OGH 11Os12/15x

OGH11Os12/15x10.3.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. März 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bachl als Schriftführerin in der Strafsache gegen Alois P***** wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 7. November 2014, GZ 10 Hv 100/13d-70, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0110OS00012.15X.0310.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugemittelt.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Alois P***** des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB (1./a./) und der Vergehen der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 298 Abs 1 StGB (1./b./) sowie der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1, Abs 4 StGB (2./) schuldig erkannt.

Danach hat er in U*****

1./ am 17. September 2012

a./ mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Berechtigte der A*****Aktiengesellschaft durch Täuschung über Tatsachen, indem er fälschlich vorgab, unbekannte Täter wären in der Nacht zuvor in die Räumlichkeiten des von ihm betriebenen und beim genannten Versicherungsunternehmen versicherten Großküchencenters eingedrungen und hätten dort die Lagerbestände sowie die Serveranlage beschädigt beziehungsweise zerstört, wodurch er einen Schaden in der Höhe von 202.510 Euro erlitten hätte, obwohl in Wahrheit die Beschädigungen durch ihn selbst beziehungsweise in seinem Auftrag erfolgt waren, zu einer Handlung, nämlich zur Bezahlung der Versicherungssumme in Höhe von 70.000 Euro verleitet, die das angeführte Versicherungsunternehmen in diesem Betrag am Vermögen schädigte;

b./ dem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Beamten der Polizeiinspektion U***** Michael W*****, indem er diesem gegenüber die unter Punkt 1./a./ angeführte unrichtige Behauptung zur Anzeige brachte, wissentlich die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung, nämlich des Verbrechens der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 2 StGB vorgetäuscht;

2./ am (richtig:) 21. September 2012 als Zeuge in einem Ermittlungsverfahren nach der Strafprozessordnung vor der Polizeiinspektion U***** bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache falsch ausgesagt, indem er wissentlich wahrheitswidrig angab, am 17. September 2012 die Räumlichkeiten des Großküchencenters betreten und festgestellt zu haben, dass die Lagerräumlichkeiten unordentlich waren, die Lagerbestände in großen Mengen am Boden gelegen seien und der Server mit Säure überschüttet gewesen sei, er jedoch keinen Tatverdacht nennen könne, weil sein Unternehmen eine hohe Kundenfrequenz habe.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richtet der Angeklagte seine auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde.

Die eingangs der Verfahrensrüge (Z 4) erhobene Kritik, in der Hauptverhandlung am 26. November 2013 sei der für die Privatbeteiligte A*****- Aktiengesellschaft in dieser Sache als Gutachter tätig gewesene Gottfried L***** „anwesend gewesen, hat Fragen gestellt sowie Fragen des Senats“ beantwortet, bezieht sich nicht auf einen Antrag des Beschwerdeführers oder einen gegen seinen Antrag oder Widerspruch gefassten Beschluss, sodass insoweit die Beschwerdelegitimation fehlt (RIS‑Justiz RS0108863, RS0099112, RS0099250; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 302). Als Rüge nach § 281 Abs 1 Z 3 StPO infolge behaupteter Verletzung des § 126 Abs 4 StPO verstanden, genügt zu erwidern, dass Gottfried L***** gar nicht zum Sachverständigen bestellt wurde.

Den in der Hauptverhandlung am 17. Dezember 2013 (ON 32) gestellten Anträgen, Gottfried L***** wegen seiner vorangegangenen gutachterlichen Tätigkeit für die Privatbeteiligte nicht zum Sachverständigen zu bestellen, dessen Ausführungen nicht zu verlesen und den Genannten als Zeugen zu vernehmen (ON 32 S 3), wurde im Übrigen entsprochen (ON 32 S 9 f, ON 69 S 5).

Die Abweisung des Antrags auf Beiziehung eines Buchsachverständigen zum Beweis, dass der Angeklagte mit Blick auf sein „florierendes“ Unternehmen und die Höhe des entstandenen (den ausbezahlten Teil der Versicherungssumme von 70.000 Euro bei weitem übersteigenden) Schadens aus der Beschädigung „dringend und täglich benötigter Ersatzteile“ (ON 67 S 55 ff) keinen Vorteil gezogen hätte bzw mit der hypothetischen Zerstörung weniger dringend benötigter Vermögenswerte (Schauküchen, Neu- und Gebrauchtgeräte) ohne Beeinträchtigung des laufenden Geschäftsbetriebs wesentlich höhere Versicherungsleistungen zu lukrieren gewesen wären (ON 67 S 5 f iVm ON 31 S 4, ON 56 S 7), weswegen daraus ein auf unrechtmäßige Bereicherung gerichteter Vorsatz des Beschwerdeführers nicht abgeleitet werden könne, vermochte Verteidigungsrechte ebenfalls nicht zu verletzen. Denn unter Berücksichtigung des durch den Angeklagten gegenüber der Versicherung in Höhe von (richtig:) 202.510 Euro bekanntgegebenen Schadens (US 1, 4, 24 iVm ON 2 S 29) haben die Tatrichter einen die geleistete Teilzahlung in Höhe von 70.000 Euro deutlich übersteigenden Schaden ohnehin als erwiesen angenommen (RIS‑Justiz RS0099135, RS0124908, RS0099498; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 342). Die Motivation bei der Auswahl der zerstörten Gegenstände, ihr mit Kosten in Höhe von 112.386,68 Euro verbundener Ersatz und die (seitens des Rechtsmittelwerbers nicht näher begründete) Frage, durch welche konkret zerstörten Gegenstände der laufende Geschäftsbetrieb gestört beziehungsweise nicht beeinträchtigt werde, tangieren keine entscheidenden Tatsachen.

Dem weiteren Antrag (ON 67 S 5 ff), zum Beweis zuvor zum Nachteil des ehemaligen Geschäftsinhabers Florian G***** in das G***** Großküchencenter verübter Einbruchsdiebstähle die bezughabenden „UT‑Akten“ beizuschaffen, woraus sich ergeben würde, dass „das Tatmuster keinesfalls vom Angeklagten stammt“ und nur ein „unbekannter Täter … die Tat begangen haben kann“, gab das Gericht Folge (ON 67 S 8). Aus welchem Grund die in Durchführung dieses Beweisantrags erfolgte Verlesung des Amtsvermerks der Staatsanwaltschaft Graz in der Hauptverhandlung, wonach solche Akten nicht vorliegen (ON 69 S 5 iVm ON 1 S 27, US 13), die begehrte Beweisaufnahme somit undurchführbar (§ 55 Abs 2 erster Satz StPO) ist, zu beanstanden wäre, macht die Beschwerde nicht ersichtlich (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 339).

Entgegen der Mängelrüge (Z 5 erster Fall) betrifft die für die (aktuell gerade nicht angenommene) Durchtrennung bloß einzelner Adern des Kabels der Alarmanlage (US 11) erforderliche Zeitspanne keine entscheidende Tatsache.

Auch die ‑ für sämtliche unter dem Gesichtspunkt der Nichtigkeitsgründe relevanten Urteilsadressaten (RIS‑Justiz RS0117995) ‑ unzweifelhaft (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 419) auf eine Tatbegehung durch den Angeklagten abzielende Feststellung (US 15), dass dieser „entweder … am Abend des 16. September 2012 die Firma nicht verlassen, oder wenn er sie gemeinsam mit der Zeugin S***** verlassen hatte, … er dorthin wieder zurück[kehrte], um einen Einbruchsdiebstahl vorzutäuschen“, ist entgegen der verkürzten Darstellung des Rechtsmittelwerbers weder undeutlich noch im Widerspruch (Z 5 dritter Fall) zur konstatierten Alternative des (zunächst erfolgten) Verlassens des Betriebs „gegen 23:15 Uhr“ (US 14 f).

Soweit sich nach Auffassung des Angeklagten „derartige Undeutlichkeiten“ „durch die gesamten Feststellungen“ zögen, wird dieses pauschale („beispielhafte“) Vorbringen der Verpflichtung, den nichtigkeitsbegründenden Umstand deutlich und bestimmt zu bezeichnen (§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO) nicht gerecht (RIS‑Justiz RS0116879; Ratz, WK‑StPO § 285d Rz 10).

Den weiteren Ausführungen (Z 5 dritter Fall) zuwider stehen die Erwägungen, wonach der Angeklagte einerseits ab ca 21:30 Uhr etwaige ‑ bei gebotener Gesamtschau der Entscheidungsgründe (vgl RIS‑Justiz RS0099636; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 440): durch Dritte verursachte (US 11, 21 ff) ‑ Ereignisse innerhalb des Gebäudes nicht wahrgenommen hatte (US 10 f) und andererseits selbst eine Leitung der Alarmanlage durchtrennte, weshalb „um 22:58:15“ ein Sabotagealarm ausgelöst wurde (US 14), zueinander nicht im Widerspruch.

Die gegen die Annahme des dringenden Verdachts der Mitwirkung der Zeugin Helga S***** am Durchtrennen der Kabel (US 14) gerichtete Argumentation (Z 5 zweiter und vierter Fall) spricht einmal mehr keine entscheidende Tatsache an (RIS‑Justiz RS0106268; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 398). Dies trifft auch für die Frage zu, ob die genannte Zeugin am 17. September 2012 um 03:00 Uhr oder ‑ wie sich aus der einvernehmlich verlesenen Auskunft deren Dienstgebers (ON 57) ergibt ‑ von 07:15 bis 08:45 Uhr (ON 57 S 3) ihre Tätigkeit als Lenkerin eines Begleitfahrzeugs für Schwertransporte aufnehmen musste.

Eine über die subjektive Tatseite hinausgehende Motivation des Angeklagten für seine Tathandlungen hat keine Entscheidungsrelevanz (RIS‑Justiz RS0088761).

Mit seiner pauschal geübten Kritik, „das Erstgericht [hat sich] nicht einmal ansatzweise mit der subjektiven Tatseite auseinandergesetzt“, übersieht der Beschwerdeführer, dass der Schöffensenat mit Blick auf die Auslösung des Sabotagealarms durch den Angeklagten „subjektiv volle Gewissheit“ in Ansehung „seine[r] Täterschaft und Schuld“ gewonnen (US 24) und damit erkennbar aus dem äußeren Geschehensablauf rechtsstaatlich vertretbar auf das den Tathandlungen zu Grunde liegende Wollen und Wissen geschlossen hat (RIS‑Justiz RS0098671, RS0116882; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 452).

Soweit der Nichtigkeitswerber eigene, aus den vom Erstgericht erwogenen (US 24) Gutachten der gerichtlich bestellten Sachverständigen gewonnene Auffassungen den Urteilsannahmen gegenüberstellt, bekämpft er bloß unzulässig das Beweiswürdigungsermessen des Schöffengerichts nach Art einer nur im einzelrichterlichen Verfahren vorgesehenen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 451).

Die Tatsachenrüge (Z 5a) verfehlt ihr Ziel, indem sie unter Missachtung der Gesamtheit der beweiswürdigenden Erwägungen (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 487) mit isoliertem Verweis auf die ‑ im Übrigen in die Erwägungen der Tatrichter einbezogene (US 20 f) ‑ Aussage der Helga S***** den nicht verfahrensgegenständlichen und damit nicht entscheidenden Verdacht der Beitragstäterschaft der Genannten (als „vollkommen lebensfremd“ und „absolut nicht nachvollziehbar“) in Frage stellt und behauptet, das Erstgericht hätte es „vollkommen unterlassen“, deren Angaben „richtig zu würdigen“ und damit zugleich die konstatierten Tathandlungen des Angeklagten bestreitet. Erhebliche Bedenken (RIS‑Justiz RS0119583) gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen vermag sie dadurch beim Obersten Gerichtshof nicht zu wecken.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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