OGH 10Ob24/15z

OGH10Ob24/15z28.4.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden, die Hofräte Univ.‑Prof. Dr.Neumayr und Dr. Schramm sowie die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Mag. Korn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Mag. Oliver Simoncic, Rechtsanwalt in St. Pölten, gegen die beklagten Parteien 1. Z***** Consulting Limited, *****, 2. Ing. M*****, letztere vertreten durch Radel Stampf Supper Rechtsanwälte OG in Mattersburg, wegen 160.422,79 EUR sA, infolge Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 107.422,79 EUR sA) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. Jänner 2015, GZ 4 R 119/14w‑32, womit das Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 25. April 2014, GZ 37 Cg 96/13f‑28, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der zweitbeklagten Partei die mit 2.156,04 EUR (darin enthalten 359,34 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Die erstbeklagte Gesellschaft betrieb ein Bauunternehmen. Laut der Aktenlage wurde sie von Ottokar L***** in Großbritannien mit dem Hauptsitz in R***** Hampshire gegründet und ins britische Firmenbuch eingetragen. Ottokar L***** war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer. 2008 erfolgte die Eintragung beim Firmenbuch des Landesgerichts Eisenstadt mit einer Niederlassung in W*****. Da Ottokar L***** wegen eines Konkurses die Geschäftsführertätigkeit in Österreich nicht mehr ausüben konnte, fungierte vorerst Ing. Gerald S***** als handelsrechtlicher Geschäftsführer; der Zweitbeklagte übte schon damals die Funktion des gewerberechtlichen Geschäftsführers aus und war zusätzlich auf Werkvertragsbasis für die Gesellschaft als Bauleiter tätig. Am 12. 9. 2012 wurde der Zweitbeklagte auf Ersuchen des Ottokar L***** als Nachfolger des Ing. Gerald S***** auch handelsrechtlicher Geschäftsführer. Dennoch war Ottokar L***** (weiterhin) alleinverantwortlich für die Kontakte zu den Kunden, die Kalkulation der Aufträge und Angebote sowie deren Unterfertigung. Der Zweitbeklagte übte demgegenüber seine bisherige Funktion als Bauleiter aus. Entgegen der Zusicherung des Ottokar L***** anlässlich der Übernahme der handelsrechtlichen Geschäftsführerstellung kam es nie dazu, dass der Zweitbeklagte Einsicht in Buchhaltungsunterlagen, Baustellenabrechnungen und Kalkulationen erhielt. Er hatte keine Zeichnungsbefugnis für das Firmenkonto; über diese verfügte allein Ottokar L*****.

Zwischen der Klägerin und der Erstbeklagten bestand seit längerem eine an sich gute Geschäftsbeziehung; die Klägerin lieferte der Erstbeklagten laufend Beton. Offene Rechnungen wurden von der Erstbeklagten immer wieder beglichen. Im Dezember 2012 waren aus vielfachen Betonlieferungen Außenstände der Erstbeklagten in Höhe von etwa 170.000 EUR aufgelaufen; die Höhe dieses Außenstandes war dem Zweitbeklagten bekannt. Am 7. 12. 2012 fand auf Drängen der Klägerin eine Besprechung statt. An dieser nahmen der Geschäftsführer der klagenden Gesellschaft und deren Finanzbuchhalterin teil, für die Erstbeklagte traten Ottokar L***** und der Zweitbeklagte auf. Ottokar L***** sprach unter zustimmendem Nicken des Zweitbeklagten von einer guten Auftragslage und bloßen Zahlungsstockungen. Am Ende der Besprechung unterfertigte der Zweitbeklagte in seiner Eigenschaft als handelsrechtlicher Geschäftsführer für die Erstbeklagte eine von der Finanzbuchhalterin bereits vorbereiteteRatenvereinbarung über neun ‑ mit Ausnahme eines Monats ‑ aufeinanderfolgende Monatsraten á 20.000 EUR ab 20. 12. 2012 bei Terminsverlust mit einer Ratenzahlung. Weiters unterzeichnete er einen persönlichen Schuldbeitritt nach § 1406 Abs 2 ABGB, den er zuvor gelesen und verstanden hatte.

Er verdiente zu diesem Zeitpunkt bei der Erstbeklagten insgesamt etwa 2.300 bis 2.400 EUR netto monatlich. Zusätzlich sollte er nach Übernahme der handelsrechtlichen Geschäftsführerstellung 500 EUR monatlich erhalten, die ihm aber nicht ausbezahlt wurden. Er hatte Sorgepflichten für ein damals 2 ½ Jahre altes Kind und ‑ bezogen auf den Zeitpunkt Dezember 2012 -120.000 EUR an offenen Kreditverbindlichkeiten für den Bau eines Einfamilienhauses. Dieser Kredit haftet nunmehr mit 200.000 EUR aus. Der Zweitbeklagte besitzt kein Liegenschaftsvermögen. Derzeit verdient er aus selbständiger Tätigkeit etwa 2.000 EUR monatlich.

Im Zuge der Besprechung am 7. 12. 2012 war über den Schuldbeitritt kein Wort verloren worden. Auch die finanzielle Situation des Zweitbeklagten wurde in keinster Weise erörtert. Die Vertreter der Klägerin hatten dazu auch vor dem Gespräch keinerlei Nachforschungen angestellt.

Noch am Abend des 7. 12. 2012 widerrief der Zweitbeklagte seinen Schuldbeitritt gegenüber der Klägerin mit der Begründung, dieser sei ihm „nicht richtig bewusst gewesen“.

Nach Teilzahlung bloß einer Rate in Höhe von 10.000 EUR durch die Erstbeklagte trat Terminsverlust ein. Gegen die Erstbeklagte erging ein ‑ laut der Aktenlage rechtskräftiges ‑ Versäumungsurteil (ON 7). Mittlerweile ist die Erstbeklagte in Insolvenz.

Die Klägerin begehrt die Zahlung von 160.422,79 EUR sA. Der Zweitbeklagte sei der Schuld der vormaligen Erstbeklagten beigetreten und hafte daher solidarisch.

Der Zweitbeklagte bestritt und beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Er habe lediglich als handelsrechtlicher Geschäftsführer fungiert, ohne Gesellschaftsanteile zu halten. Die faktische Geschäftsführung habe Ottokar L***** ausgeübt. Er selbst habe trotz seiner Funktion als handelsrechtlicher Geschäftsführer keinen Einblick in die Buchhaltungsunterlagen gehabt. Der Geschäftsführer der Klägerin habe ihm die vorbereitete Vereinbarung lediglich zur Unterfertigung vorgelegt. Er mache Irrtum nach § 871 ABGB und Sittenwidrigkeit nach § 25c KSchG geltend. Hilfsweise berufe er sich auch auf Mäßigung nach § 25d KSchG. Dass er weder über seine Einkommensverhältnisse Angaben gemacht, noch seine fehlende Leistungsfähigkeit offen gelegt habe, habe seine Ursache allein darin, dass über seine persönliche Haftung nicht gesprochen worden sei. Es sei jedoch klar gewesen, dass seine Schuldbeitrittserklärung in wirtschaftlicher Hinsicht niemals erfüllbar gewesen wäre, weil die vereinbarten Monatsraten von jeweils 20.000 EUR sein monatliches Einkommen um ein Vielfaches überstiegen hätten. Er habe als Interzedent keinen Nutzen aus der Leistung der klagenden Partei gezogen; er sei an der Erstbeklagten in keiner Weise wirtschaftlich beteiligt. Die Verbindlichkeiten seien zum wesentlichen Teil bereits entstanden, bevor er die Position als Geschäftsführer eingenommen habe. Er sei vor Unterfertigung des Schuldbeitritts durch die gegebene Situation schlichtweg überfordert gewesen und habe sich in einer Gemütsaufregung befunden.

Die Klägerin replizierte ‑ soweit für das Revisionsverfahren wesentlich ‑, der Zweitbeklagte sei keinem Irrtum unterlegen, sondern habe die Vereinbarung durchgelesen und unterfertigt. Die Voraussetzungen des § 25c KSchG lägen nicht vor. Auch das Vorliegen der Voraussetzungen des § 25d KSchG sei zu verneinen. Aufgrund seiner Anstellung als handelsrechtlicher Geschäftsführer und des von ihm dafür bezogenen Gehalts habe er sehr wohl einen erheblichen Eigennutzen an der Leistung der Klägerin gehabt. Die zur Mäßigung führenden Umstände müssten zum Zeitpunkt des Abschlusses der Interzessionsvereinbarung soweit vorhanden sein, dass sie für den Gläubiger bei entsprechender Aufmerksamkeit erkennbar waren. Der Zweitbeklagte habe aber weder über seine Einkommensverhältnisse Angaben gemacht, noch seine fehlende Leistungsfähigkeit offengelegt, sodass es dem Billigkeitsgedanken widersprechen würde, ihn in den Genuss des Mäßigungsrechts kommen zu lassen. Zudem sei § 25d KSchG eine Billigkeitsvorschrift zugunsten vermögensschwacher Familienangehöriger, die für die Verbindlichkeiten von nahen Verwandten gutstehen. Der Begründung der Verbindlichkeit sei weder Leichtsinn, noch eine Zwangslage oder Unerfahrenheit zugrunde gelegen. Wie sich aus dem Konkursverfahren ergebe, sei die vormalige Erstbeklagte zum Zeitpunkt der Übernahme der handelsrechtlichen Geschäftsführung durch den Zweitbeklagten bereits ‑ für den Zweitbeklagten erkennbar ‑ insolvenzrechtlich überschuldet gewesen. Der Klägerin sei durch die Verletzung der insolvenzrechtlichen Pflichten des Zweitbeklagten als Geschäftsführer ein Vertrauensschaden in Höhe von 43.258,64 EUR entstanden.

Das Erstgericht gab der Klage gegen den Zweitbeklagten über restliche 160.422,79 EUR sA statt. Ein Irrtum nach § 871 ABGB liege nicht vor. Die für § 25c KSchG notwendigen Voraussetzungen seien nicht gegeben. Eine Mäßigung nach § 25d KSchG komme nicht in Betracht. Zwar sei der Zweitbeklagte als „pro forma Geschäftsführer“ als Verbraucher anzusehen. § 25d KSchG komme aber aus teleologischen Erwägungen nicht zur Anwendung, weil gerade die durch die Geschäftsführungsbefugnis und Geschäftsführertätigkeit bedingte geschäftliche Erfahrung maßgeblich sei, die nach den Vorstellungen des Gesetzgebers den Unternehmer vom Verbraucher unterscheide. Selbst wenn man jedoch § 25d KSchG anwendbar erachten wollte, wäre für den Zweitbeklagten nichts gewonnen. Das Vorliegen eines Missverhältnisses zwischen der Höhe der Schuld und seiner finanziellen Leistungsfähigkeit sei zwar zu bejahen. Der Zweitbeklagte sei aber der ihn treffenden Behauptungs‑ und Beweislast dafür, dass der Klägerin dieses Missverhältnis erkennbar gewesen sei, nicht nachgekommen. § 25d KSchG komme dann nicht zur Anwendung, wenn der Schuldner über seine Einkommensverhältnisse unvollständige Angaben mache und seine fehlende Leistungsfähigkeit nicht offen lege, es sei denn, die Unvollständigkeit der Angaben beruhe auf einem entschuldbaren Versehen und hätte für die Gläubigerin aus augenscheinlichen Gründen für ergänzungsbedürftig gehalten werden müssen. Zudem habe der Zweitbeklagte aus der Leistung insofern einen Vorteil, als der Fortbetrieb des Unternehmens gewährleistet gewesen sei, was sich auf sein Einkommen ausgewirkt habe.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, dass es den Klagebetrag auf ein Drittel (53.000 EUR) mäßigte und das Mehrbegehren abwies. Die ordentliche Revision wurde nicht zugelassen. Ein Geschäftsführer, der eine persönliche Bürgschaft für Schulden einer GmbH übernehme, sei mangels eines eigenen Unternehmens als Verbraucher anzusehen. Davon ausgenommen seien nur Geschäftsführer, die auch Gesellschafter seien und denen als solchen ‑ in wirtschaftlicher Betrachtungsweise -beherrschender Einfluss auf die Gesellschaft zukomme. Dabei werde allerdings nicht auf die Geschäftsführerfunktion, sondern auf die Eigentümer‑ und Gesellschafterstellung abgestellt. Fremdgeschäftsführer seien stets als Verbraucher anzusehen, auch im Zusammenhang mit der Übernahme einer Haftung für Gesellschaftsschulden. Diesen müsse ‑ ebenso wie den zwar geschäftsführenden, aber nicht beherrschenden Gesellschaftern ‑ das richterliche Mäßigungsrecht nach § 25d KSchG zukommen. Demnach bestehe kein Anlass, den Zweitbeklagten als bloß formalen Geschäftsführer der Hauptschuldnerin, der weder am Kapital beteiligt war, noch faktisch als Geschäftsführer tätig war, im Wege einer teleologischen Reduktion vom Anwendungsbereich des Mäßigungsrechts auszunehmen. Das Missverhältnis zwischen den Einkommens‑ und Vermögensverhältnissen des Zweitbeklagten und der Höhe der von ihm übernommenen Verbindlichkeit sei für die Klägerin erkennbar gewesen. Gehe die Initiative zur Interzession von der Gläubigerin aus und werde der Schuldbeitritt nicht einmal besprochen, sei davon auszugehen, dass der Gläubiger eine Überprüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Interzedenten für entbehrlich halte, sodass ihm jede Schutzwürdigkeit fehle. Ausgehend von den festgestellten Einkommens‑ und Vermögensverhältnissen erscheine eine Mäßigung auf ein Drittel angemessen. Der verbleibende Betrag übersteige den subsidiär wegen Konkursverschleppung geltend gemachten Vertrauensschaden, weshalb ein darüber hinausgehender Zuspruch nicht in Betracht komme.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin und mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer vollinhaltlichen Klagsstattgebung.

In der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung beantragte der Zweitbeklagte, die Revision zurückzuweisen bzw ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Wenngleich sich bei § 25d KSchG die Beurteilung der Frage der Erkennbarkeit des unbilligen Missverhältnisses zwischen der Leistungsfähigkeit der eingegangenen Verbindlichkeit regelmäßig nach den Umständen des Einzelfalls richtet, ist die Revision im vorliegenden Fall zur Klarstellung der Rechtslage zulässig. Die Revision ist aber nicht berechtigt.

Die Revisionswerberin macht im Wesentlichen geltend, der Zweitbeklagte sei infolge teleologischer Reduktion nicht als Verbraucher anzusehen. Es liege keine ruinöse Haftungsübernahme vor, weil es dem Zweitbeklagten freistehe, zwecks Begleichung der übernommenen Schuld einen Kredit in Anspruch zu nehmen. Die Unzumutbarkeit der Haftungsübernahme sei nicht erkennbar gewesen. Im Sinn der bisherigen Rechtsprechung widerspreche es dem Billigkeitsgedanken, einen Interzedenten, der über seine eigenen Einkommensverhältnisse unvollständige Angaben mache und seine fehlende Leistungsfähigkeit nicht offen lege, in den Genuss des Mäßigungsrechts kommen zu lassen. Dass die unvollständigen Angaben des Zweitbeklagten auf einem entschuldbaren Versehen beruht hätten und aus augenscheinlichen Gründen für ergänzungsbedürftig gehalten werden mussten, sei nicht einmal behauptet worden. Es gebe keinen Anschein des „Kennen müssens“. Zudem habe der Schuldbeitritt dazu gedient, den Fortbetrieb des Unternehmens sicher zu stellen und damit auch die Existenzgrundlage des Zweitbeklagten zu erhalten.

Dazu ist auszuführen:

Gemäß § 25d KSchG kann der Richter die Verbindlichkeit des Interzedenten insoweit mäßigen oder auch ganz erlassen, als sie unter Berücksichtigung aller Umstände in einem unbilligen Missverhältnis zur Leistungsfähigkeit des Interzedenten steht, sofern die Tatsache, dass der Verbraucher bloß Interzedent ist, und die Umstände, die dieses Missverhältnis begründet oder herbeigeführt haben, bei Begründung der Verbindlichkeit für den Gläubiger erkennbar waren.

1. Diese Bestimmung soll den Interzedenten nicht grundsätzlich von beschwerlichen Verpflichtungen entlasten, sondern zielt auf extreme Einzelfälle ab. Anwendungsfälle sind ruinöse Haftungen, die den Interzedenten langfristig wirtschaftlich ruinieren oder in erhebliche finanzielle Bedrängnis bringen.

2. Die richterliche Mäßigung setzt also voraus, dass a) der Interzedent Verbraucher ist, b) ein Missverhältnis zwischen Haftungsumfang und wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit des Interzedenten vorliegt und c) die für das Missverhältnis verantwortlichen Umstände für den Gläubiger erkennbar waren, wobei es auf die Umstände zur Zeit der Begründung der Verbindlichkeit ankommt.

Ad 2a): Der Geschäftsführer, der eine persönliche Bürgschaft für die Schulden einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung übernommen hat, ist mangels eines eigenen Unternehmens als Verbraucher anzusehen (RIS‑Justiz RS0065238). Hingegen ist die Verbrauchereigenschaft eines Gesellschafters in wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu beurteilen; darin liegt der Sache nach eine teleologische Reduktion (4 Ob 232/12i). Maßgeblich ist demnach, ob der betroffene Vertragspartner angesichts der Interessenidentität zwischen Gesellschafter und Gesellschaft in Wahrheit selbst unternehmerisch tätig wird und dementsprechend einen entscheidenden Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft nehmen kann (6 Ob 43/13m; 8 Ob 72/14t). Der Zweitbeklagte war aber als bloß formaler Geschäftsführer der Hauptschuldnerin weder am Kapital beteiligt, noch faktisch als Geschäftsführer tätig. Wie schon das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, besteht daher kein Anlass, ihn im Wege einer teleologischen Reduktion vom Anwendungsbereich des Mäßigungsrechts auszunehmen.

Ad 2b): Dass die Übernahme einer Verpflichtung zur Rückzahlung von neun ‑ mit Ausnahme eines Monats aufeinanderfolgenden ‑ Monatsraten á 20.000 EUR eine ruinöse Haftungsübernahme darstellt, die den Zweitbeklagten in erhebliche finanzielle Bedrängnis bringt, liegt bei dessen Einkommens‑ und Vermögenssituation (Monatseinkommen von 2.300 EUR bis etwa 2.400 EUR, Bestehen einer Sorgepflicht sowie von Kreditverbindlichkeiten in Höhe von derzeit 200.000 EUR) auf der Hand. Das Vorbringen der Revisionswerberin, es stünde dem Zweitbeklagten frei, zur Abdeckung der Verbindlichkeit einen Kredit in Klagshöhe aufzunehmen, erscheint im Hinblick darauf unrealistisch, dass der Zweitbeklagte bereits erheblichen Kreditverbindlichkeiten nachzukommen hat und keine Anhaltspunkte für das Vorhandensein entsprechender Sicherheiten (etwa Liegenschaftsvermögen) vorhanden sind.

Ad 2c): Zur gerichtlichen Mäßigung der Verbindlichkeit kann es nur dann kommen, wenn das unbillige Missverhältnis zur Leistungsfähigkeit des Verbrauchers dem Gläubiger bei Begründung der Verbindlichkeit zumindest erkennbar war (Kathrein/Schoditsch in KBB4 § 25d KSchG Rz 4 mwN). Die zur Mäßigung iSd § 25d KSchG führenden Umstände müssen im Zeitpunkt des Abschlusses der Interzessionsvereinbarung so weit vorhanden sein, dass sie für den Gläubiger bei entsprechender Aufmerksamkeit bereits erkennbar wurden oder erkennbar werden mussten (6 Ob 117/00z). Dabei trifft den Interzedenten die Behauptungs‑ und Beweislast für die Erkennbarkeit des krassen Missverhältnisses, will er doch seine Haftungserklärung gemäßigt erhalten (Mayrhofer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 25d KSchG Rz 27; 3 Ob 34/13s; 1 Ob 188/09t).

In den Gesetzesmaterialien wird zum Kriterium der Erkennbarkeit ausgeführt, dass damit diejenigen Fälle eliminiert werden sollen, in denen sich die ursprünglich guten wirtschaftlichen Verhältnisse eines Mithaftenden durch unvorhersehbare nachträgliche Entwicklungen deutlich verschlechtert haben, weil dem Gläubiger nicht von vornherein das Risiko des wirtschaftlichen Untergangs seines Vertragspartners aufgebürdet werden solle. Darüberhinaus mache das Element der Erkennbarkeit aber auch deutlich, dass § 25d KSchG ganz besonders präventive Funktionen erfüllen solle (ErläutRV 311 BlgNR 20. GP 27; RIS‑Justiz RS0113934).

§ 25c KSchG verpflichtet den Gläubiger, im Fall einer Interzession den Verbraucher auf die wirtschaftliche Lage des Schuldners hinzuweisen, wenn er erkennt oder erkennen muss, dass der Schuldner seine Verbindlichkeit voraussichtlich nicht oder nicht vollständig erfüllen wird. Die zu § 25c KSchG ergangene Rechtsprechung zur Erkennbarkeit geht dahin, dass zwar Prüf‑ und Informationspflichten im Zusammenhang mit dem „Kennenmüssen“ bestehen, diese aber nicht überspannt werden dürfen. So treffen den Gläubiger keine Nachforschungspflichten, die über die mit der notwendigen kaufmännischen Sorgfalt durchgeführte Bonitätsprüfung hinausgehen. Letztlich könne auch das Verhalten des Interzedenten und dessen Bereitschaft zur Übernahme der Interzession die Nachforschungspflichten und damit auch die Informationspflichten des Gläubigers einschränken (6 Ob 227/06k mwN).

Ebenso wie in § 25c KSchG stellt der Gesetzgeber auch in § 25d KSchG nicht auf die wirkliche Kenntnis, sondern auf die „Erkennbarkeit“ ab, woraus sich ergibt, dass dem Gläubiger zugemutet wird, die entsprechende Aufmerksamkeit aufzubringen und sich - gegebenenfalls ‑ ausreichend über den Vermögensstand des in Aussicht genommenen Interzedenten zu erkundigen (Mayrhofer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 25d KSchG Rz 26). Sei ein Fall gegeben, in dem die Gefahr einer unzumutbaren Gutstehung besteht,„verdichte“ sich nach Mayrhofer, aaO das im eigenen Interesse eines Gläubigers bestehende Anliegen auf Erkundigung zu einer Pflicht, um ‑ wie vom Gesetzgeber intendiert ‑ unzumutbare Gutstehungen präventiv zu vermeiden.

Davon zu unterscheiden sind jene Fälle, in denen der in Aussicht genommene Interzedent zwecks Erlangung der Kreditgewährung seine Vermögensverhältnisse bewusst falsch als zu günstig angibt, indem er unrichtige oder unvollständige Angaben macht und (auf diese Weise) seine fehlende Leistungsfähigkeit nicht offen legt. Sind die Falschangaben für den Gläubiger nicht durchschaubar, schließt dies die Erkennbarkeit und die Mäßigung in dem Umfang aus, in dem die Angaben unrichtig waren (6 Ob 156/03i; 2 Ob 15/13i). Nicht ableiten lässt sich aus diesen Entscheidungen, dass ‑ wie die Revisionswerberin offenbar vermeint ‑ eine Erkennbarkeit des Missverhältnisses immer dann zu verneinen sei und selbst einfache und zumutbare Erhebungen des Gläubigers unterbleiben könnten, wenn der Interzedent seine Vermögensverhältnisse nicht von sich aus ‑ also aus eigener Inititiative ‑ bekanntgegeben hat.

Im vorliegenden Fall weist schon die exorbitante Höhe der einzelnen ‑ mit einer Ausnahme aufeinanderfolgenden ‑ Monatsraten von 20.000 EUR, die für einen „Normalverdiener“ aus seinem Einkommen auch nicht annähernd leistbar sind, ganz offenkundig auf ein mögliches Missverhältnis hin. War bereits aus der auffälligen Höhe der einzelnen Raten in augenscheinlicher Weise die Gefahr einer unzumutbaren Haftungsübernahme erkennbar, hätte die Klägerin im Rahmen der Besprechung vom 7. 12. 2012 durch einfaches Nachfragen die Einkommens‑ und Vermögensverhältnisse des Zweitbeklagten feststellen können, um die Gefahr der Begründung einer unzumutbaren Haftungsübernahme gar nicht entstehen zu lassen (vgl ErläutRV 311 BlgNR 20. GP 27; Mayrhofer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 25d KSchG Rz 26). Derartige ‑ durchaus zumutbare ‑ Fragen haben die Vertreter der Klägerin (deren Geschäftsführer und die Finanzbuchhalterin) aber an den Zweitbeklagten im Rahmen der Besprechung am 7. 12. 2012 nicht gerichtet, sondern ihm ohne Erwähnung des Schuldbeitritts das vorgefertigte Schriftstück zur Unterzeichnung vorgelegt. Davon, dass der Zweitbeklagte allein infolge seiner Bereitschaft zur Unterfertigung seine ausreichende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit derart unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hätte, dass die Erkundigungspflicht der Gläubigerin gänzlich entfallen konnte, ist im Hinblick auf die Umstände des vorliegenden Falls nicht auszugehen. Vielmehr hat die Gläubigerin trotz der augenscheinlichen Gefahr einer unzumutbaren Haftungsübernahme keine Reaktion gesetzt und die offenkundig erforderliche Abklärung der Leistungsfähigkeit des Zweitbeklagten unterlassen. Hätte die Gläubigerin aber die gehörige Aufmerksamkeit aufgewendet, wären ihr die zum Missverhältnis führenden Umstände iSd § 25d KSchG erkennbar gewesen. Die in § 25d Abs 1 KSchG genannten Voraussetzungen für das Mäßigungsrecht sind daher zu bejahen.

3.1 Die Umstände, die bei der Entscheidung nach Abs 1 zu einer Mäßigung der Haftung des Interzedenten führen können, sind beispielhaft in § 25d Abs 2 KSchG angeführt. Genannt sind das Interesse des Gläubigers an der Begründung der Haftung des Interzedenten (Z 1); das Verschulden des Interzedenten an den Umständen, die das in Abs 1 genannte Missverhältnis begründet oder herbeigeführt haben (Z 2); der Nutzen des Interzedenten aus der Leistung des Gläubigers (Z 3) sowie der Leichtsinn, die Zwangslage, die Unerfahrenheit, die Gemütsaufregung oder die Abhängigkeit des Interzedenten vom Schuldner bei Begründung der Verbindlichkeit (Z 4). Es genügt, wenn auch nur einzelne Kriterien verwirklicht sind, unter Umständen aber mit besonderer Intensität. Damit stehen die Kriterien des § 25d Abs 2 KSchG in einem beweglichen System (RIS‑Justiz RS0123068; Mayrhofer aaO Rz 28 mwN).

3.2 Die Revisionswerberin nimmt auf § 25d Abs 2 Z 3 KSchG Bezug und vertritt den Standpunkt, dieses Kriterium spreche gegen eine Mäßigung, da der Zweck des Schuldbeitritts in der Sicherstellung des Fortbetriebs des Unternehmens gelegen war und damit auch der Erhaltung der Existenzgrundlage des Zweitbeklagten gedient habe.

Zwar wurde in der Entscheidung 1 Ob 188/09t davon ausgegangen, dass die Ratenvereinbarung dem Geschäftsführer einer GmbH insoweit nutze, als infolge Fortführung des Unternehmens dessen Existenzgrundlage zunächst erhalten bleibe (siehe auch 8 Ob 100/03v; ErläutRV 311 BlgNR 20. GP 29). Im vorliegenden Fall ist aber zu berücksichtigen, dass der Zweitbeklagte lediglich als „pro forma Geschäftsführer“ fungierte und für seine Tätigkeit insgesamt monatlich nur 2.300 bis 2.400 EUR (bestehend aus Werkvertragsentgelten und Bezug als gewerberechtlicher Geschäftsführer) erhielt, ohne am Erfolg des Unternehmens beteiligt gewesen zu sein oder eine Erfolgsbeteiligung auch nur in Aussicht zu haben. Sein Interesse bzw Vorteil könnte nur darin gelegen sein, dass ihm das Unternehmen als Dienstgeber bzw Werkvertragspartner erhalten blieb. Dass er zu diesem Zweck eine persönliche Haftung für Geschäftsverbindlichkeiten in Höhe von 170.000 EUR (in ‑ mit einer Ausnahme ‑ aufeinanderfolgenden Monatsraten in Höhe von 20.000 EUR) eingegangen wäre, ist bei realistischer Betrachtungsweise nicht anzunehmen.

4. Ein objektiv berechtigtes Interesse der Gläubigerin an der Begründung der Mithaftung, das etwa darin bestehen könnte, den Zweitbeklagten als eine der Hauptschuldnerin nahe stehende Person in eine wirtschaftliche „Risikogemeinschaft“ einzubinden und so die ordnungsgemäße Geschäftsabwicklung zu fördern, ist im Hinblick auf dessen mangelnde Kompetenzen und Einflussmöglichkeit zu verneinen (§ 25d Abs 2 Z 1 KSchG). Für eine Mäßigung spricht weiters die zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Schuldbeitritts gegebene wirtschaftliche Abhängigkeit des Zweitbeklagten von Ottokar L***** bzw der ehemals Erstbeklagten (§ 25d Abs 2 Z 4 KSchG). Vor allem steht aber das Kriterium des krassen Missverhältnisses zwischen der Leistungsfähigkeit des Zweitbeklagten und dessen Verpflichtung bei einer Herabsetzung der Verbindlichkeit im Wege der Mäßigung im Vordergrund. Wenngleich dieses Kriterium in § 25d Abs 2 KSchG nicht (nochmals) unmittelbar einbezogen werden kann, ist es doch der Abstufung zugänglich und hat Einfluss auf die Gesamtbewertung (RIS‑Justiz RS0115165 [T2]).

5. Bei dieser Abwägung erscheint die vom Berufungsgericht vorgenommene Mäßigung der Haftung des Zweitbeklagten angemessen, zumal auch die Revision zum konkreten Ausmaß der Mäßigung keine inhaltlichen Ausführungen enthält.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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