OGH 5Ob8/16m

OGH5Ob8/16m25.1.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragsteller 1. F***** P*****, 2. W***** P*****, 3. Ing. E***** P*****, alle vertreten durch Rechtsanwaltssozietät Schnalzer & Auner OG in Fürstenfeld, wegen grundbücherlicher Eintragungen ob der EZ 323 KG *****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 1. Dezember 2015, AZ 4 R 268/15h, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Graz‑West vom 3. November 2015, TZ 9975/2015, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0050OB00008.16M.0125.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 126 Abs 2 GBG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Antragsteller machen als erhebliche Rechtsfrage geltend, dass der ihrem Einverleibungsgesuch zugrunde liegende Schenkungsvertrag entgegen der Ansicht der Vorinstanzen nicht notariatsaktspflichtig sei, weil für die wirkliche Übergabe der urkundliche Nachweis, dass diese bereits erfolgt sei, genüge. Im Schenkungsvertrag sei ausdrücklich festgehalten, dass die Liegenschaft bereits am 1. 5. 2015 ‑ somit vor Unterfertigung des Vertrags ‑ an den Drittantragsteller als Geschenknehmer übergeben worden sei.

Mit diesen Ausführungen sprechen die Revisionsrekurswerber keine Rechtsfrage gemäß § 62 Abs 1 AußStrG (iVm § 126 Abs 2 GBG) an:

1. Nach § 1 Abs 1 lit d

NotariatsaktsG bedürfen Schenkungsverträge ohne

wirkliche Übergabe zu ihrer Gültigkeit eines

Notariatsakts. Die „

wirkliche Übergabe“ iSd § 943 ABGB muss nach außen erkennbar und so beschaffen sein, dass aus ihr der Wille des Schenkers hervorgeht, das Objekt der Schenkung sofort aus seiner Gewahrsame in den Besitz des Beschenkten zu übertragen (RIS-Justiz RS0011383; Bollenberger in KBB4 § 943 ABGB Rz 5). Der Ausdruck „

wirkliche Übergabe“ bedeutet nichts anderes als das Gegenteil der bloßen Zusicherung oder des bloßen Schenkungsversprechens (RIS-Justiz RS0011295 [T2]; RS0018908 [T1]). Wirkliche Übergabe gemäß § 943 ABGB ist die körperliche

Übergabe, die

Übergabe durch Zeichen, die Besitzauflassung, die Besitzanweisung nicht aber die Besitzauftragung (RIS-Justiz RS0011143).

2. Im Hinblick auf seinen Charakter als reines Urkundenverfahren ist im Grundbuchsverfahren für die Beantwortung der Frage nach der Übertragung der Gewahrsame und damit der wirklichen Übergabe der Wortlaut des Schenkungsvertrags maßgeblich (zuletzt 5 Ob 181/15a). Grundsätzlich genügt dazu ein Hinweis in der Vertragsurkunde, dass die „Übergabe“ bereits erfolgt ist. Konkrete Übergabsakte müssen nicht dargestellt werden (RIS‑Justiz RS0018923). Das

Grundbuchgericht hat aber das Ansuchen und dessen Beilagen insgesamt einer genauen Prüfung zu unterziehen (§ 94 Abs 1 GBG). Ein Ansuchen kann nur dann bewilligt werden, wenn der Urkundeninhalt auch bezüglich der materiell-rechtlichen Frage keinerlei Zweifel aufkommen lässt (RIS‑Justiz RS0060878). Bestehen daher aufgrund des Urkundeninhalts Zweifel, ob die Schenker die Liegenschaft tatsächlich „real“ aus der Hand gegeben haben, ist das Ansuchen auf Einverleibung des Eigentums der Geschenknehmerin daran abzuweisen, wenn er nicht in Form eines

Notariatsakts abgeschlossen wurde (5 Ob 172/15b).

3. In dem hier zur Grundlage der beantragten Einverleibung gemachten Schenkungsvertrag räumt der Drittantragsteller den Schenkern ein lebenslängliches, unentgeltliches Wohnungsgebrauchsrecht ein, das sich auf alle Räumlichkeiten des Hauses und die Nutzung der gesamten Liegenschaft bezieht, so wie dies bisher, also vor und auch nach dem Zeitpunkt der im Vertrag festgehaltenen Übergabe an den Geschenknehmer, der Fall war. Diese Bestimmung kann ihrem Wortlaut nach nur so verstanden werden, dass die Stellung der Geschenkgeber in tatsächlicher Hinsicht keine wesentliche Änderung erfahren soll und erweckt damit Bedenken daran, dass sie die Liegenschaft „real“ aus der Hand gegeben haben, wie es für eine wirkliche Übergabe gefordert ist. Damit begründe es auch keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung durch das Rekursgericht, wenn dieses den Antrag wegen der Formungültigkeit des ihm zugrunde liegenden Schenkungsvertrags abwies.

4. Da die Antragstellung auf der Basis der hier geltend gemachten vertraglichen Grundlagen nicht erfolgreich wiederholt werden kann, kommt es auf den weiteren vom Rekursgericht herangezogenen Abweisungsgrund nicht mehr an (vgl RIS‑Justiz RS0060544). Inwieweit der Umstand, dass den Schenkern das Wohnungsgebrauchsrecht „aus Anlass dieses Vertrages“ eingeräumt wurde, den vom Rekursgericht vermissten gültigen Rechtstitel (§ 26 Abs 2 GBG) begründen soll, wie die Rekurswerber offenbar meinen, muss damit nicht mehr untersucht werden.

5. Einer weitergehenden Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG iVm § 126 Abs 3 GBG).

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