OGH 4Ob127/14a

OGH4Ob127/14a17.9.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei *****-GmbH, *****, vertreten durch Mag. Jürgen Payer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei M***** K*****, vertreten durch Hasberger Seitz & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 30.000 EUR), über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz vom 17. April 2014, GZ 5 R 60/14d‑12, mit welchem der Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 28. Februar 2014, GZ 26 Cg 124/13a‑8, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Klägerin stellt ihren Kunden Telefon- und Internetzugänge zur Verfügung. Sie arbeitete dabei mit einer Gesellschaft zusammen, deren Geschäftsführer der Beklagte ist. Aufgrund von Streitigkeiten über das Entgelt teilte diese Gesellschaft Kunden der Klägerin mit, dass sie ihre Leistungen einstellen werde. Daraufhin änderten Beauftragte der Klägerin Passwörter an Routern, die im Eigentum eines dritten Unternehmens standen, sodass die vom Beklagten geleitete Gesellschaft nicht mehr darauf zugreifen konnte. Der Beklagte hielt dies aufgrund verschiedener Vereinbarungen mit der Klägerin und anderen Unternehmen für rechtswidrig. Er forderte die Beauftragten der Klägerin in einem E-Mail auf, keine weiteren Passwortänderungen vorzunehmen und bereits erfolgte rückgängig zu machen; sonst würde er gegen sie Strafanzeigen einbringen und Schadenersatzansprüche geltend machen.

Gegen dieses Verhalten richtet sich eine auf § 1 UWG gestützte Unterlassungsklage der Klägerin. Das Erstgericht wies den damit verbundenen Sicherungsantrag ab. Das Rekursgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung, wobei es die Beauftragten der Klägerin im Spruch seiner Entscheidung - dem Begehren entsprechend - als deren „Mitarbeiter“ bezeichnete. Es gebe keine Anhaltspunkte, dass die Beauftragten ein strafbares oder Schadenersatzansprüche begründendes Verhalten gesetzt hätten. Der Beklagte habe daher in unzulässiger Weise Druck auf sie ausgeübt. Insofern liege eine „aggressive Geschäftspraktik“ vor. Die Vermutung der Wiederholungsgefahr habe der Beklagte nicht entkräftet. Den Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht nachträglich zu, weil es seit der UWG-Novelle 2007 keine hinreichend gefestigte Judikatur zur „Beeinträchtigungshandlung der 'wettbewerblichen Nötigung'“ gebe.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist entgegen diesem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch nicht zulässig.

1. Die Beurteilung des beanstandeten Verhaltens durch das Rekursgericht ist durch die von ihm ohnehin zitierte Entscheidung 4 Ob 133/07y (= ÖBl 2008, 30 [ Gamerith ] - Sales Manager Austria III) gedeckt.

1.1. Nach dieser noch zur Rechtslage vor der UWG-Novelle 2007 ergangenen Entscheidung konnte sich die Sittenwidrigkeit eines Einwirkens auf Bedienstete oder Beauftragte eines Mitbewerbers aus dem angestrebten Ziel oder den verwendeten Mitteln ergeben. Letzteres sollte insbesondere dann zutreffen, wenn Ansprüche behauptet wurden, die gegenüber den angesprochenen Personen von vornherein ausgeschlossen seien. Ein solcher Fall liegt hier vor: Der Beklagte wendet sich im Revisionsrekurs nicht gegen die Auffassung des Rekursgerichts, dass es keinen Anhaltspunkt für ein strafbares oder Schadenersatzansprüche begründendes Verhalten der Beauftragten gegeben habe. Denn die Router gehörten einem dritten Unternehmen, sodass sich der Beklagte (seine Gesellschaft) nicht auf einen Eingriff in ein absolut geschütztes Recht stützten konnte; warum die Beauftragten für eine allfällige Vertragsverletzung der Klägerin haften sollten, ist nicht erkennbar. Damit fehlte aber jede Grundlage für die an die Beauftragten gerichtete Drohung mit rechtlichen Konsequenzen. Das Verhalten des Beklagten wäre daher nach den 4 Ob 133/07y zugrunde liegenden Erwägungen als sittenwidrig iSv § 1 UWG aF anzusehen gewesen.

1.2. Nach neuem Recht fällt das beanstandete Verhalten unter § 1 Abs 1 Z 1 UWG.

(a) Entgegen der Auffassung des Rekursgerichts ist hier keine „Geschäftspraktik“ zu beurteilen. Denn darunter ist nach § 1 Abs 4 Z 2 UWG (Art 2 lit d RL-UGP) nur ein Verhalten zu verstehen, das „unmittelbar mit der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung eines Produkts zusammenhängt“. Anders als nach der RL-UGP ist diese Definition im UWG - mangels Differenzierung - zwar nicht auf Praktiken von Unternehmern gegenüber Verbrauchern beschränkt ( Heidinger in Wiebe / G. Kodek , UWG 2 § 1 Rz 34; vgl 4 Ob 225/07b [P. 3.2.]). Dennoch erfasst sie aber auch im Verhältnis zwischen Unternehmern nur eine Einwirkung auf die (jeweilige) Marktgegenseite, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Absatz von Waren oder Dienstleistungen („Produkten“ iSv § 1 Abs 4 Z 1 UWG, Art 2 lit c RL-UGP) steht. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Denn das Verhalten des Beklagten zielte darauf ab, die Adressaten seiner Drohung zur Missachtung von Weisungen ihres Auftraggebers (der Klägerin) zu bewegen. Ein unmittelbarer Zusammenhang mit dem Absatz von Waren oder Dienstleistungen bestand daher nicht.

(b) Diese Erwägungen ändern jedoch nichts an der Anwendbarkeit von § 1 Abs 1 Z 1 UWG. Denn diese Bestimmung erfasst nicht nur unlautere Geschäftspraktiken, sondern auch „sonstige unlautere Handlung[en]“. Der UWG-Novelle 2007 ist nicht zu entnehmen, dass es insofern zu inhaltlichen Neuerungen kommen sollte; vielmehr hielten die Materialien ausdrücklich fest, dass hier die bisherige Rechtsprechung zu § 1 UWG unberührt bleibe (EB zur RV, 144 BlgNR 23. GP, zu § 1 UWG). Der Senat hat daher im Bereich des reinen Mitbewerberschutzes die Rechtsprechung zu § 1 UWG aF fortgeschrieben und inhaltliche Modifikationen nur insofern vorgenommen, als Wettbewerbsabsicht nun nicht mehr erforderlich ist (vgl etwa 4 Ob 225/07b - Wiener Stadtrundfahrten [Rechtsbruch]; 4 Ob 127/08t - unseriöse Anbieter [Pauschalherabsetzung]; 4 Ob 124/08a [Vertragsbruch]; 4 Ob 12/11k - Rohrprodukte [Leistungsübernahme]). § 1 Abs 1 Z 1 UWG erfasst grundsätzlich alle Tatbestände, die nach altem Recht als sittenwidrig angesehen wurden (4 Ob 37/08g - Betriebsstätten; RIS-Justiz RS0123659; zuletzt etwa 4 Ob 227/10a mwN).

(c) Es ist nicht erkennbar, weshalb hier anderes gelten sollte. Dabei kann (wie in 4 Ob 133/07y) offen bleiben, ob das direkte Einwirken auf Bedienstete oder Beauftragte eines Mitbewerbers wegen des dadurch verursachten Loyalitätskonflikts schon dann als unlauter anzusehen ist, wenn (anders als in 4 Ob 133/07y) Zweifel bestehen, ob der Mitbewerber überhaupt rechtswidrig gehandelt hat. Denn im vorliegenden Fall kam dazu, dass der Drohung mit Strafanzeigen und dem Geltendmachen von Schadenersatzansprüchen jede Grundlage fehlte. Unter diesen Umständen besteht an der Unlauterkeit kein Zweifel. Eine erhebliche Rechtsfrage liegt nicht vor, weil die ausführlich begründete Entscheidung 4 Ob 133/07y in der Lehre unwidersprochen geblieben ist (vgl Gamerith , ÖBl 2008, 34: „wichtige Grundsatzentscheidung“) und die UWG‑Novelle 2007 im Bereich des reinen Mitbewerberschutzes zu keiner Änderung der Rechtslage geführt hat.

2. Auch sonst zeigt der Revisionsrekurs keine erhebliche Rechtsfrage auf.

2.1. Hat der Beklagte gegen eine Unterlassungspflicht verstoßen, so wird nach ständiger Rechtsprechung vermutet, dass er ihr neuerlich zuwiderhandeln wird. Er hat daher Umstände zu behaupten und zu beweisen, die eine Wiederholung seiner Handlung als völlig ausgeschlossen oder doch äußerst unwahrscheinlich erscheinen lassen (RIS-Justiz RS0080065; vgl auch RS0037661; RS0080119; RS0079782). Ob das zutrifft, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet daher in der Regel keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung (RIS‑Justiz RS0042818, RS0031891). Die Auffassung des Rekursgerichts, dass die (in der Sache unstrittige) Beendigung des Vertragsverhältnisses zwischen der Klägerin und der vom Beklagten geleiteten Gesellschaft eine Wiederholung des beanstandeten Verhaltens nicht ausschließe, ist angesichts des Standpunkts des Beklagten, zum strittigen E-Mail berechtigt gewesen zu sein, jedenfalls vertretbar. Es ist nicht erkennbar, weshalb der Beklagte aufgrund der Beendigung des Vertrags das Interesse am Zugriff auf die Router verloren haben sollte.

2.2. Soweit sich der Beklagte darauf beruft, in „Notwehr“ gehandelt zu haben, weil gerichtliche Hilfe zu spät gekommen wäre, fehlt ein schlüssiges Vorbringen. Denn es ist bescheinigt, dass der Beklagte das strittige E-Mail „kurz vor dem 20.12.2013“ abgeschickt hat. Dass er schon zu diesem Zeitpunkt einen Sicherungsantrag gestellt, auf Verzögerungen bei dessen Erledigung mit einem Fristsetzungsantrag reagiert und dennoch keine Entscheidung erlangt hätte, ergibt sich aus seinem erstinstanzlichen Vorbringen nicht; die von ihm genannte Aktenzahl (11 Cg 13/14w des HG Wien) spricht vielmehr für eine Antragstellung erst nach dem Jahreswechsel. Damit kann offen bleiben, ob grobe, auch durch einen Fristsetzungsantrag nicht abwendbare Verzögerungen bei der Bearbeitung eines Sicherungsantrags dazu führen könnten, dass eine an sich unlautere Reaktion auf rechtswidriges Verhalten der Gegenseite zulässig würde (vgl RIS-Justiz RS0009027, RS0077873).

2.3. Zur Auslegung des Spruchs sind auch die Gründe heranzuziehen (RIS-Justiz RS0000300). Aus ihnen ergibt sich, dass im konkreten Fall unter „Mitarbeitern“ der Klägerin ‑ was nach dem Wortsinn gerade noch möglich ist ‑ auch Personen zu verstehen sind, die ohne Eingliederung in den Betrieb mit bestimmten Dienstleistungen beauftragt wurden. Es trifft daher nicht zu, dass der Spruch nicht am beanstandeten Verhalten anknüpfte oder der Klägerin mangels eigener (betroffener) Dienstnehmer das Rechtsschutzinteresse fehlte.

3. Aus diesen Gründen ist der Revisionsrekurs mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 1 EO. Eine Verpflichtung des Beklagten zum Ersatz der Kosten der Revisionsrekursbeantwortung ist grundsätzlich möglich, weil die Klägerin darin auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte