Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO abgewiesen.
Begründung
Die Klägerin schloss mit der beklagten Partei im Zeitraum von 2005 bis 2008 zahlreiche Devisentermin‑ und Devisenoptionsgeschäfte ab, aus denen der Klägerin letztlich ein Verlust in Höhe von insgesamt 1.786.690 EUR entstand. Die Klägerin begehrt den Ersatz dieses Schadens.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es verneinte das Vorliegen von List. Der geltend gemachte Schadenersatzanspruch sei zudem verjährt, aber auch inhaltlich nicht berechtigt. Weder liege ein Interessenkonflikt iSd § 13 Z 2 WAG aF für die im Zeitraum 1. 4. 2005 bis 31. 10. 2007 geschlossenen Geschäfte vor, noch habe die Beklagte Beratungs‑ oder Aufklärungspflichten verletzt. Die Klägerin habe schriftlich auf eine Beratung verzichtet; außerdem sei sie sich der eingegangenen Risken voll bewusst gewesen und habe durch ihre Bevollmächtigten auch laufend die Entwicklung beobachtet. Die Klägerin hätte zur Durchführung der gegenständlichen Geschäfte auch nicht über eine Bankkonzession nach dem BWG verfügen müssen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin lediglich im Kostenpunkt Folge. Entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichts sei der Schadenersatzanspruch zwar nicht verjährt, aber gleichwohl inhaltlich nicht berechtigt. Unabhängig vom von der Klägerin abgegebenen Beratungsverzicht seien den von der Klägerin Bevollmächtigten die grundlegende Funktionsweise sowie die Chancen und Risken von Devisentermin‑ und Devisenoptionsgeschäften bekannt gewesen. Es sei ausdrücklich der Abschluss von Spekulationsgeschäften gewünscht gewesen. Die Vertreter der Klägerin hätten über mehrjährige Erfahrung im Devisengeschäft und auch im Abschluss von Derivatgeschäften auf Devisen verfügt.
Die ordentliche Revision sei nicht zulässig; die Entscheidung des Berufungsgerichts halte sich im Rahmen der höchstgerichtlichen Rechtsprechung.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen diese Entscheidung erhobene Revision ist nicht zulässig.
1.1. Für den Umfang der Aufklärungs‑ und Beratungspflichten sind stets die konkreten Umstände des Einzelfalls maßgeblich (RIS‑Justiz RS0111165). Nach ständiger Rechtsprechung ist an die Sorgfalt, die die Bank bei Effektengeschäften gegenüber dem Kunden anzuwenden hat, grundsätzlich ein strenger Maßstab anzulegen (RIS‑Justiz RS0026135). Die Informationserteilung muss dem Gebot vollständiger, richtiger und rechtzeitiger Beratung genügen, durch die der Kunde in den Stand versetzt werden muss, die Auswirkungen seiner Anlageentscheidung zu erkennen (RIS‑Justiz RS0123046).
1.2. Die konkrete Ausgestaltung der den Anlageberater treffenden Beratungspflichten hängt freilich von den Umständen des Einzelfalls ab, die einerseits in der Person des Kunden (zB Risikobereitschaft, Renditeerwartung) und andererseits im Anlageprodukt liegen; eine erhebliche Rechtsfrage wird dabei nur dann aufgeworfen, wenn eine auffallende Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen vorliegt (RIS‑Justiz RS0029601 [T9, T17]; RS0111165 [T3, T7]; RS0108074 [T13]). Je spekulativer die Anlage und je unerfahrener der Kunde ist, desto weiter reichen die Aufklärungspflichten (RIS‑Justiz RS0029601 [T18]; RS0026135 [T12]). Jedenfalls sind die Bank oder andere Berater nicht verpflichtet, einen spekulierenden Kunden zu bevormunden (RIS‑Justiz RS0120999; RS0027769 [T3]; RS0119752 [T19]).
1.3. Einem versierten und aufgeklärten Bankkunden kann zugemutet werden, seine wirtschaftlichen Interessen als Anleger selbst ausreichend zu wahren; die Anforderungen an die Aufklärungs‑ und Warnpflicht der Bank dürfen nicht überspannt werden (RIS‑Justiz RS0026135 [T23]).
1.4. § 13 Z 3 und 4 WAG schreibt die schon bisher von der Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0026135, RS0027769) und Lehre zu Effektengeschäften insbesondere aus culpa in contrahendo, positiver Forderungsverletzung und dem Beratungsvertrag abgeleiteten Aufklärungspflichten und Beratungspflichten fest (RIS‑Justiz RS0119752).
2. Im vorliegenden Fall gingen die Vorinstanzen unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu Recht davon aus, dass die Vertreter der Klägerin über ausreichende Kenntnis verfügten, ihnen das eingegangene Risiko vollkommen bewusst war und der Beklagten keine Aufklärungs‑ und Beratungspflichtverletzung vorwerfbar ist. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen verzichteten die selbst sehr erfahrenen Vertreter der Klägerin ausdrücklich auf Beratung und erteilten der Beklagten keine entsprechenden Informationen, sondern traten vielmehr der Beklagten gegenüber stets als äußerst vermögende Kunden auf. Bis Herbst 2008 hatte die Beklagte keinen Hinweis darauf, dass aus möglichen Verlusten der Klägerin aus den gegenständlichen Geschäften eine Existenzbedrohung erfolgen könne. Tatsächlich lag eine derartige Existenzbedrohung offenbar auch nicht vor, war es der Klägerin doch umgehend möglich, die offenen Außenstände abzudecken. Damit ist aber in der Rechtsansicht der Vorinstanzen, die unabhängig von einem allfälligen Verzicht der Beklagten auf entsprechende Aufklärung eine Verletzung der Aufklärungs‑ und Beratungspflicht verneint haben, keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung zu erblicken.
3.1. Gut vertretbar ist auch die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass die Klägerin aufgrund von Spekulationsgeschäften mit ihrem „Privatvermögen“ im Sinne einer Veranlagung bzw Vermögensvermehrung keiner Konzessionspflicht unterliegt. Nach den Gesetzesmaterialien zum BWG benötigt etwa derjenige, der für sein privates Wertpapierdepot über ein Kreditinstitut an der Börse „spekuliert“, hiefür keine Bankkonzession (369 BlgNR 20. GP 68). Die Bewirtschaftung des Privatvermögens wird nur dann verlassen, wenn sich ein Anleger am Markt bankähnlich verhält, also eine Vielzahl von Beziehungen mit anderen Finanzmarktteilnehmern unterhält, professionelle Analyse- und Handelssysteme betreibt und auch die Handelstätigkeit selbst banküblich erfolgt ( Diwog/Göth , BWG § 1 Rz 69).
3.2. Wenngleich juristische Personen kein „Privatvermögen“ im steuerrechtlichen Sinn haben, sprechen schon verfassungsrechtliche Gründe für die Ausnahme von der Konzessionspflicht für Privatveranlagungen auch von juristischen Personen (vgl Chini/Oppitz , BWG § 1 Rz 26). Daher kann nicht jeder Erwerb bzw jede Veräußerung bereits als „konzessionspflichtiger Handel“ angesehen werden ( Karas/Traxler/Waldherr in Dellinger , BWG § 1 Rz 64 f).
3.3. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen steht jedenfalls unter dem hier maßgeblichen Aspekt auch nicht mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs in Widerspruch (vgl VwGH 2007/17/0208, 2009/17/0079).
3.4. Vor allem lassen sich Entscheidungen zur fehlenden Konzession der Emittentin (4 Ob 50/11y) nicht auf den vorliegenden Fall, in dem es um die allfällige Konzessionspflicht der investierenden Gesellschaft geht, übertragen. Der Schutzzweck der Konzessionspflicht liegt in der Gewährleistung eines funktionsfähigen Bankwesens im volkswirtschaftlichen Sinn sowie dem Schutz bestimmter Gläubiger (1 Ob 142/06y), nicht jedoch im Schutz des selbst ohne erforderliche Konzession Bankgeschäfte Tätigenden vor den damit verbundenen Risken. Insoweit fehlt es am Rechtswidrigkeitszusammenhang (allgemein RIS‑Justiz RS0022933).
4. Soweit die außerordentliche Revision „sekundäre Feststellungsmängel“ geltend macht, ist ihr entgegenzuhalten, dass der Oberste Gerichtshof nicht Tatsacheninstanz ist (RIS‑Justiz RS0007236). Ein ‑ in Wahrheit dem Bereich der rechtlichen Beurteilung zuzuordnenden ‑ sekundärer Verfahrensmangel läge nur dann vor, wenn Feststellungen fehlen, die zur abschließenden rechtlichen Beurteilung erforderlich sind. Davon kann im vorliegenden Fall jedoch keine Rede sein.
5. Der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
6. Entgegen den Revisionsausführungen traf das Berufungsgericht keine ergänzenden Feststellungen ohne Beweiswürdigung. Dass die Klägerin in unterschiedlichen (anderen) Geschäftsbereichen tätig ist, hat bereits das Erstgericht festgestellt. Demnach betreibt die Klägerin Handelsgeschäfte mit Waren, vornämlich mit Sportkleidung. Im Übrigen vermag die Revisionswerberin die Relevanz eines allfälligen diesbezüglichen Verfahrensmangels nicht darzutun (vgl RIS‑Justiz RS0043027).
7. Wenn das Berufungsgericht einmal irrtümlich von Warentermin‑ und Warenoptionsgeschäften anstatt Devisentermin‑ und Devisenoptionsgeschäften spricht, handelt es sich dabei um keine Aktenwidigkeit, sondern ersichtlich eine bloße ‑ unschädliche ‑ Fehlbezeichnung, zumal aus dem Gesamtzusammenhang der Ausführungen des Berufungsgerichts in einer jeden Zweifel ausschließenden Deutlichkeit hervorgeht, dass auch das Berufungsgericht davon ausgeht, dass die klagende Partei Devisentermin‑ und Devisenoptionsgeschäfte tätigte.
8. Zusammenfassend vermag die Revisionswerberin daher keine Rechtsfragen der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Bedeutung aufzuzeigen, sodass die Revision spruchgemäß zurückzuweisen war.
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