Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil dahin dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Der Revisionsantrag, Zinsen wie im Klagebegehren zuzusprechen ("Zinsenberechnung vierteljährlich, kapitalisierte Zinsen 3,750 % aus 106.952,66 ab 28 04 01"), wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die mit 1.179,12 EUR (darin 196,52 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 929,74 EUR (darin 66,62 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Sohn des Beklagten beabsichtigte im Jahr 1999 im Wege der Drittfinanzierung einen PKW zu kaufen. Wegen seines geringen Einkommens und hoher Schulden musste er einen Bürgen stellen. Eine Interzession seiner Ehegattin, die damals in Karenz war, reichte für eine Kreditgewährung nicht aus, sodass der Sohn und sein Vater (der Beklagte) beim Autoverkäufer erschienen und dort verschiedene Angaben über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse machten, die für die an die Kreditbank weitergegebenen Selbstauskünfte verwendet wurden. Der für den Erwerb des PKWs erforderliche Kredit wurde aufgrund dieser Auskünfte gewährt. Der Autokäufer, seine Gattin und der Beklagte fertigten ihr von der Klägerin angenommenes Kreditanbot als Solidarschuldner. Der Kredit wurde notleidend.
Mit ihrer Klage vom 28. 6. 2001 begehrte die Klägerin von den drei Kreditschuldnern die Rückzahlung des fälliggestellten Kredits. Gegen den Sohn und dessen Gattin ergingen Zahlungsbefehle, die in Rechtskraft erwuchsen. Der Vater (der Beklagte) erhob Einspruch und wandte im Wesentlichen Folgendes gegen das Zahlungsbegehren ein:
Der Beklagte sei vom Autoverkäufer zur Bürgschaftsübernahme gedrängt und "überrumpelt" worden. Er habe den Verkäufer über eine schon erfolgte Abtretung des pfändungsfreien Teils seiner Pension von 14.000 S monatlich wegen einer für den Sohn übernommenen Bürgschaft für einen Kredit von mehreren hunderttausend Schilling aufgeklärt. Dem Beklagten sei zugesichert worden, dass die Bürgschaft nur unter der Bedingung gelte, dass die Pensionsversicherungsanstalt der Übertragung des exekutionsfreien Teils der Pension zustimme. Diese Zustimmung sei verweigert worden. Die Bürgschaftserklärung sei wegen des krassen Missverhältnisses der Haftung von 118.000 S zu der Leistungsfähigkeit sittenwidrig. Hilfsweise sei die Verbindlichkeit im Sinne des § 25d KSchG zu mäßigen. Der Beklagte sei außerstande, innerhalb eines überschaubaren Zeitraumes von sieben Jahren auch nur einen Bruchteil des Rückzahlungsbetrages aufzubringen. Die Haftung des Beklagten sei gemäß § 25c KSchG ungültig, weil der für die Klägerin handelnde Autoverkäufer erkennen hätte können, dass der Hauptschuldner nicht imstande sein werde, die Verbindlichkeit zu tilgen, worüber der Beklagte aber nicht aufgeklärt worden sei. Die Haftungssumme stehe in einem krassen Missverhältnis zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Beklagten. Nach Abzug verschiedener Fixkosten hätte der Beklagte nur rund 100 EUR monatlich zur Verfügung.
Die Klägerin brachte vor, dass der Ankaufskredit unter der Auflage des Abschlusses einer Restschuldversicherung gewährt worden sei. Sie habe von einer Verschuldung des Beklagten keine Kenntnis gehabt.
Unstrittig ist die Fälligkeit der Zahlungsverpflichtung und die Höhe der Klageforderung.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Von seinen Feststellungen ist zusammengefasst Folgendes hervorzuheben:
Der Beklagte habe den Autoverkäufer weder über eine schon bestehende Bürgenhaftung für einen anderen Kredit des Sohns und schon erfolgte Zahlungen des Bürgen noch über eine bestehende Vormerkung (Verpfändung) des Pensionseinkommens des Beklagten informiert. Exekutionen gegen den Sohn des Beklagten seien verschwiegen worden. Der Beklagte habe alle Verbindlichkeiten seines Sohnes gekannt. Dieser habe zugesichert, dass er eine zusätzliche Beschäftigung annehmen und die Kreditraten selbst zahlen werde. Eine Zustimmung der Pensionsversicherungsanstalt zur Kreditaufnahme sei nicht zur Bedingung des Kreditgeschäftes gemacht worden. Im Kreditvertrag sei eine Gehaltsverpfändung als Sicherheit vorgesehen worden. Die von den Solidarschuldnern gemachten Angaben seien auf einem Selbstauskunftsformular festgehalten und der Klägerin übermittelt worden. Der Beklagte erhalte Pensionszahlungen von ca 1.000 EUR. Er habe monatlich eine Miete von 363,36 EUR, Betriebskosten von 72,67 EUR, eine Kreditrückzahlungsrate an die Allgemeine Sparkasse von 254,35 EUR, eine Lebensversicherungsprämie von 44,40 EUR, Kosten für den PKW von 109 EUR, Medikamentenkosten von 36,33 EUR sowie für eine Haushaltsversicherung 36,33 EUR zu leisten. Der Beklagte habe für seinen Sohn im Jahr 1997 eine Bürgschaft bei der Sparkasse Wels in der Höhe von einigen hunderttausend Schilling übernommen. Die exekutionsfähigen Bezüge aus der Pension seien aufgrund dieses Kredites an die Bank abgetreten worden.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht im Wesentlichen aus, dass weder der Beklagte noch sein Sohn den Autoverkäufer und die Bank über die wahre Vermögenssituation in Kenntnis gesetzt hätten. Es sei lediglich bekannt gewesen, dass der Sohn überschuldet gewesen sei. Die Klägerin habe annehmen können, dass der Beklagte leistungsfähig wäre, weil er nach eigenen Angaben über eine Pension von 1.000 EUR monatlich verfügte. Das nach § 25d KSchG erforderliche unbillige Verhältnis zwischen der Verbindlichkeit und der Leistungsfähigkeit des Bürgen sei nicht so weit vorhanden gewesen, dass dies auch für die Klägerin erkennbar habe sein müssen. § 25c KSchG komme ebensowenig zur Anwendung.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten teilweise Folge und dem Klagebegehren zur Hälfte statt. Das Mehrbegehren von 3.886,27 EUR wurde abgewiesen. Das Berufungsgericht übernahm die erstinstanzlichen Feststellungen und führte in rechtlicher Hinsicht im Wesentlichen aus, dass der Beklagte als Interzedent den Schutzbestimmungen des KSchG unterliege. Ein Haftungsausschluss wegen Verletzung der Aufklärungspflicht nach § 25c KSchG liege hier nicht vor, weil der Beklagte über die wirtschaftliche Situation seines Sohnes besser informiert gewesen sei als die Klägerin, sodass nicht unterstellt werden könne, dass die Klägerin erkannte oder erkennen hätte müssen, dass der Kredit notleidend werden würde. Aufgrund der relativ geringen Höhe des aufgenommenen Kredits zur Anschaffung eines für berufliche Zwecke benötigten PKWs seien keine Nachforschungen der Bank über die dem Beklagten ohnehin bekannte "Bonität" seines Sohnes erforderlich gewesen. Eine Nichtigkeit des Kreditvertrages gemäß § 879 Abs 2 Z 4 ABGB sei nach den getroffenen Feststellungen zu verneinen. Es sei jedermann unbenommen, auch risikoreiche Geschäfte abzuschließen und sich zu Leistungen zu verpflichten, die er nur unter besonders günstigen Bedingungen erbringen könne. Gemäß § 25d KSchG sei allerdings die Haftung des Beklagten auf 50 % zu mäßigen. Der auch für die Bank agierende Autohändler sei zwar nicht konkret über die über die Ausgaben des täglichen Lebens hinausgehenden (monatlichen) Belastungen des Beklagten aufgeklärt worden, der Klägerin sei aber das Missverhältnis zwischen der neuen Verbindlichkeit des aus der Mithaftung keinen Nutzen ziehenden Beklagten und seiner unverändert gebliebenen Leistungsfähigkeit (monatliche Belastungen von 916,44 EUR) erkennbar gewesen. Das Vorliegen eines unbilligen Verhältnisses sei hier "noch zu bejahen".
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil zu den Kriterien für die prozentmäßige Höhe der Mäßigung nach § 25d KSchG keine gefestigte Rechtsprechung vorliege.
Mit ihrer ordentlichen Revision beantragt die Klägerin, dem Klagebegehren zur Gänze stattzugeben, hilfsweise die Aufhebung zur Verfahrensergänzung.
Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben und steht überdies auf dem Standpunkt, dass die Revision unzulässig sei.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig und im Sinne einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils auch berechtigt.
Zu der von den Vorinstanzen verneinten Sittenwidrigkeit des Kreditgeschäftes gemäß § 879 ABGB genügt der Verweis auf die zutreffende Begründung des Berufungsgerichtes. Gleiches gilt für den auf § 25c KSchG gestützten Einwand des Beklagten. Eine Verletzung der Aufklärungspflicht scheitert schon an der getroffenen Feststellung, dass der Beklagte über alle Verbindlichkeiten seines Sohnes und dessen schlechte wirtschaftliche Lage genau informiert war. Schließlich war er aufgrund seiner Bürgenhaftung für den Kredit des Sohnes aus dem Jahr 1997 bereits in Anspruch genommen worden.
Zum Mäßigungsrecht nach § 25d KSchG:
Das richterliche Mäßigungsrecht setzt voraus, dass 1. ein Missverhältnis des Haftungsumfanges und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Interzedenten vorliegt und dass 2. die für das Missverhältnis verantwortlichen Umstände für den Gläubiger auch erkennbar waren. Dabei kommt es auf die Umstände zum Zeitpunkt der Begründung der Verbindlichkeit an (7 Ob 261/99d; 6 Ob 117/00z; 6 Ob 184/00b). Auch wenn das Missverhältnis zwischen der Solidarschuld und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Beklagten nach den Feststellungen über die monatlichen Fixkosten bejaht werden könnte, liegt die weitere Voraussetzung der Erkennbarkeit für den Gläubiger - über diesen Umstand trifft den Beklagten, der sich auf das Mäßigungsrecht beruft, die Beweislast - nicht vor. Das Berufungsgericht begründet die Erkennbarkeit des Missverhältnisses ausschließlich mit den festgestellten objektiven finanziellen Verhältnissen des Beklagten, ohne ein Argument ins Treffen zu führen, aus welchen Gründen die Klägerin darüber trotz der unvollständigen Selbstauskünfte des Beklagten und seines Sohnes (insbesondere über die monatliche Vorbelastung mit einer Kreditrückzahlung in der Höhe vn 254,36 EUR) Kenntnis erlangen hätte können. Zu diesem Thema hat der Beklagte nicht einmal ein ausreichendes Parteivorbringen erstattet, etwa dahin, dass der klagenden Bank die fehlende Leistungsfähigkeit bekannt gewesen sei oder dass sie zumindest aufgrund bestimmter zumutbarer Erhebungen das Missverhältnis leicht feststellen hätte können. Der festgestellte Sachverhalt indiziert vielmehr, dass alle drei Solidarschuldner bei ihren Selbstauskünften bewusst unvollständige Angaben machten, um die Kreditgewährung nicht zu gefährden. Aus guten Gründen wurde eine Überrumpelung des Interzedenten verneint. § 25d KSchG ist eine Billigkeitsvorschrift zugunsten vermögensschwacher Familienangehöriger, die für Verbindlichkeiten ihres nahen Verwandten gutstehen. Es würde dem Billigkeitsgedanken widersprechen, wenn sich ein Interzedent, der über seine eigenen Einkommensverhältnisse unvollständige Angaben macht und seine fehlende Leistungsfähigkeit nicht offenlegt, in den Genuss des Mäßigungsrechtes kommen zu lassen, es sei denn, die unvollständigen Angaben beruhten auf einem entschuldbaren Versehen und hätten für die Gläubigerin aus augenscheinlichen Gründen für ergänzungsbedürftig gehalten werden müssen. Da der Beklagte dazu und zu einer etwaigen Prüfpflicht der Bank über die Richtigkeit der Angaben in der Selbstauskunft nichts ausführte und unter Beweis stellte, kann nach dem festgestellten Sachverhalt nicht von einer Erkennbarkeit der für das Missverhältnis verantwortlichen Umstände ausgegangen werden. Das erstinstanzliche Urteil ist daher wieder herzustellen.
Die Revisionswerberin strebt eine volle Stattgebung ihres Klagebegehrens an. Die Klägerin hatte den Zuspruch von 3,75 % Zinsen aus dem Klagebetrag, vierteljährlich und bei vierteljährlicher Kapitalisierung verlangt. Das Erstgericht sprach lediglich 3,75 % Zinsen seit 28. 4. 2001 zu, ohne ein Mehrbegehren abzuweisen. Einem Berichtigungsantrag der Klägerin wurde vom Berufungsgericht mit der Begründung nicht Folge gegeben, dass die Klägerin keine Berufung erhoben und auch keinen Ergänzungsantrag nach § 423 ZPO gestellt habe (ON 21). Über das im Revisionsantrag enthaltene Zinsenmehrbegehren liegt daher eine schon in Rechtskraft erwachsene Vorentscheidung vor, die einem höheren (anderen) Zinsenzuspruch entgegensteht.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 43 Abs 2 und § 50 Abs 1 ZPO.
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