisnehmer nur die Stellung eines zeitlich beschränkten Eigentümers erlangt, die im wesentlichen jener eines Fruchtnießers entspricht, während der "Nach"legatar mit dem Eintritt des Substitutionsfalles das unbeschränkte Vollrecht an der Sache zu erhalten hat (vgl. JBl 1988, 712 = NZ 1988, 327).

Die vom Rekursgericht angeordnete Inventarisierung entspricht daher der Sach- und Rechtslage.

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