OGH 1Ob29/15v

OGH1Ob29/15v23.4.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dkfm. P***** W*****, vertreten durch Mag. Dr. Josef Kartusch, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei U***** AG, *****, vertreten durch Wiedenbauer Mutz Winkler Pramberger Rechtsanwälte GmbH, Klagenfurt, wegen Vorrangseinräumung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 3. Dezember 2014, GZ 4 R 53/14t‑32, mit dem das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 28. November 2013, GZ 25 Cg 59/11g‑27, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird zurückgewiesen.

Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO abgewiesen.

Begründung

Die Ehefrau des Klägers bestellte im Jahr 2000 zur teilweisen Sicherstellung der Forderung der beklagten Partei aus einem mit ihrem Sohn abgeschlossenen Kreditvertrag mit Wohnungseigentum untrennbar verbundene Miteigentumsanteile bis zu einem Höchstbetrag von 1,3 Millionen S zum Pfand. Diesem Pfandrecht kommt aufgrund der ohne Gespräche mit Mitarbeitern der beklagten Partei vor einem Notar unterfertigten Vorrangeinräumungserklärung des Klägers vom 7. 9. 2000 der Vorrang vor dem zu seinen Gunsten einverleibten Belastungs-und Veräußerungsverbot zu. Aus den vom Hauptschuldner der Bank übergebenen Unterlagen hatte sich ergeben, dass der Hauptschuldner durch Privatentnahmen zur Finanzierung der Spielsucht in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten war und eine Rückführung des Kredits aus dem Geschäftsgang der von ihm betriebenen Trafik möglich gewesen wäre. Die beklagte Partei ging bei der Gewährung des Kredits davon aus, dass der Hauptschuldner nicht mehr spielsüchtig war. Sie musste aufgrund der Umstände nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass der Kredit notleidend werden würde. Der Kläger erlangte erst 2004 davon Kenntnis, dass der Sohn seiner Ehefrau Schulden aufgrund seiner Spielsucht hatte. Zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung im Verfahren erster Instanz war im Zwangsversteigerungsverfahren dem Ersteher der Anteile der Zuschlag der Miteigentumsanteile rechtskräftig erteilt worden.

Der Kläger begehrt ‑ soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung ‑ die Einräumung des Vorrangs der Dienstbarkeit des Wohnungsgebrauchs‑ und Benutzungsrechts gemäß Punkt 2. des notariellen Dienstbarkeitsvertrags vom 10. 6. 2009 vor dem Pfandrecht der beklagten Partei samt Erklärung des Einverständnisses zur grundbücherlichen Einverleibung; in eventu die Feststellung, dass dieses einverleibte Dienstbarkeitsrecht dem einverleibten Pfandrecht der Beklagten vorgehe.

Er brachte dazu vor, der beklagten Partei sei sein lebenslanges Wohnungsrecht bekannt gewesen. Deren Verhalten sei sittenwidrig und listig gewesen. Sie habe gewusst, dass der Sohn seiner Ehefrau spielsüchtig gewesen sei und sich dessen Überschuldung aufgrund überdimensionaler Privatentnahmen ergeben habe. In Kenntnis der tatsächlichen finanziellen Lage und der Spielsucht des Kreditnehmers hätte er weder einer „Satzweichung“ des Belastungs‑ und Veräußerungsverbots zugunsten des Pfandrechts der beklagten Partei zugestimmt, noch einen Vorrang vor seinem Wohnungsrecht eingeräumt.

Das Erstgericht wies das im Revisionsverfahren noch strittige Klagebegehren ab (Die Ab‑ bzw Zurückweisung weiterer Eventualbegehren blieb unbekämpft.).

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die ordentliche Revision nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

In seiner außerordentlichen Revision zeigt der Kläger keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung auf.

1. Ein in zweiter Instanz verneinter Mangel des Verfahrens erster Instanz (wie hier die Nichteinholung eines Gutachtens oder die unterlassene Einvernahme eines Zeugen) kann in dritter Instanz nicht mehr geltend gemacht werden (RIS‑Justiz RS0042963).

2. Allein das Fehlen höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu einer bestimmten Fallgestaltung begründet für sich noch nicht eine erhebliche Rechtsfrage (vgl RIS‑Justiz RS0102181; RS0042656), insbesondere wenn diese trotz neuer Sachverhaltselemente bereits mit Hilfe vorhandener Leitlinien höchstgerichtlicher Rechtsprechung gelöst werden kann (RIS‑Justiz RS0042656 [T48]). Die höchstgerichtliche Rechtsprechung, wonach eine analoge Anwendung der §§ 25c, 25d KSchG auf Pfandbesteller nicht in Betracht kommt (RIS‑Justiz RS0116829), ist in diesem Sinn jedenfalls auch auf bloß Verbotsberechtigte zu übertragen. Diese tragen ‑ anders als der Pfandbesteller ‑ nicht (einmal) das Risiko des Verlusts des Eigentums. Dem Verfahren zu 3 Ob 198/12g lag ebenfalls eine durch die Unterlassung einer behauptetermaßen gebotenen Aufklärung veranlasste Vorrangseinräumung vor ihren beschränkten dringlichen Rechten zu Grunde. Schon in dieser Entscheidung erläuterte der Oberste Gerichtshof, dass es in einem solchen Fall unzweifelhaft an einem Beitritt zu einer materiell fremden Verbindlichkeit als Interzedent oder an einer vergleichbaren Situation fehle, die (bei planwidriger Lücke allenfalls) zu einem Analogieschluss führen könne, und verneinte Informationspflichten der Bank.

3. Außerhalb des Anwendungsbereichs des § 25c KSchG kann eine Warnpflicht der Bank gegenüber dem Pfandbesteller nur dann ‑ ausnahmsweise ‑ angenommen werden, wenn sie weiß, dass der Hauptschuldner mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zur Rückzahlung des Kredits in der Lage sein werde (RIS‑Justiz RS0026805; zuletzt 6 Ob 249/10a) und zudem damit rechnen musste, dass ihm dieser Umstand nicht ebenfalls bewusst ist (RIS‑Justiz RS0026805 [T5]). Schon Ersteres steht im vorliegenden Fall nicht fest, weswegen nicht erörtert werden muss, ob eine solche Warnpflicht nicht nur gegenüber dem Pfandbesteller, sondern auch gegenüber dem Verbotsberechtigten bestünde.

Mit seinen Behauptungen, er sei bewusst (iS von arglistig) nicht über eine (noch bestehende) Spielsucht und die finanzielle Situation des Sohnes seiner Ehefrau aufgeklärt worden, entfernt sich der Kläger vom festgestellten Sachverhalt. Weichen aber die Ausführungen zum Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung von den Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen ab, können sie insoweit nicht weiter behandelt werden (RIS‑Justiz RS0043312 [T12]). Die Rechtsrüge ist dann nicht gesetzmäßig ausgeführt (vgl RIS‑Justiz RS0043312 [T14]).

4. Bestehen und Umfang von Beratungs‑ und Aufklärungspflichten von Banken sind grundsätzlich eine (irrevisible) Frage des Einzelfalls. Gegenteiliges gilt nur dann, wenn eine grobe Fehlbeurteilung vorliegt, die im Interesse der Rechtssicherheit korrigiert werden müsste (RIS‑Justiz RS0106373). In der Ansicht des Berufungsgerichts, Ansprüche auf Vertragsanfechtung wegen Irrtums, der nicht listig herbeigeführt wurde, seien verjährt, bewusste Täuschung sei nicht vorgelegen, unter den hier vorliegenden Umständen sei eine Aufklärungspflichtverletzung der Bank zu verneinen, liegt keine aufzugreifende Fehlbeurteilung.

5. Rechtsfragen von der Bedeutung des § 502 Abs 1 ZPO werden im Rechtsmittel des Klägers damit insgesamt nicht angesprochen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

6. Ein Kostenersatz für die ohne Freistellung eingebrachte Revisionsbeantwortung steht der beklagten Partei nach § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO nicht zu (RIS‑Justiz RS0043690 [T6, T7]).

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