European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0010OB00086.17D.0830.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Vorweg ist festzuhalten, dass die Revisionswerberin über weite Strecken ausdrücklich die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts bekämpft. Diese ist aber nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens. Auf die entsprechenden Revisionsausführungen kann daher nur insoweit eingegangen werden, als ausreichend deutlich erkennbar ist, dass und inwieweit auch die Rechtsansicht des Berufungsgerichts bekämpft wird.
Vielfach setzt sich die Revisionswerberin mit der – von ihr als unvertretbar kritisierten – Rechtsansicht der Gerichte im Anlassverfahren nur rudimentär auseinander oder belässt es dabei, ihre eigene Rechtsansicht darzulegen, ohne diese in Beziehung zu der im Anlassverfahren vertretenen gerichtlichen Rechtsansicht zu setzen. Damit verstößt sie aber gegen das Gebot, dass jedes Rechtsmittel aus sich heraus verständlich sein muss, da das Rechtsmittelgericht nicht gehalten ist, von Amts wegen die gesamten Verfahrensakten nach Passagen zu untersuchen, die allenfalls mit der Rechtsansicht des Revisionswerbers in Widerspruch stehen könnten.
2. Die Prüfung der Vertretbarkeit einer Rechtsauffassung als Verschuldenselement ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig und entzieht sich deshalb regelmäßig einer Beurteilung als erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO (RIS‑Justiz RS0110837). Allgemein ist entscheidend, ob die beanstandeten Entscheidungen im Anlassverfahren auf einer bei pflichtgemäßer Überlegung vertretbaren Rechtsauslegung oder Rechtsanwendung beruhten. Wird dies – wie hier – vom Berufungsgericht verneint, liegt eine erhebliche Rechtsfrage regelmäßig nur vor, wenn die Annahme einer Vertretbarkeit der Rechtsansicht auf einer korrekturbedürftigen Fehlbeurteilung beruhte (vgl nur 1 Ob 291/01b). Derartiges vermag die Revisionswerberin nicht aufzuzeigen.
3. Die Revisionswerberin kündigt eingangs ihres Rechtsmittels zwar die Ausführung des Rechtsmittelgrundes der Nichtigkeit an, stellt bei der Rechtsmittelausführung aber primär die bloße Frage, ob „nicht sogar Nichtigkeit des hier angefochtenen Urteils“ vorliegt, weil nach § 477 Abs 1 Z 9 ZPO ein Urteil, dessen Überprüfung nicht mit Sicherheit vorgenommen werden kann, nichtig sei; ebenso sei eine Entscheidung nichtig, die keine Entscheidungsgründe beinhalte.
Wenn die Revisionswerberin in diesem Zusammenhang auf eine Passage im Urteil des Erstgerichts hinweist, das die rechtliche Beurteilung im Anlassverfahren als ausreichend bezeichnete, kann damit schon nach den Grundsätzen der Logik eine Nichtigkeit des hier angefochtenen (Berufungs‑)Urteils nicht aufgezeigt werden.
4. Im Anlassverfahren wurde der Honoraranspruch der Klägerin – abweichend vom Streitwert von rund 70.000 EUR – auf einer niedrigeren Bemessungsgrundlage ermittelt, weil die Klägerin gehalten gewesen wäre, den dort Beklagten, ihren früheren Mandanten, darüber aufzuklären, dass einzelne Klagepositionen (17.548,48 EUR wegen „verminderter Wohnnutzfläche“ und 15.336,80 EUR für „merkantile Wertminderung“) rechtlich nicht durchsetzbar gewesen wären und sich bei Entfall dieser Positionen der Streitwert auf 37.107,16 EUR verringert hätte.
Wenn die Revisionswerberin meint, für eine solche Reduktion ihres Honoraranspruchs mangle es an einer Rechtsgrundlage, übersieht sie offenbar, dass in der höchstgerichtlichen Judikatur bereits ein Recht auf „schadenersatzrechtliche Naturalrestitution“ (Vertrags-aufhebung bzw ‑anpassung) anerkannt ist, sofern aufgrund eines schuldhaften Beratungsfehlers ein Vertrag zustandegekommen ist, den der Vertragspartner bei pflichtgemäßer Beratung gar nicht oder mit einem anderen Inhalt abgeschlossen hätte (vgl nur 6 Ob 7/15w = RIS‑Justiz RS0030153 [T39]). Haben die Gerichte im Anlassverfahren nun die Auffassung vertreten, bei pflichtgemäßer Beratung über die Erfolgsaussichten hätte der Klient die Klägerin mit einer Klageführung über lediglich rund 37.000 EUR beauftragt, steht ihr konsequenterweise ein Honoraranspruch auch nur auf der niedrigeren Bemessungsgrundlage zu.
Darüber hinaus legt die Revisionswerberin – die die Honorardifferenz mit rund 3.500 EUR errechnet – nicht dar, dass sie insgesamt ein günstigeres Prozessergebnis erzielt hätte, was angesichts der im Anlassverfahren als berechtigt angenommenen Gegenforderungen eher unwahrscheinlich erscheint. Sie führt auch nicht aus, welchen Einfluss die Rechtsansicht im Anlassverfahren, für in der Revision nicht näher dargelegte Leistungen das begehrte Honorar nach TP 5 RATG nicht zuzuerkennen, auf das Prozessergebnis gehabt hat.
5. Die Argumentation der Revisionswerberin, für einen tatsächlichen Vermögensschaden ihres Klienten sei entgegen der Auffassungen der Gerichte im Anlassverfahren kein Raum mehr verblieben, weil er in einem Vergleich einen Betrag von 31.000 EUR zugesagt erhalten habe, der ohne die Klageerhebung der Klägerin als seiner Prozessvertreterin jedenfalls verjährt wäre, ist nicht verständlich. Die Klägerin hatte ja zweifellos den Auftrag, die ihrem Mandanten zustehenden Ansprüche (rechtzeitig) klageweise geltend zu machen, weshalb es sich bei dem durch den im Laufe des Verfahrens abgeschlossenen Vergleich „ersiegten“ Betrag keineswegs um einen zusätzlichen Vorteil des Klienten handelt, der von einem verursachten Schaden in Abzug zu bringen wäre. Vielmehr ist der Schaden im Weg einer Differenzrechnung zum hypothetischen Prozessergebnis bei fehlerloser Vertretung und dem tatsächlichen Ergebnis zu ermitteln. Hier sind die Gerichte im Anlassverfahren davon ausgegangen, dass die inhaltlich von der Klägerin zu verantwortende Klage mit Teilbeträgen von 17.548,48 EUR und 15.336,80 EUR jedenfalls erfolglos geblieben wäre und die Klägerin wegen der Erkennbarkeit der mangelnden Erfolgsaussichten für jene Nachteile haftet, die durch die Überklagung entstanden sind. Entgegen ihren Ausführungen wurde die Revisionswerberin keineswegs für den abgeschlossenen Vergleich verantwortlich gemacht.
6. Die Rechtsbehauptung der Revisionswerberin, die Gegenforderung sei im Honorarprozess vom damals Beklagten nicht „lege artis“ erhoben worden und habe sich auf die Formulierung „bis zur Höhe der Klageforderung“ beschränkt, erweist sich als aktenwidrig und zeigt schon deshalb keine erhebliche Rechtsfrage auf. Schon aus der Wiedergabe des Prozessvorbringens im Ersturteil ergibt sich, dass der im Anlassverfahren beklagte Klient bereits in seinem Einspruch mehrere Gegenforderungen dargestellt, beziffert und mit einem Gesamtbetrag von 41.957,40 EUR der Klageforderung kompensando entgegengehalten hatte.
7. Auch die Revisionsausführungen zur vermeintlichen Anwendbarkeit des § 43 Abs 2 ZPO im Anlassverfahren bei einem (hypothetischen) Prozesserfolg in Höhe von rund 37.000 EUR und einer daraus resultierenden Kostenersatzpflicht des im Erstprozess beklagten Bauträgers sind schwer verständlich. Die Revisionswerberin übersieht offenbar, dass ein Kostenersatzanspruch des Klägers nach der zweiten Fallvariante des § 43 Abs 2 ZPO voraussetzt, dass lediglich die Höhe der (Teil‑)Ansprüche des Klägers unsicher war. Das „Kostenprivileg“ ist hingegen ausgeschlossen, wenn – wovon die Gerichte im Anlassverfahren ausgegangen sind – erhebliche Teilansprüche bereits dem Grunde nach unberechtigt geltend gemacht wurden (s dazu nur Obermaier , Kostenhandbuch 2 Rz 136). Gegen die Vertretbarkeit der Annahme einer (für einen Rechtsanwalt erkennbaren) mangelnden Berechtigung dieser Teilansprüche führt die Revisionswerberin nichts Überzeugendes ins Treffen.
8. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO), zumal sich die Revisionswerberin mit den einzelnen, im Anlassverfahren als berechtigt erkannten Gegenforderungen nicht nachvollziehbar auseinandersetzt.
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