European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0010OB00075.16K.0830.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur Einleitung des gesetzmäßigen Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund zurückverwiesen.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Revisionsrekursverfahrens selbst zu tragen.
Begründung:
Die mj Erstantragsgegnerin ist die Tochter der Zweitantragsgegnerin und wurde während deren Ehe mit DDr. A***** K***** geboren. Diese wurde am 29. 11. 2008 geschieden. DDr. K***** verstarb im Jahr 2013. Die Erstantragsgegnerin als gesetzliche Erbin hat im Verlassenschaftsverfahren vor dem Bezirksgericht Völkermarkt eine bedingte Erbantrittserklärung abgegeben.
Die Verlassenschaft (im Folgenden: Antragstellerin) begehrt mit dem am 26. 3. 2015 beim Erstgericht eingebrachten Antrag die Feststellung, dass die Zweitantragsgegnerin nicht vom Verstorbenen abstamme. Als Vertreter der Verlassenschaft schritt dabei, ebenso wie zunächst auch noch im Revisionsrekursverfahren, der Bruder des Verstorbenen, ein Rechtsanwalt, ein.
Das Verlassenschaftsgericht genehmigte einen inhaltlich gleichlautenden Antrag, der bei ihm am 20. 3. 2015 eingebracht worden war, mit Beschluss vom 26. 3. 2015.
Das Erstgericht wies den Antrag zurück. Dazu führte es aus, die Erstantragsgegnerin habe als einziges Kind des Verstorbenen eine bedingte Erbserklärung (richtig: Erbantrittserklärung) abgegeben; nachverstorben sei die Mutter des Erblassers. Deren Kinder wären als Geschwister des Verstorbenen gesetzliche Erben, sollte ein darauf gerichtetes Verfahren ergeben, dass die Erstantragstellerin nicht das Kind des Verstorbenen sei. Mit Beschluss des Bezirksgerichts Völkermarkt vom 26. 3. 2015 sei zwar der gegenständliche Antrag verlassenschaftsbehördlich genehmigt worden, es lägen jedoch widerstreitende Erbserklärungen vor. Könnten sich die Personen, die widerstreitende Erbserklärungen abgegeben hätten, nicht auf einen gemeinsamen Vertreter einigen, so sei ein Verlassenschaftskurator zu bestellen. Weder die Erstantragsgegnerin noch die Geschwister des Verstorbenen könnten daher die Verlassenschaft vertreten, weswegen der Antrag zurückzuweisen sei.
Das Rekursgericht gab dem Rechtsmittel der Antragstellerin nicht Folge. Sowohl die Erben – und ebenso der ruhende Nachlass – als Gesamtrechtsnachfolger könnten als Antragsteller oder Antragsgegner im Abstammungsverfahren auftreten. Ein einzelner Erbanwärter sei nicht antragslegitimiert. Ebenso wenig könne die Legitimation zur aktiven oder passiven Parteirolle in dem auf Rechtsgestaltung in Statusangelegenheiten gerichteten Verfahren mit einem rechtlichen Interesse an der begehrten Feststellung begründet werden. Antragslegitimiert sei im vorliegenden Fall daher der ruhende Nachlass (= die Verlassenschaft) als Inbegriff der Rechte und Pflichten des Verstorbenen.
Einigten sich die Personen, denen gemeinschaftlich die Rechte nach § 810 ABGB zukommen, über die Art der Vertretung oder einzelne Vertretungshandlungen nicht oder sei ein Verfahren über das Erbrecht einzuleiten, habe das Verlassenschaftsgericht erforderlichenfalls einen Verlassenschaftskurator zu bestellen. Nach ständiger Judikatur könne bei widerstreitenden Erbantrittserklärungen keinem der Erbansprecher die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses überlassen bleiben, sodass in einem solchen Fall die Erforderlichkeit einer Kuratorbestellung bestehe. Dieses Erfordernis könne auch nicht durch die Genehmigung der Prozessführung (hier eines Antrags nach § 151 ABGB) ersetzt werden. Nur der ruhende Nachlass, vertreten durch einen legitimierten Vertreter (Verlassenschaftskurator) wäre berechtigt, den gegenständlichen Antrag zu stellen.
Mangels Vertretungslegitimation liege auch keine Antragslegitimation des Einschreiters vor. Dieser Umstand werde aber vehement bestritten, weswegen das Erstgericht wegen Aussichtslosigkeit auch nicht verhalten gewesen sei, ein Verbesserungsverfahren einzuleiten.
Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin, der entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichts zulässig ist; er ist auch berechtigt.
Die Antragsgegnerinnen haben sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
1. Der Nachlass ist partei- aber nicht prozessfähig und bedarf daher im Verfahren eines gesetzlichen Vertreters (RIS‑Justiz RS0012288; 3 Ob 77/04a mwN).
2.1 Gemäß § 810 ABGB vertritt der ausgewiesene Erbe als gesetzlicher Vertreter im Sinne des § 4 ZPO ex lege den Nachlass. Das gilt aber dann nicht, wenn sich mehrere Erben, denen die Rechte nach § 810 ABGB gemeinschaftlich zukommen, über die Art der Vertretung oder einzelne Vertretungshandlungen uneinig sind, oder mehrere Erbanwärter widerstreitende Erbantrittserklärungen abgeben (2 Ob 243/07k = EF‑Z 2008/66, 110 [Fischer‑Czermak] = iFamZ 2008/84, 160 [W. Tschugguel]; 2 Ob 176/11p; Nunner-Krautgasser in Fasching/Konecny 3 II/1 § 4 ZPO Rz 18; Sailer in KBB4 § 810 ABGB Rz 2; Spitzer, Benützung, Verwaltung und Vertretung des Nachlasses [§ 810 ABGB neu], NZ 2006/8 33 [37 f]). § 173 Abs 1 AußStrG ordnet für diese Fälle an, dass das Verlassenschaftsgericht erforderlichenfalls einen Verlassenschaftskurator zu bestellen hat.
2.2 Ganz allgemein sind aber immer dann, wenn Vertretungshandlungen im Zusammenhang mit einem Nachlass anstehen, schon aus Gründen der Rechtssicherheit klare Vertretungsverhältnisse – durch Bestellung eines Kurators – zu schaffen (RIS-Justiz RS0123140; Sailer in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 173 Rz 3). Entscheidend für die Kuratorbestellung ist nicht das Interesse einzelner Erbansprecher, sondern das objektive Interesse des ruhenden Nachlasses, der vor der Einantwortung noch nicht Vermögen der Erben ist. Besteht die Gefahr, dass der Anspruch des ruhenden Nachlasses später nicht mehr durchgesetzt werden kann, ist die Bestellung eines Verlassenschaftskurators zweckmäßig (1 Ob 7/07x).
2.3 In Abstammungssachen kann nach dem Tod der betroffenen Person die Feststellung der Abstammung, deren Änderung oder die Feststellung der Nichtabstammung von den Rechtsnachfolgern oder gegen diese bewirkt werden (§ 142 ABGB idFd KindNamRÄG – entspricht dem früheren § 138a ABGB). Zutreffend hat das Rekursgericht darauf hingewiesen, dass bis zur Einantwortung ein Antrag auf Feststellung der Nichtabstammung vom Ehemann der Mutter gemäß §§ 151 ff ABGB (neu) nur vom ruhenden Nachlass als Gesamtrechtsnachfolger des verstorbenen Mannes, dessen Vaterschaft vermutet wird, gegen das Kind oder von diesem gegen den Nachlass des Mannes gestellt werden kann (§ 142 iVm § 151 Abs 2 ABGB; vgl 7 Ob 38/06y; 6 Ob 150/07p). Richtet sich ein solcher Antrag – wie hier – gegen das Kind und gesetzlichen Erben, kann der Nachlass nur durch einen Verlassenschaftskurator vertreten werden (vgl Stormann in Schwimann/Kodek, ABGB4 Ia § 142 Rz 1 und 5).
2.4 Das Erfordernis der Kuratorbestellung und die Genehmigung der Antragstellung durch das (hier:) Verlassenschaftsgericht sind kumulative Voraussetzungen. Die (hier:) abhandlungsgerichtliche Genehmigung beseitigt daher nicht die Notwendigkeit einen Kurator als gesetzlichen Vertreter des Nachlasses zu bestellen (zum Kollisionskurator: RIS-Justiz RS0049030 [T2]; zuletzt 1 Ob 95/12w).
3.1 Nach § 5 Abs 1 AußStrG hat das Gericht in jeder Lage des Verfahrens (also auch noch im Rechtsmittelverfahren) zur Beseitigung des Mangels der gesetzlichen Vertretung das Erforderliche anzuordnen und kann dabei angemessene Fristen setzen, auch wenn § 5 Abs 1 AußStrG im Gegensatz zu § 6 Abs 2 ZPO solches nicht ausdrücklich vorsieht (6 Ob 3/09y = RIS-Justiz RS0125145; zu § 6 ZPO: RS0118612).
3.2 Gesetzlicher Vertreter der Verlassenschaft ist, sofern wie hier die Vertretung durch die Erbin, die eine Erbantrittserklärung abgegeben hat, unzulässig ist, der Verlassenschaftskurator. Wurde dieser noch nicht bestellt oder dem Verfahren nicht beigezogen, liegt darin ein zu sanierender Mangel der gesetzlichen Vertretung (vgl 3 Ob 87/09d = SZ 2009/84). Erst wenn der Versuch einer Behebung des Mangels der Vertretung scheitert, darf eine Prozesshandlung als unzulässig zurückgewiesen werden (5 Ob 530/95 = RIS‑Justiz RS0035331; RS0065355; Fucik/Kloiber, AußStrG § 5 AußStrG Rz 7; Kodek in Gitschthaler/Höllwerth aaO § 5 Rz 8).
4. Das Beharren auf dem Prozessstandpunkt, wie hier die Behauptung des einschreitenden Anwalts und Erbanwärters, er sei zur Vertretung des Nachlasses legitimiert, macht eine Sanierung des Vertretungsmangels nicht von vornherein aussichtslos und steht einem Sanierungsversuch entgegen der Ansicht des Rekursgerichts daher auch nicht entgegen. Vielmehr wäre dem Einschreiter bereits durch das Erstgericht unter Setzung einer angemessenen Frist Gelegenheit zu geben gewesen, ein gerichtliches Verfahren zur Beseitigung des Prozesshindernisses einzuleiten; nach Einleitung eines solchen Verfahrens besteht die gebotene Maßnahme des Gerichts darin, die Bestellung eines Kurators abzuwarten und diesem Gelegenheit zur Genehmigung der bereits erfolgten Prozesshandlungen zu geben (vgl 5 Ob 282/03m = RIS-Justiz RS0118614). Das faktische Zuwarten des Erstgerichts, das die Tagsatzung „zur Klärung der Vertretungsbefugnis“ auf unbestimmte Zeit erstreckte, um letztlich den Antrag ohne einen konkreten Auftrag zur Verbesserung und ohne weitere Erörterungen zurückzuweisen, war daher kein tauglicher Sanierungsversuch.
5. Die in § 66 Abs 1 Z 1 AußStrG genannten Mängel können auch dann in einem Revisionsrekurs geltend gemacht werden, wenn sie vom Rekursgericht verneint worden sind. Wegen der ausdrücklichen Anordnung in § 66 Abs 1 AußStrG und des Fehlens einer § 519 ZPO vergleichbaren Bestimmung gibt es keine Grundlage für die Annahme einer diesbezüglichen Rechtsmittelbeschränkung (RIS-Justiz RS0121265). Der Mangel der gesetzlichen Vertretung (§ 58 Abs 1 Z 2 AußStrG) fällt unter diese Bestimmung und liegt auch vor, wenn ein erforderlicher Kurator nicht bestellt wurde (zum Kollisionskurator: Kodek in Gitschthaler/Höllwerth aaO § 58 AußStrG Rz 11).
6. Damit beruft sich die Antragstellerin im Ergebnis zu Recht auf eine Mangelhaftigkeit der Entscheidungen der Vorinstanzen, weil diese eine wesentliche Verfahrensvorschrift (§ 5 AußStrG) unbeachtet ließen. Zwischenzeitig hat jedoch das Verlassenschaftsgericht mit Beschluss vom 21. 3. 2016 einen Verlassenschaftskurator zur Vertretung des Nachlasses im vorliegenden Verfahren mit dem Auftrag bestellt, die bisher gesetzten Verfahrensschritte zu prüfen und allenfalls zu genehmigen. Der Verlassenschaftskurator genehmigte mit Schriftsatz vom 8. 4. 2016 ausdrücklich alle bisher gesetzten Verfahrensschritte einschließlich des Revisionsrekurses, sodass sich die Einleitung eines Verbesserungsverfahrens erübrigt (vgl 1 Ob 201/15p mwN).
7. Da die Genehmigung durch den Verlassenschaftskurator den Mangel in der gesetzlichen Vertretung der Antragstellerin saniert hat, sind die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben. Dem Erstgericht ist die Einleitung des Verfahrens über den Antrag der Verlassenschaft aufzutragen.
8. Im Abstammungsverfahren minderjähriger Kinder findet ein Kostenersatz nicht statt (§ 83 Abs 4 AußStrG).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)