OGH 11Os114/85

OGH11Os114/8529.10.1985

Der Oberste Gerichtshof hat am 29.Oktober 1985 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Felzmann als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Wolf als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Johann A wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 3 StGB und eines anderen Delikts über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 8.März 1985, GZ 12 a Vr 12.883/84-32, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Generalanwalts Dr. Bassler als Vertreters des Generalprokurators und des Verteidigers Dr. Hochhaltinger, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch der Verwendung eines widerrechtlich erlangten Schlüssels anläßlich des Diebstahls zu Punkt 1 a des Urteilssatzes, in der Qualifikation dieses Diebstahls als durch Einbruch begangen sowie in der rechtlichen Unterstellung dieser Tat auch unter die Bestimmung des § 129 Z 3 StGB und demgemäß im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruches über die Anrechnung der Vorhaft) aufgehoben und gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst zu Recht erkannt:

Johann A wird für die ihm laut dem unberührt gebliebenen Teil des Schuldspruches weiterhin zur Last fallenden Straftaten des Vergehens des schweren Diebstahls nach den §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z 4 StGB und des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach dem § 229 Abs. 1 StGB nach dem § 128 StGB unter Bedachtnahme auf den § 28 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 (achtzehn) Monaten verurteilt.

Die Aussprüche über den Ersatz der Kosten des Strafverfahrens und die Anrechnung der Vorhaftzeiten werden aus dem Ersturteil übernommen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 2.Juni 1957 geborene Johann A des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 3 StGB (1) und des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach dem § 229 Abs. 1 StGB (2) schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last, in Wien und anderen Orten Österreichs 1./ wiederholt fremde bewegliche Sachen dem Dr. Christian B mit dem Vorsatz weggenommen zu haben, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar a/ in der Zeit vom 25.September 1984 bis 1.Oktober 1984 Bargeld in der Höhe von insgesamt 33.800 S unter Verwendung eines widerrechtlich erlangten Schlüssels ("Bankomat-Scheckkarte") und b/ am 25. September 1984 eine Herrenarmbanduhr; 2./ Urkunden, über die er nicht verfügen durfte, mit dem Vorsatz unterdrückt zu haben, zu verhindern, daß sie im Rechtsverkehr zum Beweise eines Rechtes gebraucht werden, und zwar in der Zeit vom 25.September 1984 bis 8. Oktober 1984 den Reisepaß des Dr. Christian B und in der Zeit vom 25.September 1984 bis 2.Oktober 1984 dessen "Bankomat-Scheckkarte".

Diese Schuldsprüche, mit Ausnahme desjenigen wegen Diebstahls einer Herrenarmbanduhr am 25.September 1984 (1 b), bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde, die er auf die Z 5, 9 lit. a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO stützt.

Rechtliche Beurteilung

Nicht gesetzmäßig ausgeführt ist die Rechtsrüge (§ 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO) des Angeklagten, soweit darin gegen den Schuldspruch wegen Vergehens der Urkundenunterdrückung (2) zur "Bankomatkarte" - an sich zutreffend - eingewendet wird, eine lediglich Magnetaufzeichnungen enthaltende Bezugskarte stelle mangels Schriftlichkeit keine Urkunde im strafrechtlichen Sinn dar. Indem der Beschwerdeführer nur auf die "Bankomatkarte" als einem Magnetstreifen mit für das menschliche Auge nicht lesbaren Daten abstellt, übergeht er nämlich die Urteilsannahme, wonach er Dr. Christian B eine kombinierte sogenannte "Bankomat-Scheckkarte" entfremdete (Urteilstenor S 159 und Feststellung S 161). Daß aber eine Scheckkarte, die neben der schriftlichen Garantieerklärung des kontoführenden Kreditinstitutes die Angabe der Kontonummer, der Kartennummer und der Gültigkeitsdauer der Karte sowie die Unterschrift des (aus der Scheckkarte) Berechtigten enthält, eine Urkunde im Sinn der Legaldefinition des § 74 Z 7 StGB ist, wird vom

Beschwerdeführer - richtigerweise (ÖJZ-LSK 1985/23) - gar nicht in Abrede gestellt. Dabei kommt dem Umstand, daß das Erstgericht zwischen Bezugskarte ("Bankomatkarte") und Scheckkarte (sprachlich) nicht immer unterscheidet, sondern diese Begriffe (fälschlicherweise) synonym verwendet (S 164, 165), keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu.

Die Beschwerde ist aber auch unberechtigt, soweit sie im Rahmen der Mängelrüge (§ 281 Abs. 1 Z 5 StPO) den Schuldspruch wegen Vergehens der Urkundenunterdrückung nach dem § 229 StGB (2) mit der Behauptung bekämpft, "nach den Denkgesetzen und der allgemeinen Lebenserfahrung lasse sich aus der Urteilsbegründung der Schluß auf das Vorliegen eines Vorsatzes bezüglich der Verhinderung des Urkundengebrauches nicht ziehen" (S 179).

Nach den insoweit relevanten und mängelfrei getroffenen Urteilsfeststellungen gelang es dem Angeklagten am 25. September 1984, den Reisepaß sowie die "Bankomat-Scheckkarte" des Dr. Christian B mit "Bereicherungsvorsatz und Zueignungstendenz" (gemeint ersichtlich: mit Zueignungsvorsatz und Bereicherungstendenz) an sich zu nehmen (S 161), wobei er in Ansehung des Reisepasses in der Zeit vom 25.September 1984 bis 8. Oktober 1984, in Ansehung der "Bankomatkarte" (im Sinne von "Scheckkarte") in der Zeit vom 25.September 1984 bis 2.Oktober 1984 "zumindest billigend in Kauf nahm und sich damit abfand", daß der Berechtigte diese Urkunden im Rechtsverkehr nicht gebrauchen konnte (S 162). Den vom Beschwerdeführer unter weitwendiger, jedoch unzulässiger Bekämpfung der schöffengerichtlichen Beweiswürdigung als denkunmöglich und mit der allgemeinen Lebenserfahrung in Widerspruch stehend bezeichneten Schluß auf das Vorliegen eines (speziellen) Gebrauchsverhinderungsvorsatzes zog das Erstgericht sohin gar nicht.

Dessenungeachtet erging aber der Schuldspruch rechtsrichtig. Denn den Tatbestand nach dem § 229 Abs. 1 StGB erfüllt, wer eine Urkunde, über die er nicht oder nicht allein verfügen darf, vernichtet, beschädigt oder unterdrückt, wenn er mit dem Vorsatz handelt, zu verhindern, daß sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werde. Als "Unterdrücken" ist dabei jede (vorsätzliche) Handlung anzusehen, welche die Urkunde zwar unversehrt erhält, den Berechtigten aber um die (theoretische) Möglichkeit bringt, sich ihrer zu bedienen; ob er sie aktuell tatsächlich gebrauchen wollte, ist der (anscheinend) in der Beschwerde vertretenen Ansicht zuwider irrelevant. Ein solches Verhalten muß, um den Tatbestand zu verwirklichen, auch von dem (zumindest bedingten) Vorsatz getragen sein, den Gebrauch der Urkunde zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache zu verhindern. Zur subjektiven Tatseite führte der Oberste Gerichtshof in nunmehr ständiger Rechtsprechung bereits wiederholt aus, daß § 229 Abs. 1 StGB einen (speziellen) Gebrauchsverhinderungsvorsatz nicht verlangt; es genügt vielmehr, daß der Täter, der - sei es auch wie im gegenständlichen Fall anläßlich eines Diebstahls - Legitimations- und Beweisurkunden entfremdet, die Hinderung des Urkundengebrauches in seinen bedingten Vorsatz aufnahm (Kienapfel im WK, Rz 25 zu § 229; Foregger-Serini, StGB 3 , Erl. III zu § 229), wofür aber Begleitwissen genügt (SSt. 51/21). Im Ergebnis berechtigt ist der rechtliche Einwand (§ 281 Abs. 1 Z 10 StPO), daß die Geldabhebung des Angeklagten unter widerrechtlicher Zuhilfenahme der dem Dr. B entwendeten Bankomat-Scheckkarte und Eintippen der ihm ebenfalls zur Kenntnis gelangten zugehörigen Codenummer nicht nach § 129 StGB zum Verbrechen des Diebstahls qualifiziert ist.

Ausgangspunkt der rechtlichen Überlegungen zum aufgeworfenen Subsumtionsproblem muß sein, daß es sich beim sogenannten "Bankomaten" um einen verschlossenen (üblicherweise gepanzerten) in eine Mauer oder eine andere feste Umrandung eingelassenen Kasten handelt, der neben elektronischen und mechanischen Apparaturen auch Geldkassetten enthält, in denen Geldscheine in bestimmter Anzahl und Stückelung gestapelt sind. Diese einen abgeschlossenen Teil innerhalb des Bankomatkastens bildenden Geldkassetten werden bei der ordnungsgemäßen Inanspruchnahme durch die bezugsberechtigten Bankkunden als solche ebensowenig eröffnet wie der Automat selbst, sondern es werden lediglich einzelne, der gewünschten, vom Kunden eingetippten (pro Tag und Berechtigten beschränkten) Geldsumme entsprechende Geldscheine durch einen Schlitz herausgeschoben. Insofern unterscheidet sich der Vorgang nicht von jedem Warenautomaten, bei dem nach Einwerfen von Geldmünzen oder Einführen von Banknoten nach Wahl (mittels Drucktaste) die gewünschte Ware durch einen hiefür vorgesehenen Spalt ausgeworfen wird, ohne daß ein Zugriff auf das im (verschlossen bleibenden) Inneren des Automaten befindliche Warenlager möglich wäre. Derartige Automaten sind also grundsätzlich verschlossene Behältnisse, wobei sich der Bankomat von einem Tresor nur dadurch unterscheidet, daß der berechtigte Bankkunde niemals unmittelbaren Zugriff auf den gesamten Inhalt bekommt. Tresore und Warenautomaten wurden aber in der Judikatur und Literatur als "Behältnisse" qualifiziert (LSK 1978/335, Leukauf-Steininger 2 , RN 23, 24 und Kienapfel BT II RN 64, 65, jeweils zu § 129 StGB).

Daß auch dieses Behältnis durch einen (hier: nur elektronisch zu lösenden) Sperrmechanismus vor dem Zugriff gesichert ist, vermag für sich allein für die zu entscheidende Qualifikationsfrage noch keinen Ausschlag geben, weil der Dieb bei den im § 129 Z 1 bis 3 StPO aufgezählten Fällen immer die Abgeschlossenheit eines Raumes, eines Lagerplatzes, eines Behältnisses oder sonst eine Sperre überwinden muß. Demnach richtet sich die Subsumtion eines bestimmten Verhaltens unter den Tatbestand des Diebstahls durch Einbruch danach, welcher Art das die Wegnahme der Sache sichernde Hindernis ist, sodaß bei Sachwegnahme aus einem Behältnis das Qualifikationsproblem nur unter dem Gesichtspunkt der hiefür ausschließlichen Regelung des § 129 Z 2 StGB geprüft werden darf, wogegen adäquate Manipulationen an anderen (nicht zu Hindernissen nach Z 1 und 2 gehörigen) Sperrvorrichtungen (z.B. Schließketten, Vorhangschlösser, Lenkradschlösser bei Autos) dem § 129 Z 3 StGB zu unterstellen sind (EvBl. 1976/275, Kienapfel BT II RN 77, 78 zu § 129 StGB). Die strafsatzerhöhende Qualifikation des § 129 Z 2 StGB trifft aber nur den Täter, der einen Diebstahl begeht, indem er ein Behältnis aufbricht oder mit einem nachgemachten oder widerrechtlich erlangten Schlüssel oder einem anderen nicht zur ordnungsgemäßen Öffnung bestimmten Werkzeug öffnet. Unter "Öffnung" versteht man im gegebenen Zusammenhang nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ein Zugänglichmachen des Inneren des Behältnisses, das einen unmittelbaren (körperlichen) Zugriff auf den Inhalt ermöglicht (LSK 1977/294, Leukauf-Steininger 2 , RN 26 und Kienapfel BT II RN 69-70, jeweils zu § 129 StGB). Eine Interpretation dieses deskriptiven Tatbestandsmerkmales, die über diesen Wortsinn hinausginge, indem auch das Bewirken einer automatischen Geldausgabe dem körperlichen Zugriff auf den Inhalt gleichgesetzt würde, überschritte das strenge Gesetzlichkeitsprinzip des § 1 Abs. 1 StGB und wäre daher unzulässig (Leukauf-Steininger 2 , RN 10 zu § 1 StGB, SSt. 48/37, zuletzt auch 13 Os 104,105/85). Dem allenfalls vorhandenen kriminalpolitischen Bedürfnis, die durch mißbräuchliche Verwendung der Bankomat-Scheck-Karte erschlichene Automatenleistung (so auch Bertel im WK Rz 21 zu § 129 StGB) mit höherer Strafsanktion zu belegen, müßte der Gesetzgeber entsprechen. Auf der Grundlage der derzeitigen, die Einbruchsqualifikation kasuistisch regelnden Tatbestände des § 129 Z 1 bis 3 StGB - anders § 174 I d StG 1945:

..."wenn der Diebstahl .... sonst durch Überwindung eines

beträchtlichen, die Sache gegen Wegnahme sichernden Hindernisses

verübt wurde" .... - ist das von der Generalprokuratur

hervorgekehrte Problem, ob die Bankomat-Scheckkarte als "Schlüssel" anzusehen ist, was Höpfel (ÖJZ 1983, S 234 ff) und das Oberlandesgericht Wien in seiner Entscheidung AZ 23 Bs 215/84 (LSK 1985/24) bejahten, nicht mehr entscheidungswesentlich, weshalb diese Frage bei der gegebenen Fallkonstellation dahingestellt bleiben muß.

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde war sohin das angefochtene Urteil in der rechtlichen Unterstellung der Gelddiebstähle (1 a) auch unter die - einen höheren Strafsatz bedingende - Qualifikationsnorm des § 129 Z 3 StGB aufzuheben und spruchgemäß in der Sache selbst zu erkennen; im übrigen war die Beschwerde zu verwerfen.

Bei der nunmehr unter Zugrundelegung der (milderen) Strafbestimmung des § 128 StGB vorzunehmenden Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof die einschlägigen (auch die Anwendung des § 39 StGB ermöglichenden) Vorstrafen, die mehrfachen diebischen Angriffe, das Zusammentreffen zweier Vergehen, den Mißbrauch des Vertrauensverhältnisses (zu Dr. B) und den raschen Rückfall (letzte Strafentlassung am 16.Juli 1984) als erschwerend, während als mildernd das Geständnis und die teilweise Schadensgutmachung (durch Sicherstellung von 7.000 S) berücksichtigt wurden.

Unter Zugrundelegung dieser, die personale Täterschuld als hoch ausweisenden Strafzumessungsgründe erachtete der Oberste Gerichtshof eine Freiheitsstrafe in der Höhe der Hälfte des Strafrahmens als tat- und tätergerecht.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Strafneubemessung zu verweisen.

Die Entscheidung über die Vorhaftanrechnung und den Kostenersatz war im Einklang mit dem Ersturteil zu treffen.

Die Kostenersatzpflicht für das Rechtsmittelverfahren ergibt sich aus der bezogenen Gesetzesstelle.

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