OGH 12Os126/16w

OGH12Os126/16w18.5.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Mai 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Adamowitsch als Schriftführerin in der Strafsache gegen Armin R***** und einen anderen Angeklagten wegen des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung dieses Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 30. Mai 2016, GZ 28 Hv 105/15g‑64, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0120OS00126.16W.0518.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten Armin R***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch des Mitangeklagten Craig R***** enthält, wurde Armin R***** „des Verbrechens“ (richtig: des Vergehens) des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er im April 2014 in K***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Bernd D***** durch die Vorgabe seiner Rückzahlungsfähigkeit und Rückzahlungswilligkeit sowie werthaltiger Sicherheiten in Form von außerbücherlichem Liegenschaftseigentum, somit durch Täuschung über Tatsachen, zu einer Handlung, nämlich zur Gewährung und Einzahlung eines Darlehens in Höhe von 150.000 Euro auf das private Konto des Craig R***** verleitet, die Bernd D***** in diesem Betrag am Vermögen schädigte.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Armin R*****, der keine Berechtigung zukommt.

Der Erledigung der Mängelrüge (Z 5) sind zunächst folgende wesentliche Grundsätze voranzustellen:

Eine Überprüfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung, wie sie nur die im einzelrichterlichen Verfahren vorgesehene Berufung wegen Schuld ermöglicht, ist im Verfahren vor den Kollegialgerichten nicht vorgesehen (§ 283 Abs 1 StPO). Das Gericht ist gemäß § 270 Abs 2 Z 5 StPO verpflichtet, die schriftliche Urteilsbegründung in gedrängter Darstellung abzufassen und darin mit Bestimmtheit anzugeben, welche entscheidenden Tatsachen als erwiesen oder als nicht erwiesen angenommen wurden und aus welchen Gründen dies geschah, ohne dagegen sprechende wesentliche Umstände mit Stillschweigen zu übergehen. Es ist weder gehalten, den vollständigen Inhalt sämtlicher Aussagen und Verfahrensergebnisse in extenso zu erörtern und darauf zu untersuchen, inwieweit sie für oder gegen diese oder jene Geschehensvariante sprechen, noch muss es sich mit den Beweisresultaten in Richtung aller denkbaren Schlussfolgerungen und mit jedem gegen seine Beweiswürdigung möglichen, im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde dann konkret erhobenen Einwand im Voraus auseinandersetzen (RIS‑Justiz RS0106295, RS0098377 [insbes T7, T16]; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 428). Es hat die Beweismittel nicht nur einzeln, sondern (vor allem) in ihrem inneren Zusammenhang sorgfältig zu prüfen und nicht nach starren Beweisregeln, sondern nach seiner freien, aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnenen Überzeugung zu entscheiden (§ 258 Abs 2 StPO; vgl RIS‑Justiz RS0106642 [T2]). Dass aus den formell einwandfreien Prämissen auch für den Angeklagten günstigere Schlussfolgerungen möglich wären, die Erkenntnisrichter sich aber dennoch (mit logisch und empirisch einwandfreier Begründung) für eine für den Angeklagten ungünstigere Variante entschieden haben, ist als Akt freier Beweiswürdigung mit Mängelrüge nicht bekämpfbar (RIS‑Justiz RS0098400, RS0098362).

Bezugspunkt der Mängelrüge (Z 5) ist ausschließlich der Ausspruch des Schöffengerichts über entscheidende Tatsachen, also – soweit hier von Interesse – über schuld- oder subsumtionsrelevante Tatumstände (RIS‑Justiz RS0106268). Die entscheidenden Tatsachen sind von den erheblichen Tatsachen zu unterscheiden; damit sind Verfahrensergebnisse gemeint, welche die Eignung haben, die dem Gericht durch die Gesamtheit der übrigen Beweisergebnisse vermittelte Einschätzung vom Vorliegen oder Nichtvorliegen einer entscheidenden Tatsache maßgebend zu beeinflussen. Mit ihnen muss sich die Beweiswürdigung bei sonstiger Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) auseinandersetzen. Die in den Entscheidungsgründen zum Ausdruck kommende sachverhaltsmäßige Bejahung oder Verneinung bloß einzelner von mehreren erheblichen Umständen, welche erst in der gebotenen Gesamtschau mit anderen zum Ausspruch über entscheidende Tatsachen führen, kann aus § 281 Abs 1 Z 5 StPO nicht bekämpft werden, es sei denn, die Tatrichter hätten in einem besonders hervorgehobenen Einzelpunkt erkennbar eine notwendige Bedingung für Feststellungen hinsichtlich einer entscheidenden Tatsache erblickt (RIS‑Justiz RS0116737; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 409 f).

Zuletzt sei noch darauf hingewiesen, dass die gesetzmäßige Darlegung einer Nichtigkeit nach Z 5 die Berücksichtigung der Gesamtheit der Entscheidungsgründe erfordert (RIS‑Justiz RS0119370, RS0116504).

Der Begründungsmangel der Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) – im Sinne mangelnder Eindeutigkeit (vgl Hager/Meller/Hetlinger, Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung4 [2016] S 57) – liegt vor, wenn nicht für alle Adressaten (also den Beschwerdeführer und das Rechtsmittelgericht) unzweifelhaft erkennbar ist, ob eine entscheidende Tatsache (sowohl auf der objektiven als auch auf der subjektiven Tatseite) in den Entscheidungsgründen festgestellt wurde und aus welchen Gründen die Feststellung entscheidender Tatsachen erfolgt ist; dazu sind stets die Gesamtheit der Entscheidungsgründe und das Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) in den Blick zu nehmen (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 419; RIS‑Justiz RS0117995 [insbes T3], RS0099425, RS0089983).

An diesen Prämissen orientiert sich die Mängelrüge (Z 5 erster Fall) nicht, indem sie den Vorwurf undeutlicher Feststellungen zur subjektiven Tatseite – nämlich dazu, dass der (Eventual‑)Vorsatz des Beschwerdeführers (nur) auf Täuschung über dessen persönliche Rückzahlungsfähigkeit und Rückzahlungswilligkeit gerichtet gewesen sei – bloß isoliert aus einer einzelnen Urteilspassage (vgl US 26) ableitet. Denn aus der Gesamtheit der Entscheidungsgründe ist – der diesbezüglichen Beschwerdebehauptung zuwider – unmissverständlich ersichtlich, dass Armin R***** als faktischer Geschäftsführer der B***** GmbH bei Aufnahme des Darlehens Bernd D***** sowohl über die Rückzahlungsfähigkeit als auch über die Rückzahlungswilligkeit der de facto allein von ihm geführten Gesellschaft, und damit seine eigene Bereitschaft hiezu, mit bedingtem Vorsatz täuschte (vgl insbesondere US 17, 19, 21, 27, 29 und 32 f). Das eventualiter erstattete Beschwerdevorbringen, der Übergang der Rückzahlungsverpflichtung aus dem von der B***** GmbH aufgenommenen Darlehen auf den Angeklagten sowie dessen Eventualvorsatz in Richtung dessen (persönlicher) künftiger Unfähigkeit und Unwilligkeit zur Darlehensrückzahlung seien nicht begründet worden (Z 5 vierter Fall), geht demgemäß mangels Festhaltens am im Urteil festgestellten Sachverhalt ins Leere.

Unvollständig (Z 5 zweiter Fall) ist ein Urteil dann, wenn das Gericht – wie erwähnt – bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ (RIS‑Justiz RS0118316).

Die Mängelrüge bekämpft den von den Tatrichtern konstatierten Eventualvorsatz des Angeklagten auf Täuschung des Bernd D***** über die Tatsache der Rückzahlungsfähigkeit der B***** GmbH und seiner Rückzahlungswilligkeit (als faktischer Geschäftsführer), die Schädigung des genannten Darlehensgebers und die unrechtmäßige Bereicherung seiner Person und behauptet die mangelnde bzw unzureichende Erörterung im Urteil festgestellter Umstände nämlich,

‑ dass das Kaufangebot der Rudolf W***** – mit welchem diese Zug um Zug mit Fälligkeit der Zahlungen an die Grundstücksverkäufer Werner N***** sowie Aloisia, Josef und Katharina N***** zur Zahlung von 3,7 Mio Euro an die B***** GmbH verpflichtet gewesen wäre (vgl US 17 f) – letztlich nicht erfüllt werden konnte (vgl insbesondere US 19) und

‑ dass in dem von der B***** GmbH mit der Familie Aloisia, Josef und Katharina N***** geschlossenen Kaufvertrag (vom 31. Oktober 2013) ausdrücklich festgehalten war, dass Letztere für eine lastenfreie Abschreibung des im Grundbuch in C‑LNR 6a einverleibten Vorkaufsrechts Gewähr leisteten [vgl zu diesem Kaufvertrag US 10 bis 13]).

Solcherart bezieht sie sich jedoch nicht auf Ergebnisse des Beweisverfahrens, und übergeht, dass diese Umstände von den Tatrichtern sehr wohl einer Würdigung unterzogen wurden (vgl insbesondere US 32).

Weshalb es den getroffenen Konstatierungen zur subjektiven Tatseite erörterungsbedürftig entgegenstehen sollte, dass Werner N***** (und nicht der Angeklagte) am 2. Oktober 2014, also lange nach dem inkriminierten Tatzeitpunkt, den Rücktritt von dem mit der B***** GmbH am 7. Juni 2013 abgeschlossenen (vgl US 8 ff) Kaufvertrag erklärte und die Liegenschaft B***** im August 2015 an das Ehepaar Univ.‑Prof. Dr. Wolfgang S***** und Dr. Brigitta S***** verkaufte, macht die Rüge (Z 5 zweiter Fall) nicht deutlich.

Der weiteren Beschwerdekritik zuwider wurde der von den Tatrichtern konstatierte Eventualvorsatz des Angeklagten auf Täuschung des Bernd D***** (auch) über die Tatsache seiner Rückzahlungswilligkeit insbesondere mit Bezugnahme auf die objektiven Tatumstände einwandfrei begründet (US 31 bis 33), ist doch der Schluss von einem äußeren Tatgeschehen auf ein zu Grunde liegendes Wollen oder Wissen unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) nicht zu beanstanden, vielmehr bei einem (wie hier) leugnenden Angeklagten in aller Regel methodisch gar nicht zu ersetzen (RIS‑Justiz RS0098671,

RS0116882; Ratz, WK‑StPO § 281

Rz 452).

Dass sich der Angeklagte nach dem Fälligkeitszeitpunkt des Darlehens zur „Abarbeitung“ der Darlehensschuld durch Leistung von Planungsarbeiten am Haus des Bruders von Bernd D***** bereit gezeigt habe (ON 5 S 23), haben die Tatrichter ohnedies berücksichtigt (US 22). Darüber hinaus waren sie zu einer eingehenderen Erörterung dieses Beweisergebnisses nicht verhalten, weil es – der Beschwerdebehauptung zuwider – den Konstatierungen zur subjektiven Tatseite nicht entgegensteht.

Weshalb der Passus aus dem Darlehensvertrag vom 17. April 2014 „Falls die Parteien einen Eintritt von D***** in B***** künftig vereinbaren, werden die Bedingungen zu diesem Darlehen neu geregelt“ (US 20) den Konstatierungen zur subjektiven Tatseite erörterungsbedürftig (Z 5 zweiter Fall) entgegenstehen stehen sollte, macht die Rüge nicht einmal ansatzweise deutlich.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerung der Verteidigung bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte