OGH 4Ob37/08g

OGH4Ob37/08g20.5.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****, vertreten durch Prunbauer Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei H*****, vertreten durch Saxinger, Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wels, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 33.000 EUR), über die Revisionsrekurse der klagenden und der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 7. Jänner 2008, GZ 4 R 226/07v-13, womit der Beschluss des Landesgerichts Wels vom 25. Oktober 2007, GZ 2 Cg 145/07m-8, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.

Dem Revisionsrekurs der beklagten Partei wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass die (den Sicherungsantrag abweisende) Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 7.170,84 EUR (darin 1.195,14 EUR USt) bestimmten Kosten des Sicherungsverfahrens aller drei Instanzen binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Beklagte betreibt einen Einzelhandel mit 400 Betriebsstätten in Österreich. Sie führt ein Dauersortiment an Lebens-, Wasch- und Hygienemitteln. Andere Produkte bietet sie in Aktionszeiträumen an, die am Montag und Donnerstag einer jeden Woche beginnen und etwa vierzehn Tage dauern. Auf diese Weise verkauft die Beklagte - in Aktionszeiträumen über das Jahr verteilt - auch Medizinprodukte.

Die Beklagte verfügt über eine Gewerbeberechtigung für die Ausübung des reglementierten Gewerbes „Herstellung und Aufbereitung von Medizinprodukten, soweit diese Tätigkeiten nicht unter ein anderes reglementiertes Gewerbe fallen, und Handel mit Medizinprodukten, eingeschränkt auf den Handel mit Medizinprodukten" gemäß § 94 Z 33 iVm § 115 GewO 1994 idgF. Als Standort der Gewerbeberechtigung ist der Sitz der Beklagten in Sattledt eingetragen.

Für den Aktionszeitraum ab 31. 5. 2007 kündigte die Beklagte in Flugblättern den Verkauf eines Medizinprodukts, und zwar eines „Alu-Rollators", an. Sie bewarb das Produkt auch in einer Zeitschrift und verkaufte es in ihren Betriebsstätten. Die Ausübung des Gewerbes nach § 94 Z 33 iVm § 115 GewO 1994 idgF an ihren weiteren Betriebsstätten hatte die Beklagte bei den jeweils zuständigen Bezirksverwaltungsbehörden nicht angezeigt. Auch die Hauptkonkurrenten der Beklagten unterlassen derartige Anzeigen.

Zur Sicherung seines inhaltsgleichen Anspruchs auf Unterlassung „wettbewerbsfremder" Handlungen und/oder Ankündigungen begehrt der klagende Wettbewerbsverband es der Beklagten zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr den Verkauf von Medizinprodukten an Standorten, an denen sie nicht über die Gewerbeberechtigung zum Verkauf von Medizinprodukten verfügt, einem größeren Kreis von Personen gegenüber anzukündigen und/oder an solchen Standorten Medizinprodukte zu vertreiben; in eventu, die Beklagte schuldig zu erkennen, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, den Verkauf von Medizinprodukten an Standorten, für die sie keine Anzeige einer weiteren Betriebsstätte zum Verkauf von Medizinprodukten erstattet hat, einem größeren Kreis von Personen gegenüber anzukündigen und/oder an solchen Standorten Medizinprodukte zu vertreiben. Die Beklagte verstoße gegen § 1 UWG, weil sie den Handel mit Medizinprodukten nicht nur am Standort der Gewerbeberechtigung, sondern an 400 Standorten in ganz Österreich ausübe, ohne die weiteren Betriebsstätten gemäß § 46 Abs 2 Z 1 GewO 1994 angezeigt zu haben. Ihr bewusst rechtswidriges und nach § 368 GewO 1994 strafbares Verhalten verschaffe der Beklagten in sittenwidriger Weise Vorteile gegenüber gesetzestreuen Mitbewerbern. Sie erspare sich den mit der Anzeige von 400 Betriebsstätten verbundenen administrativen Aufwand, dem sich andere Händler mit Filialnetz unterzögen. Sie erspare sich auch Mühen und Kosten für die Bestellung entsprechend befähigter gewerberechtlicher Filialgeschäftsführer und beträchtliche Ausgaben an verpflichtender Kammerumlage, die jährlich pro Betriebsstätte eingehoben werde. Für Kommanditgesellschaften in Wien betrage diese Kammerumlage 68 EUR pro Jahr und Betriebsstätte, somit mehr als 27.000 EUR jährlich für 400 Betriebsstätten. Das Unterlassen der Anzeige erschwere überdies die Kontrolle der Medizinprodukte durch das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen. Die Gewerbebehörde melde nämlich (weitere) Betriebsstätten, damit Betriebe, Einrichtungen und Personen, die berufs- oder gewerbsmäßig mit Medizinprodukten umgehen, nach dem Medizinproduktegesetz überprüft werden könnten.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Sicherungsbegehrens. Sie habe weder gegen eine gewerberechtliche Vorschrift noch gegen § 1 UWG verstoßen. Aufgrund ihrer Gewerbeberechtigung dürfe sie gemäß § 46 Abs 1 GewO 1994 Medizinprodukte in allen Betriebsstätten bewerben und verkaufen, ohne dass es einer Anzeige bedürfte. § 46 Abs 2 Z 1 GewO 1994 sei lediglich eine Ordnungsvorschrift, sie erfülle den Verwaltungsstraftatbestand des § 368 GewO 1994 nicht. Zur Bestellung eines Filialgeschäftsführers für den Handel mit Medizinprodukten sei sie nicht verpflichtet. Die Verletzung einer Anzeigepflicht sei nicht geeignet, ihr einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen, weil ihre Hauptkonkurrenten L*****, N*****, P***** (= Z*****), B*****, B*****, S***** und D***** ihre Betriebsstätten gleichfalls nicht anzeigten. Ein möglicher Effizienzverlust der Behörden nach dem Medizinproduktegesetz trage zu keinem Wettbewerbsvorteil bei, jedenfalls fehle es an der Spürbarkeit eines allfälligen Fehlverhaltens. Die in der Klage angeführte Grundumlage des Landesgremiums Wien für den „Handel mit ärztlichem, zahnärztlichem und Laborbedarf" sei sowohl sachlich (für den Handel mit Medizinprodukten) als auch örtlich (für OÖ als Sitz der Beklagten) nicht einschlägig und daher als Bescheinigungsmittel ungeeignet. Der Vollzug einer einstweiligen Verfügung müsste aber jedenfalls von einer den möglichen Schadensfolgen angemessenen Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden, weil ein Verbot, Medizinprodukte zu bewerben und zu verkaufen, einen erheblichen Umsatzrückgang und Gewinnentgang zur Folge hätte. Bei 400 Filialen und sechs Aktionsartikeln pro Jahr errechne sich ein beträchtlicher Betrag an Umsatz- und Deckungsbeitrag.

Das Erstgericht wies das Sicherungshaupt- und das Eventualbegehren ab. Die Gewerbeberechtigung der Beklagten beziehe sich von Gesetzes wegen auf sämtliche Betriebsstätten, die Beklagte sei daher nicht verpflichtet, weitere Betriebsstätten anzuzeigen; die Anzeige werde auch von den wesentlichen Konkurrenten der Beklagten unterlassen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers teilweise Folge, bestätigte die Abweisung des Hauptbegehrens und erließ die einstweilige Verfügung in Gestalt des Eventualbegehrens. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehle, ob der Handel mit Medizinprodukten in weiteren Betriebsstätten nur nach vorheriger Anzeige der Betriebsstätten zulässig sei und ob die Verletzung der Anzeigepflicht nach § 46 Abs 2 Z 1 erster Fall GewO objektiv geeignet sei, den freien Leistungswettbewerb zu beeinträchtigen. § 46 Abs 1 GewO 1994 berechtige den Gewerbeinhaber nicht nur zur Gewerbeausübung am angemeldeten Standort, sondern auch in weiteren Betriebsstätten. Die in Abs 2 dieser Bestimmung vorgesehene Anzeige des Beginns der Gewerbeausübung in einer weiteren Betriebsstätte bei der für diese zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde habe bloß Mitteilungscharakter und entfalte keine rechtsbegründende Wirkung. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Entscheidung 4 Ob 140/06a. Das im Hauptsicherungsbegehren formulierte allgemeine Verbot des Verkaufs von Medizinprodukten komme daher nicht in Betracht. Allerdings habe der Gewerbeinhaber den Beginn der Gewerbeausübung in einer weiteren Betriebsstätte bei der für diese zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde anzuzeigen. Die Nichteinhaltung dieser Vorschrift verwirkliche eine Verwaltungsübertretung und werde gemäß § 368 GewO mit Geldstrafe geahndet. Im Hinblick auf die klare Bestimmung (§ 46 Abs 2 Z 1 erster Fall GewO 1994) könne sich die Beklagte nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sie ihre Auffassung, nicht zur Anzeige verpflichtet zu sein, mit gutem Grund vertreten könne. Der Verstoß gegen die Anzeigepflicht sei ihr daher subjektiv vorwerfbar.

Der von § 1 UWG erfasste Rechtsbruch könne auch in der Verletzung gewerberechtlicher Normen liegen, wobei die Branchenüblichkeit eines bestimmten Verhaltens das ausdrückliche gewerberechtliche Verbot nicht außer Kraft setzen könne. Der Grundsatz der „Spürbarkeit" gelte auch in Fällen, in denen der Rechtsbruch in der Verletzung gewerberechtlicher Bestimmungen bestehe. Die Unterlassung der Anzeige einer weiteren Betriebsstätte sei geeignet, den freien Leistungswettbewerb zu beeinflussen, weil sich die Beklagte jenen (administrativen) Aufwand erspare, der mit der Anzeige verbunden wäre. Überdies verschaffe sie sich gegenüber gesetzestreuen Konkurrenten einen Vorteil in Bezug auf die Kammerumlage und die Kontrolltätigkeit des Bundesamts für Sicherheit im Gesundheitswesen nach dem Medizinproduktegesetz. Abgesehen davon, dass ein Rechtsbruch auch dann sittenwidrig sei, wenn der überwiegende Teil der Mitbewerber dieselbe Vorschrift missachte, bedeute die Praxis einer Reihe von Mitbewerbern noch nicht, dass alle im Handel mit Medizinprodukten Tätigen gleichfalls gegen die Anzeigepflicht verstießen.

Eine Sicherheitsleistung hielt das Rekursgericht nicht für erforderlich, weil das der Beklagten auferlegte Werbe- und Verkaufsverbot nur eine einzelne Produktgruppe für Aktionszeiträume betreffe.

Der Revisionsrekurs der Klägerin wendet sich gegen die Abweisung des Sicherungshauptbegehrens, jener der Beklagten gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung im Umfang des Eventualbegehrens.

Rechtliche Beurteilung

Beide Revisionsrekurse sind zulässig; das Rechtsmittel der Beklagten ist berechtigt, jenes der Klägerin ist nicht berechtigt.

1. Zur anwendbaren Fassung des UWG:

Der Senat hat bereits wiederholt jene Grundsätze dargelegt, die bei Beurteilung von Sachverhalten anzuwenden sind, die schon vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes verwirklicht wurden, als Dauertatbestand aber noch in den zeitlichen Geltungsbereich der Neuregelung reichen (4 Ob 177/07v; 4 Ob 225/07b). Danach kann ein Unterlassungsgebot, das aufgrund eines nach alter Rechtslage verwirklichten Lauterkeitsverstoßes geschaffen wurde, nur dann aufrecht bleiben, wenn das darin umschriebene Verhalten auch nach neuer Rechtslage verboten ist. Erheblich bleibt, ob das beanstandete Verhalten auch zu jenem Zeitpunkt gegen das Lauterkeitsrecht verstieß, zu dem es gesetzt wurde. Sonst läge ungeachtet der späteren Verschärfung kein Verstoß gegen eine Unterlassungspflicht vor, die nach ständiger Rechtsprechung eine Wiederholungsgefahr indiziert (4 Ob 225/07b; RIS-Justiz RS0037661 und RS0005402). Die einstweilige Verfügung des Rekursgerichts kann demnach nur Bestand haben, wenn das Verhalten der Beklagten sowohl gegen § 1 UWG vor der UWG-Novelle 2007 BGBl I 2007/79 als auch gegen § 1 UWG idgF verstößt.

2. Die Entscheidung des Senats 4 Ob 225/07b befasste sich bereits eingehend mit der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Verletzung einer generellen Norm nach alter wie auch nach neuer Rechtslage einen Verstoß gegen das Lauterkeitsrecht bildet. Diese Überlegungen des Senats werden wie folgt zusammengefasst:

2.1. Nach alter Rechtslage wurden Verletzungen genereller Normen vom Sittenwidrigkeitstatbestand des § 1 UWG idF vor der Novelle 2007 erfasst. Voraussetzung war die Verletzung einer generellen - nicht zwingend auch wettbewerbsregelnden - Norm (RIS-Justiz RS0077931, RS0077985). Der Verstoß musste subjektiv vorwerfbar sein, wobei geprüft wurde, ob die Auffassung des geklagten Mitbewerbers über den Inhalt der verletzten Norm durch das Gesetz so weit gedeckt war, dass sie mit gutem Grund vertreten werden konnte (RIS-Justiz RS0077771). Entscheidend waren der eindeutige Wortlaut des Gesetzes, die offenkundige Absicht des Gesetzgebers und gegebenenfalls eine dazu ergangene höchstgerichtliche Rechtsprechung oder - mangels Rechtsprechung - die von der zuständigen Verwaltungsbehörde vertretene Rechtsmeinung und die ständige Verwaltungspraxis. Das beanstandete Verhalten musste überdies geeignet sein, eine nicht bloß unerhebliche, somit „spürbare" Nachfrageverlagerung herbeizuführen (RIS-Justiz RS0117605). Einwände des Schrifttums, wie etwa die Forderung nach Beschränkung des Rechtsbruchtatbestands auf wettbewerbsregelnde Normen (Schuhmacher, Glosse zu 4 Ob 86/06k - Einkaufszentrum in F, wbl 2007, 95; ders, Die UWG-Novelle 2007, wbl 2007, 557, 561 [bei FN 11]) und auf Entfall des Erfordernisses subjektiver Vorwerfbarkeit (Koppensteiner, Wettbewerbsrecht³ 726 mwN in FN 315; ders, Grundfragen des UWG im Lichte der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, wbl 2006, 556) haben den Senat nicht veranlasst, von seiner Rechtsprechung zum Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch abzugehen.

2.2. Auch nach neuem Recht ist das beanstandete Verhalten anhand der Generalklausel des § 1 UWG zu beurteilen. Gegenstand des Verfahrens ist die mit dem angeblichen Rechtsbruch verbundene Beeinflussung des Wettbewerbs zwischen zwei Unternehmen. Die im vorliegenden Fall strittigen Regelungen haben nicht den Zweck, eine informierte Entscheidung des Verbrauchers zu ermöglichen. Der geltend gemachte Anspruch kann daher nur unter § 1 Abs 1 Z 1 UWG fallen. Danach kann auf Unterlassung - und bei Verschulden auf Schadenersatz - in Anspruch genommen werden, wer im geschäftlichen Verkehr eine unlautere Geschäftspraktik oder sonstige unlautere Handlung anwendet, die geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil von Unternehmen nicht nur unerheblich zu beeinflussen.

Bei Beurteilung der Fallgruppe „Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch" nach § 1 Abs 1 Z 1 UWG idgF hat der Senat in seiner Entscheidung 4 Ob 225/07b festgehalten:

„Ein Verstoß gegen eine nicht dem Lauterkeitsrecht im engeren Sinn zuzuordnende generelle Norm ist (nur) dann als unlautere Geschäftspraktik oder als sonstige unlautere Handlung iSv § 1 Abs 1 Z 1 UWG idgF zu werten, wenn die Norm nicht auch mit guten Gründen in einer Weise ausgelegt werden kann, dass sie dem beanstandeten Verhalten nicht entgegensteht. Der Unterlassungsanspruch setzt voraus, dass das beanstandete Verhalten geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil von rechtstreuen Mitbewerbern nicht bloß unerheblich zu beeinflussen."

Zu diesem (Zwischen-)Ergebnis führten nachstehende Überlegungen, an denen der Senat festhält:

Der neue Gesetzeswortlaut im Zusammenhang mit den Materialien zur UWG-Novelle 2007 zwingt nicht zur Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung. Der Begriff der Unlauterkeit erfasst alle Handlungen, die bisher unter dem Sittenwidrigkeitstatbestand des § 1 UWG id vor der UWG-Novelle 2007 erfasst wurden. Eine Reduktion des Rechtsbruchtatbestands auf die Verletzung „marktverhaltensregelnder" Normen ist nicht vorzunehmen. Entscheidend für die wettbewerbliche Relevanz einer Norm ist nämlich nicht ihr Zweck oder ihr Regelungsgegenstand, sondern ihre tatsächliche Auswirkung auf den Markt. Eine solche Auswirkung ist immer dann anzunehmen, wenn ein Unternehmen durch die Verletzung der Norm im Ergebnis einen spürbaren Vorteil gegenüber gesetzestreuen Mitbewerbern erlangen kann. In einem solchen Fall ist das rechtswidrige Verhalten im Interesse der Mitbewerber (auch) lauterkeitsrechtlich zu sanktionieren.

Nach § 1 Abs 1 Z 1 UWG idgF muss das beanstandete Verhalten (objektiv) geeignet sein, den Wettbewerb spürbar zu beeinflussen. Eine auf das Erlangen eines Wettbewerbsvorsprungs gerichtete Absicht wird nicht verlangt. Das Unwerturteil ergibt sich (auch) beim Rechtsbruchtatbestand aus dem Zweck des Lauterkeitsrechts, und zwar konkret aus dem Interesse der Mitbewerber und der Allgemeinheit an der Durchsetzung gleicher rechtlicher Rahmenbedingungen für das Handeln im Wettbewerb. Eine allfällige (subjektive) Absicht, diese Rahmenbedingungen zu verletzen, ist bei Beurteilung eines Unterlassungsanspruchs nicht maßgebend. Demgegenüber hält der Senat in der Sache daran fest, dass nur eine solche Normverletzung als unlauter anzusehen ist, die nicht mit guten Gründen vertreten werden kann. Das Lauterkeitsrecht verlangt von den Marktteilnehmern nämlich nicht, sich im Zweifel immer nach der für sie nachteiligsten (strengsten) Auslegung eines Gesetzes zu richten. Gleiche Rahmenbedingungen für wirtschaftliches Handeln sind auch dann gegeben, wenn sich alle Marktteilnehmer an eine vertretbare Auslegung der für ihr Handeln maßgebenden Normen halten. Der Funktion des Lauterkeitsrechts entsprechend ist nicht unmittelbar am - ex post - ermittelten „richtigen" Inhalt der verletzten Norm anzuknüpfen, sondern das lauterkeitsrechtliche Unwerturteil auf die Unvertretbarkeit der jeweiligen Gesetzesauslegung zu gründen. Unlauterkeit iSd § 1 Abs 1 Z 1 UWG idgF ist nur dann anzunehmen, wenn der belangte Mitbewerber den Standard an Fachkenntnissen und Sorgfalt verletzt, bei dem billigerweise davon ausgegangen werden kann, dass ihn der Unternehmer gemäß den anständigen Marktgepflogenheiten in seinem Tätigkeitsbereich anwendet. Von einem Unternehmer kann daher „billigerweise" nur erwartet werden, dass seine Handlungen einer vertretbaren Auslegung der dafür maßgebenden Gesetze entsprechen.

3. Zum beanstandeten Verhalten:

Nach Auffassung des Klägers setzt der Vertrieb von Medizinprodukten in einer weiteren Betriebsstätte des Gewerbeinhabers die vorherige Anzeige nach § 46 Abs 2 Z 1 GewO 1994 voraus. Mangels Anzeige erstrecke sich die Gewerbeberechtigung nicht auch auf die weiteren Betriebsstätten des Unternehmers (Hauptbegehren). Dem Gewerbeinhaber sei es aber jedenfalls untersagt, Medizinprodukte an Standorten zu verkaufen, für die er keine Anzeige nach § 46 Abs 2 Z 1 GewO 1994 erstattet habe (Eventualbegehren).

3.1. Entscheidend ist zunächst die Frage, ob die Gewerbeberechtigung den Vertrieb von Medizinprodukten an weiteren Betriebsstätten deckt, für die keine Anzeige nach § 46 Abs 2 Z 1 GewO 1994 erstattet wurde. Die Vorinstanzen haben diese Frage bejaht und das Hauptbegehren abgewiesen. Auf die zutreffende Beurteilung des Rekursgerichts wird hingewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO). Das Rekursgericht hat auch zutreffend erkannt, dass die von der Klägerin für ihre Auffassung ins Treffen geführte Entscheidung 4 Ob 140/06a nicht einschlägig ist. Gegenstand dieser Entscheidung war eine allfällige Gehilfenhaftung des dort Beklagten, nicht aber die Auslegung und Beurteilung der Anzeigepflicht nach § 46 Abs 2 Z 1 GewO 1994.

3.2. Die Beklagte verfügt über eine Berechtigung für das (reglementierte) Gewerbe nach § 94 Z 33 GewO 1994 „Herstellung und Aufbereitung von Medizinprodukten, soweit diese Tätigkeiten nicht unter ein anderes reglementiertes Gewerbe fallen und Handel mit Medizinprodukten". Standort der Gewerbeberechtigung ist ihr Sitz in Sattledt.

§ 46 Abs 1 GewO 1994 lautet:

„Soweit in diesem Bundesgesetz nichts anderes bestimmt ist, berechtigt die Gewerbeberechtigung zur Ausübung des Gewerbes in weiteren Betriebsstätten entsprechend den Anzeigen gemäß Abs 2."

Nach § 46 Abs 2 Z 1 GewO 1994 hat der Gewerbeinhaber der Behörde „den Beginn und die Einstellung der Ausübung des Gewerbes in einer weiteren Betriebsstätte" anzuzeigen. Für diese Anzeige gilt sinngemäß § 339 Abs 2 GewO 1994 (§ 345 Abs 3 iVm § 46 Abs 2 Z 1 erster Satz GewO 1994). Demnach muss die Anzeige eine genaue Bezeichnung des Gewerbes und den für die Ausübung in Aussicht genommenen Standort enthalten.

Die Verpflichtung zur Anzeige weiterer Betriebsstätten beinhaltet nach einhelliger, durch die Materialien gestützter Auffassung eine bloße Ordnungsvorschrift, die keine rechtsbegründende Wirkung entfaltet und bloßen Mitteilungscharakter hat (Hanusch, Die Gewerbeordnung mit Novelle 2002, § 46 FN 1; ders, GewO13 § 46 Rz 4; Kinscher, Die Gewerbeordnung 199413 § 46 Anm 1; Kinscher/Paliege-Barfuß, Die GewO7 § 46 Anm 2). Die Materialien zur GRNov 2002 verweisen zu den „Hauptgesichtspunkten des Entwurfs" Punkt 14 darauf hin, dass weitere Betriebsstätten durch die Stammgewerbeberechtigung abgedeckt werden (RV 1117 BlgNR 21. GP 65, 80, abgedruckt in Hanusch, Die Gewerbeordnung mit Novelle 2002, 2 f). Auch der Verwaltungsgerichtshof vertritt die Auffassung, die in § 46 Abs 2 GewO 1994 vorgesehene Anzeige über den Beginn der Ausübung des Gewerbes in einer weiteren Betriebsstätte habe bloß Mitteilungscharakter und entfalte keine rechtsbegründende Wirkung (VwGH 26. 9. 2005, Zl 2004/04/0002).

Angesichts dieser einhelligen Auffassung durfte die Beklagte jedenfalls in vertretbarer Weise davon ausgehen, dass ihre Gewerbeberechtigung auch den Vertrieb von Medizinprodukten in einer weiteren Betriebsstätte deckt und zwar unabhängig von der in § 46 Abs 2 Z 1 GewO 1994 vorgesehenen Anzeige.

Die Vorinstanzen haben demnach das Sicherungshauptbegehren zutreffend abgewiesen.

3.3. Die Beklagte hat jedoch unzweifelhaft ihre gesetzlichen Anzeigepflichten verletzt. Sie wäre nach § 46 Abs 2 Z 1 erster Fall iVm § 345 Abs 4 GewO 1994 verpflichtet gewesen, den Beginn der Ausübung ihres Gewerbes in einer weiteren Betriebsstätte bei der für die Betriebsstätte jeweils zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde unter Angabe des Gewerbes und des für die Ausübung in Aussicht genommenen Standorts anzuzeigen. Die Verletzung dieser Anzeigepflicht verwirklicht den Straftatbestand einer Verwaltungsübertretung nach § 368 GewO 1994 (Kinscher, Die Gewerbeordnung 199413, § 46 Abs 2 Anm 3).

3.4. Zu prüfen ist daher, ob dieser Gesetzesverstoß nach den eingangs wiedergegebenen Grundsätzen des Senats einen Unterlassungsanspruch nach § 1 UWG auslöst.

Auf eine vertretbare Rechtsansicht kann sich die Beklagte angesichts des klaren Gesetzeswortlauts ebenso wenig berufen, wie darauf, dass eine Reihe ihrer Hauptkonkurrenten diese (eindeutige) Bestimmung der Gewerbeordnung ebenfalls missachten. Es ist von einer bewussten Rechtsverletzung auszugehen.

Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch setzt aber auch voraus, dass die Verletzung der Anzeigepflicht geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil rechtstreuer Mitbewerber nicht bloß unerheblich zu beeinflussen. Dass bestimmte weitere Konkurrenten denselben Gesetzesverstoß begehen, kann eine derartige „spürbare" Beeinflussung des Wettbewerbs nicht von vornherein ausschließen. Die Spürbarkeit des Verstoßes im Sinn einer nicht bloß unerheblichen Beeinflussung des Wettbewerbs liegt bei der hier verletzten Norm aber keineswegs auf der Hand. Sie ist als Anspruchsvoraussetzung vom Kläger zu behaupten und zu bescheinigen.

3.5. Der Kläger berief sich zur „Spürbarkeit" auf Ersparnisse an administrativem Aufwand für die Anzeige und an verpflichtender Kammerumlage für die weiteren Betriebsstätten. Die Beklagte erspare sich auch den Einsatz von Filialgeschäftsführern und erschwere - mangels Anzeige - die Kontrolle ihrer Produkte durch die nach dem Medizinproduktegesetz zuständige Behörde.

Die Ausführungen des Klägers zur Spürbarkeit im Sinn einer nicht bloß unerheblichen Beeinflussung des Wettbewerbs zum Nachteil rechtstreuer Mitbewerber reichen aus nachstehenden Überlegungen nicht aus:

Die Anzeige einer weiteren Betriebsstätte hat nichts anderes zu enthalten als die genaue Bezeichnung des Gewerbes und des für die Ausübung in Aussicht genommenen Standorts der weiteren Betriebsstätte. Die Ausfertigung derartiger - leicht vorformulierbarer - Anzeigen durch im Unternehmen der Beklagten schon beschäftigte Personen verursacht keinen gesondert anzusetzenden nennenswerten Aufwand. Wenn dieser Aufwand unterbleibt, so ist nach dem erstatteten Vorbringen keine Ersparnis ersichtlich, die es der Beklagten ermöglichen könnte, ihre Produkte billiger auf den Markt zu bringen.

Zur behaupteten Ersparnis an Kammerumlage für die weiteren Betriebsstätten reicht das Vorbringen des Klägers nicht aus, um eine „Spürbarkeit" im Sinn einer nicht bloß unerheblichen Beeinflussung des Wettbewerbs aufzuzeigen. Zum einen beziehen sich seine Behauptungen bloß auf die Grundumlage des Landesgremiums Wien für Filialberechtigungen von 68 EUR pro Jahr für den Handel mit ärztlichem, zahnärztlichem und Laborbedarf. Zum anderen hat der Kläger nicht einmal zu bescheinigen versucht, dass Medizinprodukte unter die in der Verlautbarung in der „Wiener Wirtschaft" angeführten Produktgruppen fallen, sowie ob - und gegebenenfalls in welcher Höhe - eine Grundumlage für weitere Betriebsstätten auch in den übrigen Bundesländern anfällt. Auch aus dem Gesetz selbst ist nicht ableitbar, welche Aufwendungen sich die Beklagte durch Unterlassen der Anzeige erspart haben könnte.

Der Kläger weist zutreffend daraufhin, dass die fehlende Anzeige weiterer Betriebsstätten die im Medizinproduktegesetz vorgesehene Überwachung erschwert. Nach § 68 Abs 1 und Abs 2 MPG unterliegen unter anderem Betriebe, die gewerbsmäßig Medizinprodukte in Verkehr bringen, im Hinblick auf diese Tätigkeit der in den folgenden Absätzen näher geregelten Überwachung. Es besteht nun kein Zweifel, dass die fehlende Anzeige weiterer Betriebsstätten, an denen die Beklagte Medizinprodukte bewirbt und verkauft, diese Überwachung erschwert. Allerdings setzt auch das auf eine derartige Erschwernis als Folge der Rechtsverletzung gestützte Unterlassungsbegehren voraus, dass die Erschwernis im Wettbewerb „spürbar" wird. Der Kläger hat nicht näher ausgeführt, inwiefern eine erschwerte Kontrolle durch die Behörde geeignet sein sollte, den Wettbewerb zum Nachteil rechtstreuer Mitbewerber „spürbar" zu beeinflussen. Sein Vorbringen ist auch insoweit nicht ausreichend.

Der weitere Vorwurf, mangels Anzeige erspare sich die Beklagte auch den Einsatz von Filialgeschäftsführern, ist nicht berechtigt. Nach § 47 Abs 1 GewO 1994 kann der Gewerbetreibende für die Ausübung seines Gewerbes in einer weiteren Betriebsstätte eine Person bestellen, die der Behörde gegenüber für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften in der weiteren Betriebsstätte verantwortlich ist (Filialgeschäftsführer). Ob ein derartiger Filialgeschäftsführer tatsächlich bestellt wird, ist allein der Entscheidung des Unternehmers vorbehalten, die Bestellung ist keineswegs obligatorisch (Kinscher, Die Gewerbeordnung 199413 § 47 Anm 1; vgl ferner VwGH 16. 10. 2006, Zl. 2003/10/0131). Auch für Medizinprodukte findet sich in der Gewerbeordnung keine andere Regelung. Soweit daher die Beklagte die Bestellung von Filialgeschäftsführern für ihr Gewerbe „Handel mit Medizinprodukten" unterließ, handelte sie nach jedenfalls vertretbarer Ansicht weder gesetzwidrig noch konnte eine Ersparnis von Aufwendungen eintreten, die ihren Wettbewerb zum Nachteil von Mitbewerbern beeinflussen könnte.

4. Zusammenfassend ist daher davon auszugehen, dass sich die Beklagte zwar bewusst über Bestimmungen der Gewerbeordnung hinwegsetzt und dadurch nach dem unter 3.3. zitierten Schrifttum auch eine Verwaltungsübertretung iSd § 368 GewO begehen dürfte, die Ausführungen des Klägers zur „Spürbarkeit" der Rechtsverletzung aber nicht für die Annahme ausreichen, der Verstoß gegen die Anzeigepflicht könnte den Wettbewerb zum Nachteil rechtstreuer Mitbewerber nicht nur unerheblich beeinflussen. Mangels einer behaupteten und bescheinigten konkreten „Spürbarkeit" der Rechtsverletzung ist auch das Eventualbegehren auf Unterlassung nicht berechtigt, kommt doch eine Erörterung des Vorbringens, um dem Antragsteller die Ergänzung seines Vorbringens zu ermöglichen, im Verfahren auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nicht in Betracht (RIS-Justiz RS0005452 [T11]). Demnach ist der Beschluss des Erstgerichts wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.

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