OGH 9Ob81/17b

OGH9Ob81/17b25.4.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner, Mag. Korn und Dr. Stefula in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. G***** S*****, vertreten durch Dr. Sven Rudolf Thorstensen, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei C*****gesellschaft mbH als Insolvenzverwalterin im Insolvenzverfahren der E***** GmbH (AZ ***** des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz), vertreten durch Muhri & Werschitz Partnerschaft von Rechtsanwälten GmbH in Graz, wegen Feststellung des Zurechtbestehens einer Insolvenzforderung (Streitwert: 32.445,48 EUR), über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 28. September 2017, GZ 2 R 75/17t‑29, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 9. August 2016, GZ 35 Cg 135/15w‑20, teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0090OB00081.17B.0425.000

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Am 31. 8. 2010 unterzeichnete der Kläger über Vermittlung und nach Beratung durch die frühere Beklagte eine Beitrittserklärung für die S***** GmbH & Co KG über eine Beteiligung an diesem geschlossenen Fonds mit einer Zeichnungssumme von 30.000 EUR und eines Agios von 1.500 EUR.

Mit seiner am 2. 11. 2015 eingebrachten Klage begehrt der Kläger von der vormals Beklagten Schadenersatz infolge eines Beratungsfehlers der Beklagten. Neben der Rückzahlung des eingesetzten Kapitals von 30.000 EUR zuzüglich des Agios von 1.500 EUR und der entgangenen Rendite aus einer Alternativveranlagung von 4.075,58 EUR (2,5 % Zinsen aus 31.500 EUR für 31. 8. 2010 bis 1. 10. 2015) errechne sich der Klagsbetrag mit 35.575,58 EUR zuzüglich 4 % Zinsen seit Klagszustellung Zug um Zug gegen Übertragung seiner Treugeberstellung bzw seiner Rechte und Pflichten aus dem Treuhandvertrag vom 31. 8. 2010 mit der A***** GmbH als Treuhänderin betreffend die Kommanditbeteiligung an der S***** GmbH & Co KG in Höhe von 30.000 EUR. Hilfsweise stellte der Kläger ein Haftungsfeststellungsbegehren.

Die vormals Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und wandte zusammengefasst ein, dass der Kläger ordnungsgemäß aufgeklärt worden sei. Der Schadenersatzanspruch sei überdies verjährt. Die vormalige Beklagte hätte mit dem Kläger einen Haftungsausschluss für durch leichte Fahrlässigkeit entstandene Schäden ausgehandelt und vereinbart. Jedenfalls treffe den Kläger ein erhebliches Mitverschulden.

Das Erstgericht verpflichtete die vormals Beklagte zur Zahlung von 15.750 EUR sA Zug um Zug gegen Übertragung der Rechte und Pflichten des Klägers aus dem Treuhandvertrag vom 31. 8. 2010 mit der A***** GmbH als Treuhänderin betreffend die Kommanditbeteiligung an der S***** GmbH & Co KG in Höhe des Nominalbetrags von 15.000 EUR. Das Mehrbegehren von 19.825,58 EUR sA wies es ab. Die Beklagte habe den Kläger über das Risiko der Veranlagung nicht ordnungsgemäß aufgeklärt. Der daraus resultierende Schadenersatzanspruch des Klägers sei nicht verjährt. Den Kläger treffe aber als erfahrenen Anleger ein Mitverschulden von 50 %. Ein Schaden aus einer Alternativveranlagung sei nicht erweislich.

Nach Zustellung der Entscheidung an die Parteien wurde am 31. 8. 2016 über das Vermögen der vormals Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet. Mit Beschluss vom 1. 9. 2016 sprach das Erstgericht aus, dass das Verfahren nach § 7 Abs 1 IO unterbrochen sei.

Der Kläger meldete im Insolvenzverfahren der Schuldnerin insgesamt 52.782,71 EUR, bestehend aus dem investierten Kapital von 31.500 EUR, Zinsen von 4.731,47 EUR sowie Verfahrenskosten erster Instanz von 16.551,24 EUR, als Insolvenzforderung an. Seine Forderungsanmeldung enthielt auch einen Antrag auf abgesonderte Befriedigung aus dem Deckungsanspruch der Schuldnerin gegen ihre Haftpflichtversicherung, der S***** AG von 48.051,24 EUR sA. Die Insolvenzverwalterin bestritt in einer Prüfungstagsatzung diese Forderung.

Über Antrag des Klägers vom 10. 3. 2017 sprach das Erstgericht mit (rechtskräftigem) Beschluss vom 13. 3. 2017 die Fortsetzung des Verfahrens aus.

Gegen den klageabweisenden Teil des Ersturteils erhob der Kläger Berufung. Darin beantragte er, das Ersturteil dahin abzuändern, dass 1. dem Klagebegehren vollinhaltlich stattgegeben und festgestellt werde, dass dem Kläger eine unbedingte Insolvenzforderung von 32.445,48 EUR im Insolvenzverfahren der Gemeinschuldnerin zustehe und 2. dem Klagebegehren vollinhaltlich stattgegeben und die Beklagte schuldig erkannt werde, dem Kläger 19.825,58 EUR samt 4 % Zinsen seit Klagszustellung Zug um Zug gegen Übertragung seiner Treugeberstellung bzw Rechte und Pflichten aus dem Treuhandvertrag vom 31. 8. 2010 mit der A***** GmbH als Treuhänderin betreffend die Kommanditbeteiligung an der S***** GmbH & Co KG in Höhe des Nominalbetrags von 15.000 EUR binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution in den Deckungsanspruch gegen den Haftpflichtversicherer S***** AG zur Versicherungspolizze ***** und zur Versicherungspolizze von E*****gmbH als weitere Versicherungsnehmerin in der Versicherungspolizze von R***** A***** in eventu bei sonstiger Exekution in den Deckungsanspruch gegen den Haftpflichtversicherer S***** AG zu bezahlen. In eventu werde ein Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag gestellt.

Das Berufungsgericht berichtigte mit Beschluss die Parteienbezeichnung der Beklagten und wies das im Berufungsantrag enthaltene geänderte Klagebegehren, 412,80 EUR an kapitalisierten Zinsen aus 19.825,58 EUR vom 2. 11. 2015 bis 31. 8. 2016 als Insolvenzforderung festzustellen, zurück. Das angefochtene Urteil, das im Umfang des Zuspruchs von 15.750 EUR sA als unangefochten geblieben in Rechtskraft erwuchs, bestätigte das Berufungsgericht in seinem angefochtenen Teil im Umfang der Abweisung von 14.575,58 EUR samt 4 % Zinsen seit Klagszustellung mit der Maßgabe als Teilurteil, dass es das Klagebegehren, die Klagsforderung mit 14.575,58 EUR als Insolvenzforderung festzustellen, abwies. Im bekämpften Umfang der Abweisung des infolge der Insolvenzeröffnung geänderten Klagebegehrens auf Feststellung, dass die Klagsforderung mit 5.250 EUR als Insolvenzforderung zu Recht bestehe, hob es das Ersturteil einschließlich seiner Kostenentscheidung auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang zur Verhandlung und Urteilsfällung an das Erstgericht zurück.

Für die Geltendmachung der kapitalisierten Zinsen von 412,80 EUR sei der Rechtsweg nicht zulässig, weil dieser Betrag im Insolvenzverfahren nicht angemeldet worden sei. Das Mitverschulden des Klägers betrage lediglich ein Drittel. Das Leistungsbegehren sei daher im Umfang von 10.500 EUR und dem begehrten Ersatz für die Alternativveranlagung von 4.075,58 EUR nicht berechtigt. Die im Berufungsverfahren angestrebte Abänderung des Urteils im Sinne des im Insolvenzverfahren geltend gemachten Absonderungsanspruchs in den Deckungsanspruch der Schuldnerin gegenüber ihrer Haftpflichtversicherung scheitere auf Grund des Neuerungsverbots.

Über den Insolvenzteilnahmeanspruch des Klägers im Umfang von 5.250 EUR und der bis zum Schluss der Verhandlung erster Instanz entstandenen Verfahrenskosten könne noch nicht entschieden werden, weil zu ersterem das Verfahren angesichts der im Prozess angestrebten Zug um Zug-Leistung ergänzungsbedürftig sei. Dazu vertrat das Berufungsgericht zusammengefasst die Auffassung, dass der durch pflichtwidrige Anlageberatung Geschädigte Schadenersatz in Form eines als „Naturalrestitution“ bezeichneten Anspruchs verlangen könne, der, wenn er sich dazu entschließe, die unerwünschte Anlage noch zu behalten, auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen einen Bereicherungsanspruch durch Übertragung des noch vorhandenen Finanzprodukts an den Schädiger gerichtet sei. Der Kläger habe im Insolvenzverfahren über das Vermögen der vormaligen Beklagten seine Forderung als reinen Zahlungsanspruch ohne Zug‑um‑Zug‑Beschränkung angemeldet. Der Insolvenzverwalter habe die in dieser Form (unbedingt) angemeldete Forderung bestritten. Diese Forderung sei keine bedingte Forderung im Sinne des § 16 IO; sie sei vielmehr bereits jetzt fällig. Sie sei auch nicht bedingt durch die Übertragung der vom Kläger über Rat der ehemals Beklagten und nunmehrigen Schuldnerin eingegangenen Beteiligungen, sodass auch die eingeklagte unbedingte Forderung nicht als bedingt festgestellt werden könnte. Denn ungeachtet des Begehrens auf Rückzahlung der Investition Zug um Zug gegen einen Bereicherungsausgleich durch Übertragung der noch vorhandenen Finanzprodukte handle es sich um einen auf Geldersatz gerichteten Anspruch, in dem von vornherein (ohne Einwendung des Beklagten) im Klagebegehren der vorweggenommene Bereicherungs-ausgleich ausgedrückt werde. Durch das Entstehen des Anspruchs mit dieser Zug‑um‑Zug‑Verpflichtung liege in Wahrheit eine unbestimmte Forderung im Sinn des § 14 IO vor. Das Berufungsgericht schließe sich der Rechtsauffassung des deutschen Bundesgerichtshofs (BGH) in der Entscheidung III ZR 383/12 an, wonach im Fall der Anmeldung eines bezifferten Schadenersatzanspruchs hinsichlich einer Kommanditbeteiligung mit dem vollen Zahlungsbetrag und ohne die zugesprochene Zug‑um‑Zug‑Einschränkung die Entscheidung über die Feststellung der angemeldeten Forderung vom Wert der Zug um Zug zu übertragenden Beteiligung abhänge; dieser Wert könne für die Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschätzt werden. Es seien daher im Prozess Feststellungen über den Wert der vom Kläger zu übertragenden Kommanditbeteiligung zu treffen; bei entsprechender Werthaltigkeit reduziere sich der festzustellende Insolvenzteilnahmeanspruch um diesen Wert.

Das Berufungsgericht erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof nach § 502 Abs 1 iVm § 519 Abs 1 Z 2 und Abs 2 ZPO für zulässig, weil Rechtsprechung dazu fehle, ob und in welcher Weise bei nachträglicher Insolvenzeröffnung über das Vermögen der schadenersatzpflichtigen Vermögensberaterin und den daran anknüpfenden (insolvenz‑)rechtlichen Folgen im zu führenden Prüfungsprozess auf die seinerzeitige Verpflichtung der Beklagten zur Schadenersatzzahlung nur Zug um Zug gegen die Übertragung der von der Klägerin erworbenen Beteiligungen an sie (gegebenenfalls im Sinn der §§ 14, 16 IO) Bedacht zu nehmen sei. Die gefundene Lösung könnte auch als Abgehen von der Entscheidung 6 Ob 7/15w gewertet werden.

Gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem auf gänzliche Klageabweisung, in eventu auf gänzliche Klagszurückweisung gerichteten Abänderungsantrag.

Der Kläger beantragt in seiner Rekursbeantwortung , den Rekurs als unzulässig zurückzuweisen; hilfsweise, ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Beklagten ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof hat bereits in einem gleichgelagerten, ebenfalls die hier in Insolvenz geratene vormalige Beklagte betreffenden Fall einer anderen Klägerin (1 Ob 208/17w vom 27. 2. 2018) zu der vom Berufungsgericht zugelassenen Rechtsfrage folgende Rechtsauffassung vertreten:

„2.2. Beim Vermögensschaden ist zwischen dem realen Schaden (diesen zu ersetzen begehrt die Klägerin), der in einer tatsächlichen negativen Veränderung der Vermögensgüter des Geschädigten liegt und auf dessen Ausgleich die Naturalherstellung (§ 1323 ABGB) ausgerichtet ist, und dem rechnerischen Schaden zu unterscheiden. Während für den realen Schaden eine in Geld messbare Vermögenseinbuße nicht entscheidend ist (RIS‑Justiz RS0022537 [T12]), versteht man unter rechnerischem Schaden die in Geld messbare Verminderung des Vermögens oder eines Vermögensgutes des Geschädigten. Der rechnerische Schaden wird stets durch eine Differenzrechnung ermittelt (RIS‑Justiz RS0030153 [T28]).

Bei einer Kapitalveranlagung liegt ein zu ersetzender Schaden bereits darin, dass ein Anleger kein wertstabiles (wie von ihm gewünscht), sondern ein Kursschwankungen unterliegendes Wertpapier (oder Edelmetall) erworben hat (RIS‑Justiz RS0120784 [T7]). Für das Vorliegen eines realen Schadens reicht es aus, dass die Zusammensetzung des Vermögens des Geschädigten nach dem schadensbegründenden Ereignis nicht seinem Willen entspricht (6 Ob 7/15w mwN).

Entschließt sich der Geschädigte, die unerwünschte Anlage vorläufig noch zu behalten, besteht ein– vereinfacht gesagt auf „Naturalrestitution“ gerichteter – Anspruch, der auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen einen Bereicherungsausgleich durch Übertragung des noch vorhandenen Finanzprodukts an den Schädiger gerichtet ist (RIS‑Justiz RS0108267 [T15]; RS0120784 [T22]). Da der Schaden des Anlegers bereits im Erwerb des ungewollten Finanzprodukts liegt, ist der Ersatzanspruch grundsätzlich nicht von dessen späterer Kursentwicklung abhängig, die Herausgabe der Wertpapiere ist nur eine Form des Bereicherungsausgleichs. Diese Variante des Leistungsbegehrens steht auch gegenüber dem bloßen Anlageberater zu, von dem die Finanzprodukte nicht erworben wurden (8 Ob 39/12m mwN).

Hätte der Anleger bei richtiger Beratung die Vermögensanlage nicht gekauft, hat er daher im Rahmen der „Naturalrestitution“ (§ 1323 ABGB) Anspruch auf Rückzahlung der zum Erwerb der Vermögensanlage gezahlten Kaufpreise abzüglich allfälliger erhaltener Zinszahlungen Zug um Zug gegen Übertragung der Vermögensanlage (RIS‑Justiz RS0108267 [T5]; RS0120784 [T3]). Durch die Notwendigkeit, ein Leistungsbegehren in diesem Sinn zu erheben, wird die Möglichkeit des Anlegers, auf dem Rücken des Schädigers zu spekulieren, verhindert (RIS‑Justiz RS0120784 [T12]). Wenn in der Entscheidung 6 Ob 7/15w (= RIS‑Justiz RS0108267 [T31] = RS0120784 [T39]; 1 Ob 86/17d; RS0030153 [T39]) davon gesprochen wird, dass das Angebot der Rückgabe der seinerzeit erworbenen Wertpapiere Zug um Zug gegen Rückerstattung des Kaufpreises erforderlich sei, weil durch die schadenersatzrechtliche Naturalrestitution eine Vertragsaufhebung nachgebildet werde, und in der Erhebung eines Anspruchs auf Rückerstattung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe der erworbenen Papiere auch das Begehren, in die Vertragsaufhebung einzuwilligen, liege, so bezieht sich diese Aussage – wie sich aus dem Verweis auf G. Kodek (Ausgewählte Fragen der Schadenshöhe bei Anlegerschäden, ÖBA 2012, 11 [14]) – ergibt, auf den Vertragspartner, von dem der Anleger die Wertpapiere erworben hat. Das ist im vorliegenden Fall die Schuldnerin nicht, die als Anlageberaterin für die Klägerin tätig war. Sie hat die allein geschuldete Beratungsleistung – wenn auch fehlerhaft – bereits erbracht. Ein Begehren auf Vertragsaufhebung kommt ihr gegenüber im Zusammenhang mit der Rückgabe der erworbenen Papiere nicht in Betracht.

2.3. Zutreffend legte das Berufungsgericht dar, dass die von der Klägerin im Insolvenzverfahren der Schuldnerin angemeldete Schadenersatzforderung keine bedingte Forderung im Sinn des § 16 IO ist; sie war vielmehr bereits im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz und der Insolvenzeröffnung fällig. Die klagende Anlegerin hat einen auf Geldersatz gerichteten schadenersatzrechtlichen Anspruch auf Rückzahlung der Investition. Bei diesem Anspruch auf „Naturalrestitution“ handelt es sich nicht um ein schadenersatzrechtliches Feststellungsbegehren über künftige Schadenersatzansprüche, die im Insolvenzverfahren als bedingte Insolvenzforderung (§ 16 IO) mit dem Schätzwert zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 14 Abs 1 IO) anzumelden wären (vgl dazu RIS‑Justiz RS0124734 [T1]).

2.4. Die von der Beklagten herangezogene Bestimmung des § 21 Abs 1 IO, die von einem Teil der Lehre auch auf „Rückabwicklungsschuldverhältnisse“ (Verhältnisse, die sich aus der Auflösung von gegenseitigen Verträgen ergeben) angewandt wird (so etwa Widhalm‑Budak in Konecny/Schubert , Insolvenzgesetze § 21 KO Rz 39; aA Iro , Das Zug‑um‑Zug‑Prinzip im Insolvenzverfahren, RdW 1985, 101 [102]; H.  Kepplinger , Das Synallagma in der Insolvenz [2000], 347), gelangt nicht – auch nicht analog – zur Anwendung. In casu handelt es sich nicht um ein „Rückabwicklungsschuldverhältnis“, sondern um einen – ohne Beachtung der Besonderheiten des Insolvenzverfahrens – zu berücksichtigenden Bereicherungsausgleich. Dabei geht es um eine Frage der Höhe des Anspruchs (vgl zum Vorteilsausgleich 7 Ob 89/14k; 10 Ob 85/15w; RIS‑Justiz RS0022788 [T4, T5]). § 21 IO betrifft im Austauschverhältnis stehende Leistungspflichten (RIS‑Justiz RS0119883). Die Schuldnerin hat ohne Zahlung gerade keinen Anspruch auf Herausgabe der Wertpapiere, den grundsätzlich die wechselseitige Verpflichtung Zug um Zug sichern soll. § 21 IO ist hier auch nicht analog anzuwenden, weil die Zug‑um‑Zug‑Abwicklung bei Anlegerschäden keine Sicherungsfunktion wie das Zurückbehaltungsrecht nach § 1052 ABGB hat, sondern eine Form des Bereicherungsausgleichs ist. Ihr Zweck ist nicht die Abwicklung von beiderseitigen Leistungspflichten (den geschädigten Anleger trifft keine Herausgabepflicht), sondern die Schadensberechnung „durch Naturalrestitution“ (8 Ob 79/16z).

2.5. Die Klägerin hat ihre Schadenersatz-forderungen auf „Naturalrestitution“ zutreffend als unbedingte Forderungen angemeldet. Im Insolvenzverfahren kann grundsätzlich aufgrund der insolvenzrechtlichen Bestimmungen vom Schuldner nicht die Zug‑um‑Zug‑Einrede erhoben werden. Dieser Einwand steht ihm nur außerhalb des Insolvenzverfahrens offen ( Tremel , Insolvenzaufhebung während anhängigem Prüfungsprozess, ZIK 2017/9, 11 [15]). Die Anmeldung einer Forderung Zug um Zug gegen die Übertragung der Finanzprodukte ist im Insolvenzrecht nicht vorgesehen. Zutreffend ging das Berufungsgericht davon aus, dass bei einer Zug‑um‑Zug‑Verpflichtung eine unbestimmte Forderung im Sinn des § 14 Abs 1 IO vorliegt.

Die „Naturalrestitution“ bzw der „Naturalersatz“ ist – wie dargelegt – beim Schaden durch Erwerb einer unerwünschten Anlage nur eine besondere Berechnungsform des Geldersatzes (8 Ob 79/16z ua; RIS‑Justiz RS0129706 [T4]). Gemäß § 14 Abs 1 IO sind insbesondere Forderungen, die nicht auf eine Geldleistung gerichtet sind oder deren Geldbetrag unbestimmt ist, nach ihrem Schätzwert in inländischer Währung zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geltend zu machen. Steht daher eine Insolvenzforderung ihrer Höhe nach nicht fest, kann sie mit dem Schätzwert zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung angemeldet und im Insolvenzverfahren berücksichtigt werden. Der Wert einer „Zug‑um‑Zug‑Einschränkung“ eines Schadenersatzanspruchs ist im Insolvenzverfahren daher in entsprechender Anwendung des § 14 Abs 1 IO zu schätzen und – falls nicht null – vom Schadenersatzbetrag abzuziehen (so auch die deutsche Judikatur und Lehre zur vergleichbaren Bestimmung des § 45 Satz 1 dInsO: BGH II ZR 9/12 [Rn 17]; III ZR 383/12 [Rn 17, 27]; III ZR 384/12 [Rn 25]; VII ZR 58/13 [Rn 36]; IX ZR 315/14 [Rn 36]; Thonfeld in K. Schmidt , InsO 19 [2016] § 45 Rn 4). Daher wäre (bei Werthaltigkeit) der Wert der Finanzprodukte zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung von den wegen Fehlberatung aufgewendeten Ankaufskosten abzuziehen und die Differenz als unbedingte Insolvenzforderung anzumelden. Ein Prüfungsbegehren, das auf Feststellung einer Geldforderung zu lauten hat (RIS‑Justiz RS0065442), wäre auch nur in dieser Höhe berechtigt.

3. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin kann gegen diese während des Insolvenzverfahrens ein Leistungsurteil nicht erwirkt werden. Durch die Aufnahme des zunächst unterbrochenen Verfahrens wird der bisherige Leistungsprozess gemäß § 113 IO zu einem Prüfungsprozess nach § 110 IO. Gegenstand des Prüfungsprozesses ist der Teilnahmeanspruch, so wie er der Prüfungsverhandlung zugrunde lag (RIS‑Justiz RS0065601). Das Klagebegehren im Prüfungsprozess kann nur auf den Grund gestützt werden, der in der Anmeldung und bei der Prüfungstagsatzung angegeben worden ist, denn die ordnungsgemäße Abwicklung des Prüfungsverfahrens erfordert, dass es keinen Prüfungsprozess ohne vorhergehende Forderungsanmeldung gibt; es gibt daher in einem solchen keine Erweiterung oder Änderung des Klagsgrundes und auch keine Klagsänderung. Diese Begrenzung der Prüfungsklage ist von Amts wegen jederzeit zu beachten. Der Geltendmachung einer im Insolvenzverfahren nicht in diesem Sinn angemeldeten Forderung steht das Prozesshindernis der Unzulässigkeit des Rechtswegs entgegen. Unzulässig sind Klageänderungen; Ergänzungen sind zulässig, wenn die Forderung schon in der Anmeldung individualisiert worden ist (RIS‑Justiz RS0039281 [besonders T12, T17]; RS0065597).

Gegenstand der Forderungsanmeldung der Klägerin im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin waren ihre unbedingt angemeldeten Schadenersatzforderungen aus der fehlerhaften Anlageberatung (Ankaufskosten zuzüglich kapitalisierte Zinsen aus einer Alternativveranlagung für die beiden Veranlagungsprodukte) ohne Abzug des Werts des Bereicherungsausgleichs („Zug‑um‑Zug‑Einschränkung“). Entgegen der Ansicht der Beklagten hat die Klägerin kein „anderes Klagebegehren erhoben, als dieses Gegenstand der unbedingten Forderungsanmeldung ist“. Dass sich ihr Schadenersatzanspruch der Höhe nach um den Wert der jeweiligen Anlageprodukte vermindern könnte, führt nicht dazu, dass Gegenstand des Prüfungsprozesses eine andere als die angemeldete Forderung wäre.

4. Sowohl Vorbringen als auch Festellungen dazu, ob die von der Klägerin an die Schuldnerin abzutretenden Finanzprodukte noch werthaltig sind und welchen Wert sie gegebenenfalls haben, fehlen. Bei einer feststehenden Werthaltigkeit der von ihr zu übertragenden Veranlagungen reduzierte sich der Betrag ihrer Insolvenzforderung entsprechend. Zudem kann der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, dem Berufungsgericht dann nicht entgegentreten, wenn es ausgehend von seiner zutreffenden Rechtsansicht der Meinung ist, der Sachverhalt sei in der von ihm dargestellten Richtung noch nicht genügend geklärt (RIS‑Justiz RS0042179 [T3]).“

Der erkennende Senat teilt die Rechtsauffassung des 1. Senats und dessen Begründung. Andere als in der Entscheidung 1 Ob 208/17w bereits behandelte Aspekte wirft der Rekurs der Beklagten nicht auf.

Dem Rekurs der Beklagten ist daher nicht Folge zu geben.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO (RIS-Justiz RS0035976).

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