OGH 1Ob37/17y

OGH1Ob37/17y16.3.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Günther L*****, vertreten durch die GKP Gabl Kogler Leitner Stöglehner Bodingbauer Rechtsanwälte OG, Linz, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 11.938,70 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 28. Oktober 2016, GZ 4 R 117/16b‑17, mit dem das Urteil des Landesgerichts Steyr vom 27. Mai 2016, GZ 4 Cg 128/15d‑11, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0010OB00037.17Y.0316.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 782,70 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Die Revision ist entgegen dem nach § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Dies ist gemäß § 510 Abs 3 ZPO – kurz – zu begründen.

Rechtliche Beurteilung

1. Amtshaftung für ein rechtswidriges Verhalten eines Organs tritt nur ein, wenn es auch schuldhaft ist (§ 1 Abs 1 AHG). Im Amtshaftungsverfahren ist nach ständiger Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0049955 [T2]; RS0050216 [T7]; vgl RS0049951 [T4]) nicht wie im Rechtsmittelverfahren zu prüfen, ob die Entscheidung richtig ist, sondern ob sie auf einer vertretbaren Rechtsauffassung beruht. Geht es um die (unrichtige) rechtliche Beurteilung von Rechtsfragen, ist das Verschulden grundsätzlich nur dann zu bejahen, wenn die beanstandete Entscheidung nicht auf einer nach den Umständen vertretbaren Rechtsanwendung beruht (RIS‑Justiz RS0050216 [insbesondere T5]). Dementsprechend kann in der Regel nur ein Abweichen von einer klaren Gesetzeslage oder ständiger Rechtsprechung, das unvertretbar ist und keine sorgfältige Überlegung erkennen lässt, einen Amtshaftungsanspruch zur Folge haben (RIS‑Justiz RS0049912; RS0049955 [T8]). Die Prüfung der Vertretbarkeit einer Rechtsauffassung als Verschuldenselement ist ganz von den Umständen des Einzelfalls abhängig und entzieht sich deshalb grundsätzlich einer Beurteilung als erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RIS‑Justiz RS0049955 [T10]; RS0110837).

2.1. Nach der im Anlassverfahren vom Berufungsgericht herangezogenen Versicherungsbedingung des Art 8.1.1. ARB 2004 ist der Versicherungsnehmer, der Versicherungsschutz verlangt, verpflichtet, „den Versicherer unverzüglich, vollständig und wahrheitsgemäß über die jeweilige Sachlage aufzuklären und ihm alle erforderlichen Unterlagen auf Verlangen vorzulegen“. Bei dieser Bestimmung handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung um eine auf die Bedürfnisse des Rechtsschutzversicherers zugeschnittene Ausformung der allgemeinen Auskunftsobliegenheit des § 34 Abs 1 VersVG, wobei der Versicherungsschutz begehrende Versicherungsnehmer diese Auskünfte von sich aus, spontan und ohne konkretes Verlangen des Versicherers zu geben hat (RIS‑Justiz RS0105784 [T2]). Durch die Aufklärung soll der Versicherer in die Lage versetzt werden, sachgemäße Entscheidungen über die Behandlung des Versicherungsfalls zu treffen. Es genügt, dass die begehrte Auskunft abstrakt zur Aufklärung der Schadensereignisse geeignet ist (RIS‑Justiz RS0080203 [T1, T2]; RS0080205 [T1, T2]; RS0080833 [T2, T6, T7]).

Offensichtlicher Zweck der Auskunfts‑ und Belegobliegenheit, dem auch Art 8.1.1. ARB 2004 dient, ist es, das Informationsdefizit des Versicherers gegenüber dem Versicherungsnehmer auszugleichen. Naturgemäß ist der Versicherungsnehmer über die ihn betreffenden Lebenssachverhalte umfassender informiert als der Versicherer. Er soll daher dem Versicherer alle ihm bekannten Informationen erteilen und ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen ausfolgen (7 Ob 180/14t; 7 Ob 210/14d).

Der Versicherungsnehmer hat dem Versicherer zunächst den Eintritt des Versicherungsfalls anzuzeigen (§ 33 VersVG) und dann über Aufforderung dem Versicherer weitere Auskünfte und/oder Belege zur Prüfung seiner Leistungspflicht im Sinn des § 34 VersVG zu geben. Das ist eine Obliegenheit des Versicherungsnehmers (RIS‑Justiz RS0080203). Der Versicherer kann diejenigen Auskünfte verlangen, die er für notwendig hält, sofern sie für Grund und Umfang seiner Leistung bedeutsam sein können (RIS‑Justiz RS0080185 [T2]).

2.2. Betreffend die Nichterfüllung dieser den Versicherungsnehmer treffenden Obliegenheiten ist ihm das Verhalten jener, die er zur Abwicklung des Versicherungsverhältnisses bevollmächtigt hat (wie etwa sein Rechtsanwalt), zuzurechnen (RIS‑Justiz RS0019473; 7 Ob 140/16p mwN; vgl RS0105784 [T1]).

2.3. Die Beweislast dafür, dass der Versicherungsnehmer eine Aufklärungs‑ und/oder Belegobliegenheit verletzt hat, trifft den Versicherer (RIS‑Justiz RS0043510; RS0043728; RS0081313).

3.1. Das Berufungsgericht im Anlassverfahren hat sich ausführlich unter Hinweis auf zahlreiche Judikate mit der Frage der Leistungsfreiheit infolge einer solchen Obliegenheitsverletzung (§ 6 Abs 3 VersVG) auseinandergesetzt. Dem Kläger (Versicherungsnehmer) wurde als Obliegenheitsverletzung vorgeworfen, dass es vor dem Hintergrund der seitens des Rechtsschutzversicherers im Schreiben vom 31. 7. 2013 klargestellten Anwendung der ARB 2004 (nach deren Art 25.2.2. in Außerstreitsachen „Versicherungsschutz nur für das Rechtsmittelverfahren gegen gerichtliche Entscheidungen“ besteht) sowie der darin zum Ausdruck gebrachten grundsätzlichen Deckungszusage für eine Klage auf Feststellung samt damit verbundenem erstinstanzlichen Zivilverfahren angezeigt gewesen wäre, entsprechend zu reagieren und den Rechtsschutzversicherer über die Sachlage insoweit zu informieren, als das Verfahren nach den §§ 160 ff AußStrG bereits mit der Abgabe widerstreitender Erbantrittserklärungen eingeleitet worden und keine Klage auf Feststellung einzubringen sei. Der (anwaltlich vertretene) Kläger hätte seiner Informations‑ und Belegpflicht insofern entsprechen müssen, als er bekanntgeben hätte müssen, dass er damit den für die „abschließende Genehmigung“ vom Rechtsschutzversicherer geforderten Klagsentwurf nicht übermitteln könne. Indem der Kläger auf dieses Schreiben vorerst gar nicht reagiert und den Rechtsschutzversicherer erst im Nachhinein davon informiert habe, dass das Verfahren zur Feststellung der Erbeneigenschaft im Rahmen des Außerstreitverfahrens geführt werde und daher kein Klagsentwurf übermittelt werden könne, habe er gegen die Obliegenheit des Art 8.1.1. ARB 2004 verstoßen.

3.2. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass diese Rechtsansicht des Gerichts zweiter Instanz im Anlassverfahren vertretbar sei, weil dem Kläger aufgrund der grundsätzlichen Deckungszusage mit der Aufforderung, einen Klagsentwurf zu übermitteln, klar sein musste, dass der Rechtsschutzversicherer von einem erst einzuleitenden streitigen Verfahren ausgeht, ihm es ein Leichtes gewesen wäre, den Versicherer (entgegen der von seinem Rechtsvertreter gewählten Formulierung, es handle sich um ein „strittiges“ gerichtliches Verfahren) darüber zu informieren, dass es sich um ein Verfahren außer Streitsachen handle und der bloße Hinweis genügt hätte, dass keine Klage, sondern lediglich ein Schriftsatz im Verfahren nach den §§ 160 ff AußStrG einzubringen sein werde, ist nicht zu beanstanden. Daher ist die Revision zurückzuweisen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 50 Abs 1 iVm § 41 Abs 1 ZPO. Die Beklagte wies in ihrer Revisionsbeantwortung auf die mangelnde Zulässigkeit der Revision hin, sodass ihr Schriftsatz der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung dient.

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