Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Am 3. 6. 1992 ereignete sich in Tschechien (damals noch Tschechoslowakei) ein Verkehrsunfall, an welchem eine tschechische Lenkerin mit einem vom Beklagten gehaltenen PKW, der ein österreichisches amtliches Kennzeichen hatte, und ein schwedischer Staatsbürger als Lenker eines in Tschechien zugelassenen PKWs Volvo beteiligt waren. Der Schadensfall wurde über ein tschechisches Versicherungsunternehmen abgewickelt, das dem Eigentümer des PKWs Volvo einen Schaden in Höhe von S 360.610 tschechischen Kronen ersetzte. Auf Grund des multilateralen Garantieabkommens zwischen den nationalen Versicherungsbüros vom 15. 3. 1991 hat der klagende Verband der tschechischen Versicherung am 23. 3. 1994 diesen Betrag zuzüglich einer 15 %igen Bearbeitungsgebühr von S 54.092 tschechischen Kronen, insgesamt sohin 414.702 tschechischen Kronen, ersetzt.
Mit der am 12. 3. 1997 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt der klagende Verband vom Beklagten den Ersatz dieser Zahlung in Höhe von umgerechnet (eingeschränkt) S 172.091,58 sA und brachte dazu im Wesentlichen vor: Die Lenkerin des Fahrzeuges des Beklagten habe einen Verkehrsunfall verschuldet. Der tschechische Versicherungsverband habe den Schaden gemäß Abkommen reguliert und von der klagenden Partei auf Grund dieses Abkommens S 176.114,18 bezahlt erhalten. Der seinerzeitige österreichische Haftpflichtversicherer des Fahrzeuges des Beklagten habe an die klagende Partei keine Zahlung geleistet, weil bereits am 2. 4. 1992 das Erlöschen deren Haftung mitgeteilt worden sei, weshalb das Fahrzeug des Beklagten am Unfallstag nicht haftpflichtversichert gewesen sei. Der Beklagte hafte demnach für den Schaden selbst. Die klagende Partei habe für ihn eine Zahlung geleistet, sohin eine Leistung erbracht, die der Beklagte nach dem Gesetz selbst hätte machen müssen. Sie sei daher zur Rückforderung berechtigt.
Der Beklagte beantragte die Klagsabweisung und wendete im Wesentlichen eine Schwarzfahrt der Lenkerin seines Fahrzeuges, ein Mitverschulden des Unfallsgegners am Zustandekommen des Unfalles sowie die Verjährung der eingeklagten Forderung ein.
Die klagende Partei ergänzte, sie habe auf Grund des multilateralen Garantieabkommens Zahlung leisten müssen, weil ein Deckungsausschluss nicht habe geltend gemacht werden können. Bei Einbringung eines österreichischen Fahrzeuges in die tschechische Republik gelte das österreichische behördliche Kennzeichen als Nachweis für das Bestehen eines Versicherungsverhältnisses. Auf den Unfall sei tschechisches Recht anzuwenden. Nach dem multilateralen Garantieabkommen sei es der klagenden Partei verwehrt gewesen, gegenüber dem tschechischen Büro den Einwand des Mitverschuldens und der Schwarzfahrt erheben zu können. Es werde ein Anspruch gemäß § 1042 geltend gemacht, bei dem die dreißigjährige Verjährungsfrist gelte. Abgesehen von weiteren Entgegnungen zum Verjährungseinwand brachte die klagende Partei noch vor, das Klagebegehren werde außerdem auf jeden erdenklichen Rechtsgrund insbesondere auch auf Einlösung gestützt.
Außer Streit gestellt wurde, dass die Zulassung des PKWs des Beklagten am 4. 5. 1992 aufgehoben wurde.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus noch fest:
Mit Schreiben vom 4. 2. 1993 teilte der klagende Verband der tschechischen Versicherung mit, dass der PKW des Beklagten nicht mehr aufrecht versichert gewesen sei und ersuchte, unter Anwendung des multilateralen Garantieabkommens den Schadensfall abzuwickeln. Die Abrechnung der tschechischen Versicherung langte am 20. 1. 1994 beim klagenden Verband ein, der am 9. 3. 1994 die Anweisung zur Zahlung gab, die am 23. 3. 1994 durchgeführt wurde. Rechtlich führte das Erstgericht aus, der klagende Verband, der nicht Vertragspartner des Beklagten gewesen sei, stütze seinen Anspruch grundsätzlich zu Recht auf § 1042 ABGB. Entgegen seiner Ansicht sei aber die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB maßgeblich. Die eingeklagte Forderung sei daher bereits verjährt, weil der klagende Verband spätestens mit der Abrechnung der tschechischen Versicherung Kenntnis vom Schaden und Schädiger erhalten habe. Diese Abrechnung sei am 20. 1. 1994 erfolgt.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Bei Anwendung des von der Rechtsprechung vertretenen, von der Lehre allerdings abgelehnten sogenannten dreigliedrigen Streitgegenstandsbegriffes komme der Berufung schon deshalb keine Berechtigung zu, weil der eingeklagte Anspruch selbst nach dem Berufungsvorbringen nicht bestehe. Die klagende Partei habe sich im erstinstanzlichen Verfahren ausdrücklich auf die Bestimmung des § 1042 ABGB und auf Einlösung (§ 1422 ABGB) gestützt, in der Berufung aber ausgeführt, dass beide genannten Vorschriften nicht zur Anwendung kämen. Die in erster Instanz geltend gemachten Rechtsgründe lägen nicht vor. Beim Berufungsvorbringen, in welchem das Klagebegehren erstmals auf den Rechtsgrund einer Legalzession gestützt werde, handle es sich um eine unbeachtliche Neuerung. Da der Berufungswerber eventualiter die Ansicht vertrete, es könne doch entsprechend der Ansicht des Erstgerichtes auf den vorliegenden Anspruch die Bestimmung des § 1042 ABGB anzuwenden sein, sei er darauf zu verweisen, dass dies aus mehrfachen (näher ausgeführten) Gründen nicht der Fall sei. Vertrete man aber nicht die strenge dreigliedrige Streitgegenstandstheorie, sei zu sagen, dass aus dem Tatsachenvorbringen der klagenden Partei in erster Instanz nicht abgeleitet werden könne, welcher Anspruch auf Grund welcher gesetzlichen Vorschriften auf sie, nicht etwa auf den seinerzeitigen Haftpflichtversicherer, auf den sich die §§ 158c und 148f VersVG bezögen, übergegangen sein solle. Auch unter diesem Gesichtspunkt verstießen die auf eine Legalzession hinzielenden Berufungsausführungen gegen das gesetzliche Neuerungsverbot. Da man auch die Meinung vertreten könne, die auf eine Legalzession hinzielenden Berufungsausführungen würden nicht dem Neuerungsverbot widersprechen und ein ähnlich gelagerter Fall mit internationalen Überschneidungen im Versicherungsregress vor dem Oberste Gerichtshof soweit überblickbar, bisher noch nicht behandelt worden sei, sei auszusprechen, dass die ordentliche Revision zulässig sei.
Die Revision der klagenden Partei ist zulässig und im Ergebnis berechtigt.
Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihr keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
In der Revision wird geltend gemacht, dass sich die klagende Partei nicht auf einen bestimmten Rechtsgrund gestützt habe, weshalb das auf das Vorliegen einer Legalzession abzielende Vorbringen in der Berufung nicht als unzulässige Neuerung anzusehen sei. Die klagende Partei sei nach dem multilateralen Garantieabkommen verpflichtet gewesen, für das Fahrzeug des Beklagten, das ein österreichisches Kennzeichen aufgewiesen habe, einzustehen. Verjährung der Forderung sei nicht eingetreten, weil die Zahlung an die tschechische Versicherung erst am 23. 3. 1994 erfolgt sei.
Zunächst ist den Revisionsausführungen zuzustimmen, dass sich die klagende Partei entgegen den Ausführungen des Berufungsgerichtes nicht auf einen bestimmten Rechtsgrund festgelegt hat (AS 77), weshalb der Sachverhalt nach allen rechtlichen Gesichtspunkten zu untersuchen war. Im Übrigen ist die beklagte Partei selbst vom Vorliegen einer Legalzession ausgegangen (AS 43).
Das Berufungsgericht hat zunächst zutreffend darauf hingewiesen, dass nach Art 3 des hier anzuwendenden Übereinkommens über das auf Straßenverkehrsunfälle anzwendende Recht (BGBl 1975/387) für die Schadenersatzforderung aus dem Unfall selbst das damalige tschechoslowakische Recht anzuwenden ist. Art 8 des Übereinkommens bestimmt das anzuwendende Recht insbesondere die Voraussetzungen über den Umfang der Haftung, die Haftungsausschlussgründe sowie jede Beschränkung und jede Aufteilung der Haftung, das Vorhandensein und die Art zu ersetzender Schäden, die Art und den Umfang des Ersatzes und die Übertragbarkeit des Ersatzanspruches sowie die Verjährung und den auf Zeitablauf beruhenden Rechtsverlust einschließlich des Beginns der Unterbrechung und der Hemmung der Frist. Nach Art 2 Z 4 und 5 ist das Abkommen nicht auf Rückgriffsansprüche zwischen haftpflichtigen Personen bzw auf Rückgriffsansprüche und den Übergang von Ansprüchen, soweit Versicherer betroffen sind, anzuwenden. Da die Vorschriften der §§ 35 ff IPRG, die die auf dem Gebiet des Schuldrechtes anzuwendenden Kollisionsnormen regeln, keine ausdrückliche Regelung über Rückgriffs- bzw Ausgleichsansprüche, wie sie Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites bilden, enthalten, bleibt es bei der im § 1 Abs 1 IPRG normierten Regelung, dass Sachverhalte mit Auslandsberührung in privatrechtlicher Hinsicht nach der Rechtsordnung zu beurteilen sind, zu der die stärkste Beziehung besteht. Für den hier geltend gemachten Rückgriffsanspruch ist daher österreichisches Recht heranzuziehen (vgl SZ 55/9, zum Regressanspruch eines Haftpflichtversicherers).
Der klagende Verband hatte auf Grund des multilateralen Garantieabkommens zwischen den nationalen Versicherungsbüros vom 14. 3. 1991 (wiedergegeben in Grubmann, Das österreichische Kraftfahrrecht II Anm 5 zu § 62 KFG) gleich einem Haftpflichtversicherer für das Fahrzeug des Beklagten einzustehen. Nach Art 1 lit e des zitierten Abkommens übernimmt nämlich jedes behandelnde Büro in Übereinstimmung mit seinen nationalen Rechtsvorschriften und der eventuell vorhandenen Versicherungspolizzen die Verantwortung für die Bearbeitung und Regulierung von Ansprüchen aus Unfällen, die von Fahrzeugen verursacht wurden, die im Gebiet dieses Büros den Haftpflichtbestimmungen des Gesetzes über die Kraftverkehrspflichtversicherung unterliegen und ihren gewöhnlichen Standort in dem Gebiet eines zahlenden Büros haben. Diese Bestimmung erlaubt den Schluss, dass dem zahlenden Büro (hier die klagende Partei) eine Stellung ähnlich der eines Haftpflichtversicherers im Sinne des § 158c VersVG zukommen soll. Steht aber die klagende Partei einem Haftpflichtversicherer gleich, dann lässt sich die Rechtsprechung über das anzuwendende Recht bei Geltendmachung von Regressforderungen von Haftpflichtversicherungen auch auf die klagende Partei anwenden (vgl SZ 55/9). Nach österreichischem Recht steht aber gemäß § 1358 ABGB dem Zahler der Ersatz der bezahlten Schuld zu. Der Anwendungsbereich des § 1358 ABGB beschränkt sich nicht auf den Bürgen, sondern auf alle Fälle, in denen jemand eine fremde Schuld bezahlt, für die er haftet (SZ 62/91). Danach kann der Zahler nach § 1358 ABGB den Ersatz der bezahlten Schuld fordern. Es kann aus dem Grund des Forderungsüberganges im Rückgriffsweg - außer bei Vorliegen eines besonderen Rechtsverhältnisses zwischen dem Zahler und dem Hauptschuldner, was hier nicht gegeben ist - aber nie mehr beansprucht werden, als der Hauptschuldner dem Gläubiger schuldete. Ein auf § 1358 ABGB gestützter Anspruch kann daher nur dasjenige erfassen, was der Beklagte dem Geschädigten schuldete, wobei die Einwendungen des Beklagten gegen den Geschädigten im Hinblick auf die Bestimmung des § 1361 ABGB gegen die klagende Partei grundsätzlich aufrecht bleiben (SZ 62/91). Demnach ist die klagende Partei auf Grund der Legalzession des § 1358 ABGB bzw der §§ 158c, 158f VersVG grundsätzlich forderungsberechtigt (vgl auch zum Vorgängerabkommen Wolfgang Schmitt, System der Grünen Karte S 114 Rz 368 über die Rückgriffs- bzw Ausgleichsmöglichkeit im sogenannten "kranken" Versicherungsverhältnis iSd § 3 Nr 9 dPflVG). Steht aber der klagenden Partei ein Ersatzanspruch nach § 1358 ABGB zu, ist der Ersatzanspruch nach § 1042 ABGB ausgeschlossen (vgl Rummel in Rummel ABGB3 Rz 1 zu § 1042 mwN), weshalb auf die diesbezüglichen Ausführungen der Vorinstanzen nicht eingegangen werden muss.
Soweit in der Entscheidung SZ 62/91 bei einem ähnlich gelagerten Sachverhalt (Regressanspruch des klagenden Verbandes aus einem Verkehrsunfall im Ausland bei Vorliegen eines kranken Versicherungsverhältnisses, weil der in Anspruch genommene Halter auf seinem Motorrad ein nicht für dieses Motorrad zugewiesenes amtliches Kennzeichen verwendete) dieser Anspruch als Schadenersatzanspruch qualifziert wurde, kann dies in dieser allgemeinen Form nicht mehr aufrecht erhalten werden, weil (wie schon ebenfalls in dieser Entscheidung ausgesprochen) der Rückgriffsanspruch als Regressanspruch iSd § 1358 ABGB zu qualifzieren ist, wobei die Einwendungen des Beklagten gegen den Geschädigten aufrechtbleiben. Im Übrigen wurde in dieser Entscheidung darauf verwiesen, dass der Einwand des mangelnden Verschuldens am Unfall dem Neuerungsverbot unterliegt, was hier nicht der Fall ist, weil der Beklagte bereits im Verfahren erster Instanz auf ein mangelndes Verschulden der Lenkerin, das Vorliegen einer Schwarzfahrt und auf Verjährung hingewiesen hat. Es handelt sich vielmehr um einen aus dem früheren Haftpflichtversicherungsvertrag entspringende vertragliche Verbindlichkeit die anstelle des früheren Haftpflichtversicherers gemäß dem zitierten Abkommen vom klagenden Verband zu übernehmen war. Ebenso wie die Zahlungsverpflichtung auf die klagende Partei übergegangen ist, ist dies auch bei der Regressberechtigung der Fall. Es handelt sich somit um einen quasi versicherungsvertragsrechtlichen Regressanspruch, der sich am Regressanspruch des Versicherers nach § 67 VersVG zu orientieren hat. Dementsprechend tritt die Regressberechtigung der klagenden Partei erst mit der Zahlung des Schadensbetrages an das liquidierende nationale Büro ein. Die vorliegenden Klagsführung wäre daher nach österreichischem Recht noch nicht verjährt.
Ob nach tschechischem Recht im Zeitpunkt der Liquidation durch das nationale Büro ein aufrechter Anspruch in der geltend gemachten Höhe bestand, wird allerdings noch zu klären sein.
Der Sachverhalt lässt sich daher noch nicht abschließend beurteilen. Der Regressanspruch der klagenden Partei ist zwar wie ausgeführt nach österreichischem Recht zu beurteilen, doch ist die Rechtsnatur, also der Bestand der übergegangenen Forderung, als solche nach dem für die Entstehung maßgeblichen Recht gesondert zu beurteilen (Schwimann in Rummel ABGB2 Rz 7a vor § 35 IPRG), also hier nach tschechischem Recht.
Im fortgesetzten Verfahren wird daher das Erstgericht die Verjährungsbestimmungen des tschechischen Rechtes zu ermitteln und wird weiters Feststellungen über den Unfallshergang und auch über das Vorliegen der behaupteten Schwarzfahrt zu treffen haben.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.
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