OGH 7Ob26/17z

OGH7Ob26/17z5.7.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr.

 Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DI S***** A*****, vertreten durch Mag. Kurt Kadavy, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei H***** A*****, vertreten durch Mag. Christoph H. Hackl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ehescheidung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 15. November 2016, GZ 44 R 492/16b-78, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0070OB00026.17Z.0705.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. In der aufhebenden Entscheidung im ersten Rechtsgang hat das Berufungsgericht Feststellungen zu von der Beklagten für das Verschulden ins Treffen geführten Behauptungen vermisst und auch zum Ausdruck gebracht, dass es „zwecks sorgfältiger Klärung des maßgeblichen Sachverhalts“ weiterer beantragter Beweisaufnahmen bedürfe. Das fortgesetzte Verfahren hatte sich daher – im Gegensatz zur Rechtsmeinung des Klägers – nicht im Sinne des § 496 Abs 2 ZPO auf unerledigt gebliebene Ansprüche und Anträge bzw auf durch den Mangel betroffene Teile des erstrichterlichen Verfahrens und Urteils zu beschränken und die nunmehr vermissten Feststellungen des ersten Rechtsgangs unberührt gelassen. Die Frage, ob § 496 Abs 2 richtig angewendet wurde, hat das Berufungsgericht abschließend zu beurteilen; wenn es sie bejaht, ist darin kein dem Berufungsgericht unterlaufener Verfahrensmangel zu erblicken (RIS‑Justiz RS0036897). Angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz, die vom Berufungsgericht nicht als solche anerkannt worden sind, können nicht nach § 503 Z 2 ZPO geltend gemacht werden (RIS‑Justiz RS0042963).

Es konnten daher vom ersten Rechtsgang abweichende Feststellungen getroffen werden. Im Übrigen übergeht der Kläger, dass sich die Ausführungen des Obersten Gerichtshofs zu 7 Ob 112/15v im ersten Rechtsgang auf den jeweils geltend gemachten (gesamten) Lebenssachverhalt beziehen.

2. Der Revisionsgrund des § 503 Z 4 ZPO liegt nur dann vor, wenn in ihm, ausgehend vom festgestellten Sachverhalt, aufgezeigt wird, dass den Vorinstanzen bei Beurteilung dieses Sachverhalts ein Rechtsirrtum unterlaufen ist (RIS‑Justiz RS0043312); weichen die Ausführungen zum Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung von den Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen ab, können sie insoweit einer weiteren Behandlung nicht zugeführt werden (RIS‑Justiz RS0043312 [T12, T14]). Die rechtliche Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof hat von den von den Vorinstanzen ohne Mangelhaftigkeit oder Aktenwidrigkeit festgestellten Tatsachen auszugehen und nicht von einem der Revision unterstellten „Wunschsachverhalt“ (RIS‑Justiz RS0069246 [T6]).

3. Unter häuslicher Gemeinschaft nach § 55 EheG ist die Geschlechtsgemeinschaft, Wohnungsgemeinschaft und Wirtschaftsgemeinschaft zu verstehen. Erst wenn alle drei Voraussetzungen weggefallen sind, kann von einer Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft gesprochen werden (RIS‑Justiz RS0057116). Dass dies spätestens im Jänner 2011 mit dem Auszug des Klägers vorlag, entspricht dem Standpunkt beider Parteien.

4. Unheilbare Ehezerrüttung ist dann anzunehmen, wenn die geistige, seelische und körperliche Gemeinschaft zwischen den Ehegatten und damit die Grundlage der Ehe objektiv und wenigstens bei einem Ehegatten auch subjektiv zu bestehen aufgehört haben, wobei es genügt, dass der Kläger die eheliche Gesinnung verloren hat (RIS‑Justiz RS0056832). Die Frage der subjektiven Zerrüttung der Ehe ist eine irrevisible Tatfrage; die Frage, wann die objektive Zerrüttung eingetreten ist, ist eine– regelmäßig nur im Einzelfall relevante – Rechtsfrage (RIS‑Justiz RS0043423 [insb T10]).

5. Bei der Beurteilung der Frage, welchem Ehepartner Eheverfehlungen zur Last fallen und welchen das überwiegende Verschulden an der Zerrüttung der Ehe trifft, ist das Gesamtverhalten der Ehegatten während der Ehedauer zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0057268); maßgebend ist, wer den entscheidenden Beitrag für die unheilbare Zerrüttung der Ehe geleistet hat (RIS-Justiz RS0057268 [T2]). Der Ausspruch eines überwiegenden Verschuldens eines Ehegatten nach § 61 Abs 3 EheG hat nur dort zu erfolgen, wo der graduelle Unterschied der beiderseitigen Verschuldensanteile augenscheinlich hervortritt (RIS‑Justiz RS0057821; RS0057251). Es sind daher hinsichtlich des Verschuldensmaßstabs nicht subtile Abwägungen vorzunehmen, sondern es soll im Scheidungsurteil nur das erheblich schwerere Verschulden eines Teils zum Ausdruck kommen (RIS‑Justiz RS0057325). Welchem Ehepartner Eheverfehlungen zur Last fallen und welchen das überwiegende Verschulden an der Zerrüttung der Ehe trifft, ist eine Frage des konkreten Einzelfalls, die – von Fällen krasser Fehlbeurteilung abgesehen – nicht als erheblich iSd § 502 Abs 1 ZPO zu beurteilen ist (RIS‑Justiz RS0118125; RS0044188 [T12]).

6. Der Revisionswerber vermag ausgehend vom festgestellten Sachverhalt und im Lichte der dargestellten Rechtsprechungsgrundsätze keine Umstände aufzuzeigen, warum die Ansicht der Vorinstanzen, wonach nur er durch sein Verhalten die spätestens mit seinem Auszug vollendete Zerrüttung verschuldet hat, eine erhebliche Fehlbeurteilung darstellen sollte.

7. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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