OGH 7Ob193/15f

OGH7Ob193/15f19.11.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T***** P*****, vertreten durch Dr. Gabriele Schubert, Rechtsanwältin in Baden, gegen die beklagte Partei S***** P*****, vertreten durch Mag. Sebastian Klackl, Rechtsanwalt in Perchtoldsdorf, wegen Ehescheidung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 20. Juli 2015, GZ 16 R 154/15h‑35, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0070OB00193.15F.1119.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO abgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.1 Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs hat derjenige, der die Scheidungsklage nach § 49 EheG einbringt, nur das Vorliegen schwerer Eheverfehlungen zu beweisen, nicht aber auch den Gesundheitszustand seines Gegners, aus dem dessen volle Verantwortlichkeit für die Eheverfehlung abgeleitet wird. Vielmehr ist es Sache des Gegners, einen Gesundheitszustand zu beweisen, der den nachgewiesenen Eheverfehlungen die Qualifikation eines Scheidungsgrundes nach § 49 EheG nimmt (RIS‑Justiz RS0056498).

1.2 Entgegen der Ansicht der Beklagten enthält die bloße Behauptung „sie ist schwer krank“ kein Tatsachensubstrat für das Vorliegen einer ‑ die Verantwortlichkeit für eine Eheverfehlung ausschließenden -Depression. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe gegen das Neuerungsverbot verstoßen, indem sie sich erstmals in der Berufung auf eine derartige Depression stützte, ist nicht zu beanstanden. Außerdem übergeht die Revision ‑ vom Obersten Gerichtshof nicht überprüfbare ‑ Feststellungen der Vorinstanzen.

1.3 Das Ehescheidungsverfahren unterliegt seit der Novelle BGBl 1983/566 nicht mehr der Offizialmaxime (RIS‑Justiz RS0041671).

2.1 Die Beurteilung, welchem Ehepartner Eheverfehlungen zur Last fallen und welchen Teil das überwiegende Verschulden trifft, ist eine Frage des konkreten Einzelfalls die ‑ abgesehen von Fällen krasser Fehlbeurteilung ‑ regelmäßig nicht als erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zu beurteilen ist (RIS‑Justiz RS0118125).

Für die Verschuldensabwägung ist das Gesamtverhalten beider Ehegatten maßgebend (RIS‑Justiz RS0057303 [T3]). Dabei müssen die Eheverfehlungen in ihrem Zusammenhang gesehen werden, wobei berücksichtigt werden muss, inwieweit diese einander bedingt haben bzw ursächlich für das Scheitern der Ehe waren (RIS‑Justiz RS0057223; ebenso RS0056751). Bei beiderseitigem Verschulden muss ein sehr erheblicher Unterschied im Grad des Verschuldens gegeben sein, um ein überwiegendes Verschulden eines Teils annehmen zu können (RIS‑Justiz RS0057057). Der Ausspruch eines überwiegenden Verschuldens eines Ehegatten hat also nur dort zu erfolgen, wo der graduelle Unterschied der beiderseitigen Verschuldensanteile augenscheinlich hervortritt, sodass neben dem eindeutigen Verschulden des einen Teils das Verschulden des anderen Teils fast völlig in den Hintergrund tritt, weil das überwiegende Verschulden grundsätzlich dem Alleinverschulden gleichsteht (RIS‑Justiz RS0057821 [insb T6]). Es sind daher hinsichtlich des Verschuldensmaßstabs nicht subtile Abwägungen vorzunehmen, sondern es soll im Scheidungsurteil nur das erheblich schwerere Verschulden eines Teils zum Ausdruck kommen (RIS‑Justiz RS0057325).

Ausgehend von diesen vom Berufungsgericht beachteten Grundsätzen kann die unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls erfolgte Annahme des Berufungsgerichts, dass den Parteien gleichteiliges Verschulden an der Zerrüttung der Ehe anzulasten ist ‑ entgegen dem Standpunkt der Beklagten ‑ nicht als unvertretbar angesehen werden.

2.2 Gegen diese Beurteilung des Berufungsgerichts wendet sich die Beklagte auch nur insoweit, dass ihre nicht erfolgte Beteiligung an den finanziellen Belastungen des Haushalts ebenso wenig eine schwere Eheverfehlung darstelle, wie ihre Eifersucht, die nicht ständig und unbegründet gewesen sei. Gegen die Würdigung ihrer sonstigen Verhaltensweisen richtet sich die Revision der Beklagten nicht.

Das von der Beklagten vor Zerrüttung der Ehe gesetzte Verhalten, sich trotz unzureichender Einkünfte und finanziellen Problemen der Eheleute nicht um andere Arbeitstätigkeiten zu bemühen, sich mit Einkünften aus „Schwarzarbeit“ nicht an den Belastungen des Haushalts zu beteiligen und ihre Aufwendungen nicht zu reduzieren, wurde vom Berufungsgericht ‑ unabhängig davon, dass die Beklagte über kein eigenes Konto verfügte ‑ vertretbar als Eheverfehlung gewertet.

Auch in ständiger unbegründeter Eifersucht liegt eine Eheverfehlung, die geeignet ist, die eheliche Gemeinschaft zu zerrütten (RIS‑Justiz RS0056648). Entgegen der Ansicht der Beklagten steht fest, dass sie sich ständig eifersüchtig verhielt; hingegen ergibt sich aus den Feststellungen kein vom Kläger gesetztes Verhalten, dass diese Eifersucht begründen könnte.

3. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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