OGH 2Ob7/17v

OGH2Ob7/17v28.9.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Hon.-Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende, die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé sowie den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G* Privatstiftung, *, vertreten durch Dr. Gunther Huber, Rechtsanwalt in Traun, gegen die beklagte Partei E* GmbH, *, vertreten durch MM Metzler & Musel Rechtsanwälte GmbH in Linz, wegen Feststellung (16.000 EUR) und Einverleibung (16.000 EUR) einer Dienstbarkeit, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 24. Oktober 2016, GZ 6 R 169/16i‑21, womit infolge Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Steyr vom 29. Juli 2016, GZ 3 Cg 58/15b‑17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E119715

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird im Umfang der Entscheidung über das Feststellungsbegehren zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Die Klägerin erwarb mit Schenkungsvertrag vom 10. Oktober 2012 das Alleineigentum an der Liegenschaft EZ 1211, KG *, bestehend aus den Grundstücken .211, .212, 246/3 und 668/8, mit der Adresse M*straße 2.

Die Beklagte ist aufgrund des Kaufvertrags vom 23. Juli 2007 Alleineigentümerin der Nachbarliegenschaft EZ 207, KG *, bestehend aus den Grundstücken 667/5, 667/6 und 668/10.

Die Liegenschaft der Klägerin stand ursprünglich im Eigentum der ÖBB. Unmittelbar daneben befand sich das Gelände des ehemaligen Bahnhofs von B*. 1982 mietete Josef M*, der bei den ÖBB beschäftigt war, das Haus M*straße 5 (nunmehr M*straße 2), pachtete den dazugehörigen Garten (Grundstück 668/8) von den ÖBB und lebte von da an mit seiner Ehegattin Hildegard M* dort. 1991 erwarben die Ehegatten M* das Grundstück 668/8 mit den Gebäuden von den ÖBB. Josef M* errichtete auf der Liegenschaft einen schmale Stiege bzw einen Gehweg aus Waschbetonplatten zur M*straße (öffentliches Gut). 1993 kauften die Ehegatten M* noch das Grundstück 246/3 von den ÖBB, um eine Zufahrtsmöglichkeit zu ihrer Liegenschaft sicherzustellen.

Das Grundstück 246/3 ist ein annähernd rechteckiger, wenige Meter breiter Grundstücksstreifen mit 108 m², der vom Grundstück 668/8 bis zum verrohrten H*bach („Bachgrundstück 657/1“) führt. Die Ehegatten M* zäunten ihre Liegenschaft ein und errichteten ein Aluminiumeinfahrtstor an der Grenze des Grundstücks 246/3 zum verrohrten H*bach. Jenseits des H*bachs verlief eine geschotterte Zufahrtsstraße, die nordwestlich in den H*weg, südöstlich zum damaligen Standort des Lagerhauses führte. Das Lagerhaus grenzte damals im Südosten unmittelbar an die Liegenschaft der Ehegatten M* an. Der H*weg mündete in annähernd rechtem Winkel in die B*. Die geschotterte Straße mündete weiter südöstlich in die G*straße, die von B* in annähernd rechtem Winkel Richtung G*dorf abzweigte.

Josef M*, der bis 1991 in Linz beschäftigt war, fuhr täglich mit seinem PKW vom Grundstück 668/8, auf dem die Ehegatten M* 1983 einen überdachten PKW‑Stellplatz errichtet hatten, über das Grundstück 246/3 und über das Bachgrundstück 657/1 auf die geschotterte Zufahrtsstraße des Lagerhauses Richtung Norden zum H*weg oder Richtung Süden zur G*straße und in weiterer Folge auf die B*. Durch das regelmäßige Befahren des Grundstücks 246/3 bildeten sich dort zwei deutlich erkennbare Fahrspuren mit einer Grasnarbe in der Mitte aus. Die geschotterte Zufahrtsstraße stand damals im Eigentum entweder der ÖBB oder des Lagerhauses. Josef M* war der Meinung, die geschotterte Zufahrtsstraße befahren zu dürfen, weil auch die Bauern mit ihren Traktoren über diese Straße zum Lagerhaus fuhren und diese seiner Ansicht nach eine „öffentlich befahrbare Straße“ war. Außer Josef M* fuhren noch seltene Besucher und fallweise Lieferanten auf die beschriebene Weise zur Liegenschaft der Ehegatten M* zu.

Ob und auf welche Weise schon die Rechtsvorgänger bzw die Vormieter der Ehegatten M* mit PKWs über die nunmehrige Liegenschaft der Beklagten fuhren, kann nicht festgestellt werden.

2005 oder 2006 übergaben die Ehegatten M* die Liegenschaft EZ 1211, KG *, ihrer Nichte, behielten sich aber das Wohnrecht vor und wohnten auch weiterhin auf der Liegenschaft. Da die Nichte der Ehegatten M* in der Folge keinen Bedarf für die Liegenschaft hatte, schenkte sie diese wieder an Hildegard M*, die damit Alleineigentümerin wurde. Diese übertrug die Liegenschaft letztlich der Klägerin. Die Ehegatten M* wohnten bis 2008 im Haus M*straße 2 und zogen dann in eine nahegelegene Mietwohnung. Bis 2014 hielten sie weiterhin Katzen auf der Liegenschaft M*straße 2, die sie täglich selbst betreuten, und fuhren daher täglich zur Liegenschaft M*straße 2.

Seit 2014 ist die Liegenschaft unbewohnt. Zwei bis vier Mal im Jahr kommt nunmehr ein Bediensteter der Klägerin nach B*, um die Liegenschaft zu pflegen. Er fährt zu diesem Zweck durch das Tor in der Lärmschutzwand auf die Liegenschaft der Klägerin. Die Fahrspuren auf dem Grundstück 246/3 sind jetzt kaum mehr erkennbar. Vielmehr stellt sich das Grundstück 246/3 nunmehr als durchgehender Wiesenstreifen dar.

Nachdem die Beklagte die Liegenschaft des ehemaligen Bahnhofs in B* von den ÖBB sowie weitere Flächen vom ehemaligen Lagerhaus erworben hatte, errichtete sie dort ab 2007 in mehreren Etappen ein Einkaufszentrum. Es wurden Fachmärkte errichtet und im Jahr 2011 große Flächen aufgeschüttet und für PKW-Stellplätze und Zufahrtsstraßen asphaltiert. Das ehemalige Lagerhaus und die geschotterte Zufahrtsstraße wurden beseitigt. Auch der H*weg wurde verlegt. Jener Bereich, in dem sich früher die geschotterte Zufahrtsstraße zum ehemaligen Lagerhaus befunden hatte, ist seit Errichtung des Einkaufszentrums großteils nicht mehr befahrbar, weil sich dort nunmehr PKW-Stellplätze und auch Gebäude des Fachmarktzentrums befinden.

Daraufhin fuhr Josef M* mit seinem Pkw vom Grundstück 246/3 über den verrohrten H*bach auf das asphaltierte Gelände des Einkaufszentrums und in weiterer Folge zwischen den markierten PKW-Stellplätzen in nördliche oder südliche Richtung zum öffentlichen Gut. Seine genaue Fahrlinie kann nicht festgestellt werden.

Ebenfalls im Jahr 2011 wurde entlang des H*bachs eine Lärmschutzwand auf der Liegenschaft der Beklagten errichtet, die von Nordwesten Richtung Südosten verläuft und das Areal des Einkaufszentrums vom angrenzenden Wohngebiet trennt. Entlang der Lärmschutzwand befinden sich auf der Liegenschaft der Beklagten zahlreiche markierte PKW-Stellplätze. Die Lärmschutzwand verläuft überdies auch in West-Ost-Richtung entlang der Grundstücke 246/3 und 668/8 der Klägerin. In diesem Bereich befindet sich ein Tor in der Lärmschutzwand, das mit einem Schild „Einfahrt freihalten“ versehen ist. Hinter diesem Tor in der Lärmschutzwand verläuft der verrohrte H*bach. Unmittelbar daran grenzt das Grundstück 246/3 der Klägerin an. Dieses ist noch über einige Meter in Fahrzeugbreite asphaltiert. Dort befindet sich auch ein zweiflügeliges Aluminiumtor, das von den Ehegatten M* im Zuge der Einzäunung ihrer Liegenschaft errichtet worden war. Durch das Tor in der Lärmschutzwand gelangt man vom Grundstück 246/3 der Klägerin über das wenige Meter breite Bachgrundstück auf das Grundstück 667/6 der Beklagten.

Im Zuge der Errichtung der Lärmschutzwand erfuhr der Projektverantwortliche der Beklagten, DI Harald P*, dass ein Tor an der Grundstücksgrenze der nunmehrigen Liegenschaft der Klägerin vorhanden war. Die Behörde drängte die Beklagte, das Einvernehmen mit den Anrainern herzustellen, weshalb auf Wunsch der damaligen Eigentümerin der klägerischen Liegenschaft, Hildegard M*, im Bereich des bestehenden Aluminiumtores ein Tor in der Lärmschutzwand errichtet wurde. Dass hier ein Wegerecht der Eigentümer der klägerischen Liegenschaft bestehen soll, war dem damaligen Geschäftsführer der Beklagten, Bernhard B*, und auch dem Projektverantwortlichen DI Harald P* nicht bekannt. Sie wussten aber, dass die Eigentümerin Hildegard M* an dieser Stelle eine Zu- und Abfahrt von ihrer Liegenschaft auf das Grundstück 668/8 beanspruchte. Die Beklagte war bemüht, die Wünsche der Anrainer zu erfüllen.

Die Klägerin begehrte die Feststellung, dass ihr und allen künftigen Eigentümern des in der EZ 1211 KG * vorgetragenen herrschenden Grundstücks 246/3 gegenüber der Beklagten und allen künftigen Eigentümern des in der EZ 207 KG * vorgetragenen dienenden Grundstücks 667/6 die Dienstbarkeit des Geh- und Fahrtrechts zum öffentlichen Straßennetz (in noch näher beschriebenem Umfang) zukomme. Sie begehrte weiters die Verurteilung der Beklagten zur Einwilligung in die grundbücherliche Einverleibung dieser Dienstbarkeit. Die klagende Partei und ihre Rechtsvorgänger hätten das Grundstück 667/6 der Beklagten seit den frühen 1960er‑Jahren, zumindest aber seit 1983, somit jedenfalls mehr als 30 Jahre, von deren seit 1993 mit einem Zufahrtstor versehenen Wohngrundstücken als Zugangs- und Zufahrtsweg zum öffentlichen Straßennetz genutzt, was gemäß den Bedürfnissen der anrainenden klägerischen Liegenschaft für die Beklagte jedenfalls objektiv erkennbar gewesen sei. Insofern würde daher auch der Gemeingebrauch die Ersitzung einer Dienstbarkeit nicht ausschließen, decke sich doch Art und Umfang der eindeutig dem klaren Interesse der Klägerin bzw deren Rechtsvorgängern dienenden Wegenutzung mit jener Benutzung, die auch ein nach Privatrecht Berechtigter an den Tag legen würde. Die Klägerin habe somit das Wegerecht ersessen. Die Beklagte hätte die Liegenschaft nicht gutgläubig lastenfrei erworben, die Servitut sei offenkundig gewesen.

Die Beklagte wendete ein, sie habe lastenfrei erworben. Der auf ihrem Grundstück verlaufende Weg sei nur im Rahmen des Gemeingebrauchs genutzt worden. Für die Beklagte sei nicht erkennbar gewesen, dass die Klägerin und deren Rechtsvorgänger den Weg häufiger als andere Kunden oder überhaupt in besitzergreifender Weise benützt habe. Die Lage der Verbindungswege vom Grundstück der Klägerin über das Grundstück der Beklagten habe sich im Zuge der Errichtung eines Einkaufszentrums maßgeblich verändert, sodass keine Identität des Wegs mehr vorliege.

Das Erstgericht wies (mit Endurteil) das Feststellungsbegehren ab. Eine Entscheidung über das Begehren auf Einwilligung zur Einverleibung unterblieb ohne Begründung. Es stellte den wiedergegebenen Sachverhalt fest und folgerte rechtlich, Josef M* habe die geschotterte Zufahrtsstraße in der Meinung befahren, nicht ein ihm individuell, sondern ein der Allgemeinheit zustehendes Recht in Anspruch zu nehmen. Damit fehle es an der Grundvoraussetzung für die Ersitzung einer Servitut. Durch die grundlegende Veränderung des Wegverlaufs im Zuge der Errichtung der Fachmärkte und der PKW-Stellplätze im Jahr 2011 sei der Besitz vor Ablauf der Ersitzungszeit unterbrochen worden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei nicht Folge. Für die actio confessoria gelte, dass nur eine in mäßigen und zumutbaren Grenzen gehaltene Veränderung des Verlaufs eines Servitutswegs die Identität des Rechtsobjekts nicht berühre. Das gelte auch für die Ersitzung einer Servitut. Die schon vom Erstgericht ins Treffen geführten Veränderungen (im Jahr 2011) seien eine grundlegende Umgestaltung des Grundstücks der Beklagten vor Vollendung der Ersitzungszeit, sodass keine Identität des alten Wegs mit dem neuen Weg vorliege. Da die Klägerin den Umstand, dass das Erstgericht nicht über das Begehren auf Einwilligung zur Einverleibung abgesprochen habe, in ihrer Berufung nicht als Verfahrensmangel gemäß § 496 Abs 1 Z 1 ZPO gerügt habe, sei dieses Begehren aus dem Verfahren ausgeschieden.

Das Berufungsgericht ließ die Revision zu, weil eine Klarstellung durch den Obersten Gerichtshof wünschenswert sei, dass die im Volltext nicht zugängliche Entscheidung 1 Ob 60/67 (= RIS-Justiz RS0011695 [T1]) keinen für die Ersitzung einer Dienstbarkeit verwertbaren Rechtssatz darstelle. Weiters existiere keine oberstgerichtliche Entscheidung zu einem Fall, in dem der Oberste Gerichtshof die Ersitzung eines Wegerechts wegen zu starker Veränderung des Wegverlaufs vor Vollendung der Ersitzung verneint habe. Die Entscheidung 5 Ob 74/15s sei zu einer Freiheitsersitzung ergangen und liefere daher für die hier vorliegende actio confessoria – außer einem obiter dictum – kein Argument.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der klagenden Partei mit dem Antrag auf Klagestattgebung, und zwar auch hinsichtlich des Begehrens auf Einwilligung zur Einverleibung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und im Sinn des Eventualantrags auf Aufhebung auch teilweise berechtigt.

Die Revisionswerberin bringt vor, der Belastete sei berechtigt, den über sein Grundstück führenden Weg auch ohne Zustimmung des Berechtigten an eine andere Stelle zu verlegen, wenn der neue Weg dem Zweck der Dienstbarkeit vollkommen entspreche. Durch die Verlegung erlösche die Dienstbarkeit nicht bzw trete keine Unterbrechung der Ersitzung ein. Dies gelte auch für die Ersitzung im vorliegenden Fall. Dass Josef M* irrtümlich meinte, auf dem gegenständlichen Weg eine „öffentlich befahrbare Straße“ zu benützen, hindere die Servitutsersitzung nicht. In der Berufung habe die Klägerin auf die Nichterledigung des Einverleibungsbegehrens hingewiesen.

Hierzu wurde erwogen:

1. Die Klägerin begehrt die Feststellung einer Wegeservitut zu Gunsten ihres herrschenden Grundstücks 246/3 zu Lasten des dienenden Grundstücks der Beklagten 667/6. Die Ehegatten M* als Rechtsvorgänger der Klägerin kauften das herrschende Grundstück 1993von den ÖBB. Seit diesem Erwerb ist aber die dreißigjährige Ersitzungszeit gemäß § 1468 ABGB noch nicht abgelaufen. Im Gegensatz zum Grundstück 668/8, das Josef M* 1982 von den ÖBB gemietet bzw gepachtet hatte, steht für das laut Klagebegehren herrschende Grundstück 246/3 nicht fest, aufgrund welchen Rechtstitels die Ehegatten M* dieses Grundstück vor dem Eigentumserwerb 1993 benützten. Der zur Ersitzung führende Besitz kann auch durch Stellvertreter, Boten oder andere Besitzmittler ausgeübt werden, sofern diese Rechtsausübung vom Besitzwillen des Ersitzenden getragen wird (RIS-Justiz RS0011655 [T6]). Insbesondere kommen Bestandnehmer als Besitzmittler in Betracht (RIS-Justiz RS0011655 [T2]; RS0010298 [T4]). Ob das Ehepaar M* oder auch nur ein Ehegatte im Sinne dieser Rechtsprechung als Besitzmittler für den vormaligen Grundeigentümer ÖBB in Frage kommt, wird zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung mit den Parteien zu erörtern sein und sodann werden nach allfälliger Beweisergänzung dazu Feststellungen zu treffen sein. Die Negativfeststellung des Erstgerichts, es könne nicht festgestellt werden, ob und auf welche Weise die Rechtsvorgänger bzw Vormieter der Ehegatten M* „über die nunmehrige Liegenschaft“ der Beklagten fuhren, lässt keine Beurteilung zu, ob das Erstgericht unter „die nunmehrige Liegenschaft“ auch das Grundstück 246/3 oder nur das Grundstück 668/8 verstand.

Sollte sich danach ergeben, dass das Ehepaar M* oder ein Ehegatte nicht Besitzmittler der ÖBB– bezogen auf das Grundstück 246/3 – vor 1993 waren, wäre das Klagebegehren schon wegen des Mangels der dreißigjährigen Ersitzungszeit unberechtigt.

2. Sollte das Klagebegehren nicht schon aus dem unter Punkt 1. genannten Grund (fehlende Ersitzungszeit) unberechtigt sein, wären noch folgende Gesichtspunkte zu beachten:

2.1. Aus § 484 ABGB folgt, dass der Belastete berechtigt ist, den über sein Grundstück führenden Weg auch ohne Zustimmung des Berechtigten auf eine andere Stelle zu verlegen, wenn der neue Weg dem Zweck der Dienstbarkeit vollkommen entspricht. Das Recht zur Verlegung ergibt sich aus der Pflicht zur tunlichsten Schonung der Sache und daraus, dass sich der Berechtigte alle Maßnahmen des Verpflichteten gefallen lassen muss, welche die Ausübung nicht ernstlich erschweren oder gefährden (RIS-Justiz RS0011695). Durch die Verlegung tritt kein Erlöschen der Dienstbarkeit und keine Unterbrechung der Ersitzung ein (1 Ob 60/67 = RIS-Justiz RS0011695 [T1]).

Wie der Senat anhand der in der Zentralbibliothek des Justizpalastes im Volltext verfügbaren unveröffentlichten Entscheidung 1 Ob 60/67 geprüft hat, ist die Aussage von RIS-Justiz RS0011695 [T1] durch den Sachverhalt voll gedeckt. Dort war für die Verlegung einer Verbindungsstraße „etwas nach Norden“ sogar der Erwerb weiterer Grundflächen erforderlich.

Eine in mäßigen und zumutbaren Grenzen gehaltene Veränderung des Verlaufs eines Servitutswegs auf einer Liegenschaft berührt die Identität des Rechtsobjekts als solches nicht. Dieser Grundsatz gilt auch für die Ersitzung eines Wegerechts (RIS-Justiz RS0011751).

Entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts kann aus den im Rechtssatz RIS-Justiz RS0011751 angeführten Entscheidungen nicht abgeleitet werden, die Veränderung des Wegverlaufs dürfe stets nur wenige Meter betragen. Hier ist im Übrigen schon angesichts der (aus dem vorgelegten Grundbuchsauszug ersichtlichen) relativ geringen Größe der Liegenschaft der Beklagten davon auszugehen, dass sich die Veränderung des zum Fahren mit dem PKW verwendeten Wegs „in mäßigen und zumutbaren Grenzen“ gehalten hat.

Wie weit diese „mäßigen und zumutbaren Grenzen“ der Veränderung des Wegverlaufs sein können, ist im vorliegenden Fall auch im Zusammenhang damit zu sehen, dass die Beklagte berechtigt war, ihre Liegenschaft zwecks Umwidmung in ein Einkaufszentrum samt Parkplätzen für PKW entsprechend umzugestalten, weshalb die Rechtsvorgänger der Klägerin die Verlegung des Wegs dulden mussten: In Bezug auf die Ausübung der Servitut auf einem „neuen“ Weg, dem der Berechtigte nicht zugestimmt hat, fordert die Rechtsprechung, dass (hier vorliegende) wesentliche Interessen des Dienstbarkeitsverpflichteten für die Änderung sprechen; aus Sicht des Dienstbarkeitsberechtigten darf die Ausübung des Rechts nicht ernstlich erschwert oder gefährdet werden (3 Ob 110/12s; RIS-Justiz RS0011740), was eben dann der Fall ist, wenn die Änderung „mäßig und zumutbar“ ist.

Dass für die Rechtsvorgänger der Klägerin die Benützung des Grundstücks der Beklagten mit dem PKW durch die Umgestaltung dieses Grundstücks ernstlich erschwert oder gefährdet wurde, ergibt sich aus den Feststellungen nicht. Die Veränderung des benützten Wegs hielt sich daher in mäßigen und zumutbaren Grenzen.

Die von den Vorinstanzen angenommene Unterbrechung der Ersitzungszeit durch die Umgestaltung des Grundstücks der Beklagten ab 2007 liegt daher nicht vor.

2.2. Nimmt jemand fremden Grund für eigene Interessen in der irrigen Annahme in Anspruch, er benütze einen öffentlichen Weg, und deckt sich die in Erscheinung tretende Art der Benützung mit jener, wie sie auch ein Dienstbarkeitsberechtigter an den Tag legen würde, so ist davon auszugehen, dass der Benützer für den Fall der Aufklärung seines Irrtums eventualiter ein Recht gegen den Eigentümer in Anspruch nehmen hätte wollen. Diesfalls ist von dem für die Ersitzung erforderlichen Besitz auszugehen, wenn der Eigentümer nicht beweist, dass sich der Wille zur Benützung ausschließlich auf die Inanspruchnahme eines öffentlichen Wegs richtete und der Benützer einen privatrechtlichen Rechtsbesitz keinesfalls beabsichtigt hätte (7 Ob 574/91; RIS-Justiz RS0034224; vgl auch 2 Ob 38/10t).

Im Sinn dieser Rechtsprechung würde es der klagenden Partei für die Ersitzung einer Wegedienstbarkeit nicht schaden, dass Josef M* irrtümlich der Meinung war, eine öffentlich befahrbare Straße zu benützen.

Allerdings wurde dieser Aspekt mit den Parteien nicht erörtert; dies wird – sofern erforderlich (vgl Punkt 1.) – im fortgesetzten Verfahren nachzuholen und den Parteien Gelegenheit zu Vorbringen zu geben sein. Allenfalls werden ergänzende Beweise aufzunehmen und entsprechende Feststellungen zu treffen sein.

2.3. Schließlich ist ein weiterer Aspekt zu beachten: Die Beklagte hat – wie referiert – vorgebracht, der auf ihrem Grundstück verlaufende Weg sei nur im Rahmen des Gemeingebrauchs genutzt worden; für die Beklagte sei nicht erkennbar gewesen, dass die Klägerin und deren Rechtsvorgänger den Weg häufiger als andere Kunden oder überhaupt in besitzergreifender Weise benützt habe.

Für die Ersitzung eines Rechts an einer fremden Sache, insbesondere einer Wegeservitut, ist grundsätzlich die Ausübung des Rechts im Wesentlichen gleichbleibend zu bestimmten Zwecken in bestimmtem Umfang erforderlich. Notwendig ist dafür eine solche für den Eigentümer des belasteten Gutes erkennbare Rechtsausübung (RIS-Justiz RS0033018). Die Besitzausübung muss beim Rechtsbesitz so beschaffen sein, dass derjenige, in dessen Besitz eingegriffen wird, erkennen kann, dass ein individuelles Recht ausgeübt wird. In welchem Umfang erworben wird, hängt davon ab, welches Recht der eine Teil ausüben und der andere dulden wollte (RIS-Justiz RS0010135). Auf die positive Kenntnis des Eigentümers der belasteten Sache kommt es nicht an (RIS‑Justiz RS0010135 [T3]). Die bloße Ausübung des Gemeingebrauchs oder einer jedermann offenstehenden örtlichen Übung genügt für eine Ersitzung nicht (8 Ob 59/17k = RIS-Justiz RS0010135 [T9]).

Auch dazu fehlen Feststellungen, die – sofern das Klagebegehren nicht schon aus anderen Gründen nicht berechtigt sein sollte – eine Beurteilung der Berechtigung des Feststellungsbegehrens ermöglichen.

3. Es ist richtig, dass die Klägerin in der Berufung ausgeführt hat, das Erstgericht habe „nicht ausdrücklich, aber erkennbar“ auch das Einverleibungsbegehren abgewiesen.

Die Klägerin ging somit von der (unzutreffenden) Vorstellung aus, das Erstgericht habe (durch Schweigen) auch über das Begehren auf Zustimmung zur Einverleibung abgesprochen. Dann kann aber die zitierte Ausführung in der Berufung nicht dahingehend umgedeutet werden, es werde die Nichterledigung eines Sachantrags gemäß § 496 Abs 1 Z 1 ZPO als Verfahrensmangel gerügt.

Einen Urteilsergänzungsantrag nach § 423 ZPO hat die Klägerin nicht gestellt.

Bei dieser Sachlage ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, das Begehren auf Zustimmung zur Einverleibung sei aus dem Verfahren ausgeschieden, nicht zu beanstanden (RIS-Justiz RS0041490, RS0041503).

Die in der Berufung unterlassene Rüge nach § 496 Abs 1 Z 1 ZPO kann die Klägerin in der Revision nicht nachholen (RIS-Justiz RS0043111).

4. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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