OGH 1Ob238/03m

OGH1Ob238/03m17.10.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch BKQ Klaus und Quendler, Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei Dr. Hans Richard K*****, vertreten durch Hule & Heinke, Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Wien, wegen 593.666,60 EUR sA über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 9. Mai 2003, GZ 4 R 116/03f-24, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Am 13. 7. 2000 kreditierte die klagende Partei dem Beklagten 11 Mio S zum Zwecke der Renovierung eines Mietshauses. Es wurde eine monatliche Rückzahlung in Raten á 70.500 S vereinbart; der Zinssatz wurde mit 4,625 % p.a. festgelegt. Bereits im Jahre 2000 stattete der Beklagte insgesamt 2,970.500 S ab. Der Kredit war mit einem auf einer im Alleineigentum des Beklagten stehenden Liegenschaft lastenden Höchstbetragspfandrecht im ersten Rang besichert. Der Verkehrswert dieser Liegenschaft betrug laut einem im Auftrag der Rechtsvorgängerin der klagenden Partei erstellten Gutachten im November 1999 18,525.000 S. In diesem Gutachten wurde auch angeführt, dass die Liegenschaft jährlich netto an Mieteinnahmen 790.791,24 S abwerfe. Der Beklagte leistete bis einschließlich Februar 2002 die vereinbarten Ratenzahlungen ordnungsgemäß. Ab 17. 7. 2001 erfolgte die Ratenzahlung jeweils aus den Mietzinseinnahmen der Pfandliegenschaft. Diese Mietzinsforderungen waren der klagenden Partei zur Gänze zediert und die entsprechenden Beträge mittels Dauerauftrags von einem bei der klagenden Partei eingerichteten Hausverwaltungskonto abgebucht worden. Über Veranlassung der klagenden Partei wurde der Dauerauftrag ab März 2002 storniert; der Beklagte wurde hievon nicht verständigt.

Zum Zeitpunkt der Kreditgewährung war der Beklagte Aufsichtsratsvorsitzender der Rechtsvorgängerin der klagenden Partei, weshalb der Kredit über Antrag des Vorstands mit Aufsichtsratsbeschluss vom 30. 3. 2000 gemäß § 28 BWG genehmigt wurde. Bereits im Zuge der der Kreditgewährung vorausgegangenen Gespräche war der Vorstand im Hinblick auf den Umfang des Kredits "entsprechend" informiert worden.

Mit Schreiben vom 27. 2. 2002 stellte die klagende Partei den Kredit trotz ordnungsgemäßer Abstattung der vereinbarten Kreditraten - und trotz 100 %-iger Besicherung durch Liegenschaftsvermögen - zum 15. 3. 2002 fällig, wobei sie keine konkreten Umstände geltend machte, sondern nur lapidar auf "verschlechterte wirtschaftliche Verhältnisse und bekannt gewordene Handlungen des Beklagten gegenüber der klagenden Partei" verwies. Sie nahm auch keine Verwertung der zur Sicherung der Kreditsumme bestellten Pfandliegenschaft vor. Die Vorinstanzen gingen bei diesem Sachverhalt davon aus, dass keine wichtigen Gründe vorgelegen seien, die eine sofortige Fälligstellung des Kredits gerechtfertigt hätten. Das Berufungsgericht wies darauf hin, dass die vom Beklagten als Organ einer Gesellschaft mbH vorgenommenen Dispositionen für das hier zu beurteilende Kreditverhältnis nicht von entscheidender Bedeutung seien (S 4 des Berufungsurteils). Ein wichtiger Grund, der die Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses rechtfertige, müsse dieses konkrete Schuldverhältnis betreffen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rechtsansicht des Berufungsgerichts ist beizupflichten. Gewiss ist ganz allgemein die Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses dann möglich, wenn die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses wegen Verlustes des Vertrauens in den Partner, schwerwiegender Leistungsstörungen oder des Wegfalls der Geschäftsgrundlage unzumutbar geworden ist (6 Ob 159/01b uva). Im vorliegenden Fall lagen keinerlei - schon gar nicht schwerwiegende - Leistungsstörungen vor, hat doch der Beklagte bis zur Fälligstellung des Kredits diesen völlig korrekt bedient und ist dieser gewiss auch ausreichend besichert. Dass aufgrund einer wesentlichen Verschlechterung der Vermögenslage des Beklagten die Kreditrückzahlung gefährdet wäre, trifft also nicht zu. Es genügt aber auch nicht, wenn das Vertrauen der klagenden Partei in die Person des Beklagten ganz allgemein erschüttert sein sollte, vielmehr müsste dieser Vertrauensverlust tatsächlich - und schon aus Gründen der Logik - einen Bezug zum konkreten Dauerschuldverhältnis haben. So ist es wohl einleuchtend, dass zwar das Vertrauen in eine Person beispielsweise wegen eines von dieser begangenen geringfügigen Diebstahls erschüttert sein kann, doch kann ein solcher Umstand nicht berechtigen, einen "Millionenkredit", dessen Rückzahlung voll und ganz gesichert ist, fällig stellen zu dürfen. Das legitime Interesse der klagenden Bank besteht darin, darauf vertrauen zu dürfen, dass die Rückzahlung des von ihr gewährten Kredits weiterhin vertragsgemäß und bis zur gänzlichen Abstattung der Schuld erfolgt. Ist dieses Interesse nicht - und schon gar nicht gravierend - gefährdet, dann kann dem Kreditinstitut eine Aufrechterhaltung der Vertragsbeziehung bis zum nächsten in Betracht kommenden Beendigungstermin zugemutet werden (ÖBA 2003, 141; ÖBA 1996, 233; SZ 66/81; vgl 7 Ob 516/92; NZ 1985, 230). Völlig zu Recht hat daher das Berufungsgericht den Dispositionen des Beklagten als Organ einer Gesellschaft mbH keine Bedeutung beigemessen, weil diese für das konkrete Vertragsverhältnis nicht von ausschlaggebender Bedeutung waren und sind. Dies wäre aber Voraussetzung dafür, den Kredit aus wichtigen Gründen fällig stellen zu dürfen (ÖBA 1996, 233; Iro in Avancini/Iro/Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht I Rz 1/162).

Entgegen der Ansicht der klagenden Partei existiert keine zur zitierten Entscheidung bzw Lehrmeinung widersprüchliche Judikatur. Die allgemeine Aussage in NZ 1983, 91, es sei bei der vorzeitigen Kündigung eines Darlehensvertrags maßgeblich, ob das Vertrauen zwischen den Kreditvertragsparteien erschütternde Umstände bekannt geworden seien, rechtfertigt nicht die Annahme, der damals erkennende Senat sei davon ausgegangen, dass jegliche Erschütterung des Vertrauens - also auch ein Vertrauensverlust, der nicht das konkrete Kreditverhältnis betrifft, - die Auflösung des Kreditvertrags rechtfertige. Erschüttert müsste somit nach der richtigen Rechtsansicht der Vorinstanzen das Vertrauen der klagenden Partei darin sein, dass der zur sofortigen Rückzahlung fällig gestellte Kredit nicht mehr ordnungsgemäß bedient werde und dass die klagende Partei insoweit eine vermögensrechtliche Gefährdung befürchten müsste (vgl 9 Ob 50/03y). Die Frage der Unzumutbarkeit der Fortsetzung eines Dauerschuldverhältnisses kann nur aus einer umfassenden Sicht aller dafür und dagegen sprechenden Gegebenheiten des Einzelfalls beantwortet werden (SZ 60/218).

Den Ausführungen der klagenden Partei im Hinblick auf das Fehlen der Voraussetzungen nach § 28 BWG ist entgegenzuhalten, dass die Vorinstanzen übereinstimmend und insoweit unanfechtbar davon ausgingen, dass die von § 28 BWG geforderten Prämissen bei de Kreditgewährung vorgelegen seien (S 5 f des Berufungsurteils; S 7 ff des Ersturteils).

Die klagende Partei vermochte keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen; solche liegen auch nicht vor. Demnach ist die Revision zurückzuweisen.

Stichworte