OGH 1Ob81/07d

OGH1Ob81/07d14.8.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Marisa Schamesberger als Masseverwalterin im Konkurs über das Vermögen der T***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Marisa Schamesberger und Dr. Günther Millner, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei Ing. H***** GmbH, *****, vertreten durch Eisenberger & Herzog Rechtsanwaltssozietät in Graz, wegen 29.459,17 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 14. Februar 2007, GZ 4 R 5/07y-90, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Die Klägerin als Masseverwalterin einer GmbH, die sich im Wesentlichen mit Trockenausbauarbeiten beschäftigte, forderte von der Beklagten restlichen Werklohn aus verschiedenen Bauvorhaben in Gesamthöhe von 36.309,47 EUR.

Das Erstgericht erkannte die Klagsforderung als mit 30.010,10 EUR und die eingewendete Gegenforderung mit 550,93 EUR als zu Recht bestehend und verurteilte die Beklagte somit zur Zahlung von 29.459,17 EUR. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht zuzulassen sei.

In der ao Revision argumentiert die Beklagte,

1) dass Punkt 5.29.2 der ÖNORM B 2110 nicht nur dann Anwendung zu finden habe, wenn auf Schlussrechnungen von der Schlussrechnungssumme abweichende Zahlungen geleistet werden, sondern auch dann, wenn auf Schlussrechnungen keine Zahlung erfolge;

2) dass die Bestimmungen der ÖNORM B 2110 hinsichtlich sämtlicher Bauvorhaben zwischen den Streitteilen Anwendung zu finden hätten; wo nicht schriftlich vereinbart, sei von einer konkludenten Vereinbarung auszugehen;

3) dass die Bestimmung des Punktes 5.29.2 der ÖNORM B 2110 auch auf Fälle anzuwenden sei, in denen ursprünglich als Teilrechnung bezeichnete Rechnungen inhaltsgleich als Schlussrechnungen gelegt worden seien, und die Vorbehaltsfrist bereits bei Eingang der Teilrechnung zu laufen beginne.

Rechtliche Beurteilung

Erhebliche Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO werden nicht aufgezeigt:

Zu 1: Die bezeichnete ÖNORM-Bestimmung in der hier relevanten Fassung lautet:

„5.29.2. Annahme der Zahlung, Vorbehalt: Die Annahme der Schlusszahlung auf Grund einer Schluss- oder Teilschlussrechnung schließt nachträgliche Forderungen für die vertragsgemäß erbrachten Leistungen aus, wenn nicht ein Vorbehalt in der Rechnung enthalten ist oder binnen 3 Monaten nach Erhalt der Zahlung schriftlich erhoben wird. Der Vorbehalt ist schriftlich zu begründen. Weicht die Schlusszahlung vom Rechnungsbetrag ab, beginnt die Frist von 3 Monaten frühestens mit schriftlicher Bekanntgabe der nachvollziehbaren Herleitung des Differenzbetrages."

Diese Bestimmung dient im Wesentlichen dazu, möglichst rasch Klarheit über die Abrechnung zu schaffen (vgl Karasek, ÖNORM B 2110 [2003], Rz 725). Die vorbehaltlose Annahme einer Zahlung soll Nachforderungen unzulässig machen. Voraussetzung ist somit ein wie auch immer gearteter Zahlungsakt seitens des Auftraggebers, der vom Auftragnehmer „angenommen" werden kann. Die bloße Nichtzahlung fällt grundsätzlich nicht darunter. Denkbar ist allerdings, dass die Zahlung durch den Auftraggeber deshalb nicht erfolgt, weil sich aus der Schlussabrechnung ein Guthaben des Auftraggebers ergibt (siehe Karasek, aaO, Rz 726). Davon ist aber im Rechtsmittel der Beklagten nicht die Rede; ebensowenig davon, welche Auswirkung auf den konkreten Fall die Beantwortung der dem OGH gestellten Rechtsfrage hätte.

Zu 2: Ob eine konkrete, in einer ÖNORM enthaltene Bestimmung zwischen Vertragsparteien vereinbart wurde, ist eine nicht revisible Tatfrage. Ob aber mangels ausdrücklicher Vereinbarung eine bestimmte Regelung einer ÖNORM als zumindest stillschweigend bedungener Vertragsbestandteil anzusehen ist, ist wegen der Abhängigkeit von der konkreten Vertragsgestaltung und von der Reichweite und der Bedeutung des entsprechenden Punkts der ÖNORM eine solche des Einzelfalls (1 Ob 359/98w mwN). Die Lösung der Vorinstanzen ist logisch einwandfrei und somit nicht revisibel.

Zu 3: Die diesbezüglichen Ausführungen, nämlich dass ursprünglich als Teilrechnung bezeichnete Rechnungen inhaltsgleich als Schlussrechnungen gelegt worden seien, finden in den Feststellungen der Tatsacheninstanzen keine Deckung. Im Übrigen wäre die Relevanz der Rechtsfrage nur dann gegeben, wenn auch Zahlungen auf konkreten Teilrechnungen geleistet worden wären, was ebenfalls den Feststellungen nicht zu entnehmen ist. Der Passus auf Seite 47 des Ersturteils hinsichtlich „Zahlung auf gelegte Teilrechnung" stellt nur die Wiedergabe von Auftragsinhalten dar, nicht aber eine tatsächlich geleistete Zahlung auf eine Teil- oder Schlussrechnung. Die Revision zeigt zwar zutreffend auf, dass das Berufungsgericht mit seiner Ausführung, dass nicht festgestellt sei und sich auch kein darauf hindeutendes Beweisergebnis finde, dass die Beklagte auf eine der Schlussrechnungen aus den Bauvorhaben III, VIII bis XII, aber auch nicht aus den übrigen Bauvorhaben, irgendeine Zahlung geleistet habe (Seite 30 des Berufungsurteils), eine Feststellung des Erstgerichts, und zwar jene, dass die Beklagte die von der Gemeinschuldnerin gelegten Teil- und Schlussrechnungen korrigiert und in der Folge Teil- bzw. Akontozahlungen geleistet habe (Seite 49 des Ersturteils), unrichtig wiedergab. Allein diese Divergenz verwirklicht nicht den Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit, weil diese für das Urteil nicht von wesentlicher Bedeutung, also nicht geeignet ist, die Entscheidungsgrundlage zu verändern (vgl 10 Ob 16/06k mwN). Das Erstgericht hat nämlich nicht festgestellt, welche Zahlungen zu welcher Schlussrechnung geleistet worden seien. Diese Feststellungen hätten mangels entsprechenden Vorbringens seitens der Beklagten auch nicht getroffen werden können. Die Beklagte behauptete lediglich Gegenforderungen (insbesondere AS 69 ff, AS 279 ff), brachte aber nicht vor, welche „Schlusszahlungen" sie geleistet habe. Diesbezüglich hätte aber die Beklagte die Behauptungslast getroffen. In Verfahren, in denen kein reiner Untersuchungsgrundsatz gilt, trifft - wie sich aus den §§ 226 und 239 ZPO ergibt - die Verpflichtung zur Behauptung der anspruchsbegründenden Tatsachen den Kläger, jene zur Behauptung der Einwendungstatsachen den Beklagten (Rechberger in Rechberger3, Rz 7 vor § 266 ZPO; vgl auch 6 Ob 135/97i). Die pauschale Feststellung des Erstgerichts, dass irgendwelche „Teil- bzw. Akontozahlungen" geleistet worden seien, hat auf die Frage der Anwendbarkeit der ÖNORM B 2110 keinen Einfluss. Die ao Revision ist wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.

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