OGH 15Os159/12i

OGH15Os159/12i16.1.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Jänner 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Dr. Michel-Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Meier als Schriftführerin in der Strafsache gegen Yavuz S***** wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Geschworenengericht vom 17. Oktober 2012, GZ 605 Hv 2/12b-68, sowie dessen Beschwerde gegen den unter einem gefassten Beschluss gemäß § 494a Abs 1 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen - auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden - Urteil wurde Yavuz S***** des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB (I./) sowie der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (II./) schuldig erkannt, zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und in eine Anstalt gemäß § 21 Abs 2 StGB eingewiesen.

Danach hat er in Wien

I./ am 12. April 2012 Rasul D***** zu töten versucht, indem er ihm mit einem Einhandklappmesser mit einer Klingenlänge von 10 cm links in den Hals nahe der Halsschlagader stach;

II./ andere gefährlich mit dem Tod bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar

1./ am 12. April 2012 Heinrich Sch***** und weitere Fahrgäste der Straßenbahnlinie 6, indem er das zuvor beschriebene Messer vor deren Gesichter hielt und zwischendurch auf die Einrichtung der Straßenbahn einstach, um den Drohungen Nachdruck zu verleihen;

2./ am 24. März 2012 Damir G*****, indem er ihm mehrmals androhte, ihn umzubringen und dabei Gläser in seine Richtung warf.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 8, 10a und 13 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.

Eine prozessordnungsgemäße Ausführung der Instruktionsrüge (Z 8) verlangt den Vergleich der tatsächlich erteilten Rechtsbelehrung mit dem nach § 321 Abs 2 StPO erforderlichen Inhalt und die darauf gegründete deutliche und bestimmte Darstellung der behaupteten Unrichtigkeit der den Geschworenen zuteil gewordenen juristischen Information (RIS-Justiz RS0119549). Gegenstand der Instruktionsrüge ist somit der auf die Darlegung der gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung, die Auslegung der in den einzelnen Fragen vorkommenden Ausdrücke des Gesetzes, das Verhältnis der einzelnen Fragen zueinander und die Folgen der Bejahung oder Verneinung jeder Frage bezogene Inhalt der im Gesetz genannten Belehrung (RIS-Justiz RS0125434; Ratz, WK-StPO § 345 Rz 53). Dabei ist zu beachten, dass sämtliche nach §§ 321, 323 Abs 1 und 327 Abs 1 StPO zu den beschriebenen Inhalten erteilten Belehrungen eine Einheit bilden, die nur als Ganzes betrachtet richtig oder unrichtig sein kann (zum Ganzen: Ratz, WK-StPO § 345 Rz 53, 54, 56, 63).

Diesem Erfordernis wird die Beschwerde nicht gerecht, indem sie bloß einzelne Passagen der Rechtsbelehrung zum bedingten Vorsatz isoliert herausgreift und daraus deren Unvollständigkeit abzuleiten trachtet. Sie geht somit nicht von der Rechtsbelehrung in ihrer Gesamtheit aus, weil sie die hiezu gegebenen Erläuterungen im Rahmen der Belehrung über die Vorsatzformen vernachlässigt (S 2 und 3 iVm 8 f der Rechtsbelehrung).

Die Tatsachenrüge (Z 10a) greift ihrem Wesen nach erst dann, wenn aktenkundige Beweisergebnisse vorliegen, die nach allgemeiner menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen konstatierten Tatsachen aufkommen lassen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen - wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt - wird dadurch nicht eröffnet (RIS-Justiz RS0119583, RS0118780). Urteilsnichtigkeit nach § 345 Abs 1 Z 10a StPO ist daher gegeben, wenn die Laienrichter das ihnen nach § 258 Abs 2 zweiter Satz StPO gesetzlich zustehende Beweiswürdigungsermessen in geradezu unerträglicher Weise gebraucht haben und damit eine Fehlentscheidung bei der Beweiswürdigung qualifiziert nahe liegt. Mit der Bezugnahme auf die Verantwortung des Angeklagten vor der Polizei und eine Passage in der Aussage des Zeugen Rasul D***** in der Hauptverhandlung sowie mit der Argumentation, es stünde nicht mit Sicherheit fest, dass die Tathandlung den Tod des Opfers überhaupt hätte herbeiführen können, vermag die Beschwerde keine qualifizierten Bedenken zu wecken, sondern bekämpft bloß - unterhalb dieser Erheblichkeitsschwelle - die Beweiswürdigung.

Die Anordnung einer Maßnahme nach § 21 StGB stellt einen Ausspruch nach § 260 Abs 1 Z 3 StPO dar, der mit Berufung und im Geschworenenverfahren lediglich nach Maßgabe des § 345 Abs 1 Z 13 StPO (aus Z 13 erster Fall zudem iVm Z 3 bis 5 und 10a) auch mit Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft werden kann. Nichtigkeit des Sanktionsausspruchs liegt vor, wenn die in Frage gestellte Gefährlichkeitsprognose zumindest eine der in § 21 StGB genannten Erkenntnisquellen (Person, Zustand des Rechtsbrechers und Art der Tat) vernachlässigt oder die Feststellungsgrundlage die Ableitung der Befürchtung der Begehung von strafbaren Handlungen mit schweren Folgen als willkürlich erscheinen lässt (RIS-Justiz RS0118581, RS0113980, RS0090341; Ratz in WK² Vorbem zu §§ 21 bis 25 Rz 8 ff mwN; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 715 ff).

Indem die Sanktionsrüge weder das Übergehen einer gesetzlich angeordneten Erkenntnisquelle noch einen unvertretbaren Schluss aus herangezogenen Erkenntnisquellen behauptet, sondern lediglich vorbringt, der Angeklagte wäre „zu Unrecht“ in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 2 StGB eingewiesen worden, weil bei entsprechender Behandlung eine günstige Zukunftsprognose anzunehmen sei, wird keine rechtsfehlerhafte Bewertung der Prognosekriterien geltend gemacht.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und über die Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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