European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0110OS00079.14Y.0916.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen - auf dem Wahrspruch der Geschworenen (die die anklagekonforme Hauptfrage bejaht, Zusatzfragen in Richtung Notwehr(‑überschreitung) verneint und Eventualfragen in Richtung Totschlag und fahrlässiger Tötung folgerichtig unbeantwortet gelassen hatten) beruhenden ‑ Urteil wurde Geurys M***** des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er am 21. September 2013 in G***** Sergio P***** durch Versetzen mehrerer wuchtiger Stiche mit einem Messer gegen dessen Gesicht, Hals, Oberkörper, Hände und Beine vorsätzlich getötet.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 8 und 10a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
Die prozessordnungsgemäße Ausführung einer Instruktionsrüge (Z 8) verlangt den Vergleich der tatsächlich erteilten Rechtsbelehrung mit deren nach § 321 Abs 2 StPO erforderlichem Inhalt und die darauf gegründete deutliche und bestimmte Darstellung der behaupteten Unrichtigkeit der den Geschworenen zuteil gewordenen juristischen Information (RIS‑Justiz RS0119549). Gegenstand der Instruktionsrüge ist somit der auf die Darlegung der gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung, die Auslegung der in den einzelnen Fragen vorkommenden Ausdrücke des Gesetzes, das Verhältnis der einzelnen Fragen zueinander und die Folgen der Bejahung oder Verneinung jeder Frage bezogene Inhalt der im Gesetz genannten Belehrung (RIS‑Justiz RS0125434; Ratz, WK‑StPO § 345 Rz 53). Dabei ist zu beachten, dass sämtliche nach §§ 321, 323 Abs 1 und 327 Abs 1 StPO zu den beschriebenen Inhalten erteilten Belehrungen eine Einheit bilden, die nur als Ganzes betrachtet richtig oder unrichtig sein kann (Ratz, WK‑StPO § 345 Rz 53, 54, 56, 63; 15 Os 159/12i).
Die Instruktionsrüge des Angeklagten reklamiert unter dem Aspekt von Unvollständigkeit, dass sich die Rechtsbelehrung ‑ zur Vermeidung einer allerdings bloß spekulativ behaupteten Eignung zur Irreführung ‑ schon bei der Belehrung zur Hauptfrage mit dem für die (zufolge Bejahung der Hauptfrage nach Mord nicht beantworteten) Eventualfrage in Richtung Totschlag nach § 76 StGB wesentlichen Tatbestandsmerkmal der allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung auseinanderzusetzen gehabt hätte. Solcherart orientiert sie sich nicht am Gesetz, weil sie nicht deutlich und bestimmt bezeichnet (§ 285 Abs 1 StPO), weshalb dies ungeachtet gegenteiliger gesetzlicher Anordnung (§ 321 Abs 2 StPO ‑ „für jede Frage gesondert“) hier erforderlich gewesen sein sollte, und weil die Rechtsbelehrung von den Geschworenen als Ganzes (samt mündlicher Instruktion [§ 323 Abs 1 StPO]) zur Kenntnis zu nehmen ist (RIS‑Justiz RS0100804; RS0100695; RS0125434).
Ebensowenig wird der beanspruchte Nichtigkeitsgrund mit der Mutmaßung, aus einer Beratungszeit von „nur ca. knapp über eine(r) Stunde“ sei offenkundig, dass die Geschworenen „nach menschlichem Ermessen“ „zur sich in der Rechtsbelehrung erst auf Seite 26 befindlichen Eventualfrage des 'Totschlages' nicht einmal durchdringen hätten können“, prozessförmig zur Darstellung gebracht (RIS‑Justiz RS0100732).
Mit der Kritik von Unverständlichkeit, Undeutlichkeit und damit Unrichtigkeit der Rechtsbelehrung zur Eventualfrage nach Totschlag, weil sich die „Tat im Milieu der 'dominikanischen Community' in G***** abgespielt habe“ und es „bis zu einem gewissen Grad auf die Mentalität aus dem Kultur‑ und Lebenskreises des Täters“ ankomme, weshalb „nicht das Parallelverhalten eines Österreichers, sondern eines Ausländers (eines Inländers mit dominikanischer Abstammung) derselben Herkunft“ maßgebend sei, legt die Rüge nicht dar, inwieweit sich diese behauptete Unrichtigkeit der Instruktion auf die Beantwortung der Hauptfrage nach Mord ausgewirkt haben sollte (RIS-Justiz RS0101091 [T6], RS0110682 [T1], RS0111311).
Gleiches gilt, soweit die Rüge eine schriftliche Belehrung der Geschworenen dahingehend vermisst, „dass in den typischen Fällen des § 76 StGB die Entladung des Affekts blindwütig mit grausamer innerer Notwendigkeit erfolgt, ohne die allgemeine Begreiflichkeit des Affekts zu beseitigen, auch wenn der Täter die Tat noch so roh oder grausam, ja sogar bestialisch ausübt“.
Im Übrigen sind Gegenstand der Rechtsbelehrung gemäß § 321 Abs 2 StPO nur abstrakte rechtliche Umstände, nicht aber solche, die sich in concreto aus dem Beweisverfahren ergeben (RIS‑Justiz RS0109476; RS0100782), wobei den Geschworenen zu jeder Rechtsfrage nur jene Rechtsbelehrung erteilt werden darf, die der Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofs entspricht (RIS‑Justiz RS0118115; RS0100800; RS0100859), welchem Erfordernis hier zur allgemeinen Begreiflichkeit einer heftigen Gemütsbewegung (vgl RIS‑Justiz RS0092087; RS0092271; RS0092360) entsprochen wurde (vgl S 30).
Die gegen die Verneinung der Zusatzfrage nach Notwehrüberschreitung aus asthenischem Effekt (§ 3 Abs 2 StGB) gerichtete Tatsachenrüge (Z 10a) entwickelt ihre Argumentation auf Basis der Niederschrift der Geschworenen, wonach die Verneinung der Zusatzfrage „aufgrund des Sachverständigengutachtens“ erfolgt sei. Da aber eine Tatsachenrüge auf die Niederschrift der Geschworenen nicht gegründet werden kann (RIS‑Justiz RS0115549; RS0100809), Bezugspunkt für die Frage erheblicher Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch festgestellten entscheidenden Tatsachen vielmehr neben der Aussage des Angeklagten ausschließlich die in der Hauptverhandlung vorgeführten Beweismittel sind (Ratz, WK‑StPO § 345 Rz 12), geht auch dieses Vorbringen fehl.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3, 344 StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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