OGH 2Ob35/15h

OGH2Ob35/15h21.10.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger sowie die die Hofrätinnen Dr. E. Solé und Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T***** V.a.G., *****, vertreten durch Mag. Clemens Braun, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Verband der Versicherungsunternehmen Österreichs, Schwarzenbergplatz 7, 1030 Wien, vertreten durch Dr. Michael Tinzl und andere Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 5.100,91 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 14. November 2014, GZ 2 R 205/14g‑12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 19. August 2014, GZ 26 C 514/14m‑8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0020OB00035.15H.1021.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 447,98 EUR (darin 74,66 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Am 26. 12. 2012 ereignete sich auf der Brenner Straße in Gries am Brenner ein Verkehrsunfall, im Zuge dessen ein bei der klagenden Partei haftpflichtversicherter Pkw mit österreichischem Kennzeichen mit einem entgegenkommenden Pkw mit deutschem Kennzeichen kollidierte.

Die klagende Partei begehrte von der beklagten Partei Zahlung von 5.100,91 EUR sA. In ihrer Klagserzählung brachte sie vor, der Lenker eines Wohnmobils mit Schweizer Kennzeichen habe den Unfall mitverschuldet, weil er sein Fahrzeug in einer unübersichtlichen Kurve verbotswidrig „abgestellt bzw geparkt“ habe, um Schneeketten zu montieren. Die nachfolgenden, Richtung Brenner fahrenden Fahrzeuge, darunter der deutsche Pkw, hätten an dem Wohnmobil vorbeifahren müssen. Der aus der Gegenrichtung kommende Lenker des Klagsfahrzeugs habe eine Vollbremsung durchgeführt, die Kollision aber nicht vermeiden können. Den Lenker des Wohnmobils und dessen Schweizer Haftpflichtversicherer treffe eine Mithaftung von 50 %. Der deutsche Geschädigte habe die klagende Partei als Haftpflichtversicherer des österreichischen Lenkers in Anspruch genommen. Diese habe an den Geschädigten eine Schadenersatzleistung von insgesamt 10.201,82 EUR erbracht. Gemäß § 67 VersVG seien diese Ansprüche auf die klagende Partei übergegangen. In Anerkennung einer eigenen Mithaftung von 50 % begehre sie den Klagsbetrag. Der zuständige inländische Korrespondenzversicherer habe eine Schadenersatzleistung abgelehnt. Die beklagte Partei hafte „nach Londoner Abkommen“. Im weiteren Verfahrensverlauf vertrat die klagende Partei den Standpunkt, dass sie keine auf sie übergegangenen Ansprüche des Geschädigten geltend mache.

Die beklagte Partei bestritt dieses Begehren dem Grunde und der Höhe nach und wandte überdies ein, die klagende Partei sei zur Geltendmachung des Regresses gegen den Versicherungsverband nicht legitimiert. Hiezu berief sie sich auf die Entscheidung 7 Ob 48/11a.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, ohne dass es zum Unfallhergang und zur Schadenshöhe Feststellungen traf.

In rechtlicher Hinsicht verwies es auf die Entscheidung 7 Ob 48/11a, wonach die Haftungsnorm des § 62 Abs 1 KFG im Sinne des ErwGr 27 der 4. Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungs‑Richtlinie ausgelegt werden müsse. Demnach seien juristische Personen (wie zB andere Versicherungsunternehmen oder Einrichtungen der sozialen Sicherheit) nicht berechtigt, auf sie übergegangene Ansprüche des Geschädigten gegenüber der Entschädigungsstelle geltend zu machen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach zunächst aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichts und entgegnete den Argumenten der klagenden Partei, ein nach § 26 KHVG in Anspruch genommener Haftpflichtversicherer könne bereits begrifflich nicht „unmittelbar Geschädigter“ aus dem Unfallereignis sein. Soweit die klagende Partei einen Regressanspruch behaupte, setze dies eine Legalzession voraus. Ihrem Vorbringen nach wolle sie aber offenbar einen von ihr an den geschädigten Dritten bereits bezahlten Schaden von dessen Haftpflichtversicherer wieder zurückfordern, sodass ein bereicherungsrechtliches und nicht ein schadenersatzrechtliches Problem vorliege. Auch im Falle eines bereicherungsrechtlichen Anspruchs sei dieser aber nach § 67 VersVG auf die klagende Partei übergegangen. In einer solchen Konstellation sei die klagende Partei im Sinne des ErwGr 49 der Richtlinie 2009/103/EG eine juristische Person, die zur Geltendmachung des Anspruchs gegenüber der Entschädigungsstelle nicht berechtigt sei.

Nachträglich erklärte das Berufungsgericht die Revision doch für zulässig, weil sich die Entscheidung 7 Ob 48/11a nur mit der (verneinten) „Verkehrsopfer-eigenschaft“ eines Kaskoversicherers, nicht aber mit der eines Haftpflichtversicherers auseinandergesetzt habe.

Gegen das Berufungsurteil richtet sich die Revision der klagenden Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, das Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil es klarstellender Ausführungen durch den Obersten Gerichtshof bedarf. Das Rechtsmittel ist jedoch nicht berechtigt.

Die klagende Partei macht geltend, die Entscheidung 7 Ob 48/11a sei auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Hier sei vielmehr zu beachten, dass die klagende Partei als gemäß § 26 KHVG in Anspruch genommener Haftpflichtversicherer keinen abgeleiteten Anspruch des Geschädigten geltend mache. Sie sei kraft gesetzlichen Schuldbeitritts direkter Geschädigter und daher vom Schutzzweck der Richtlinie 2009/103/EG umfasst.

Hiezu wurde erwogen:

1. Grundlagen der Haftung:

1.1 Nach herrschender Auffassung muss bei der Schadensregulierung nach einem „internationalen Verkehrsunfall“ zwischen einem Inlandsunfall mit ausländischer Beteiligung und einem Auslandsunfall eines Inländers unterschieden werden (vgl Thiede, Straßenverkehrsunfall mit Auslandsbezug [Teil 2] - Direktklage, Vierte KH‑Richtlinie und Grüne‑Karte‑System, Zak 2014/202, 103 [105 ff]; Haag in Geigel, Der Haftpflichtprozess27 [2015]Kap 43 Rn 69 ff; Bachmeier, Regulierung von Auslandsunfällen [2013] Rn 55 ff).

1.2 Bei einem Inlandsunfall mit ausländischer Beteiligung erfolgt die Schadensregulierung nach dem Grüne‑Karte‑System bzw den seit 1. 7. 2003 wirksamen Internal Regulations (Anhang 1 [Geschäftsordnung des Rates des Büros] des Übereinkommens zwischen den nationalen Versicherungsbüros der Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums und anderen assoziierten Staaten vom 30. 5. 2002; abgedruckt bei Grubmann, KHVG³ III.3.2), womit die zuvor bestehenden Übereinkommen zusammengefasst worden sind (vgl die Präambel des Übereinkommens). Die Mitgliedsländer sind verpflichtet, zentrale Regulierungsstellen einzurichten, sogenannte „Grüne‑Karte-Büros“. Das Büro, in dessen Land ein Ausländer einen Unfall verursacht hat, ist danach verpflichtet, dem Geschädigten vollständigen Schadenersatz zu leisten („behandelndes Büro“). Es kann abschließend vom Büro des Landes, aus dem das Fahrzeug des Verursachers stammt, seine Aufwendungen erstattet verlangen. Scheitert die Regulierung, ist das behandelnde Büro für die Klage des Geschädigten passiv legitimiert (vgl Thiede, Straßenverkehrsunfall mit Auslandsbezug [Teil 2] ‑ Direktklage, Vierte KH‑Richtlinie und Grüne‑Karte‑System, Zak 2014/202, 103 [107 f]; W. Reisinger in Fucik/Hartl/Schlosser, Verkehrsunfall² III [2010] Rz 90 f; Haag in Geigel, Der Haftpflichtprozess27 [2015]Kap 43 Rn 72; Bachmeier, Regulierung von Auslandsunfällen [2013] Rn 57).

Diesem Haftungskonzept entspricht die innerstaatliche Haftungsregelung des § 62 Abs 1 KFG. Diese Bestimmung sieht die Haftung des hier beklagten Versicherungsverbands auf der Grundlage einer Grünen Karte oder auf der Grundlage einer unterstellten Versicherungsdeckung im Sinn des Übereinkommens zwischen den nationalen Versicherungsbüros der Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums und anderen assoziierten Staaten vom 30. 5. 2002oder aufgrund einer Grenzversicherungin Fällen vor, in denen Kraftfahrzeuge und Anhänger mit ausländischem Kennzeichen im Inland auf Straßen mit öffentlichem Verkehr verwendet werden. Der Regelungsgegenstand dieser Bestimmung ist demnach die Haftung des Versicherungsverbands für einen durch ein ausländisches Fahrzeug im Inland verursachten Verkehrsunfall.

1.3 Bei einem Auslandsunfall eines Inländers kommt hingegen die Richtlinie 2009/103/EG vom 16. 9. 2009 (6. Kraftfahrzeughaftpflicht‑Richtlinie [KH‑RL]; abgedruckt bei Grubmann, KHVG4 [2015] III.1) zum Tragen, mit der alle früheren Richtlinien über die Kfz‑Haftpflichtversicherung kodifiziert und zusammengefasst worden sind (W. Reisinger in Fucik/Hartl/Schlosser, Verkehrsunfall² III [2010] Rz 94b; Haag in Geigel, Der Haftpflichtprozess27 [2015]Kap 43 Rn 75; Bachmeier, Regulierung von Auslandsunfällen [2013] Rn 162).

Umfasst ist auch die 4. KH‑RL, 2000/26/EG, vom 16. 5. 2000 (abgedruckt bei Grubmann, KHVG² [2005] III.1.4), deren Ziel die Verbesserung des Verkehrsopferschutzes bei unverschuldet im Ausland erlittenen Unfällen durch Verlagerung der Schadenerledigung in das Wohnsitzland des Geschädigten war (W. Reisinger in Fucik/Hartl/Schlosser, Verkehrsunfall² III [2010] Rz 94a; Thiede, Straßenverkehrsunfall mit Auslandsbezug [Teil 2] ‑ Direktklage, Vierte KH‑Richtlinie und Grüne‑Karte‑System, Zak 2014/202, 103 [105 f]). Art 1 Abs 1 der 4. KH‑RL beschrieb den (in Abs 2 noch erweiterten) Anwendungsbereich der Richtlinie mit der Festlegung besonderer Vorschriften für Geschädigte, die ein Recht auf Entschädigung für einen Sach- oder Personenschaden haben, der bei einem Unfall entstanden ist, welcher sich in einem anderen Mitgliedstaat als dem Wohnsitzmitgliedstaat des Geschädigten ereignet hat und der durch die Nutzung eines Fahrzeugs verursacht wurde, das in einem Mitgliedstaat versichert ist und dort seinen gewöhnlichen Standort hat. Nach Art 2 lit d der 4. KH‑RL iVm Art 1 Z 2 RL 72/166/EWG , nunmehr Art 1 Z 2 der 6. KH‑RL, ist „Geschädigter“ jede Person, die ein Recht auf Ersatz eines von einem Fahrzeug verursachten Schadens hat. Laut ErwGr 27 zur 4. KH‑RL, nunmehr ErwGr 49 der 6. KH‑RL, sollten die juristischen Personen, auf die die Ansprüche des Geschädigten gegen den Unfallverursacher oder dessen Versicherungsunternehmen gesetzlich übergegangen sind (zB andere Versicherungsunternehmen oder Einrichtungen der sozialen Sicherheit) nicht berechtigt sein, den betreffenden Anspruch gegenüber der Entschädigungsstelle (vgl Art 6 der 4. KH‑RL, nunmehr Art 24 der 6. KH‑RL) geltend zu machen.

Die 4. KH‑RL wurde in Österreich ua durch die Einfügung der §§ 29a, 29b, 31a und 31b KHVG umgesetzt.

1.4 Im vorliegenden Fall ereignete sich der Unfall auf einer österreichischen Straße. Aus Sicht des deutschen Geschädigten lag ein Auslandsunfall vor, sein Schaden wurde durch den österreichischen Haftpflichtversicherer des Schädigers, die klagende Partei, reguliert. Aus deren Sicht handelt es sich um einen Inlandsunfall, wobei sie die Rolle des Geschädigten für sich in Anspruch nimmt. Sie stützt die Haftung der beklagten Partei ‑ insoweit folgerichtig ‑ auf das „Londoner Abkommen“, somit auf das für Inlandsunfälle maßgebliche Grüne‑Karte‑System. Es besteht demnach kein Zweifel daran, dass die klagende Partei den Versicherungsverband als „behandelndes Büro“ in Anspruch genommen hat.

2. Die Entscheidung 7 Ob 48/11a:

2.1 Der Oberste Gerichtshof hatte in der Entscheidung 7 Ob 48/11a SZ 2011/119 = ZVR 2012/105 ( W.   Reisinger ) einen Fall zu lösen, in welchem der (deutsche) Kaskoversicherer eines deutschen Kraftfahrzeugs, das in Österreich in einen Unfall mit einem rumänischen Kraftfahrzeug verwickelt war, Ansprüche gegen den auch hier beklagten Versicherungsverband geltend machte. Er gelangte nach Darstellung wesentlicher Grundsätze des Grüne-Karte-Systems sowie der 4. und der 6. KH‑RL zu der Auffassung, das in den Richtlinien genannte Ziel, den Schutz des Unfallopfers (selbst) zu erhöhen, sei auch die Grundlage der innerstaatlichen Regelungen. § 62 Abs 1 KFG müsse daher im Sinn des ErwGr 27 der 4. KH‑RL ausgelegt werden. Demnach seien juristische Personen nicht berechtigt, auf sie übergegangene Ansprüche des Geschädigten, die diesem gegen den Unfallverursacher oder dessen Versicherer zustehen, gegenüber der Entschädigungsstelle geltend zu machen. Der klagende Kaskoversicherer könne sich auch nicht auf ein Direktklagerecht nach § 26 KHVG berufen, weil auf Seiten des Anspruchsgegners kein Haftpflichtversicherungs-verhältnis bestehe. Ein solches werde nur fingiert. Der Kaskoversicherer sei kein Unfallopfer und daher vom Schutzzweck der erörterten (Ausnahme‑)Bestimmungen nicht umfasst. Er sei nicht klagslegitimiert.

2.2 Diese Entscheidung wurde im Schrifttum kritisch aufgenommen, wobei sich die Kritik sowohl gegen die Begründung (weil angeblich die eingangs dargestellten Haftungskonstellationen vermengend), aber auch das Ergebnis (weil angeblich ein „eingespieltes System“ ändernd) gerichtet war (so vor allem W. Reisinger in seiner Glosse, ZVR 2012/105, 196 [198 f]; vgl auch Ch. Huber, Glosse zu 2 Ob 76/12h, ZVR 2014/9, 27 [30]; ders, Bericht über die 13. Europäischen Verkehrsrechtstage, ZVR 2013/6, 21 [22 f]; Thiede , Straßenverkehrsunfall mit Auslandsbezug [Teil 2] - Direktklage, Vierte KH‑Richtlinie und Grüne‑Karte‑System, Zak 2014/202, 103 [107]).

3. Keine Anwendung dieser Entscheidung auf den vorliegenden Fall:

3.1 Auf die Kritik an der erörterten Entscheidung muss nicht weiter eingegangen werden. Ging es dort im Kern um die Frage, ob der Kaskoversicherer einen im Wege der Legalzession auf ihn übergegangenen Schadenersatzanspruch des Geschädigten gegen den Versicherungsverband geltend machen kann, bildet hier ‑ wie sogleich zu zeigen ist ‑ ein auf den Haftpflichtversicherer übergegangener Regressanspruch des Schädigers gegen einen Mitschädiger den Prozessgegenstand.

3.2 Vor Beurteilung der Rechtsnatur des klägerischen Anspruchs sind folgende kollisionsrechtliche Überlegungen anzustellen:

3.2.1 Das Haager Straßenverkehrs-übereinkommen (HStVÜ), dem in Österreich grundsätzlich der Vorrang vor der Rom II‑VO zukommt (vgl N. Reisinger , Internationale Verkehrsunfälle [2011] 4 f; Neumayr in KBB 4 Art 28 Rom II‑VO Rz 2; Rudolf , Das Haager Straßenverkehrsübereinkommen und die Rom II‑VO, ZVR 2008/261, 528 [531]; Ofner in Fucik/Hartl/Schlosser , Verkehrsunfall² VI [2012] Rz 994; Thiede , Straßenverkehrsunfall mit Auslandsbezug ‑ Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, Zak 2013/751, 407 [408]), gilt zufolge dessen Art 2 Z 4 und 5 nicht für Rückgriffsansprüche zwischen haftpflichtigen Personen und für Rückgriffsansprüche und den Übergang von Ansprüchen, soweit Versicherer betroffen sind (8 Ob 291/81 SZ 55/9; RIS‑Justiz RS0074389). Die in Art 8 Z 5 HStVÜ erwähnte Übertragbarkeit von Ersatzansprüchen bezieht sich nur auf rechtsgeschäftliche Abtretungen, nicht aber auf Fälle der Legalzession (2 Ob 27/12b mwN SZ 2012/95 = ZVR 2013/220).

3.2.2 Soweit das HStVÜ keine Vorschriften enthält, ist die Rom II‑VO beachtlich, so auch für die Legalzession und die Ausgleichsansprüche bei Haftung mehrerer Personen ( N. Reisinger , Internationale Verkehrsunfälle [2011] 61 und 88; Neumayr in KBB 4 Art 28 Rom II‑VO Rz 2; vgl auch Rudolf , Das Haager Straßenverkehrsübereinkommen und die Rom II‑VO, ZVR 2008/261, 528 [529]; Ofner in Fucik/Hartl/Schlosser , Verkehrsunfall² VI [2012] Rz 1044). Die behauptete Beteiligung eines Schweizer Kraftfahrzeugs am gegenständlichen Unfall steht der Anwendung der Rom II‑VO nicht entgegen. Die VO verlangt nicht, dass der Sachverhalt einen Bezug zu mehreren Mitgliedstaaten aufweist, sondern gilt ua auch dann, wenn ein Bezug zu nur einem Mitgliedstaat und einem Drittstaat vorhanden ist (3 Ob 8/14v mwN; 3 Ob 42/14v; RIS‑Justiz RS0129416).

3.2.3 Art 20 Rom II‑VO regelt den Ausgleich zwischen mehreren gleichrangig für dieselbe Schuld haftenden Gesamtschuldnern im Innenverhältnis, Art 19 Rom II‑VO den gesetzlichen Forderungsübergang. Befriedigt der Haftpflichtversicherer eines Gesamtschuldners den Geschädigten, sind beide Bestimmungen in ihrem Zusammenwirken zu sehen. Das Recht, das den Übergang der Ansprüche des Geschädigten gegen die anderen Schädiger (Gesamtschuldner) beherrscht, bestimmt sich nach Art 20. Das Recht, das den Übergang der Ansprüche des Versicherungsnehmers (des Schädigers, dessen Versicherer gezahlt hat) auf den Versicherer regelt, ergibt sich aus der Anwendung des Art 19 ( Junker in MünchKomm BGB 6 [2015] Art 19 Rom II‑VO Rn 12). Das bedeutet:

a) Hat ein Gläubiger eine Forderung gegen mehrere für dieselbe Forderung haftende Schuldner und ist er von einem dieser Schuldner vollständig oder teilweise befriedigt worden, so bestimmt sich der Anspruch dieses Schuldners auf Ausgleich durch die anderen Schuldner nach dem Recht, das auf die Verpflichtung dieses Schuldners gegenüber dem Gläubiger aus dem außervertraglichen Schuldverhältnis anzuwenden ist (Art 20 Rom II‑VO). Das Regressstatut bestimmt sich demnach nach dem Deliktsstatut zwischen leistendem Schuldner und Geschädigtem ( N. Reisinger , Internationale Verkehrsunfälle [2011] 59; Neumayr in KBB 4 Art 20 Rom II‑VO Rz 1), das als Vorfrage zu beurteilen ist. Dabei stellt sich die in der Lehre strittige Frage, ob im Anwendungsbereich des HStVÜ an das tatsächlich auf den Straßenverkehrsunfall anwendbare Deliktsstatut oder an das nach der Rom II‑VO ermittelte theoretische Deliktsstatut anzuknüpfen ist (vgl N. Reisinger , Internationale Verkehrsunfälle [2011] 61, die für letztere Lösung eintritt). Dieses Problem muss im vorliegenden Fall aber nicht weiter erörtert werden, weil auf den Verkehrsunfall (als „Platzdelikt“) sowohl nach dem Recht des Unfallorts (Art 3 HStVÜ) als auch nach dem Recht des Erfolgsorts (Art 4 Abs 1 Rom II‑VO) österreichisches Recht anzuwenden ist (vgl N. Reisinger , Internationale Verkehrsunfälle [2011] 44). Somit unterliegt auch der Regressanspruch des durch seinen Haftpflichtversicherer an den Geschädigten leistenden österreichischen Schädigers österreichischem Recht.

b) Der Übergang dieses Regressanspruchs auf den leistenden Haftpflichtversicherer, also die klagende Partei, richtet sich sodann nach dem Zessionsgrundstatut, also jener Rechtsordnung, die die Leistungspflicht des Drittzahlers verfügt und damit den Zessionsgrund geliefert hat (vgl RIS‑Justiz RS0083638; Neumayr in KBB 4 Art 19 Rom II‑VO Rz 1). Das ist im vorliegenden Fall jenes Recht, dem der Haftpflichtversicherungsvertrag zwischen dem österreichischen Schädiger und der klagenden Partei unterworfen ist (vgl N. Reisinger , Internationale Verkehrsunfälle [2011] 83), somit wieder österreichisches Recht.

3.3 Nach der Legalzessionsnorm des § 67 Abs 1 VersVG, der auch in der Haftpflichtversicherung gilt (RIS‑Justiz RS0080632), geht ein Schadenersatzanspruch des Versicherungsnehmers gegen einen Dritten auf den Versicherer über, soweit dieser dem Versicherungsnehmer den Schaden ersetzt. Schon nach dem Wortlaut dieser Bestimmung setzt die darin geregelte Legalzession nicht die Befriedigung der Forderung eines Dritten voraus, sondern die Befriedigung des Versicherungsnehmers, die in der Haftpflichtversicherung durch die Deckung des Drittschadens geschieht (2 Ob 332/00p ZVR 2002/23; 2 Ob 78/06v SZ 2006/160; RIS‑Justiz RS0081235). Der Ausdruck „Schadenersatzanspruch“ in § 67 VersVG erfasst nicht nur Schadenersatzansprüche im engeren Sinn; er ist vielmehr im weitesten Sinn dahin zu verstehen, dass er sich auch auf Regressansprüche, Ausgleichsansprüche, Bereicherungsansprüche etc bezieht. Durch den Forderungsübergang ändert sich die Rechtsnatur des Anspruchs nicht (2 Ob 78/06v SZ 2006/160; 2 Ob 7/10h; 2 Ob 112/10t; RIS‑Justiz RS0080533, RS0080594).

3.4 Die klagende Partei hat sich in erster Instanz ausdrücklich auf einen Forderungsübergang nach § 67 VersVG berufen. Sie hält überdies auch noch in ihrem Rechtsmittel daran fest, dass sie keine auf sie übergegangenen Ansprüche des Geschädigten geltend macht. Der von ihr in der Revision nun ins Treffen geführte Umstand, sie sei als Haftpflichtversicherer des Schädigers gemäß § 26 KHVG einem Direktanspruch des Geschädigten ausgesetzt gewesen, verschafft ihr entgegen ihrer Auffassung keinen „eigenen“ Anspruch, sondern ändert nichts daran, dass sie sich nur auf den auf sie übergegangenen Regressanspruch des Versicherungsnehmers stützen kann (vgl auch W.   Reisinger in Fucik/Hartl/Schlosser , Verkehrsunfall² III [2010] Schema III: Der Regress in der Kfz‑Haftpflichtversicherung). Dieser beruht nach ständiger Rechtsprechung nicht auf einer Schadenersatzpflicht des Mitschädigers, sondern auf dem Gemeinschaftsverhältnis und richtet sich nach § 896 ABGB. Er ist ein selbständiger Anspruch, dessen Art und Umfang sich nach dem zwischen den Mitschädigern bestehenden „besonderen Verhältnis“ richtet (vgl 2 Ob 78/06v SZ 2006/160; RIS‑Justiz RS0122266), das hier in einem Ausgleichsanspruch zwischen den Beteiligten iSd § 11 Abs 1 zweiter Satz EKHG besteht.

3.5 Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass der klagende Haftpflichtversicherer ‑ anders als der Kaskoversicherer in der Entscheidung 7 Ob 48/11a ‑ keinen auf ihn übergegangenen Anspruch des Geschädigten, sondern einen solchen des Schädigers gegen den Versicherungsverband geltend macht. Die Erwägungen des 7. Senats sind, soweit sie auf den Grundsätzen der 4. KH‑RL beruhen, entgegen der Ansicht der Vorinstanzen für die Beurteilung der Klagslegitimation im vorliegenden Fall nicht relevant. Denn selbst wenn § 62 Abs 1 KFG nicht iSv ErwGr 27 der 4. KH‑RL (nunmehr ErwGr 49 der 6. KH‑RL) auszulegen und ‑ entgegen 7 Ob 48/11a ‑ die Haftung der beklagten Partei auch für einen auf einen Versicherer übergegangenen Anspruch des Geschädigten zu bejahen wäre, wäre für die Beurteilung des vorliegenden Falls nichts gewonnen, in welchem der Haftpflichtversicherer einen von seinem Versicherungsnehmer auf ihn übergegangenen Ausgleichsanspruch geltend macht.

Zu prüfen bleibt somit, ob sich auf der Grundlage des Grüne‑Karte‑Systems eine Anspruchsgrundlage für die klagende Partei gegen den beklagten Versicherungsverband ergibt.

4. Kein Anspruch nach dem Grüne‑Karte‑System:

4.1 Nach dem System der Grünen Karte soll der Geschädigte so gestellt werden, als ob ihm der Schaden von einem inländischen, zu den gesetzlichen Mindestversicherungssummen versicherten Kraftfahrer zugefügt worden wäre (8 Ob 50/87 SZ 61/112; 2 Ob 271/97k ZVR 1998/113; 2 Ob 139/98z; 7 Ob 281/00z ZVR 2002/34; RIS‑Justiz RS0045431, RS0065673; W. Reisinger in Fucik/Hartl/Schlosser , Verkehrsunfall² III [2010] Rz 91). Es wird ein Versicherungsverhältnis fingiert, in dem das behandelnde Büro gleichsam als Versicherungsunternehmen und der Inhaber der grünen Karte als Versicherungsnehmer gilt. Dieses fingierte Versicherungsverhältnis richtet sich nach dem Recht des Besuchslands (7 Ob 13/89 SZ 62/91; 7 Ob 48/11a SZ 2011/119 = ZVR 2012/105 [ W. Reisinger ]; RIS‑Justiz RS0065697), hier also nach österreichischem Recht.

4.2 Gemäß § 26 KHVG steht dem geschädigten Dritten der Direktanspruch gegen den Versicherer des Schädigers zu. Da die beklagte Partei wie ein inländischer Versicherer haftet, ist auch ihre Haftung nur insoweit gegeben, als ein inländischer Versicherer dem Direktanspruch eines „geschädigten Dritten“ ausgesetzt wäre.

Der deutsche Bundesgerichtshof betonte zu einem sehr ähnlich gelagerten Fall (Regressanspruch eines ausländischen Haftpflichtversicherers), dass die Gewährung des Direktanspruchs gegen den Versicherer (nach § 3 Nr 1 [d]PflVG aF; vgl nunmehr § 115 [d]VVG) dem Schutz der Unfallopfer, nicht aber jenem der Schädiger diene. Werde ein Schädiger durch die Inanspruchnahme eines Geschädigten über seine interne Haftungsquote hinaus belastet, so stelle dies keinen Schaden dar, der den Schutz des Pflichtversicherungsgesetzes genießt (BGH 1. 7. 2008 VI ZR 188/07 ZVR 2008/252 [Ch. Huber] = NJW 2008, 2642; vgl auch Haag in Geigel, Der Haftpflichtprozess27 [2015]Kap 43 Rn 73).

Diese Überlegungen sind uneingeschränkt auf die Rechtslage in Österreich übertragbar. Der Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer nach § 26 KHVG beruht auf einem gesetzlichen Schuldbeitritt, durch den die Schadenersatzansprüche des geschädigten Dritten gegen den Schädiger durch Hinzutritt eines weiteren leistungsfähigen Schuldners verstärkt werden sollen (vgl 2 Ob 215/78 ZVR 1980/43; RIS‑Justiz RS0065779). Ein ausgleichs-berechtigter Mitschädiger ist aber kein „geschädigter Dritter“ im Sinne dieser Vorschrift, umso weniger ist es die klagende Partei, die den auf sie übergegangenen Ausgleichsanspruch geltend macht. Beiden stünde auch gegen den inländischen Versicherer des Ausgleichspflichtigen kein Direktanspruch nach § 26 KHVG zu (idS BGH aaO; vgl auch BGH 27. 7. 2010 VI ZB 49/08 NJW‑RR 2010, 1471; Knappmann in Prölss/Martin, VVG29 [2015] § 115 Rn 4).

4.3 Dieses Ergebnis steht auch im Einklang mit dem Grundgedanken des Grüne‑Karte‑Systems. Der Oberste Gerichtshof hat ‑ wie auch der Bundesgerichtshof in der erörterten Entscheidung ‑ bereits ausdrücklich hervorgehoben, dass das Grüne‑Karte‑System und damit auch die Haftungsbestimmung des § 62 Abs 1 KFG dem Schutz von Verkehrsopfern dient (vgl 2 Ob 4/93 SZ 67/28), die nicht gezwungen sein sollen, wegen des Schadensfalls Schädiger bzw Versicherer außerhalb des Landes in Anspruch zu nehmen (7 Ob 103/03b SZ 2003/643 = ZVR 2004/59, 206). Dass auch der ausgleichsberechtigte Schädiger und der Haftpflichtversicherer, auf den der Ausgleichsanspruch übergegangen ist, in diesem Sinne schutzwürdig wären, ist hingegen nicht ersichtlich und wird auch in der Revision nicht behauptet.

4.3 Ausgehend von den Tatsachenbehauptungen der klagenden Partei war im vorliegenden Fall allein der Halter des deutschen Fahrzeugs Verkehrsopfer bzw dritter Geschädigter iSd § 26 KHVG. Die klagende Partei, die den Schaden als Haftpflichtversicherer des Schädigers außergerichtlich regulierte, kann daher den auf sie übergegangenen Ausgleichsanspruch gegen den (angeblichen) Mitschädiger nicht mit Erfolg gegen den beklagten Versicherungsverband geltend machen.

5. Ergebnis und Kosten:

Aus den vorstehenden Gründen erweist sich die Abweisung der Klage durch die Vorinstanzen im Ergebnis als zutreffend, weshalb der Revision ein Erfolg versagt bleiben muss.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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