OGH 15Os29/16b

OGH15Os29/16b27.6.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Juni 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Janisch als Schriftführerin in der Strafsache gegen Bernhard M***** und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 3, 130 vierter Fall StGB (idF vor BGBl I 2015/112), über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Stefan C***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 23. November 2015, GZ 18 Hv 63/15z‑49, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0150OS00029.16B.0627.000

 

Spruch:

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das in seinen freisprechenden Teilen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen der Angeklagten Bernhard M***** und Stefan C*****, demzufolge auch in den Strafaussprüchen und im Ausspruch über den Verweis der Privatbeteiligten Ma***** GmbH auf den Zivilrechtsweg nach § 366 Abs 2 StPO aufgehoben und die Strafsache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an den Einzelrichter des Landesgerichts für Strafsachen Graz verwiesen.

Mit seinen Rechtsmitteln wird der Angeklagte C***** auf diese Entscheidung verwiesen.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch in Rechtskraft erwachsene Freisprüche weiterer Angeklagter enthaltenden Urteil, wurden Bernhard M***** und Stefan C***** jeweils des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 3, 130 vierter Fall StGB idF vor BGBl I 2015/112 schuldig erkannt.

Danach haben sie von September 2013 bis 11. Februar 2015 in G***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken 16.800,69 Liter Treibstoff im Wert von 19.714,89 Euro Gewahrsamsträgern der L***** GmbH durch Einbruch mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von Diebstählen durch Einbruch eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, weggenommen, „wobei sie eine Sperrvorrichtung, nämlich Tankautomaten“ mit einem widerrechtlich erlangten Schlüssel öffneten, indem sie einen der Fahrschule Ma***** GmbH weggenommenen codierten „Tankchipschlüssel“ an ein Lesegerät der Tanksäule auflegten, danach einen vierstelligen Code eingaben (US 7) und Betankungen ihrer eigenen Fahrzeuge vornahmen, dritte Personen gegen Bargeld deren Fahrzeuge betanken ließen oder deren Fahrzeuge betankten und Treibstoff in Kanistern abfüllten und verkauften.

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlass der dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 10 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Stefan C***** überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass dem Urteil nicht geltend gemachte Nichtigkeit (Z 10) zum Nachteil beider Angeklagter anhaftet, die von Amts wegen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) aufzugreifen war.

Diebstahl durch Einbruch nach den – rechtlich gleichwertigen, aber eigenständigen – Qualifikationsnormen des § 129 Z 1 bis 3 StGB idF vor BGBl I 2015/112 setzt voraus, dass der Täter vor der Sachwegnahme ein (qualifikationsbegründendes) Hindernis mit dem Vorsatz überwindet, zu dem ausersehenen Objekt zu gelangen (RIS‑Justiz RS0093909, RS0115625).

Ein „Behältnis“ im Sinn des § 129 Z 2 StGB (aF) ist ein zum Aufbewahren von Sachen dienendes und diese umschließendes Gebilde, das nicht dazu bestimmt ist, von Menschen betreten zu werden (RIS‑Justiz

RS0094000, vgl auch RS0094025, RS009406

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, RS0094003). „Öffnen“ bedeutet in diesem Zusammenhang das Zugänglichmachen des Inneren des Behältnisses, womit ein unmittelbarer (körperlicher) Zugriff auf dessen Inhalt ermöglicht wird (RIS‑Justiz

RS0088977), während das bloße Betätigen eines Ausgabemechanismus diese Kriterien nicht erfüllt (11 Os 114/85).

Eine „Sperrvorrichtung“ im Sinn des § 129 Z 3 StGB (aF) dient der Sicherung von Sachen und setzt das Vorhandensein eines (wirksamen) Sperrmechanismus voraus (vgl RIS‑Justiz RS0094219, RS0094132, RS0094208, RS0094197). Sie wird geöffnet, wenn die Sicherung durch Betätigung des Sperrmechanismus überwunden wird (vgl RIS‑Justiz RS0094166).

Da das Wort „sonst“ in § 129 Z 3 StGB idF vor BGBl I 2015/112 den Sperrvorrichtungen nur eine Restgröße zuwies, war von dieser Qualifikation nur die Überwindung von anderen als den in Z 1 und 2 leg cit genannten Objekten zugehörigen Sperren erfasst (RIS‑Justiz RS0094083, RS0093960, RS0094003).

Im vorliegenden Fall konstatierte das Erstgericht, dass die Angeklagten den der Fahrschule Ma***** GmbH weggenommenen „Tank-Chip bzw. Tankschlüssel“ „auf das Lesegerät der Tanksäule“ auflegten und „den Geheimcode für den Schlüssel“ eingaben, wodurch sie „eine Sperrvorrichtung, nämlich den Tankautomaten“ öffneten (US 7 und 17).

Ob bei diesem Vorgang – der unter Zuhilfenahme eines Schlüssels im Sinn des § 129 StGB erfolgte, weil neben der Eingabe des Codes die Verwendung des Tankchipschlüssels zwingend erforderlich war (vgl Leukauf/Steininger Komm 3 § 129 RN 18; Kienapfel/Schmoller Studienbuch BT II 2 § 129 RN 36;

Salimi SbgK § 129 Rz 77) – aus rechtlicher Sicht tatsächlich (nur) eine nicht einem Behältnis zugehörige Sperrvorrichtung geöffnet oder bloß der Ausgabemechanismus eines Behältnisses betätigt wurde, lässt sich den Konstatierungen nicht entnehmen.

Der aufgezeigte Rechtsfehler mangels Feststellungen erfordert die Kassation der rechtlichen Unterstellung der Taten (auch) nach §§ 129 Z 3, 130 vierter Fall StGB idF vor BGBl I 2015/112.

Unzureichend sind auch die Feststellungen zur jeweiligen Wegnahme von Sachen in einem 3.000 Euro übersteigenden Wert. Zwar haben die Angeklagten M***** und C***** den Konstatierungen zufolge im Zeitraum September 2013 bis Juni 2014 Treibstoff in einem nicht genannten Wert gemeinsam weggenommen (US 7), danach betankten sie Fahrzeuge aber offenbar getrennt voneinander, wobei den diesbezüglichen Feststellungen jeweils nur ein 3.000 Euro nicht übersteigender Gesamtwert entnehmbar ist (US 8 ff). Insofern bleibt die Annahme, die Genannten hätten „auf diese Art und Weise im Zeitraum von September 2013 bis 11. Februar 2015 zumindest 349 Tankvorgänge“ vorgenommen und „dadurch im bewussten und gewollten Zusammenwirken“ 16.800,69 Liter Treibstoff im Gesamtwert von 19.714,89 Euro weggenommen (US 10), ohne Sachverhaltsbezug (RIS‑Justiz RS0119090), wodurch bei beiden Angeklagten die Kassation der Subsumtion nach § 128 Abs 1 Z 4 StGB idF vor BGBl I 2015/112 unumgänglich ist.

Mit Blick auf die Feststellungen, wonach die Angeklagten den Tatentschluss gemeinsam fassten, beide „Geld für die Betankungen lukrierten“ und C***** „das Geld, das er von weiteren Abnehmern (…) für die Betankungen erhielt“, mit M***** teilte (US 7 und 14), bleibt für den zweiten Rechtsgang anzumerken, dass als Beitrag im Sinn des § 12 dritter Fall StGB jede Verhaltensweise in Betracht kommt, welche die Ausführung der Tat durch einen anderen ermöglicht, erleichtert, absichert oder in anderer Weise fördert, sodass neben der Überlassung von Tatwerkzeug (hier: der Tankchipschlüssel) auch die Gewährung psychischer Unterstützung in Betracht kommt ( Fabrizy in WK 2 StGB § 12 Rz 87 ff; Leukauf/Steininger Komm 3 § 12 RN 44 f; RIS‑Justiz RS0089799).

Weil im zweiten Rechtsgang bei beiden Angeklagten (etwa im Fall der Nichtannahme von Qualifikationen) die Möglichkeit einer Diversion nach dem 11. Hauptstück der StPO nicht auszuschließen ist, waren die jeweils verbliebenen Schuldsprüche nach § 127 StPO ebenfalls zu kassieren (§ 289 StPO; vgl RIS‑Justiz RS0119278 [T1]).

Ein Eingehen auf die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten C***** erübrigt sich somit.

Das Urteil war daher bei nichtöffentlicher Beratung (§ 285e StPO) in dem im Spruch ersichtlichen Umfang aufzuheben und die Strafsache mit dem Auftrag zur Verfahrenserneuerung an den – infolge der durch das Strafrechtsänderungsgesetz 2015 (BGBl I 2015/112) geänderten Strafdrohungen – nunmehr sachlich zuständigen Einzelrichter des Landesgerichts für Strafsachen Graz zu verweisen (§ 288 Abs 2 Z 3 StPO

; RIS‑Justiz

RS0100271).

Dieser wird im Fall eines neuerlichen Schuldspruchs zu den in Rede stehenden Qualifikationen entsprechende Feststellungen in objektiver und subjektiver Hinsicht, dies auch betreffend allfällige Beitragshandlungen zu Ausführungshandlungen des jeweils anderen Angeklagten, zu treffen haben.

Mit Blick auf die durch das StRÄG 2015 (BGBl I 2015/112) erfolgten Änderungen der §§ 128 ff StGB wird beim Günstigkeitsvergleich nach § 61 StGB (vgl dazu RIS‑Justiz RS0091850) auch zu beachten sein, dass durch den Entfall des bislang in § 129 Z 3 StGB (aF) enthaltenen Wortes „sonst“ (vgl dazu insb 13 Os 80/86) in § 129 Abs 1 Z 3 StGB die – zuvor dargestellte, auch zu Bargeldbehebungen bei Bankomaten mittels unbefugter Benützung fremder Bankomatkarten ergangene – Rechtsprechung, wonach dieser Qualifikation nur die Überwindung von anderen als den in Z 1 und 2 des § 129 (nunmehr Abs 1) StGB genannten Objekten zugehörigen Sperren zu subsumieren ist, ihre Grundlage verloren hat (zur grundsätzlichen Intention des Gesetzgebers, durch die Änderungen in § 129 Abs 1 StGB Strafbarkeitslücken zu schließen, vgl ErläutRV 689 BlgNR 25. GP  23).

Mit seinen Rechtsmitteln war der Angeklagte C***** auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

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