European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0030OB00054.17P.0704.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Antrag der Beteiligten auf Zuspruch der Kosten der Revisionsrekursbeantwortung wird abgewiesen.
Begründung:
Der Verpflichtete schloss mit seiner Gattin am 7. März 1995 einen Schenkungsvertrag auf den Todesfall über eine näher bezeichnete Liegenschaft. Seine Gattin verstarb am 11. April 2013. Die Verbücherung des Schenkungsvertrags erfolgte zu TZ 1725/2015. Der Verpflichtete ist Alleineigentümer dieser Liegenschaft.
Zu TZ 4886/2016 wurde aufgrund einer rechtskräftigen Entscheidung des Landesgerichts Feldkirch vom 10. Mai 2016, die den Verpflichteten zur Einwilligung in die Anmerkung der Beschränkung des Eigentumsrechts durch die fideikommissarische Substitution gemäß Punkt 3. des Schenkungsvertrags (Überlassungsverpflichtung durch Rechtsgeschäft unter Lebenden bzw durch Erwerb von Todes wegen) verurteilte, die fideikommissarische Substitution zu Gunsten seiner Tochter (der Beteiligten dieses Exekutionsverfahrens) angemerkt.
Der Verpflichtete ist aufgrund eines mit seiner Gattin geschlossenen wechselseitigen Testaments überdies Alleinerbe nach seiner Gattin.
Der Betreibende – ebenfalls ein Kind des Verpflichteten und seiner verstorbenen Gattin – erwirkte ein rechtskräftiges und vollstreckbares Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 21. September 2016 gegen den Verpflichteten, wonach dieser dem Betreibenden einen Pflichtteil in Höhe von 22.224,92 EUR zu leisten hat.
Mit am 19. Dezember 2016 beim Erstgericht eingelangtem Exekutionsantrag beantragte der Betreibende aufgrund dieses Exekutionstitels die Zwangsversteigerung der Liegenschaft. Er brachte vor, die zu Gunsten der Beteiligten angemerkte fideikommissarische Substitution stehe der Zwangsversteigerung deshalb nicht entgegen, weil die exekutierte Forderung auf dem Nachlasspflichtteil des Betreibenden beruhe. Sämtliche Nacherbschaften seien unwirksam, soweit es dadurch zu einer Beeinträchtigung der Pflichtteilsrechte der Noterben käme. Der Pflichtteil sei nach der gesetzlichen Anordnung ohne Belastung zu hinterlassen. Auch fideikommissarische Substitutionen könnten daher den Pflichtteil nicht beeinträchtigen.
Das Erstgericht bewilligte die Exekution antragsgemäß.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Beteiligten Folge, wies den Exekutionsantrag ab und erklärte den Revisionsrekurs für zulässig, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle, ob die Bewilligung der Zwangsversteigerung zur Hereinbringung einer Pflichtteils-forderung ohne Zustimmung des Nacherben aufgrund eines gegen den Vorerben erwirkten Titels zulässig sei.
Rechtlich vertrat das Rekursgericht die Auffassung, bei der hier zu beurteilenden „fideikommissarischen Substitution“ handle es sich um ein einer fideikommissarischen Substitution ähnliches Besitznachfolgerecht zu Gunsten der Beteiligten. Ein derartiges Besitznachfolgerecht bewirke – ebensowie eine fideikommissarische Substitution – eine Verfügungsbeschränkung des Eigentümers und stehe einer Zwangsversteigerung entgegen. Eine Exekutionsführung sei nur zulässig, wenn der Exekutionstitel bereits gegen den Erblasser oder die Verlassenschaft erwirkt worden sei. Hier sei der Exekutionstitel gegen den Vorerben erwirkt worden. In diesem Fall könne die Exekution nur bei ausdrücklicher – hier nicht vorliegender – Zustimmung des Nacherben bewilligt werden.
Rechtliche Beurteilung
Der vom Betreibenden erhobene Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.
In seinem Revisionsrekurs wiederholt der Betreibende seinen Standpunkt, wonach die Entscheidung des Rekursgerichts gegen § 774 ABGB in der hier noch anzuwendenden Fassung vor dem Erbrechts-Änderungsgesetz (BGBl I 2015/87) verstoße. Es gehe nicht an, dass dem Noterben durch eine Schenkung auf den Todesfall Nachlassvermögen entzogen werde.
Dazu wurde erwogen:
1. Die angemerkte „fideikommissarische Substituttion“ ist inhaltlich ein sogenanntes Besitznachfolgerecht.
1.1 Der Oberste Gerichtshof lässt entgegen der überwiegenden Lehre (vgl die Darstellung bei Rassi in Kodek, Grundbuchsrecht2 § 10 GBG Rz 35 und in 5 Ob 326/00b) die Anmerkung vertraglicher Besitznachfolgerechte, die einer fideikommissarischen Substitution (nach der Terminologie des hier noch nicht anzuwendenden ErbRÄG 2015 BGBl 87/2015 „Nacherbschaft“) ähneln, nach § 20 lit a GBG zu (RIS‑Justiz RS0083800; RS0012539 [T2]; 5 Ob 131/15y). Die Beschränkung des Eigentumsrechts durch ein Nachfolgerecht in Form einer vertragsmäßig vom Erwerber übernommenen Verpflichtung, die Liegenschaft einer bestimmten Person ins Eigentum zu übertragen oder von Todes wegen zu hinterlassen, wird als „quasi- fideikommissarische Substitution“ bezeichnet (RIS‑Justiz RS0007955).
1.2 Charakteristisch für solche Nachfolgerechte ist, dass das Eigentumsrecht des Erwerbers bei Eintritt einer Bedingung oder nach Ablauf einer Frist oder im Todesfall an den Besitznachfolger fällt oder die Verpflichtung zur Übertragung des Eigentums begründet wird (Rassi in Kodek, Grundbuchsrecht2 § 10 GBG Rz 30; 5 Ob 131/15y).
2. Die Anmerkung der „quasi- fideikommissarischen Substitution“ hindert die Zwangsversteigerung der Liegenschaft ohne Zustimmung des Nachfolgeberechtigten.
2.1 Die im Grundbuch angemerkte Beschränkung durch eine fideikommissarische Substitution steht grundsätzlich der Einverleibung eines (auch exekutiven) Pfandrechts ohne Zustimmung des Nacherben (RIS‑Justiz RS0002605; RS0002494) ebenso wie der Bewilligung der Zwangsversteigerung ohne dessen Zustimmung entgegen (RIS‑Justiz RS0002605 [T1]; 3 Ob 135/02b; Angst in Angst/Oberhammer, EO³ § 133 Rz 21).
2.2 Lediglich zu Gunsten von Nachlassschulden, wozu die hier betriebene Pflichtteilsforderung zählt, kann nach ständiger Rechtsprechung auf das Substitutionsgut ohne Zustimmung des Nacherben Exekution geführt werden, weil dadurch das reine Erbschaftsvermögen nicht vermindert wird. Der Exekutionstitel muss allerdings noch gegen den Erblasser oder die Verlassenschaft erwirkt worden sein (RIS‑Justiz RS0002521).
2.3 Eine Exekutionsführung aufgrund eines nur gegen den Vorerben ergangenen Exekutionstitels setzt hingegen die gemäß § 9 EO nachzuweisende oder im Prozessweg erzwungene Zustimmung des Nacherben voraus (Heller/Berger/Stix, Kommentar zur Exekutionsordnung4 II 908; Kletečka, Ersatz‑ und Nacherbschaft [1999] 262; 5 Ob 34/73 SZ 46/28; 3 Ob 84/76 SZ 49/103): Vor‑ und Nacherbe haben nur zusammen die Rechte eines freien (Voll‑)Eigentümers (3 Ob 98/02m; RIS‑Justiz RS0012549 [T2]). Der Nacherbe, dessen Rechte durch die Exekutionsführung betroffen sind, ist schon nach allgemeinem Rechtskraftverständnis nicht an einen Titel gebunden, der in einem Verfahren erwirkt wurde, das ohne seine Zuziehung nur gegen den Vorerben geführt wurde (vgl 5 Ob 34/73 SZ 46/28).
2.4 Diese Grundsätze gelten sinngemäß für das Besitznachfolgerecht, dessen Anmerkung von der Rechtsprechung gerade und nur wegen der Rechtsähnlichkeit mit der fideikommissarischen Substitution für zulässig erachtet wird. Dieses von der Praxis herausgebildete Rechtsinstitut wird regelmäßig wie eine echte fideikommissarische Substitution behandelt (5 Ob 58/13k mwN). Auch das hier angemerkte Besitznachfolgerecht hindert daher grundsätzlich die Zwangsversteigerung (1 Ob 51/55 SZ 28/50). Die Beteiligte stimmte der Exekutionsführung nicht zu. Den Titel erwirkte der Betreibende gegen den Verpflichteten als Erben und nicht auch gegen die Beteiligte als Besitznachfolgeberechtigte.
3. Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, dass der Exekutiontstitel eine Pflichtteilsforderung ist.
3.1 Vorauszuschicken ist, dass der Betreibende einen Titel gegen den Verpflichteten als Erben auf Zahlung des (Geld‑)Pflichtteils erwirkt hat. Der Grundsatz, dass dem Berechtigten der Pflichtteil gemäß § 774 ABGB in der hier noch anzuwendenden Fassung vor dem ErbRÄG 2015 ganz frei, also auch nicht mit einer fideikommissarischen Substitution belastet, ungekürzt zu bleiben hat (Apathy in KBB4 § 774 Rz 2 mwN), ist daher entgegen der Auffassung im Revisionsrekurs nicht verletzt.
3.2 Es geht hier vielmehr darum, dass der Verpflichtete nach den Behauptungen des Betreibenden nur dann in der Lage wäre, die ihm durch den Titel auferlegte Zahlungspflicht zu erfüllen, wenn die Liegenschaft trotz des zu Gunsten der Beteiligten angemerkten Besitznachfolgerechts in Exekution gezogen wird.
3.3 Ob diese Behauptungen zutreffen, bejahendenfalls ob dem Betreibenden aus diesem Grund ein Anspruch gegen die Beteiligte auf Duldung der Exekutionsführung zustünde, ist im Rechtsweg und nicht im Exekutionsverfahren zu klären.
4. Dem unberechtigten Revisionsrekurs ist daher ein Erfolg zu versagen.
Von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen ist das Revisionsrekursverfahren im Exekutionsverfahren grundsätzlich einseitig. Die von der Beteiligten erstattete Revisionsrekursbeantwortung ist mangels gesetzlicher Anordnung nicht zurückzuweisen (RIS‑Justiz RS0118686 [T11]). Sie dient allerdings nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und ist daher nicht zu honorieren (RIS‑Justiz RS0118686 [T12]).
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