OGH 7Ob59/15z

OGH7Ob59/15z2.7.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. M***** L*****, vertreten durch Schmid & Horn Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei Dr. M***** H*****, vertreten durch Dr. Alois Siegl und andere, Rechtsanwälte in Graz, wegen 140.000 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 5. Februar 2015, GZ 4 R 99/14g‑29, womit das Urteil des Landesgerichts Leoben vom 7. November 2013, GZ 4 Cg 52/12x‑24, bestätigt wurde, beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden im Umfang der Abweisung von 106.526,45 EUR sA dahin bestätigt, dass die Entscheidung als Teilurteil zu lauten hat:

„Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der Klägerin 106.526,45 EUR samt 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 2. 4. 2011 zu zahlen, wird abgewiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten“.

Im Umfang von 33.473,55 EUR sA werden die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Entscheidungsgründe:

Der beklagte Rechtsanwalt hat die Klägerin in den Verfahren 31 Cga 152/07z und 36 Cga 179/08h gegen die dort beklagte M***** AG in H***** (in der Folge M***** Deutschland) sowie im Verfahren 36 Cga 88/11f (vormals 34 Cga 66/08a des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz) gegen die M***** AG in W***** (in der Folge M***** Österreich) jeweils des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits‑ und Sozialgericht rechtsfreundlich vertreten. Dem Verfahren 31 Cga 152/07z lag eine auf § 105 ArbVG gestützte Kündigungsanfechtung gegen die M***** Deutschland zugrunde. In der Tagsatzung vom 23. 7. 2008 des Verfahrens 31 Cga 152/07z kam es zu Vergleichsgesprächen zwischen der Klägerin und der M***** Deutschland. Die Klägerin und die für M***** Deutschland anwesenden Personen fanden eine Übereinstimmung dahin, dass M***** der Klägerin 250.000 EUR in zwei Raten bezahlt, das Provisionsverrechnungskonto der Klägerin ohne Schmälerung ihrer Provisionsansprüche durch Übertragung von Verträgen bis 31. 12. 2008 offen bleibt, das Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und M***** mit 31. 8. 2008 endet und die Klägerin gleichzeitig ihr Büro räumt, eine wechselseitige Konkurrenzklausel laut Entwürfe vereinbart wird und die Klägerin 50 noch näher zu bezeichnende Kunden mitnimmt. Die konkrete Bezeichnung der von der Klägerin weiter zu betreuenden 50 Kunden von M***** Österreich, die Ausformulierung der Konkurrenzklausel und die Zustimmung der Verantwortlichen von M***** Deutschland blieben offen. Die Formulierung eines Vergleichstextes sollte im anwaltlichen Korrespondenzweg erfolgen und im Verfahren Ruhen eintreten. Mit Schreiben vom 28. 7. 2008 teilte der Rechtsvertreter von M***** Deutschland dem Beklagten mit, dass M***** Deutschland die Vergleichspunkte vom 23. 7. 2008 nicht genehmigt habe und kein rechtswirksamer Vergleich abgeschlossen worden sei. Der Beklagte erörterte mit der Klägerin die Möglichkeit, dennoch auf den am 23. 7. 2008 erzielten Vergleichspunkten zu bestehen. Er teilte ihr in diesem Zusammenhang seine Auffassung mit, wonach ein Vergleich wirksam abgeschlossen worden sei und wies sie auf das Prozessrisiko hin. Einen sicheren Verfahrensausgang versprach er nicht. Daraufhin entschied die Klägerin sich dazu, nicht mehr die Kündigung anzufechten und das Vertragsverhältnis aufrechtzuerhalten, sondern die Beendigung zu akzeptieren und Beendigungsansprüche geltend zu machen.

Zur Durchsetzung dieses Anspruchs erfolgte die Klagsführung zu 36 Cga 179/08h. Das Verfahren 31 Cga 152/07z wurde fortgesetzt und das Klagebegehren auf Feststellung des aufrechten Bestands des Arbeitsverhältnisses der Klägerin zur M***** Deutschland bis 31. 8. 2008, ungeachtet der Kündigung vom 5. 9. 2007, eingeschränkt. Die Klagsabweisung im Verfahren 31 Cga 152/07z mit Urteil vom 17. 12. 2008 gründete sich auf das fehlende Feststellungsinteresse aufgrund mittlerweile erhobener Leistungsansprüche im Verfahren 36 Cga 179/08h, nicht aber auf mangelnde Passivlegitimation oder die Formulierung des Klagebegehrens. Die Klägerin hatte für das Verfahren 31 Cga 152/07z Rechtsschutzdeckung. Der Rechtsschutzversicherer leistete ihr vollen Kostenersatz von 17.039,03 EUR. Mit rechtskräftigem Urteil vom 7. 12. 2009 kam das Gericht zum Ergebnis, dass nicht festgestellt werden konnte, dass die Klägerin und M***** Deutschland im Verfahren 31 Cga 152/07z in der Tagsatzung vom 23. 7. 2008 einen Vergleich abgeschlossen hätten. Aufgrund dieser Klagsabweisung hatte die Klägerin Verfahrenskosten von 33.473,55 EUR zu zahlen.

Dem Verfahren 36 Cga 88/11f lag eine auf § 105 ArbVG gestützte Kündigungsanfechtung gegen die Kündigung der Klägerin durch M***** Österreich vom 23. 7. 2008 zugrunde. In weiterer Folge wurde mit Schriftsatz vom 30. 6. 2011 ein Eventualbegehren auf Feststellung des Fortbestehens des Dienstverhältnisses der Klägerin zu M***** Österreich über den 31. 1. 2009 hinaus erhoben. In diesem Verfahren schlossen die Klägerin und M***** Österreich am 11./16. 11. 2011 einen außergerichtlichen Vergleich über die Ansprüche der Klägerin gegen M***** und die mittlerweilige Rechtsnachfolgerin, aus dem die Klägerin 130.000 EUR netto erhielt. Wenn die Klägerin nicht von dem Vergleichsabschluss in der Tagsatzung vom 23. 7. 2008 ausgegangen wäre, wäre sie vorerst bei M***** geblieben, um weitere Verhandlungen zu führen. Es kann nicht festgestellt werden, dass sie dadurch eine für sie günstigere Vereinbarung als jene vom 11./16. 11. 2011 abgeschlossen hätte.

Die Klägerin begehrt die Zahlung von 140.000 EUR sA (33.473,55 EUR Kosten des Verfahrens 36 Cga 179/08h, 20.000 EUR Pönale wegen Verletzung der im Vergleich vereinbarten Konkurrenzklausel und einen Anteil von 86.524,45 EUR aus dem Zahlungsanspruch der Klägerin laut Vergleich). Der Beklagte habe gravierende „Kunstfehler“ bei der rechtsfreundlichen Vertretung der Klägerin in den Verfahren 31 Cga 152/07z und 36 Cga 179/08h zu verantworten. Die Klägerin sei vom 6. 11. 1995 bzw 28. 1. 2002 auf Grund eines als Arbeitsvertrag zu qualifizierenden Geschäftsstellenleitervertrags ursprünglich für die M***** Deutschland tätig gewesen. Mit der Einbringung des Betriebs der österreichischen Zweigniederlassung der M***** Deutschland in die M***** Österreich sei das Dienstverhältnis der Klägerin gemäß § 3 AVRAG auf M***** Österreich übergegangen. Der Beklagte habe eine auf § 105 ArbVG gestützte Kündigungsanfechtung gegen M***** Deutschland eingebracht (31 Cga 152/07z) und damit nicht nur den falschen Rechtsträger geklagt, sondern auch ein vollkommen falsches Feststellungsbegehren erhoben. Der in diesem Verfahren in der Tagsatzung vom 23. 7. 2008 zustandegekommene Vergleich sei auf Anraten des Beklagten nicht als gerichtlicher Vergleich, sondern außergerichtlich geschlossen worden. M***** Deutschland habe danach von der getroffenen Einigung plötzlich nichts mehr wissen wollen. Wenn der Beklagte sie darüber aufgeklärt hätte, dass ein lediglich mündlich abgeschlossener Vergleich gegen M***** nicht zwangsweise durchgesetzt werden könne, hätte die Klägerin auf der Protokollierung eines gerichtlichen Vergleichs bestanden. Der Beklagte habe ihr ausdrücklich geraten, die Ansprüche aus dem mündlichen Vergleich einzuklagen. Er habe dies als „sichere Sache“ angesehen und ihr stets versichert, dass das Verfahren gewonnen werde. Sollte in der Tagsatzung vom 23. 7. 2008 tatsächlich kein Vergleich geschlossen worden sein, hätte der Beklagte dies als Rechtsanwalt erkennen müssen. Wenn er nicht von einem Vergleich ausgegangen wäre und das Verfahren 31 Cga 152/07z fortgesetzt hätte, „hätte ein aufrechtes Dienstverhältnis der Klägerin zur M***** Österreich festgestellt werden müssen“. Wegen der klageabweisenden Entscheidung des Gerichts im Verfahren 36 Cga 179/08h habe sie Kosten von 33.473,55 EUR tragen müssen.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Im Zuge der in der Streitverhandlung geführten Vergleichsgespräche zwischen der Klägerin und M***** Deutschland sei eine Einigung über die wesentlichen Eckpunkte einer Auflösungsvereinbarung erzielt worden, sodass er von einer vergleichsweisen Erledigung ausgegangen sei. Dies stelle einen vertretbaren Rechtsstandpunkt dar. Die zu 36 Cga 179/08h gegen M***** Deutschland eingebrachte Klage sei nach ausführlicher Rücksprache mit der Klägerin und insbesondere auch dem nunmehrigen Klagevertreter ausgehend von einem rechtswirksam geschlossenen Vergleich erhoben worden. Aufgrund der Ergebnisse des Verfahrens sei davon auszugehen, dass ein verbindlicher und unwiderruflicher Vergleich nicht zustande gekommen sei. Aus einem tatsächlich nicht zustande gekommenen Vergleich sei ein Erfüllungsinteresse der Klägerin nicht ableitbar. Ihr sei auch kein kausaler Schaden entstanden. Die Klagsabweisung im Verfahren 31 Cga 152/07z sei nicht auf ein verfehltes Klagebegehren, sondern auf die zwischenzeitig erfolgte Klagsführung zu 36 Cga 179/08h zurückzuführen. Die Klägerin habe aufgrund der Vorgangsweise von M***** kein Interesse mehr an einer weiteren Zusammenarbeit gehabt. Sie habe in der Zwischenzeit einen außergerichtlichen Vergleich mit M***** Österreich geschlossen, durch welchen sie eine Nettozahlung von 130.000 EUR lukriert habe. Dieser Nettobetrag entspreche dem ursprünglich erörterten Bruttovergleich von 250.000 EUR.

Der Beklagte machte darüber hinaus eine Gegenforderung von 45.546,38 EUR aufrechnungsweise geltend. 38.202,22 EUR gebührten für die Vertretung in den Verfahren 36 Cga 179/08h und 36 Cga 88/11f. 7.354,16 EUR schulde die Klägerin als Schadenersatz. Sie habe seiner Ehefrau und ihm als Finanzberaterin ohne Aufklärung über die Risiken eine fondsgebundene Lebensversicherung als Tilgungsträger vermittelt, die zu einem Kapitalverlust geführt habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Als zweiseitig verbindlicher Vertrag erfordere der Abschluss eines Vergleichs eine Einigung über den Vertragsinhalt und die Erklärung des Abschlusswillens. Das Unterbleiben der Protokollierung eines Vergleichs sei auf die offenen Vergleichspunkte zurückzuführen. Der Abschluss eines protokollierten Vergleichs sei in der Tagsatzung vom 23. 7. 2008 nicht möglich gewesen. Die offen gebliebenen Punkte hinderten die Qualifikation als rechtswirksamen Vergleich. Ex ante beurteilt, sei die Auffassung des Beklagten, am 23. 7. 2008 sei ein Vergleich geschlossen worden, aber vertretbar und begründe keine Haftung. Es sei ausreichend, dass er die Klägerin über das Prozessrisiko belehrt und keinen sicheren Verfahrensausgang versprochen habe. Da der Klägerin die dem Prozessrisiko zugrundeliegenden Umstände, nämlich die von M***** Deutschland behaupteten offenen Vergleichspunkte, bekannt gewesen seien, habe der Beklagte sie darüber nicht gesondert aufklären müssen. Dass für das Verfahren 36 Cga 179/08h keine Rechtsschutzdeckung gewährt worden sei, sei nicht auf ein kausales rechtswidriges Verhalten des Beklagten zurückzuführen. Die Erhebung einer Kündigungsanfechtung gegen M***** Deutschland (31 Cga 152/07z) stelle keinen haftungsbegründenden Fehler dar.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Der Klägerin sei bekannt gewesen, dass M***** Deutschland der am 23. 7. 2008 erzielten Einigung zustimmen musste, sie sei aber wie der Beklagte, der Rechtsvertreter von M***** Deutschland und das Vorstandsmitglied von M***** Österreich davon ausgegangen, dass dies nur eine Formsache sei und eine den Rechtsstreit zwischen der Klägerin und M***** Deutschland erledigende Einigung erzielt worden sei. M***** Deutschland habe überraschend einen anderen Standpunkt vertreten. Der Beklagte habe mit der Klägerin die Möglichkeit, auf den Vergleichspunkten vom 23. 7. 2008 zu bestehen und eine Klage zu erheben, erörtert. Dabei habe er sie auf das Prozessrisiko hingewiesen. Eine Verletzung von Warn‑, Aufklärungs‑ und Informationspflichten sei dem Beklagten nicht vorzuwerfen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision der Klägerin mit einem Abänderungsantrag. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte begehrt in der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig, sie ist auch teilweise berechtigt.

1.1 Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs erfordert die Geltendmachung des Berufungsgrundes der unrichtigen Beweiswürdigung die bestimmte Angabe, welche Beweise das Erstgericht unrichtig gewürdigt hat, aus welchen Erwägungen sich dies ergibt und welche Tatsachenfeststellungen bei richtiger Beweiswürdigung zutreffend gewesen wären (RIS‑Justiz RS0041835).

Die Klägerin erblickt eine Mangelhaftigkeit, aber auch eine Aktenwidrigkeit darin, dass das Berufungsgericht ausgehend von der unrichtigen Ansicht, sie habe keine (geeigneten) Ersatzfeststellungen genannt, ihre Beweisrüge teilweise als nicht gesetzmäßig ausgeführt, erachtete.

Nun ist es aber richtig, dass die Klägerin, den von ihr bekämpften Feststellungen „mit Schreiben vom 28. 7. 2008 teilte der Rechtsvertreter von M***** Deutschland dem Beklagten mit, dass M***** Deutschland die Vergleichspunkte vom 23. 7. 2008 nicht genehmigt hat und kein rechtswirksamer Vergleich abgeschlossen wurde, was der Beklagte der Klägerin sofort telefonisch mitteilte“ keine Ersatzfeststellungen gegenüberstellte. Zutreffend ist auch, dass die von der Klägerin gewünschte Ersatzfeststellung „hätte der Beklagte auf ein Prozessrisiko betreffend das Einklagen des mündlichen Vergleichs hingewiesen, hätte die Klägerin einfach für M***** weiter gearbeitet und das Verfahren zur Feststellung eines aufrechten Dienstverhältnisses fortgesetzt“ ohnedies im Wesentlichen vom Erstgericht getroffen wurde.

1.2 Die Entscheidung des Berufungsgerichts über eine Mängel‑ oder Beweisrüge ist mängelfrei, wenn es sich ‑ wie hier ‑ mit diesen überhaupt befasst, das Verfahren des Erstgerichts überprüft, nachvollziehbare Überlegungen über die Beweiswürdigung anstellt und in seinem Urteil festhält (RIS‑Justiz RS0043150, RS0043144).

2. Soweit die Klägerin über weite Strecken ihres Rechtsmittels die Beweiswürdigung der Vorinstanzen bekämpft, übersieht sie, dass die Entscheidung über eine Beweisrüge, mit der sich das Gericht zweiter Instanz ‑ wie hier ‑ auseinandergesetzt hat, vor dem Obersten Gerichtshof nicht mehr bekämpfbar ist (RIS‑Justiz RS0043371).

3.1 Gemäß § 9 RAO ist der Rechtsanwalt verpflichtet, die Rechte seiner Partei mit Gewissenhaftigkeit zu vertreten; diese Bestimmung ergänzt § 1009 ABGB, der den Gewalthaber verpflichtet, das ihm durch den Bevollmächtigungsvertrag aufgetragene Geschäft umsichtig und redlich zu besorgen. Daraus ergeben sich für den Anwalt eine Reihe von Pflichten, wie Warn‑, Aufklärungs‑, Informations‑ und Verhütungspflichten, die alle Ausprägung der Kardinalspflicht des Rechtsanwalts sind, nämlich der Pflicht zur Interessenwahrung und Rechtsbetreuung (RIS‑Justiz RS0112203). Bei § 1299 ABGB geht es um den durchschnittlichen Fachmann des jeweiligen Gebiets, der prinzipiell auch der maßgerechte im Sinn der Bestimmung ist. Der Sorgfaltsmaßstab darf nicht überspannt werden (RIS‑Justiz RS0026535). Der Rechtsanwalt hat grundsätzlich alle zur Vermeidung eines Rechtsverlusts seines Mandanten erforderlichen Maßnahmen zu treffen (RIS‑Justiz RS0026535 [T5]).

Der Rechtsanwalt haftet seinem Mandanten gegenüber für Unkenntnis der Gesetze sowie einhelliger Lehre und Rechtsprechung. Er muss ihn, soll diese Haftung ausgeschlossen werden, aufklären, wenn nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes oder nach der einhelligen herrschenden Rechtsübung eine Prozessführung aussichtslos erscheint. Tut der Rechtsanwalt dies nicht, ist seine Tätigkeit wertlos. In einem solchen Fall bestehen nicht nur Schadenersatzansprüche des Klienten für ihm erwachsene tatsächliche finanzielle Nachteile, sondern der Anwalt ist auch nicht berechtigt, ein Honorar zu verlangen (RIS‑Justiz RS0038663). Gerade gegenüber der rechtsunkundigen Partei hat die Belehrung derart klar und deutlich zu erfolgen, dass der Mandant die Aussichtslosigkeit rechtlicher Schritte und die Kostenfolgen auch klar erkennen kann (RIS‑Justiz RS0038663 [T8]). Der Rechtsanwalt ist nicht verpflichtet, seinen Klienten zu einer bestimmten Handlungsweise zu bestimmen, für Entschlüsse seines Klienten ist er nicht verantwortlich, es sei denn, sie beruhen auf einer fehlenden oder falschen Belehrung durch ihn (RIS‑Justiz RS0026560).

3.2 Ein Vertrag kommt ‑ Abschlusswille vorausgesetzt ‑ erst mit der Einigung der vertragsschließenden Teile über die Haupt‑ und Nebenpunkte zustande (RIS‑Justiz RS0013984). Nur wenn klar erwiesen ist, dass die Parteien ungeachtet der Nichteinigung den Vertrag abschließen wollten, könnte allenfalls von einem Abschluss ausgegangen werden (RIS‑Justiz RS0013968 [T4]).

3.3 Nach den Feststellungen war ‑ aufgrund der ausdrücklichen Thematisierung ‑ klar, dass zum Zeitpunkt des Vergleichsgesprächs die für notwendig erachtete ausdrückliche Zustimmung der Verantwortlichen der M***** Deutschland fehlte und damit auf Seiten des Vertragspartners der Klägerin auch kein Abschlusswille geäußert wurde. Berücksichtigt man nun, dass nur einige Tage später die Verweigerung der Zustimmung auch noch ausdrücklich mitgeteilt wurde, dann hätte der Beklagte vor diesem Hintergrund jedenfalls nicht ohne weiteres vom Wirksamwerden des Vergleichs ausgehen dürfen; vielmehr hätte er die Führung des Prozesses 36 Cga 179/08h als besonders riskant einschätzen müssen. Er hätte daher im Zuge der ihn treffenden besonderen Belehrungspflicht der Klägerin darstellen müssen, aus welchen Gründen er dennoch vom wirksamen Zustandekommen des Vergleichs ausgeht und er hätte die Klägerin klar und deutlich auf das außergewöhnliche Risiko einer Prozessführung hinweisen müssen. Indem er nur auf das allgemeine Prozessrisiko verwies, verletzte er die ihn treffende Belehrungspflicht. Das Risiko der mangelnden Aufklärung hat sich letztlich auch in der Klagsabweisung durch das Erstgericht im Verfahren 36 Cga 179/08h manifestiert, da dort ein unbedingter Vergleichsabschluss nicht feststellbar war.

4. Der Geschädigte ist für die Behauptung beweispflichtig, dass der Schaden bei einem bestimmten und möglichen pflichtgemäßen Handeln des Rechtsanwalts nicht eingetreten wäre (RIS‑Justiz RS0022700).

4.1 Die Klägerin hat auf Grund der Abweisung ihres zu 36 Cga 179/08h geltend gemachten Anspruchs 33.473,55 EUR an Verfahrenskosten zu tragen. Hier fehlen aber Feststellungen dazu, was die Klägerin im Fall der pflichtgemäßen Belehrung durch den Beklagten getan hätte. Sollte sie sich dennoch zur Klagsführung entschieden haben, haftet der Beklagte nicht für die Prozesskosten. Andernfalls bestünde der Anspruch auf Ersatz der Verfahrenskosten grundsätzlich zu Recht. In diesem Fall hätte sich das Erstgericht mit den vom Beklagten eingewendeten Gegenforderungen zu befassen. Im Umfang von 33.473,55 EUR war daher mit einer Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen vorzugehen und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

4.2 Die Klägerin begehrt Ersatz für Ansprüche aus dem nicht wirksam gewordenen Vergleich (20.000 EUR Pönale wegen des im Vergleich vereinbarten Konkurrenzverbots und 86.524,45 EUR an Anteil aus dem Zahlungsanspruch der Klägerin laut Vergleich). Der Vergleich wurde nicht wirksam, weil der Prozessgegner der Klägerin ihm nicht zustimmte. Hier bleibt offen, auf Grund welchen pflichtgemäßen Handelns des Beklagten der von der Klägerin behauptete Schaden nicht eingetreten wäre.

4.3 Werden aus einem rechtserzeugenden Sachverhalt mehrere Ansprüche abgeleitet und in einer Klage geltend gemacht, dann muss in einem solchen Fall der objektiven Klagehäufung jeder Anspruch zumindest in der Begründung ziffernmäßig bestimmt und individualisiert sein, um dem Bestimmtheitsgebot des § 226 ZPO zu entsprechen (RIS‑Justiz RS0031014 [T29]). Ein geltend gemachter Pauschalbetrag ist daher bei objektiver Klagenhäufung entsprechend aufzugliedern, um dem Bestimmtheitserfordernis des § 226 ZPO gerecht zu werden. Eine alternative Klagenhäufung, bei welcher der Kläger dem Gericht die Wahl überlässt, welchem Begehren es stattgeben will, ist hingegen jedenfalls unzulässig (RIS‑Justiz RS0031014 [T19]).

Die Klägerin führte aus, dass sie im Verfahren 31 Cga 152/07z zum Kostenersatz in Höhe von 8.584,69 EUR verpflichtet worden sei, wobei diese Leistung durch ihre Rechtsschutzversicherung erfolgt sei. Weiters habe die Rechtsschutzversicherung dem Beklagten ein Honorar von 8.062,01 EUR für die Vertretung in diesem Verfahren bezahlt. Ihr weiterer „subsidiärer“ Schaden bestünde darin, dass ihr bei lege artis Verhalten des Beklagten 17.039,03 EUR an weiterer Versicherungssumme zur Verfügung gestanden hätten und sie nicht persönlich die Verfahrenskosten im Verfahren 36 Cga 179/08h hätte aufwenden müssen. Darüber hinaus brachte sie vor, sie hätte bei pflichtgemäßem Verhalten des Beklagten ihr Dienstverhältnis aufrecht erhalten und 150.000 EUR ins Verdienen bringen können, was wohl dahin zu verstehen ist, dass sie diesen Betrag ebenfalls „subsidiär“ begehrt.

Diese „subsidiäre“ Geltendmachung von (Teil‑)Ansprüchen widerspricht dem oben dargelegten Bestimmtheitserfordernis bei objektiver Klagenhäufung. Die dem hier geltend gemachten Pauschalbetrag zugrunde liegenden Ansprüche (Kosten des Verfahrens 36 Cga 179/08h, Pönale wegen Verletzung der im Vergleich vereinbarten Konkurrenzklausel, Anteil aus dem Zahlungsanspruch der Klägerin laut Vergleich) wurden ziffernmäßig bestimmt und individualisiert. Bloß „subsidiär“ erhobene Ansprüche sind hingegen mangels entsprechender Eingliederung in den Pauschalbetrag nicht Teil des Klagebegehrens.

Im Übrigen entstand der Klägerin ‑ auf Grund der Leistung durch ihre Rechtsschutzversicherung ‑ auch kein weiterer Schaden. Dient dieses Vorbringen doch lediglich zur Darlegung, dass sie die ‑ ohnedies geltend gemachten ‑ Verfahrenskosten von 33.473,55 EUR im Verfahren 36 Cga 179/08h mangels ausreichender Versicherungsdeckung persönlich zu tragen habe. Ihren Ausführungen zum entgangenen Verdienst steht die den Obersten Gerichtshof bindende Feststellung entgegen, wonach sie sich letztlich mit M***** Österreich über die Beendigung ihres Dienstverhältnisses und ihre daraus resultierenden Ansprüche verglichen hat, wobei nicht festgestellt werden konnte, dass sie bei richtiger Belehrung durch den Beklagten über die fehlende Wirksamkeit des Vergleiches mit M***** Deutschland eine für sie günstigere Vereinbarung als jene vom 11./16. 11. 2011 erzielt hätte. Hier hat sie die Kausalität eines auf ein Verhalten des Beklagten zurückzuführenden Schadens nicht bewiesen.

Mit Ausnahme der Aufhebung im Umfang von 33.473,55 EUR waren daher die Entscheidungen der Vorinstanzen als Teilurteil zu bestätigen.

5. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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