OGH 6Ob227/06k

OGH6Ob227/06k9.11.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** AG, *****, vertreten durch Herdey & Gsellmann Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei Marc S*****, vertreten durch Dr. Hannes Pflaum und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen 87.281,41 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 22. Juni 2006, GZ 4 R 45/06d-62, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. § 25c KSchG verpflichtet den Gläubiger, im Falle einer Interzession den Verbraucher auf die wirtschaftliche Lage des Schuldners hinzuweisen, wenn er erkennt oder erkennen muss, dass der Schuldner seine Verbindlichkeit voraussichtlich nicht oder nicht vollständig erfüllen wird. Der Begriff umfasst auch die Übernahme der Haftung für eine bereits bestehende fremde Verbindlichkeit (Kathrein in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB [2006] § 25c KSchG Rz 3).

2. Die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass der Gläubiger die wirtschaftliche Notlage des Schuldners kannte oder kennen musste, trifft den Interzedenten; wird aber der Kreditgeber selbst aktiv, um die Interzession des Verbrauchers zu erreichen, so weist das prima facie darauf hin, dass er die Einbringlichkeit der Hauptschuld als nicht gesichert ansah (RIS-Justiz RS0113882; Kathrein, aaO Rz 7).

2.1. Das Erstgericht hat festgestellt, die Klägerin habe nicht erkannt, dass die Kreditnehmerin als Hauptschuldnerin ihre Verbindlichkeiten voraussichtlich nicht oder nicht vollständig erfüllen werde. Damit ist aber der Anschein bereits widerlegt; einen Anschein des „Kennenmüssens", wie der Beklagte offensichtlich meint, gibt es nicht. Im Übrigen verneint der Oberste Gerichtshof diesen prima-facie-Beweis dann, wenn der Hauptschuldner - so wie im vorliegenden Fall - eine erst ganz knapp vor der Interzession gegründete Gesellschaft mbH war (3 Ob 58/05h = JBl 2006, 384).

2.2. Im Zusammenhang mit dem „Kennenmüssen" dürfen die Prüf- und Informationspflichten des Gläubigers nicht überspannt werden. Es treffen ihn keine Nachforschungspflichten, die über die mit der notwendigen kaufmännischen Sorgfalt durchgeführte Bonitätsprüfung hinaus gehen; letztlich kann auch das Verhalten des Interzedenten und dessen Bereitschaft zur Übernahme der Interzession die Nachforschungs- und damit auch die Informationspflichten des Gläubigers einschränken (Kathrein, aaO Rz 6; 7 Ob 261/99d = ÖBA 2000, 527).

Nach den der Klägerin zum Zeitpunkt der Interzession vorliegenden Unterlagen war es ihr nicht möglich, eine wirtschaftlich nachteilige Entwicklung der Kreditnehmerin vorauszusehen. Schwierigkeiten hätten sich nur erkennen lassen, wenn die Klägerin sich die Zwischenbilanz der Kreditnehmerin zum 30. 6. 2000 beschafft oder deren Steuerberater kontaktiert hätte. Allerdings hätte auch eine ex-ante-Betrachtung des wirtschaftlichen Zustands der Kreditnehmerin zum 28. 8. 2000 keinen unmittelbaren Anlass gegeben, am Fortbestand des Unternehmens zu zweifeln; dass die Kreditnehmerin einen Steuerberater hatte, war der Klägerin nicht bekannt.

Auch unter Beachtung der vom Beklagten in der außerordentlichen Revision zitierten Entscheidung 8 Ob 121/05k kann somit nicht von einer Verletzung der Prüf- und Informationspflichten der Klägerin ausgegangen werden. Im Übrigen richtet sich die Beurteilung der Frage, ob dem Gläubiger bekannt oder erkennbar war, dass der Hauptschuldner seine Verbindlichkeit voraussichtlich nicht (vollständig) erfüllen werde, nach den Umständen des Einzelfalls (vgl die Nachweise bei Apathy in Schwimann, ABGB³ V [2006] § 25c KSchG Rz 4).

3. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs wird derjenige selbst unternehmerisch tätig, der als Unternehmensgründer die Organisationsform einer „Ein-Mann-GmbH" wählt und in der Folge selbst Mitkreditnehmer der Gesellschaft mbH wird, weil dieser ein Kredit wegen fehlender Sicherheiten nicht gewährt würde (RIS-Justiz RS0116313). Diese Rechtsprechung soll nach Auffassung der Vorinstanzen nicht zulasten des Beklagten anwendbar sein, weil er die Interzessionsurkunden 2 Tage vor Übernahme der Gesellschaftsanteile an der Kreditnehmerin unterfertigt hat.

4. Selbst wenn dies (3.) trotz des engen zeitlichen und sachlichen

Zusammenhangs der Interzessionserklärung mit der Übernahme der

Gesellschaftsanteile tatsächlich richtig sein sollte, ist es aber

ebenso ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass die

Interzedenteneigenschaft im Sinne des § 25c KSchG in jenen Fällen zu

verneinen ist, in denen ein Eigeninteresse des Haftenden an der

Kreditgewährung bestanden hat, wenn also die gewährten Kreditmittel

(auch) dem Interzedenten zugute kamen oder kommen sollten (7 Ob

65/04s = ÖBA 2005, 51 [Anschaffung von Möbeln für die gemeinsame

Wohnung]; 7 Ob 89/04w = ÖBA 2005, 52 [Finanzierung eines gemeinsamen

Hauses]; 5 Ob 33/05x = ZIK 2005/216 [Abdeckung eines aufgrund der

Reparatur des gemeinsamen PKW überzogenen Kontos]; vgl auch 10 Ob 34/06p; krit P. Bydlinski, ÖBA 2005, 53; Kathrein, aaO Rz 3; Apathy, aaO Rz 1).

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen träumte der Beklagte, „endlich Inhaber eines eigenen Unternehmens zu werden". Voraussetzung für die Übernahme der Gesellschaftsanteile des ursprünglichen Alleingesellschafters war aber dessen Haftungsentlassung durch die Klägerin. Diese verlangte wiederum die selbstschuldnerische Mithaftung des Beklagten. Hätte er eine derartige Erklärung abgelehnt, hätte sich sein Traum vom eigenen Unternehmen nicht erfüllt. Dann erfolgte die Interzession aber im eigenen Interesse des Beklagten.

Damit war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.

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