OGH 1Ob291/01b

OGH1Ob291/01b17.12.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Siegfried L*****, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen S 259.534,84 sA infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 13. August 2001, GZ 5 R 25/01p-15, womit das Urteil des Landesgerichts Leoben vom 23. Jänner 2001, GZ 6 Cg 59/00y-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit S 11.476,50 bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu bezahlen.

Text

Begründung

Der Kläger begehrte den Ersatz des ihm auf Grund von unvertretbar rechtswidrigen Entscheidungen des Bezirksgerichts für Zivilrechtssachen Graz bzw des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz entstandenen Schadens von S 259.534,84. Diese Gerichte hätten ihm das begehrte Honorar für die Vertretung einer Gesellschaft mbH in einem Zivilrechtsstreit zusprechen und die Gegenforderung dieser Gesellschaft mbH als nicht zu Recht bestehend erkennen müssen, weil er seine Klientin ordnungsgemäß vertreten habe.

Die beklagte Partei wendete ein, dass die inkriminierten Entscheidungen richtig seien, zumindest aber auf vertretbarer Rechtsansicht beruhten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Ansicht der Gerichte im Anlassverfahren, dass der Kläger nach der Verhandlungstagsatzung vom 13. 3. 1998 seine Klientin nicht mehr ordnungsgemäß vertreten habe, sei zumindest vertretbar, weil der Kläger seinen eigenen Ausführungen zufolge die Unhaltbarkeit der namens der im Anlassverfahren beklagten Gesellschaft mbH erhobenen Einwendungen erkannt, dieser aber keine entsprechende Belehrung erteilt habe, obwohl er dazu auf Grund seiner Stellung als "Sachverständiger" im Sinne des §1299 ABGB verpflichtet gewesen wäre. Das nach der Verhandlungstagsatzung vom 13.3.1998 in Rechnung gestellte Honorar sei daher in vertretbarer Weise als nicht berechtigt erkannt worden, und die Ansicht, dass die von seiner Mandantin eingewendete Gegenforderung - auf Ersatz der der Gegenseite für den Verfahrensabschnitt ab der Verhandlungstagsatzung vom 13.3.1998 gezahlten Prozesskosten - zu Recht bestehe, sei gleichermaßen vertretbar. Bei gebotener Belehrung der Mandantin durch den Kläger hätte bereits nach der Verhandlungstagsatzung vom 13. 3. 1998 und noch vor der Tagsatzung vom 15. 4. 1998 der später ohnehin geschlossene Vergleich fixiert werden können; auch eine Beendigung des Rechtsstreits durch Anerkenntnis wäre möglich gewesen. Das Versäumnis des Klägers, die mangelnde Aufklärung seiner Klientin über die geänderten Prozessaussichten, sei für den im Vermögen seiner Auftraggeberin eingetretenen Schaden in Höhe der der Gegenseite zu ersetzenden Kosten der Verhandlungstagsatzung vom 15. 4. 1998 kausal gewesen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach letztlich aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Der Kläger habe die Aufklärung der von ihm vertretenen Gesellschaft mbH über die rechtlichen Konsequenzen der Beweisergebnisse der Verhandlungstagsatzung vom 13. 3. 1998 unterlassen. Er habe im Anlassverfahren nicht behauptet, dass seine Klientin trotz Belehrung über die Aussichtslosigkeit der weiteren Prozessführung nicht submittiert hätte, und daher sei "jeder Prozessschritt" nach der Verhandlungstagsatzung vom 13. 3. 1998 kausal auf das Fehlverhalten des Klägers zurückzuführen. Er sei daher nicht berechtigt, hiefür Honorar zu verlangen, weil seine Tätigkeit für die von ihm vertretene Partei insoweit wertlos gewesen sei. Darüber hinaus bestehe ein Schadenersatzanspruch seiner Klientin für die ihr erwachsenen tatsächlichen finanziellen Nachteile.

Die Revision des Klägers ist unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Im Bereich der Rechtsanwendung schließt nicht jedes objektiv unrichtige Organverhalten auch schon das amtshaftungsbegründende Verschulden ein. Im Amtshaftungsverfahren ist nicht bloß zu prüfen, ob die beanstandete Entscheidung des Organs oder der Organe richtig war, sondern - sofern deren Unrichtigkeit bejaht werden sollte - auch, ob sie auf einer vertretbaren Rechtsauffassung, somit auf einer bei pflichtgemäßer Überlegung vertretbaren Rechtsauslegung oder Rechtsanwendung beruhte (RdW 2001, 666 uva). Die Frage nach der Vertretbarkeit einer Rechtsauffassung stellt nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn eine gravierende Fehlbeurteilung gegeben ist (1 Ob 260/00t mwN). Davon kann hier keine Rede sein:

Der Kläger meint, der Umstand, dass er von seiner Mandantin vorsätzlich unrichtig informiert worden sei und er sein Vorbringen in dem für die Klientin geführten Rechtsstreit auf diese unrichtigen Informationen aufgebaut habe, schließe jedwede Haftung seiner Person aus. Nun darf ein Anwalt grundsätzlich darauf vertrauen, dass die Information durch seinen Mandanten in tatsächlicher Hinsicht richtig ist. Ergeben sich indes erhebliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der vom Klienten erteilten Informationen, so ist das Vertrauen auf den Wahrheitsgehalt der vom Mandanten mitgeteilten Tatsachen nicht mehr gerechtfertigt (RdW 1999,714; SZ 70/14). Im vorliegenden Fall hat der Kläger in der Verhandlungstagsatzung vom 13. 3. 1998 den wahren, den Behauptungen seiner Klientin widersprechenden Sachverhalt erfahren (S 9 f des Ersturteils); er hat den wahren Sachverhalt ab diesem Zeitpunkt gekannt und ging davon aus, dass seine Klientin gegenüber der Prozessgegnerin bewusst falsch abgerechnet habe (S 10 des Ersturteils); infolgedessen musste ihm auch klar sein, dass sein Verjährungseinwand wegen der von der Prozessgegnerin behaupteten arglistigen Vorgangsweise seiner Mandantschaft nicht Bestand haben könne. Dennoch hat er deren Aufklärung über die auf Grund der Beweisergebnisse geänderte rechtliche Lage unterlassen (S 10 des Ersturteils) und ist damit seinen aus dem Bevollmächtigungsvertrag entspringenden Pflichten nicht ordnungsgemäß nachgekommen. Auf diesen Vertrag sind primär die Normen der Rechtsanwaltsordnung (RAO) und subsidiär die des 22. Hauptstücks des ABGB (§§ 1002 ff) anzuwenden (JBl 1997, 244; 6 Ob 2299/96y; Strasser in Rummel, ABGB3 Rz 26 zu § 1002 mwN). Zu den Pflichten des Rechtsanwalts gehört es nach § 1009 ABGB, das Geschäft, seinem Versprechen und der erhaltenen Vollmacht gemäß, emsig und redlich zu besorgen (JBl 1997, 244), und die Wertlosigkeit der Geschäftsbesorgungsleistung des Rechtsanwalts hat den Entfall des ihm ansonsten zustehenden Entgelts zur Folge. Bei schuldhafter Verletzung der ihm gemäß § 9 RAO, § 1009 ABGB obliegenden Verpflichtung, übernommene Vertretungen dem Gesetz gemäß zu führen und die Rechte seiner Partei gegen jedermann mit Eifer, Treue und Gewissenhaftigkeit zu vertreten, ist er nicht berechtigt, ein Honorar zu begehren (6 Ob 2299/96y mwN). Darüber hinaus haftet er im Falle einer Verletzung seiner Sorgfaltsverbindlichkeit für den seinem Mandanten hiedurch entstandenen Schaden (AnwBl 1990, 457). Die Frage, wen die Beweislast für die Sorgfaltspflichtverletzung trifft, stellt sich im vorliegenden Fall nicht, denn die Vorinstanzen haben diesen Beweis erkennbar als zumindest prima facie von der beklagten Partei erbracht angesehen. Den Umstand, dass die Mandantin des Klägers den von diesem im Vollmachtsnamen geführten Rechtsstreit letztlich außergerichtlich verglichen hat, ohne die Zustellung der Gerichtsentscheidung abzuwarten, hat das Erstgericht logisch einwandfrei als wesentliches Indiz dafür gewertet, dass sich die Klientin des Klägers bei entsprechender Aufklärung über die Aussichtslosigkeit der Prozesslage noch vor der Tagsatzung vom 15. 4. 1998 insoweit mit ihrer Prozessgegnerin arrangiert hätte, als diese Tagsatzung nicht mehr abgehalten worden wäre (S 31 des Ersturteils). Dieser (prima facie) von der beklagten Partei erbrachte Beweis ist durch den Kläger nicht entkräftet worden.

Irrelevant ist, ob der Geschäftsführer der Gesellschaft mbH, die vom Kläger vertreten wurde, damit hätte rechnen müssen, dass die von ihm erteilten unrichtigen Informationen widerlegt werden würden. Gewiss kannte der Geschäftsführer den unwahren Gehalt seiner Angaben, und er wäre zur wahrheitsgemäßen Information seines Rechtsvertreters verpflichtet gewesen (6 Ob 37/99f; SZ 70/14). Die unrichtigen Angaben waren aber letztlich nicht mehr kausal für die in der Unterlassung einer Warnung vor dem drohenden Prozessverlust gelegene Vorgangsweise des Klägers. Nach den Feststellungen kannte er nämlich ab der Verhandlungstagsatzung vom 13. 3. 1998 den wahren Sachverhalt, weshalb der Geschäftsführer seiner Mandantin die dem Kläger angelastete Unterlassung letztlich nicht (mit)verursacht hat. Die unrichtige Information enthob den Kläger nicht von seiner Verpflichtung, auf die rechtlichen Konsequenzen hinzuweisen, die sich aus dem Umstand ergaben, dass die Unrichtigkeit der Informationen eindeutig zutage trat und dem Kläger voll bewusst war. Wenn der Kläger seiner Mandantin die sich abzeichnenden rechtlichen Folgen nicht kundtat, begründet dies sein alleiniges Verschulden, denn die Beurteilung der Rechtsfolgen eines geänderten - und dem Rechtsvertreter bekannt gewordenen -Sachverhalts obliegt einzig und allein dem rechtskundigen Parteienvertreter.

Schließlich ist die Ansicht des Klägers, es habe die Beurteilung der Erfolgsaussicht eines Rechtsstreits nur vor einem bzw zu Beginn eines solchen zu erfolgen, abzulehnen. Zweifellos muss ein rechtskundiger Parteienvertreter bei jeder maßgeblichen Änderung der Sach-oder Rechtslage auf die sich daraus ergebenden Konsequenzen hinweisen, weil ansonsten von einer "gewissenhaften Vertretungstätigkeit" nicht die Rede sein kann (vgl 6 Ob 2299/96y).

Der Kläger hat keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung (gemäß § 502 Abs 1 ZPO) aufgezeigt, weshalb die Revision zurückzuweisen ist. An den gegenteiligen Ausspruch des Berufungsgerichts ist der Oberste Gerichtshof gemäß § 508a ZPO nicht gebunden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO. Die beklagte Partei hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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