OGH 4Ob241/14s

OGH4Ob241/14s11.8.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Mag. Painsi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Johannes Marchtrenker, Rechtsanwalt in Zistersdorf, gegen die beklagte Partei I***** GmbH, *****, vertreten durch die huber ebmer partner Rechtsanwälte GmbH in Linz, wegen 65.000 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 14. Oktober 2014, GZ 4 R 49/14z‑13, mit dem über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Linz vom 14. Jänner 2014, GZ 4 Cg 119/13g‑8, aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0040OB00241.14S.0811.000

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.039,04 EUR bestimmten Kosten des Rekursverfahrens (darin 339,84 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Klägerin schloss mit der Beklagten am 12. Oktober 2012 einen Zusammenarbeitsvertrag. Darin verpflichtete sich die Klägerin gegenüber der Beklagten, für das Projekt M***** ‑ zur Erfüllung eines von der S*****gesellschaft mbH der Beklagten erteilten Auftrags ‑ Leistungen im Bereich Elektrotechnik zu erbringen. Über die von ihr in der Folge erbrachten Leistungen legte die Klägerin die Schlussrechnung Nr 2013‑25‑07 vom 11. Juni 2013, die unter Berücksichtigung bereits geleisteter Teilzahlungen den Betrag von 1.406.881,77 EUR offen auswies. Die Beklagte korrigierte diese Schlussrechnung mit dem Ergebnis eines zu ihren Gunsten bestehenden Guthabens in der Höhe von 62.024,63 EUR. Mit Schreiben vom 23. September 2013 übermittelte die Beklagte die korrigierte Schlussrechnung an die Klägerin.

Mit Klage vom 10. Oktober 2013 begehrte die Klägerin von der Beklagten Zahlung von 65.000 EUR sA. Selbst bei Berücksichtigung einzelner, ohnedies nicht zu Recht bestehender Abzüge hafte aus der Schlussrechnung jedenfalls der Klagsbetrag unberichtigt aus. Die Klägerin behalte sich die Ausdehnung des Klagsbetrags vor und unterwerfe sich hinsichtlich der Höhe der Klagsforderung der Ausmittlung durch Sachverständige. Die Klagsforderung sei nicht verjährt oder präkludiert. Im Innenverhältnis zwischen den Streitteilen sei insbesondere nicht vereinbart worden, dass die ÖNORM B 2110 zur Anwendung gelangen solle. Selbst bei Anwendung der entsprechenden Bestimmungen der ÖNORM B 2110 hätte die Klägerin rechtzeitig einen Vorbehalt gegenüber den ihr nicht nachvollziehbaren Schlussrechnungskorrekturen geltend gemacht.

Die Beklagte bestritt und beantragte die Abweisung der Klage. Im Zusammenarbeitsvertrag sei die Anwendung der ÖNORM B 2110 idF 2002 vereinbart worden. Die Beklagte habe der Klägerin die Schlussrechnungskorrektur mit nachvollziehbar hergeleiteten Kürzungen und dem Ergebnis eines Guthabens zu Gunsten der Beklagten in Höhe von 62.024,63 EUR mit Einschreiben vom 23. September 2013 übermittelt. Die Klägerin habe gegenüber der Beklagten innerhalb der dafür offen stehenden dreimonatigen Frist keinen ausreichend begründeten Vorbehalt im Sinne des Punktes 5.30.2 der ÖNORM B 2110 erhoben. Die Klagsforderung sei daher verjährt bzw präkludiert. Das Klagebegehren sei außerdem insofern unschlüssig, als es dem Bestimmtheitserfordernis des § 226 ZPO nicht entspreche. Dem Klagebegehren liege die pauschale Geltendmachung eines Teilbetrags einer Schlussrechnung zugrunde, wobei in keiner Weise nachvollziehbar sei, im Bezug auf welche Rechnungspositionen die Klägerin Zahlung begehre. Der Klagsbetrag sei auch jedenfalls nicht fällig. Abgesehen von der mangelnden Fälligkeit infolge mangelhafter Leistungserbringung sei die Beklagte gemäß Punkt 9.3 des Zusammenarbeitsvertrags berechtigt, einen Haftrücklass von 5 % der Schlussrechnung für die Dauer der Gewährleistung einzubehalten. Ausgehend vom verrechneten Schlussrechnungsbetrag ergebe sich ein Haftrücklass in Höhe von 84.398,68 EUR, der die Klagsforderung übersteige und den die Beklagte berechtigt einbehalten könne. Weiters stehe der Beklagten eine Gegenforderung in Höhe von 488.356,12 EUR zu, welche sie dem Klagebegehren eventualiter für den Fall, dass dieses nicht verjährt, (teilweise) fällig und berechtigt sein sollte, compensando einwende.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Klägerin lasse in ihrem Vorbringen unberücksichtigt, dass der gemäß Punkt 9.3 des Zusammenarbeitsvertrags vereinbarte, auch nicht durch eine Bankgarantie abgelöste Haftrücklass höher sei als der Klagsbetrag. Das Klagebegehren sei schon aus diesem Grund abzuweisen. Darüber hinaus sei die Klagsforderung nach Punkt 5.30.2 der zwischen den Streitteilen geltenden ÖNORM B 2110 jedenfalls auch verfristet.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Das Berufungsgericht habe im Rahmen seiner Pflicht zur Überprüfung der materiell-rechtlichen Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung nach allen Richtungen die Frage der Anwendbarkeit der ÖNORM B 2110, insbesondere deren Bestimmung Punkt 5.30.2, von Amts wegen zu prüfen. Nach Punkt 5.30.2 der ÖNORM B 2110 idF 2002 mache die vorbehaltslose Annahme einer Zahlung Nachforderungen unter bestimmten Voraussetzungen unzulässig. Eine der Voraussetzungen dafür sei ein wie auch immer gearteter Zahlungsakt des Auftraggebers, die bloße Nichtzahlung falle grundsätzlich nicht darunter. In der von der Beklagten zitierten Entscheidung 1 Ob 81/07d habe der 1. Senat des Obersten Gerichtshofs es zwar noch als denkbar bezeichnet, dass eine Nichtzahlung eine Vorbehaltsobliegenheit nach Punkt 5.30.2 der ÖNORM B 2110 dann erforderlich mache, wenn die Zahlung durch den Auftraggeber deshalb nicht erfolge, weil sich aus der Schlussabrechnung ein Guthaben des Auftraggebers ergebe. Der 7. Senat des Obersten Gerichtshofs habe dies ‑ ausgehend vom Wortlaut der Bestimmung und der gebotenen restriktiven Auslegung ‑ in seiner Entscheidung 7 Ob 208/07z aber ausdrücklich verneint. Auch der 8. Senat des Obersten Gerichtshofs gehe in seiner Entscheidung 8 Ob 141/07d davon aus, dass die vorbehaltslose Annahme einer Nichtzahlung als Anwendungsfall der Bestimmung schon begrifflich nicht in Frage komme. Nach dieser Rechtsprechung sei die Klägerin nicht dazu verpflichtet gewesen, einen Vorbehalt abzugeben, sodass die Klage nicht aus diesem Grund verfristet sei. Auch die Begründung, der Haftrücklass übersteige das Klagebegehren, trage die Abweisung des Klagebegehrens nicht. Insbesondere sei die Klage aus diesem Grund nicht unschlüssig. Die Klägerin bestreite die Abzüge und auch alle „Gegenforderungen“. Ein Haftrücklass könne daher erst bei Feststehen des tatsächlich zustehenden Betrags berechnet werden. Selbst wenn man von einem Haftrücklass nach dem Schlussrechnungsbetrag ausgehe, würde der Klagsbetrag im noch auszuzahlenden Betrag jedenfalls Deckung finden. Auch die von der Beklagten behauptete Unschlüssigkeit infolge Unbestimmtheit iSd § 226 ZPO liege nicht vor. Die Teileinklagung bedürfe keiner weiteren Aufschlüsselung, beziehe sie sich doch auf die vorgelegte Schlussrechnung.

Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof erklärte das Berufungsgericht für zulässig, weil die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob eine Nichtzahlung unter gleichzeitiger Geltendmachung eines Guthabens durch die Rücksendung der korrigierten Schlussrechnung die Rechtsfolge des Punktes 5.30.2 der ÖNORM B 2110 idF 2002 auslöse, nicht ganz einheitlich erscheine.

Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich der Rekurs der Beklagtenwegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Verfahrens mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung des Berufungsgerichts in eine Bestätigung des klagsabweisenden Ersturteils abzuändern. Hilfsweise beantragt sie dessen Aufhebung und Zurückverweisung an das Berufungsgericht.

Die Beklagte beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, den Rekurs zurückzuweisen, hilfsweise diesem nicht Folge zu geben.

 

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist ‑ entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht

bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 526 Abs 2 ZPO) ‑ mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig (§ 519 Abs 2 ZPO).

1.1 Die Vorinstanzen und die Rekurswerberin gehen davon aus, dass die Bestimmungen der ÖNORM B 2110 ‑ Allgemeine Vertragsbestimmungen für Bauleistungen ‑ Werkvertragsnorm, Ausgabe 1. 3. 2002, Bestandteil des zwischen den Streitteilen vereinbarten Zusammenarbeitsvertrags ist. Deren Punkt 5.30.2 „Annahme der Zahlung, Vorbehalt“ lautet: „Die Annahme der Schlusszahlung auf Grund einer Schluss- oder Teilschlussrechnung schließt nachträgliche Forderungen für die vertragsgemäß erbrachten Leistungen aus, wenn nicht ein Vorbehalt in der Rechnung enthalten ist oder binnen drei Monaten nach Erhalt der Zahlung schriftlich erhoben wird. Der Vorbehalt ist schriftlich zu begründen. Weicht die Schlusszahlung vom Rechnungsbetrag ab, beginnt die Frist von drei Monaten frühestens mit schriftlicher Bekanntgabe der nachvollziehbaren Herleitung des Differenzbetrages.“

1.2 Diese Bestimmung umfasst insbesondere den Fall, dass der Auftraggeber vom Schlussrechnungsbetrag Abzüge vornimmt und entsprechend weniger bezahlt (RIS‑Justiz RS0070863 [T8, T10]). Wird aufgrund einer korrigierten Schlussrechnung mit Abstrichen weniger bezahlt, dann zieht dies nach dieser Vorbehaltsregel den Ausschluss von Nachforderungen nach sich, sofern der Auftragnehmer keinen Vorbehalt macht (7 Ob 208/07z). Die sachliche Rechtfertigung für diese Regelung liegt im Zweck der Bestimmung, die Rechtslage bei Bauprojekten mit zumeist hohen Auftragssummen möglichst innerhalb kurzer Zeit zu klären. Der Auftraggeber soll zu einem möglichst frühen Zeitpunkt das gesamte Ausmaß seiner Verpflichtungen überschauen und erfahren können (RIS‑Justiz RS0122419 [T6, T7]).

2.1 Nach Punkt 5.30.2 der ÖNORM B 2110 macht (nur) die vorbehaltlose Annahme einer Zahlung Nachforderungen unzulässig. Voraussetzung ist somit ein wie auch immer gearteter Zahlungsakt seitens des Auftraggebers, der vom Auftragnehmer „angenommen“ werden kann. Die bloße Nichtzahlung fällt also grundsätzlich nicht darunter (RIS‑Justiz RS0122419).

2.2 Das Berufungsgericht begründet nun die

Zulässigkeit des Rekurses mit der ihm nicht einheitlich erscheinenden Rechtsprechung zur Frage, ob ausnahmsweise auch eine Nichtzahlung einen Vorbehalt nach Punkt 5.30.2 der ÖNORM B 2110 erforderlich mache, wenn die Zahlung durch den Auftraggeber deshalb nicht erfolge, weil sich aus der Schlussabrechnung ein Guthaben des Auftraggebers ergebe. Während der 1. Senat des Obersten Gerichtshofs dies in der Entscheidung 1 Ob 81/07d ‑ obiter ‑ noch als denkbar bezeichnete, hat der 7. Senat des Obersten Gerichtshofs dies in seiner Entscheidung 7 Ob 208/07z ausdrücklich verneint. Ausgehend vom Wortlaut der maßgeblichen ÖNORM‑Bestimmung, wonach sowohl in der Überschrift als auch im Text ausdrücklich auf die „Annahme der Zahlung!“ abgestellt werde und nicht auf die Kürzung der Rechnung schlechthin, messe die ÖNORM die Bedeutung eines Rechtsverzichts auch nur der Annahme der Zahlung (bei fehlendem Vorbehalt) bei. Insoweit sei die Bestimmung ‑ am Wortlaut orientiert ‑ eng (restriktiv) auszulegen. Demgemäß gehe daher die von Teilen der Lehre geforderte Gleichstellung einer geleisteten (Teil-)Schlusszahlung mit einer „endgültigen Ablehnung weiterer Zahlungen“ über den (engen) Wortlaut der ÖNORM‑Bestimmung hinaus. Auch der 8. Senat des Obersten Gerichtshofs verneint in seiner Entscheidung 8 Ob 141/07d die Anwendbarkeit dieser Vorbehaltsregel, wenn der Empfänger einer Schlussrechnung in der Meinung, nichts mehr zu schulden, keinerlei Zahlung erbringt. Diese ÖNORM-Bestimmung treffe eine klare, eindeutige Regelung. Danach setze deren Anwendung die vorbehaltlose Annahme einer vom Auftraggeber gekürzten Zahlung aufgrund einer Schluss- oder Teilschlussrechnung voraus. Die vorbehaltlose Annahme einer „Nichtzahlung“ komme schon begrifflich nicht in Frage.

2.3 Diese Rechtsprechung ist im Schrifttum auf keinerlei Kritik gestoßen (vgl Wenusch, ÖNORM B 2110², Rz 298, 299; Kurz, ÖNORM B 2110, Anm 2.2.5; ders, Vertragsgestaltung im Baurecht, 410); insbesondere halten offenbar auch Karasek (in ÖNORM B 2110², Rz 1624) und Kropik (in Straube/Aicher, Handbuch Bauvertrags- und Bauhaftungsrecht II [Stand Oktober 2013], 3.3.10) die von ihnen zunächst vertretene Gegenmeinung (zur neuen, allerdings inhaltsgleichen Nachfolgebestimmung Punkt 8.4.2.) nicht weiter aufrecht.

3.1 Eine gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs besteht bereits dann, wenn auch nur eine, aber ausführlich begründete grundlegende Entscheidung vorliegt (RIS‑Justiz RS0042668; RS0103384). Die hier entscheidende Frage wurde in den dargestellten Entscheidungen 7 Ob 208/07z und 8 Ob 141/07d übereinstimmend geklärt und deren Ergebnis wurde im Schrifttum gebilligt. Ob der Auftraggeber der „Nichtzahlung“ lediglich die Ablehnung weiterer Zahlungen zugrunde legt oder ob er darüber hinaus ein Guthaben zu seinen Gunsten behauptet, ist ohne Relevanz. In beiden Fällen erfolgt keine Zahlung (Wenusch, ÖNORM B 2110², Rz 300; Kropik, Der Bauvertrag und die ÖNORM B 2110², 328).

3.2 Einer neuerlichen Auseinandersetzung mit dieser Rechtsfrage bedarf es nicht, zumal der Rechtsmittelwerber auch nicht mit neuen Argumenten erhebliche Zweifel an der Richtigkeit dieser

Entscheidungen wecken kann (RIS‑Justiz RS0103384 [T4]).

Die Revisionswerberin argumentiert zwar, sie habe die Schlussrechnungssumme (auch) aufgrund von Gegenforderungen gekürzt, und eine solche Kompensation gemäß § 1348 ABGB gelte als „Zahlung in der Kürze“, sodass die von der Rechtsprechung geforderte „wie auch immer geartete Zahlung“ ohnedies vorgelegen habe. Eine Gutschrift aus der Korrektur einer Schlussrechnung beinhalte zwangsläufig eine Aufrechnung von Forderungen, also eine Zahlung. Die Frage, ob eine wirksame Aufrechnung als Erfüllungssurrogat im gegebenen Zusammenhang der Zahlung tatsächlich gleichzustellen ist, ist im vorliegenden Fall jedoch nicht relevant. Diese fehlende Relevanz für die Entscheidung des zu beurteilenden Falls schließt die Qualifikation dieser Frage als erheblich iSd § 502 Abs 1 ZPO aus

(RIS-Justiz RS0088931).

Das gegenseitige Zusammentreffen aufrechenbarer Forderungen allein führt nicht schon deren Aufrechnung herbei, sondern gibt nur das Recht, auf Aufrechnung zu dringen. Es ist demnach eine entsprechende Aufrechnungserklärung erforderlich (RIS‑Justiz RS0033904 [T7]). Die außergerichtliche Aufrechnung wird dabei unbedingt und ohne Rücksicht auf den Bestand der Hauptforderung erklärt, setzt also deren Anerkennung voraus und stellt ihr nur die Gegenbehauptung entgegen, dass sie wegen Schuldtilgung nicht mehr bestehe (RIS-Justiz RS0033970). Die Beklagte hat im Verfahren vor dem Erstgericht aber gar nicht behauptet, eine derartige Aufrechnungserklärung abgegeben zu haben (vgl zur Behauptungslast RIS‑Justiz RS0033876); sie hat im Gegenteil ihre Gegenforderung ausdrücklich (nur) zum Gegenstand einer prozessualen Aufrechnungseinrede gemacht, die erst und nur für den Fall wirksam wird, dass eine gerichtliche Entscheidung den Bestand der Hauptforderung bejaht (RIS‑Justiz RS0034013).

4.1 Der Rekurs der Beklagten zeigt auch keine sonstige erhebliche Rechtsfrage auf (vgl RIS‑Justiz RS0042392).

4.2 Die Rekurswerberin hat in allen drei Instanzen die Unschlüssigkeit der Klage mangels Bestimmtheit iSd § 226 ZPO eingewandt. Die Schlüssigkeit einer Klage kann aber nur an Hand der konkreten Behauptungen im Einzelfall geprüft werden. Ihre Beurteilung begründet daher regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS‑Justiz RS0037780, RS0116144). Anderes würde nur im Fall einer auffallenden Fehlbeurteilung gelten. Eine solche, ein Eingreifen des Obersten Gerichtshofs erfordernde Fehlbeurteilung liegt hier aber nicht vor.

Werden aus einem rechtserzeugenden Sachverhalt mehrere Ansprüche abgeleitet und in einer Klage geltend gemacht, dann muss in einem solchen Fall der objektiven Klagehäufung jeder der Ansprüche zumindest in der Begründung ziffernmäßig bestimmt und individualisiert sein, um dem Bestimmtheitsgebot des § 226 ZPO zu entsprechen (10 Ob 37/13h; RIS-Justiz RS0031014 [T29]). Diese Grundsätze gelten aber eben nur bei einer objektiven Klagenhäufung. Wird hingegen ein einheitlicher Anspruch eingeklagt, genügt es, wenn der Kläger in erster Instanz seinen Anspruch in bestimmter Weise beziffert. Selbst wenn er nur den Zuspruch eines geringeren als des ursprünglich geltend gemachten Betrags begehrt, trifft ihn nicht die Pflicht, diese Forderung im Einzelnen aufzugliedern. Das Gericht hat dann nur zu prüfen, ob dem Kläger jedenfalls der aufrechterhaltene Betrag zusteht (10 Ob 37/13h; 8 Ob 135/03s; 4 Ob 188/00a = RIS-Justiz RS0031014 [T13]). Ist der Anspruch als ein einheitlicher zu betrachten, bedarf also auch die Teileinklagung keiner weiteren Aufschlüsselung (zur Teileinklagung eines Gesamtschadens 10 Ob 37/13h; 1 Ob 99/07a).

Ob Teile eines einheitlichen Anspruchs eingeklagt sind oder zu unterscheidende, einem unterschiedlichen rechtlichen Schicksal zugängliche Teile, hängt ebenso von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab, wie die Frage ob eine weitergehende Aufschlüsselung zumutbar ist. Setzt sich ein auf einen einheitlichen Anspruchsgrund gestütztes Begehren aus zahlreichen Einzelforderungen zusammen, die während eines längeren Zeitraumes aufgelaufen sind, so würde das Gebot nach einer Präzisierung des Vorbringens überspannt, würde man für jeden einzelnen von unter Umständen hunderten Fällen ein gesondertes detailliertes Vorbringen fordern. Die mangelnde Aufgliederung in einzelne Posten oder Zeiträume nimmt dem diesbezüglichen Vorbringen dann nicht die Schlüssigkeit (RIS‑Justiz RS0037907).

Die durch den Verweis auf die dargestellte Rechtsprechung bekundete Auffassung des Berufungsgerichts, dass die Klägerin ein einheitliches Begehren aus einem einheitlichen Lebenssachverhalt und gestützt auf eine einheitliche Anspruchsgrundlage (Vertrag) stellt und das Verlangen einer weitergehenden Aufschlüsselung eine Überspannung des Bestimmtheitsgrundsatzes wäre, hält sich im Rahmen dieser von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs entwickelten Leitlinien. Die Klägerin hat ihr Begehren auf die gelegte

Schlussrechnung und die mangelnde Anerkennung der

Schlussrechnungskorrekturen gestützt. Die Schlussrechnung über 1.687.973,51 EUR umfasst eine Vielzahl von Einzelpositionen für ein einziges, einheitliches Bauprojekt.

4.3 Ein Haftrücklass ist das vertragliche Recht des Bestellers, einen Teil des Werklohns zurückzubehalten. Der Fälligkeit des den vereinbarten Haftrücklass übersteigenden Teiles einer restlichen Werklohnforderung steht dieser naturgemäß nicht entgegen. In diesem Sinne versteht das Berufungsgericht das Vorbringen der Klägerin zur Anspruchshöhe dahin, dass der Klägerin nach ihrem Prozessstandpunkt aus der Schlussrechnung nach Abzug nicht nur der berechtigten Korrekturen, sondern auch des Haftrücklasses zumindest der Klagsbetrag zustehen soll. Der Haftrücklass sei also anhand der behaupteten offenen Forderung zu berechnen und von deren Summe und nicht vom Klagsbetrag abzuziehen. Die Auslegung eines Parteivorbringens begründet grundsätzlich aber keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0037780 [T15], RS0042828 [T42]), und eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende unvertretbare Auslegung des Klagsvorbringens durch das Berufungsgericht zeigt auch die Rekurswerberin nicht auf.

4.4 Die Rekurswerberin rügt die Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, weil das Berufungsgericht die Frage der Anwendbarkeit der ÖNORM B 2110, insbesondere deren Bestimmung Punkt 5.30.2, nicht prüfen hätte dürfen. Die Rechtsrüge der Klägerin sei nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgegangen und daher nicht dem Gesetz entsprechend ausgeführt gewesen. Richtig ist zwar, dass das Berufungsgericht im Hinblick auf § 462Abs 1ZPO auf den Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung nur eingehen kann, wenn dieser dem Gesetz gemäß ausgeführt ist, das angefochtene Urteil unter Zugrundelegung des von ihm festgestellten Sachverhalts als unrichtig bekämpft wird (RIS‑Justiz RS0041585). Der Rekurswerberin ist auch zuzugestehen, dass die Ausführungen in der Berufung in dem mit „Unrichtige rechtliche Beurteilung“ überschriebenen Abschnitt nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgehen. Im Rahmen ihrer Tatsachen- und Beweisrüge bekämpft die Berufungswerberin aber unter anderem die „Feststellung“ des Erstgerichts, dass die Schlussrechnungskorrekturen der Beklagten nachvollziehbar dargestellt seien. Genau genommen rügt sie dabei aber das Fehlen der Voraussetzung einer ausreichend nachvollziehbaren Herleitung des Abzugs iSd Punktes 5.30.2 ÖNORM B 2110. Diese Frage ist allerdings letztlich eine Rechtsfrage (vgl 8 Ob 109/04v; 6 Ob 336/99a = RIS-Justiz RS0113044). Da es nicht darauf ankommt, wie die geltend gemachten

Berufungsgründe bezeichnet werden, sondern darauf, welchem

Berufungsgrund die Ausführungen im Rechtsmittel zuzuzählen sind (RIS‑Justiz RS0111425; RS0041851), liegt in der Annahme des Berufungsgerichts, dass der Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung so weit dem Gesetz gemäß ausgeführt ist, dass es den Sachverhalt rechtlich in jeder Hinsicht zu prüfen hatte (RIS‑Justiz RS0041585 [T3]), keine aufzugreifende Fehlbeurteilung.

5.  Mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision nicht zulässig und zurückzuweisen.

6.   Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Wird ein nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO erhobener Rekurs mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückgewiesen, sind die Kosten nicht nach § 52 ZPO vorzubehalten; vielmehr findet ein Kostenersatz statt, wenn ‑ wie hier ‑ der Rechtsmittelgegner auf diese Unzulässigkeit hingewiesen hat (RIS‑Justiz RS0123222, RS0035976 [T2]).

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