OGH 4Ob168/14f

OGH4Ob168/14f21.10.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei F*****, vertreten durch Marschall & Puck Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. R***** P*****, vertreten durch Dr. Andreas Grundei, Rechtsanwalt in Wien, wegen 1. 63.485,79 EUR sA (AZ 16 Cg 109/12k) und 2. 81.143,20 EUR sA (AZ 16 Cg 110/12g), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 16. Juni 2014, GZ 13 R 51/14m‑38, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0040OB00168.14F.1021.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Beklagte hat als Sachwalterin zweier Betroffener verabsäumt, für diese zweckentsprechende Anträge zur Erlangung einer Invaliditäts‑ bzw Waisenpension zu stellen. Für beide Betroffenen hat der klagende Sozialhilfeträger Pflegeleistungen erbracht, deren Kostenersatz er ‑ der Höhe nach unstrittig ‑ nunmehr von der Beklagten aus dem Titel des Schadenersatzes verlangt.

Das Berufungsgericht hat dem Klagebegehren stattgegeben.

Rechtliche Beurteilung

1. Soweit die Beklagte in ihrer außerordentlichen Revision die Auffassung vertritt, die Klägerin mache einen mittelbaren und damit nicht ersatzfähigen Schaden geltend, übersieht sie die (im schadenersatzrechtlichen Vorverfahren einer Betroffenen als Klägerin) gegen sie ergangene Entscheidung 3 Ob 45/11f. Dort wurde zutreffend ausgesprochen, dass der durch die unterlassene Pensionsantragstellung verursachte Schaden bei einer Differenzrechnung kein subjektiver Schaden der Betroffenen ist. Bei rechtmäßigem Alternativverhalten der beklagten Sachwalterin, also bei rechtzeitiger Antragstellung, wäre zwar der Betroffenen die Pension zuerkannt worden, der Anspruch wäre aber im Wege der Legalzession zeitgleich zum Entstehungszeitpunkt auf den Sozialhilfeträger übergegangen. Tatsächlich geschädigt ist daher nur der Sozialhilfeträger, weil durch die Unterlassung der Pensionsantragstellung die Legalzession gemäß § 324 Abs 3 ASVG vereitelt wurde.

Für die Waisenpension des weiteren Betroffenen gelten diese Überlegungen gleichermaßen, weshalb der hier klagende Sozialhilfeträger einen unmittelbaren eigenen Schaden geltend macht.

2.1. Als erhebliche Rechtsfrage macht die Beklagte weiters geltend, es fehle Rechtsprechung zum Beginn der Verjährungsfrist „im Zusammenhang mit der Legalzession ‑ bzw deckungsgleich bei Schadens-verlagerung ‑ gemäß § 324 Abs 3 ASVG“.

2.2. Neuerlich ist sie darauf zu verweisen, dass die Klägerin einen ihr entstandenen Schaden geltend macht, den sie durch Unterlassung geeigneter Antragstellung durch die Sachwalterin erlitten hat. Bezüglich dieses Schadenersatzanspruchs hat daher kein Wechsel in der Person des Berechtigten (etwa durch Zession oder Einlösung gemäß § 1422 ABGB) stattgefunden.

2.3. Für den Beginn der kurzen Verjährungsfrist des § 1489 ABGB, die an die objektive Säumigkeit des Gläubigers bei der Eintreibung seiner Forderung anknüpft, kann demnach nur das Verhalten (die Säumigkeit) und damit aber auch nur die Kenntnis des allein über diese Forderung dispositionsfähigen Sozialhilfeträgers ausschlaggebend sein.

2.4. Die Verjährungsfrist des § 1489 ABGB beginnt nach gesicherter Rechtsprechung mit dem Zeitpunkte zu laufen, in dem dem Geschädigten (hier: dem klagenden Sozialhilfeträger) sowohl der Schaden und die Person des Schädigers als auch die Schadensursache bekannt geworden ist (RIS‑Justiz RS0034951). Die Kenntnis des Sachverhalts, der den Grund des Entschädigungsanspruchs darstellt, beginnt erst, wenn dem Geschädigten der Sachverhalt soweit bekannt wurde, dass er eine Klage mit Aussicht auf Erfolg anstellen hätte können (RIS‑Justiz RS0034524). Die Erkundigungspflicht des Geschädigten darf allerdings nicht überspannt werden. Wann dies jeweils der Fall ist, hängt naturgemäß von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab (RIS‑Justiz RS0113916, RS0034322).

2.5. Für den Beginn der Verjährungsfrist ist die Beklagte beweispflichtig. Unklarheiten im Sachverhalt gehen zu Lasten der Beklagten (RIS‑Justiz RS0034456, RS0034326).

2.6. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe keine Umstände bewiesen, wonach die mit Klage vom 21. 6. 2012 verfolgten Ansprüche verjährt seien, ist jedenfalls vertretbar.

Der Senat hat in seiner Entscheidung 4 Ob 26/10t gegenüber der Beklagten ausgesprochen, dass es nicht Aufgabe des Sozialhilfeträgers ist, potentielle Leistungsansprüche von besachwalteten Personen zu überprüfen. Das Berufungsgericht verweist zu Recht darauf, dass aus den der Klägerin von der umbestellten Sachwalterin vorgelegten Bescheiden nicht hervorgegangen ist, dass bereits früher Ansprüche der Betroffenen bestanden haben, weshalb diese Urkunden keine Ermittlungen oder Erkundigungen auslösen mussten.

Schließlich bestand auch bis zur Entscheidung des Obersten Gerichtshofs im Vorverfahren 3 Ob 45/11f am 12. 10. 2011 Ungewissheit über die Aktivlegitimation der Klägerin. Ist aber ein Rechtsstreit anhängig und besteht Ungewissheit darüber, ob überhaupt ein (klagbarer, ersatzfähiger) Schaden entstanden ist, ist dem Geschädigten zuzubilligen, den Ausgang dieses Verfahrens abzuwarten, weil er erst dann über gesicherte Informationen für seine Schadenersatzklage verfügt (RIS‑Justiz RS0034908 [T9]; RS0083144 [T4]; RS0034374 [T44]).

Stichworte