Spruch:
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der zweitinstanzliche Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die betreibende Partei ist schuldig, den Revisionsrekurswerbern die mit 1.053,03 EUR (darin 175,50 EUR USt) bestimmten Revisionsrekurskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die infolge dieses Ausspruchs erforderlichen weiteren Anordnungen werden dem Erstgericht übertragen.
Text
Begründung
Die betreibende Partei beantragte am 11. 8. 2000 (beim Erstgericht eingelangt am 14. 8. 2000) zur Hereinbringung ihrer vollstreckbaren Forderung gegen den Verpflichteten - neben Fahrnis- und Forderungsexekution, die in einem gesonderten Verfahren des Erstgerichts geführt werden (s ON 2) - die Bewilligung der Zwangsversteigerung der dem Verpflichteten gehörigen 42/1000-stel Anteile B-LNR 13 an der Liegenschaft EZ ***** KG F*****, mit welchen das Wohnungseigentum an der Wohnung top Nr 11 untrennbar verbunden ist. Im Antrag brachte sie vor, für diese vollstreckbare Forderung sei im Grundbuch unter C-LNR 17 schon ein Pfandrecht zu ihren Gunsten rechtskräftig begründet, in dessen Rang die Zwangsversteigerung beantragt werde.
Das Erstgericht wies diesen Antrag ab und verfügte die Anmerkung der Antragsabweisung im Grundbuch. Das Eigentumsrecht des Verpflichteten an der in Exekution gezogenen Eigentumswohnung sei durch die fideikommissarische Substitution zu Gunsten seiner ehelichen Kinder gemäß dem Testament vom 5. 7. 1991 beschränkt. Gemäß § 613 ABGB stehe dem Vorerben bis zum Eintritt des Substitutionsfalls nur das eingeschränkte Eigentumsrecht mit den Rechten und Verbindlichkeiten eines Fruchtnießers zu. Eine Exekution in die Substanz des Substitutionsgutes durch Gläubiger des Vorerben sei unzulässig, zumal gerade die Durchführung einer Zwangsversteigerung die Absicht des Erblassers, die Liegenschaft für mögliche Nacherben zu erhalten, zunichte mache.
Die betreibende Partei erhob gegen diesen Beschluss Rekurs. Sie brachte darin vor, das Erstgericht habe offenbar "seinen eigenen (im Rekurs in Fotokopie vorgelegten) Beschluss vom 24. 4. 1997, GZ 1 P 7/97h-5, übersehen", womit für die (damals ungeborenen) ehelichen Kinder des Verpflichteten ein Notar zum Fideikommisskurator bestellt und der dem Exekutionsbewilligungsantrag "letztlich zugrundeliegende Schuldschein" pflegschaftsbehördlich genehmigt worden sei. Diese beim Erstgericht gemäß § 269 ZPO (§ 78 EO) offenkundige Tatsache habe weder einer Parteienbehauptung noch eines Beweises bedurft.
Das Gericht zweiter Instanz bewilligte der betreibenden Partei die beantragte Zwangsversteigerung und sprach aus, der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig. Es legte - offenbar nach Einsichtnahme in den Pflegschaftsakt des Erstgerichts - dar, der Schuldschein und die Pfandurkunde, die der betriebenen Forderung zugrundelägen, seien mit Beschluss vom 24. 4. 1997 in Ansehung der damals noch nicht geborenen ehelichen Kinder des Verpflichteten nach Bestellung eines Notars als Fideikommisskurator pflegschaftsbehördlich genehmigt worden; der Kurator habe sich für die Genehmigung ausgesprochen, weil der Verpflichtete die Darlehensaufnahme zur Ablösung eines "vergleichsweise ungünstigen Kredits" einer anderen Bank, zu deren Gunsten ein Höchstbetragspfandrecht von 500.000 S auf den Anteilen des Verpflichteten einverleibt gewesen sei, beabsichtigt habe; deshalb hätten die Kinder des Verpflichteten durch die beabsichtigte Darlehensaufnahme keine Einschränkung ihrer Rechte erlitten; nach Vorlage der Löschungserklärung dieser Bank sei die Zustimmung des für die substitutionsberechtigten Kinder bestellten Kurators pflegschaftsgerichtlich rechtskräftig genehmigt worden, weil diese dadurch keine Einschränkung ihrer Rechte erfahren hätten.
Allerdings habe die betreibende Partei im vorliegenden Exekutionsantrag nicht auf diese Vorgeschichte hingewiesen und den Pflegschaftsakt auch nicht zum Nachweis dafür genannt, dass die Exekution trotz der angemerkten fideikommissarischen Substitution zulässig wäre. Der Pflegschaftsakt sei auch entgegen der Ansicht der betreibenden Partei nicht offenkundig iSd § 269 ZPO, weil die Gerichtskundigkeit erfordere, dass der Richter die Tatsache kenne, ohne erst in "bestimmte Unterlagen" (in casu: den betroffenen Pflegschaftsakt) Einsicht nehmen zu müssen. Es reiche auch nicht aus, wenn die Tatsachen ohne weiteres aus den Akten desselben Gerichts zu ersehen wären. Auch der Umstand, dass jene Richterin, die nun den Exekutionsbewilligungsantrag abgewiesen habe, mehr als drei Jahre zuvor die entsprechenden Beschlüsse im Pflegschaftsakt gefasst habe, bewirke nicht die Gerichtskundigkeit, weil es keinesfalls erforderlich und möglich sei, bei der Bearbeitung eines Aktes auch alle übrigen jemals gefassten Beschlüsse miteinfließen zu lassen. Selbst wenn aber von der Gerichtskundigkeit der betreffenden Tatsachen auszugehen wäre, wäre die betreibende Partei nicht von der Verpflichtung enthoben, die einzelnen Elemente des dem Antrag zugrundeliegenden Sachverhalts vollständig vorzubringen.
Allein dies schade der betreibenden Partei deshalb nicht, weil aus dem von ihr mit dem Exekutionsbewilligungsantrag (vom 11./14. 8. 2000) vorgelegten Grundbuchsauszug (Abfragedatum 16. 8. 2000?) "ersichtlich sei, dass das gegenständliche Pfandrecht in seiner Verwertung durch die fideikommissarische Substitution nicht beeinträchtigt sein könne": Aus dem Lastenblatt ergebe sich zu C-LNR 17b, dass dem Pfandrecht der Vorrang vor LNR 13 zustehe. C-LNR 13 betreffe das Pfandrecht einer Pflichtteilsberechtigten für ihre Pflichtteilsforderung, das zur Tagebuchzahl 492/1996 des Erstgerichts eingetragen sei. Zur gleichen Tagebuchzahl sei aber auch erst das Eigentumsrecht des Verpflichteten auf Grund der Einantwortungsurkunde vom 1. 12. 1995 und die fideikommissarische Substitution zu Gunsten seiner ehelichen Kinder gemäß Testament vom 5. 7. 1991 eingetragen worden. Daraus sei abzuleiten, dass schon auf Grund der im Grundbuch dokumentierten zeitlichen Abläufe iVm der Vorrangseinräumung dem exekutionsgegenständlichen Pfandrecht die im Rang nachfolgende fideikommissarische Substitution nicht entgegengehalten werden könne. Das Tagebuch enthalte nämlich jährlich fortlaufend nummeriert die einlangenden Grundbuchsstücke. Die rangmäßige Reihung der Grundbuchseintragungen - soweit sie überhaupt durch den Zeitpunkt des Einlangens des Grundbuchsstücks in der Grundbuchsabteilung bestimmt werde - könne schon aus den Tagebuchzahlen in Verbindung mit der Jahreszahl entnommen werden. Da die betreibende Partei in ihrem Exekutionsantrag auch auf ihr einverleibtes Pfandrecht hingewiesen habe, sei schon auf Grund des Grundbuchsauszugs die Exekutionsbewilligung zu erteilen gewesen; ein den Befriedigungsrechten der betreibenden Partei im Rang nachgehendes Belastungs- und Veräußerungsverbot stehe der Bewilligung der Zwangsversteigerung nicht entgegen. Die Beischaffung des Pflegschaftsaktes sei nicht erforderlich gewesen.
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs der Substitutionsberechtigten ist entgegen der Auffassung der Vorinstanz zulässig und auch in der Sache berechtigt:
Nach Lehre und Rsp hindert die im Grundbuch eingetragene (angemerkte) fideikommissarische Substitution die Bewilligung (auch) der Zwangsversteigerung der betroffenen Liegenschaft, es sei denn, dass der Nacherbe zustimmt (s hiezu die Nachweise bei Angst in Angst, EO § 133 Rz 21). Dabei kann das Einverständnis auch dadurch als erklärt gelten, dass für die betriebene Forderung ein Vertragspfandrecht mit Zustimmung des Nacherben begründet wurde (NZ 1933, 280). Dies hat auch die Vorinstanz insoweit zutreffend erkannt.
Der weiteren Auffassung des Rekursgerichts, bereits aus dem von der betreibenden Partei vorgelegten Grundbuchsauszug (aus den Daten des Exekutionsantrags und des zu ON 1 AS 9 erliegenden Grundbuchsauszugs ist wohl eher darauf zu schließen, dass diesen Grundbuchsauszug das Erstgericht nach Einlangen des Exekutionsbewilligungsantrags "veranlasst" hat) ergebe sich, dass die Verwertung des für die betreibende Partei zu C-LNR 17 einverleibten, den Vorrang vor C-LNR 13 (einem Pfandrecht für die Pflichtteilsforderung einer Pflichtteilsberechtigten) genießenden Pfandrechts durch die fideikommissarische Substitution nicht beeinträchtigt sein könne, ist hingegen nicht zu folgen. Denn dass die Eintragungen des Eigentumsrechts des Verpflichteten (B-LNR 13f), der fideikommissarischen Substitution zu Gunsten seiner (ungeborenen) ehelichen Kinder (in B-LNR 13g) und das Pfandrecht für die Pflichtteilsforderung einer Pflichtteilsberechtigten (in C-LNR 13a) unter der gleichen Tagebuchzahl 492/1996 des Erstgerichts erfolgten, bewirkt noch nicht, dass der zur Tagebuchzahl 1322/1997 zugleich mit der Eintragung des Pfandrechts zu Gunsten der betriebenen Forderung (zu C-LNR 17a) eingetragene Vorrang von C-LNR 17 vor C-LNR 13 (zu C-LNR 17b) sich auch auf die zu B-LNR 13g eingetragene fideikommissarische Substitution bezieht oder beziehen kann. Damit ist eindeutig nur der Vorrang des Pfandrechts der betreibenden Partei vor jenem der Pflichtteilsberechtigten dokumentiert. Während eine Vorrangseinräumung für ein im C-Blatt einverleibtes Pfandrecht sich wieder nur auf ebenfalls im C-Blatt einverleibte eingetragene Belastungen der Liegenschaft (Pfandrechte, Dienstbarkeiten, Reallasten, Veräußerungs- und Belastungsverbot ...) beziehen kann, wird durch sie die im B-Blatt eingetragene fideikommissarische Substitution, die eine Eigentumsbeschränkung des Liegenschaftseigentümers bewirkt (SZ 66/34 ua; RIS-Justiz RS0012549), gar nicht betroffen (so schon Langer, Die fideikommissarische Substitution bei Zwangsversteigerungen von Liegenschaften NZ 1917, 415 f). Keinesfalls kann aber aus dem dargelegten Inhalt des Grundbuchsauszugs darauf geschlossen werden, dass die Substitutionsberechtigten dem Pfandrecht der betreibenden Partei den Vorrang vor ihren Rechten mit der Wirkung eingeräumt hätten, dass sie der Verwertung dieses Pfandrechts durch Zwangsversteigerung der Liegenschaft offenkundig ihre Zustimmung erteilt hätten.
Was die Vorgänge, die zur pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung des Schuldscheins vom 26. 4. 1996 bzw 31. 1. 1997 geführt haben sollen, betrifft, so ist der betreibenden Partei - insoweit in Übereinstimmung mit der Auffassung des Rekursgerichts - zu bedeuten, dass es allein an ihr gelegen gewesen wäre, diese Umstände in ihrem Antrag auf Bewilligung der Zwangsversteigerung zu behaupten und unter Beweis zu stellen, zumal von einer Gerichtskundigkeit oder Offenkundigkeit dieser Umstände iSd § 269 ZPO (§ 78 EO) keine Rede sein kann, wenn sie erst durch Einsicht in andere Akten - wenn auch desselben Gerichts - zu ersehen sind (6 Ob 156/00k, 3 Ob 2122/96x, 3 Ob 224/97f ua; RIS-Justiz RS0111112).
Wegen des im Rekursverfahren geltenden Neurungsverbots ist auf die von der betreibenden Partei erstmals im Rekurs gegen den erstinstanzlichen Beschluss aufgestellten Behauptungen nicht Bedacht zu nehmen (vgl 3 Ob 2226/96s mwN). Die Abweisung des Antrags der betreibenden Partei auf Bewilligung der Zwangsversteigerung durch das Erstgericht erfolgte somit zu Recht. Seine Entscheidung ist wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50, 41 ZPO (§ 78 EO), weil die betreibende Partei im Zwischenstreit mit den Substitutionsberechtigten unterlegen ist.
Gemäß § 527 Abs 1 ZPO (§ 78 EO) obliegen die auf Grund dieser Entscheidung erforderlichen weiteren Anordnungen dem Erstgericht.
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