OGH 8Ob52/14a

OGH8Ob52/14a15.12.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner, die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn und die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei U***** AG, *****, vertreten durch Doralt Seist Csoklich Rechtsanwalts-Partnerschaft in Wien, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Stolitzka & Partner Rechtsanwälte OG in Wien, wegen I. 3.000.000 EUR sA (AZ 33 Cg 138/11k) und II. 4.000.000 EUR (AZ 33 Cg 54/12h), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 27. März 2014, GZ 4 R 245/13y‑61, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

I. Das Berufungsgericht begründete die Abweisung des Begehrens der zu 33 Cg 138/11k erhobenen Wechselklage auch mit der mangelnden Bestimmtheit des Begehrens (richtig: des Vorbringens) der Klägerin. Diese Auffassung des Berufungsgerichts ist keineswegs unvertretbar:

Im Gegensatz zur Meinung der Revisionswerberin hat das Berufungsgericht nicht verkannt, dass es im Fall der Wechselmandatsklage zunächst ausreicht, wenn sich der Kläger auf die von ihm geltend gemachte abstrakte Wechselforderung stützt. Das Berufungsgericht hat aber zu Recht darauf verwiesen, dass sich hier Gläubiger und Schuldner des Grundgeschäfts gegenüberstehen, und daher der Wechselschuldner dem Wechselgläubiger alle Einwendungen aus diesem Geschäft entgegenhalten kann. Angesichts der hier von der Beklagten vorgebrachten Einwände aus den beiden dem Wechsel zugrunde liegenden Grundgeschäften oblag es daher der Klägerin, die konkreten Forderungen, die die Zahlung der Wechselsumme rechtfertigen sollen, zu benennen (vgl RIS‑Justiz RS0082562), wozu im Fall der Geltendmachung nur eines Teils der gesamten aus beiden Geschäften behaupteten Forderungen auch die Angabe gehört, welcher Betrag aus welchem Geschäft geltend gemacht wird (vgl dazu die bereits vom Berufungsgericht zitierte Rechtsprechung, insb 3 Ob 258/09a mwN; 4 Ob 241/14s). Diese Klarstellung ist aber die Klägerin trotz eines entsprechenden Einwands der Beklagten (ON 52 S 23) schuldig geblieben, weil sie im Verfahren 33 Cg 138/11k nicht angegeben hat, welche Teile der von ihr behaupteten Kreditforderungen vom Klagebetrag umfasst sind. Damit ist aber im Fall einer dem Klagebegehren ganz oder teilweise stattgebenden Entscheidung nicht klar, welcher Teil welcher Kreditforderung als (teilweise) bestehend bzw nicht bestehend erachtet wird.

Zu der von der Klägerin in diesem Zusammenhang vermissten richterlichen Anleitung bestand keine Veranlassung, weil bereits die Beklagte das Unterbleiben der Präzisierung des Vorbringens eingewendet hatte (RIS-Justiz RS0122365).

II. Als Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens macht die Klägerin geltend, dass das Berufungsgericht nicht auf von ihr in zweiter Instanz vorgebrachte Feststellungswünsche eingegangen sei. Sie bleibt allerdings in ihrer Revision konkrete Angaben darüber schuldig, um welche konkreten Rügen bzw Anträge es sich gehandelt habe bzw inwieweit sie für die Entscheidung erheblich gewesen wären. Die Mängelrüge ist daher nicht gesetzmäßig ausgeführt.

III. Der Kreditvertrag kann, soweit er ein Dauerschuldverhältnis begründet, bei Vorliegen eines wichtigen Grundes gelöst werden, wenn einer Partei die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses billigerweise nicht zugemutet werden kann (RIS-Justiz RS0019365). Als wichtige Gründe kommen insbesondere Vertragsverletzungen, der Verlust des Vertrauens in die Person des Vertragspartners oder schwerwiegende Änderungen der Verhältnisse in Betracht, welche die Fortsetzung der vertraglichen Bedingungen nicht mehr zumutbar erscheinen lassen (RIS‑Justiz RS0018305, RS0018377, RS0027780, RS0019365). Ein „allgemeiner Vertrauensverlust“ reicht nicht aus. Vielmehr ist Voraussetzung, dass aufgrund einer wesentlichen Verschlechterung der Vermögenslage des Kreditnehmers die Kreditrückzahlung gefährdet ist (1 Ob 238/03m mwN; 3 Ob 251/13b).

Auch Umstände, die für sich allein genommen noch keinen wichtigen Grund für die sofortige Vertragsbeendigung darstellen würden, können ausreichen, wenn aufgrund der Gesamtentwicklung eine (unveränderte) Weiterführung des Dauerschuldverhältnisses objektiv nicht mehr zumutbar ist (1 Ob 230/12y).

Die Frage, ob ein wichtiger Grund zur vorzeitigen Auflösung des Vertrags verwirklicht wurde, hängt wegen der erforderlichen Abwägung der gegenläufigen Interessen (s dazu die vom Berufungsgericht zitierte Entscheidung 7 Ob 154/13t) von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet damit ‑ von Fällen krasser Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz abgesehen ‑ keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0111817; RS0052565 [T4]).

Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, die vorzeitige Fälligstellung der beiden Kredite durch die Klägerin sei nicht gerechtfertigt gewesen, ist vertretbar. Eine krasse, für die Entscheidung maßgebende Fehlbeurteilung zeigt die Revisionswerberin nicht auf:

III.1 Bei der Prüfung eines wichtigen Grundes für die Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses ist auf den Zeitpunkt der Abgabe der Auflösungserklärung abzustellen (RIS-Justiz RS0018881). Es können grundsätzlich nur Umstände herangezogen werden, die im Zeitpunkt der Auflösungserklärung vorliegen (5 Ob 220/09b). Das von der Klägerin als Auflösungsgrund geltend gemachte Schreiben der Eversheds LLP vom 24. 8. 2011 vermag daher die mit Schreiben vom 18. 8. 2011 erklärte Fälligstellung der Kredite ebenso wenig zu rechtfertigen wie der Abschluss von Mietverträgen im September 2011 (S 35 des Ersturteils).

III.2 Beizupflichten ist der Revisionswerberin, dass auch in der Fälligstellungserklärung der Gläubigerin nicht genannte, aber zu diesem Zeitpunkt gegebene Auflösungsgründe die Auflösung rechtfertigen können. Es ist nicht erforderlich, dass die Kreditunternehmung den wichtigen Grund in der Auflösungserklärung nennt, sofern er nur objektiv gesehen vorliegt (1 Ob 536/93 = SZ 66/81). Soweit den insoweit nicht wünschenswert deutlichen Ausführungen des Berufungsgerichts Gegenteiliges zu entnehmen sein sollte, ist ihnen nicht zu folgen. Davon zu unterscheiden sind allerdings jene Ausführungen des Berufungsgerichts, mit denen es aus der Vorgangsweise der Klägerin schließt, dass sie einzelne der nunmehr geltend gemachten Gründe für die Fälligstellung von ihr damals offenbar nicht als unzumutbar empfunden hat (dazu näher unten). Entscheidend ist jedenfalls, dass sich das Berufungsgericht letztlich ohnedies mit den weiteren von der Klägerin geltend gemachten Gründen auseinandersetzt und das Ergebnis dieser (wenn auch allenfalls nicht in jeder einzelnen Überlegung zutreffenden) Ausführungen vertretbar ist.

III.3 Dass das Berufungsgericht dem Debetsaldo am Girokonto für die Berechtigung der Fälligstellung kein entscheidendes Gewicht zubilligte, ist nicht zu beanstanden. Es handelt sich dabei um eine im Verhältnis zu den Kreditbeträgen geringfügige Forderung, wobei die Berechnung der davon betroffenen Überziehungszinsen und Rückzahlungsspesen überdies strittig war. Abgesehen davon, dass Feststellungen zur Beurteilung der Berechtigung dieser Forderung der Klägerin fehlen, kommt auch der Überlegung des Berufungsgerichts Gewicht zu, wonach es einem Kreditnehmer nicht verwehrt sein kann, gegen die Berechnung von Überziehungszinsen und Rückzahlungsspesen zu remonstrieren, ohne gleich mit der Fälligstellung des gesamten Kredits rechnen zu müssen. Ob (wie das Berufungsgericht meint) die Klägerin diesen Saldo hätte einklagen müssen, braucht hier gar nicht geprüft zu werden. Unter den eben dargestellten Umständen ist die Auffassung des Berufungsgerichts, der strittige und nach den Feststellungen nicht überprüfbare Saldo könne die Fälligstellung der Kredite nicht rechtfertigen, nicht zu beanstanden.

III.4 Das Erstgericht legte das Vorbringen der Klägerin darüber, in welcher Höhe die beiden Kredite im September 2011 aushafteten und wie hoch die Aushaftungen besichert waren, als „nicht substantiiert bestritten“ seiner Entscheidung zugrunde. Folgt man dem ‑ wie das Berufungsgericht ‑ nicht, ist die Frage, ob die von der Klägerin behauptete Unterbesicherung der beiden Kredite zum Zeitpunkt der Fälligstellung gegeben war, noch nicht geklärt. Selbst wenn man aber von den von der Klägerin behaupteten Beträgen ausgeht, ist die Verneinung der Berechtigung der vorzeitigen Fälligstellung der Kredite jedenfalls noch vertretbar. Auch nach diesem Vorbringen war die Unterbesicherung im Vergleich zur Gesamtkreditsumme nicht gravierend hoch. Die sich über längere Zeit hinziehenden Verhandlungen über ihre Behebung mussten bei der Beklagten sehr wohl den Eindruck erwecken, dass die Klägerin die Unterbesicherung nicht als bedrohlich erachtete. Von Seiten der Beklagten wurden auch weitere Sicherheiten angeboten, worüber allerdings keine Einigung erzielt wurde, was unter anderem auch mit dem zwischen den Parteien strittigen Wert der Liegenschaft der Beklagten zusammenhing. Während die Klägerin diesen Wert aufgrund von ihr eingeholter Gutachten mit 11.000.000 EUR bezifferte, legte die Beklagte der Klägerin ein Gutachten vor, das einen Wert der Liegenschaft von 27.000.000 EUR auswies, der somit die Kreditbeträge und auch ein weiteres auf der Liegenschaft lastendes Pfandrecht bei weitem abgedeckt hätte. Schließlich vereinbarten die Streitteile lediglich - wiederum vom Vorbringen der Klägerin ausgehend ‑ die Rückkonvertierung der offenen Schweizer Franken-Salden zu je 25 % zu den Zinsanpassungsterminen Oktober 2010, Jänner 2011, April 2011 und Juli 2011. Tatsächlich erfolgten auch die ersten beiden Konvertierungen, nicht aber ‑ wegen des von der Beklagten als zu niedrig empfundenen Frankenkurses ‑ die beiden weiteren. Auch dabei ließ es die Klägerin zunächst bewenden, die ‑ warum ist nicht ersichtlich ‑ die Konvertierungen auch nicht selbst durchführte, obwohl sie nach den Verträgen dazu berechtigt gewesen wäre. Berücksichtigt man überdies, dass die Klägerin in weiterer Folge mit Schreiben vom 2. 8. 2011 zwar die Fälligstellung der Kredite für den Fall der Nichtzahlung des am Girokonto aushaftenden Saldos ankündigte, für den Fall der neuerlich eingeforderten Konvertierung aber nur androhte, die Konvertierung selbst durchzuführen und die von der Beklagten beigebrachte Bankgarantie zu ziehen, ist die Überlegung des Berufungsgerichts, dass die Klägerin selbst die Unterbesicherung der Kredite nicht als so gravierend erachtete, wie sie es nun im Verfahren darstellt, nicht von der Hand zu weisen. Damit im Einklang steht die Tatsache, dass die Klägerin ‑ nach weiteren, von ihr nicht mehr beantworteten Lösungsvorschlägen der Beklagten ‑ mit Schreiben vom 18. 8. 2011 die beiden Kredite fällig stellte und dies abermals nur mit dem am Girokonto aushaftenden Saldo begründete.

Nach Abwägung der beiderseitigen Interessen erweist sich daher unter all diesen Umständen das vom Berufungsgericht erzielte Ergebnis, die vorzeitige Fälligstellung der Kredite sei zum damaligen Zeitpunkt noch nicht gerechtfertigt gewesen, als nicht unvertretbare Lösung des hier zu beurteilenden Einzelfalls. Dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Auflösungserklärung nicht für die Verlängerung der von ihr beigebrachte Bankgarantie sorgte, rechtfertigt keine andere Beurteilung, zumal die Beklagte gerade erst Vorschläge zur Bereinigung der Situation gemacht hatte und bis zum Ablauf der Bankgarantie noch mehr als drei Wochen Zeit war.

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