OGH 1Ob130/16y

OGH1Ob130/16y30.8.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** Z*****, vertreten durch Dr. Stephan Rainer und Dr. Andreas Ruetz, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei D***** Z*****, vertreten durch Dr. Stefan Geiler und andere Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Unterhalts, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 19. Mai 2016, GZ 2 R 22/16y‑66, mit dem das Endurteil des Bezirksgerichts Reutte vom 30. November 2015, GZ 1 C 28/11x‑57, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0010OB00130.16Y.0830.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Der Verweis des Beklagten auf seine Ausführungen in der Berufung zu vermeintlichen sekundären Feststellungsmängeln ist unzulässig und damit unbeachtlich und kann eigenständige nachvollziehbare Revisionsausführungen nicht ersetzen (1 Ob 59/15f = RIS‑Justiz RS0007029 [T15]; RS0043616).

2.1. Nach gefestigter jüngerer Rechtsprechung ist der fiktive Mietwert einer dem Unterhaltsberechtigten überlassenen Liegenschaft wegen der damit verbundenen Verminderung des Unterhaltsbedarfs ganz oder teilweise als Naturalunterhalt anzurechnen (RIS‑Justiz RS0047254 [T11]; zuletzt 4 Ob 85/16b mwN). Anerkannt ist die Anrechnung einer fiktiven Mietersparnis auch dann, wenn der Unterhaltsschuldner nur Miteigentümer der dem Unterhaltsberechtigten zur Verfügung gestellten Wohnung ist (RIS‑Justiz RS0121283 [T2]). Das Ausmaß der Anrechnung ist eine Frage des Einzelfalls (RIS‑Justiz RS0047254 [T8, T13]; RS0121283 [T1]).

2.2. Bei der Geltendmachung von geleistetem Naturalunterhalt, der zur Reduktion des an sich zustehenden Geldunterhaltsanspruchs führen soll, handelt es sich um einen rechtsvernichtenden Einwand des Unterhaltspflichtigen, sodass er für die Höhe des fiktiven Mietwerts behauptungs- und beweispflichtig ist (7 Ob 179/11s unter Verweis auf Gitschthaler, Das in der eigenen Wohnung wohnversorgte Kind, EF‑Z 2012/36, 65).

Der Beklagte begehrte die Anrechnung des Naturalunterhalts nur in der Höhe der Hälfte der von ihm allein bezahlten Kreditraten für Kredite, die für das eheliche Haus gemeinsam aufgenommen worden waren (Schriftsatz vom 24. 11. 2014). Dass die Vorinstanzen den Naturalunterhalt (in der Form des Mietwerts der Liegenschaft) auch nur in der Höhe dieses außer Streit stehenden monatlichen Betrags berücksichtigten, ist nicht zu beanstanden. Nach der Rechtsprechung sind Rückzahlungsraten für den zur Beschaffung der Ehewohnung erforderlichen Kredit dann, wenn ein Ehegatte – wie hier der Beklagte – die Wohnung verlassen hat (auch nach rechtskräftiger Scheidung der Ehe, wenn das Aufteilungsverfahren über die Ehewohnung noch nicht abgeschlossen ist), in angemessener Weise auf den der Ehegattin (Klägerin) zu leistenden Unterhalt anzurechnen. Für die Anrechnung ist der fiktive Mietzins heranzuziehen (RIS‑Justiz RS0009578 [T18]; vgl RS0080373 [T20]). Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte, kommt bei der Anrechnung des (hier der Höhe nach außer Streit stehenden) fiktiven Mietwerts aber eine gleichzeitige Berücksichtigung der Kreditrückzahlungen nicht in Betracht, weil dies eine doppelte Bevorzugung des geldunterhaltspflichtigen Beklagten bedeutete (4 Ob 142/06w = SZ 2006/144; 2 Ob 246/09d = SZ 2010/134 = EF‑Z 2011/41, 69 [ Gitschthaler ]; 4 Ob 203/10x).

3. Naturalunterhaltsleistungen sind bei der Unterhaltsfestsetzung für die Zukunft unter bestimmten Voraussetzungen zu berücksichtigen: Der Unterhaltsberechtigte muss sich ausdrücklich oder doch schlüssig damit einverstanden erklären und es muss aufgrund eines stabilen Verhaltens des Unterhaltsschuldners die begründete Annahme bestehen, dass dieser die Naturalleistungen auch künftig erbringen werde (RIS‑Justiz RS0047258). Ob ein konkludentes Einverständnis vorliegt, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, sodass dieser Frage erhebliche Bedeutung nur im Fall einer aufzugreifenden Fehlbeurteilung zukommt (6 Ob 127/04a = RIS‑Justiz RS0047258 [T3]). Das ist hier nicht der Fall.

Die Klägerin hat für die Zukunft Naturalunterhaltsleistungen des Beklagten nicht von ihrem Begehren abgezogen. Sie erhob in der Berufungsbeantwortung auch die Behauptung, der Beklagte habe inzwischen die Naturalleistungen nicht mehr erbracht. Die Ansicht des Berufungsgerichts zur Bemessung des laufenden und künftigen Unterhalts, dass die Klägerin die Wohnversorgungskosten durch die Kreditrückzahlungen für die auch von ihr aufgenommenen Kredite selbst zu tragen hat und diese Kosten aus dem Geldunterhalt zu finanzieren hat, sodass darauf keine Anrechnung konkret bestimmter Naturalunterhaltsleistungen des Beklagten zu erfolgen hat, ist nicht zu beanstanden. Hat die Klägerin selbst die Kosten für die Wohnung zu tragen (hier: die Kreditraten), ist der fiktive Mietwert nicht mehr vom errechneten Unterhalt abzuziehen (7 Ob 179/11s).

4. Wenn der Beklagte die vom Erstgericht anerkannten Überzahlungen für die Monate April bis August 2014 berücksichtigt wissen will, ist er darauf zu verweisen, dass er eine Aufrechnung gar nicht behauptet hat. Überdies liegt die Behauptungs‑ und Beweislast für die Unredlichkeit des Verbrauchs bei ihm (RIS‑Justiz RS0010182 [T3, T4, T5]). Einen schlechtgläubigen Verbrauch der Klägerin hat er nicht behauptet. Der Begründung des Berufungsgerichts, der Rückforderungsanspruch wegen irrtümlich zu viel gezahlter Unterhaltsbeiträge gelte nach Judikat Nr 33 nicht für gutgläubig verbrauchten Unterhalt (vgl RIS‑Justiz RS0033609 [T4]) und ein solcher Verbrauch sei angesichts der Größenordnung der rückzufordernden Beträge und der vergangenen Zeit jedenfalls zu vermuten, hält er keine stichhaltigen Argumente entgegen.

5. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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