OGH 13Os57/14b

OGH13Os57/14b14.8.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. August 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Anscheringer als Schriftführer im Verfahren zur Unterbringung des Christian K***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 5. Mai 2014, GZ 29 Hv 43/14w‑41, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde gemäß § 21 Abs 1 StGB die Unterbringung des Christian K***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angeordnet.

Danach hat er am 12. September 2013 „in I***** und anderen Orten“ unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad, nämlich einer rezidivierenden depressiven Störung gepaart mit einer deutlichen Impulskontrollstörung und Alkoholabhängigkeit, beruht, Dr. Sergei M***** gefährlich mit dem Tod bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er Andrea W***** wiederholt telefonisch aufforderte, „dem Doktor einen schönen Gruß auszurichten, es tue ihm Leid, er werde ihn jetzt grad zfleiß erschießen“,

und hiedurch das Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB begangen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 3, (richtig) 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen geht fehl.

Der Verfahrensrüge (Z 3) zuwider begründet nicht jede Abweichung zwischen der Angabe der als erwiesen angenommenen Tatsachen in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) und deren Referat im Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) Nichtigkeit aus Z 3. Die Richtigkeit der Annahme, § 260 Abs 1 Z 1 StPO verlange die lückenlose Wiedergabe sämtlicher Tatsachenfeststellungen der Entscheidungsgründe, würde die genannte Norm nämlich sinnentleeren.

Der Zweck des Referats der Entscheidungsgründe liegt vielmehr darin, einerseits Lebenssachverhalte voneinander abzugrenzen, um Mehrfachverurteilungen hintanzuhalten, und andererseits (gleichsam urteilsintern als Schnittstelle zwischen Schuldspruch [§ 260 Abs 1 Z 2 StPO] und Entscheidungsgründen [§ 270 Abs 2 Z 5 StPO]) jene entscheidenden Tatsachen, auf welche die gesetzliche Deliktsbeschreibung der als begründet befundenen strafbaren Handlung abstellt, zu bezeichnen (RIS‑Justiz RS0117435; Lendl, WK‑StPO § 260 Rz 7 und 9). Diesem Zweck entspricht das gegenständliche Referat jedenfalls (US 1 f).

Auch die bloße Wiedergabe der verba legalia in Bezug auf die Absicht, den Bedrohten in Furcht und Unruhe zu versetzen, ist mit Blick auf die Herstellung des Sachverhaltsbezugs aus Z 3 unbedenklich (Lendl, WK‑StPO § 260 Rz 19). Die diesbezügliche Konkretisierung, nämlich die Feststellung, dass der Beschwerdeführer die Drohungen gegenüber einer Dritten äußerte und deren Weiterleitung an den Bedrohten von seiner Absicht umfasst war (dazu 14 Os 132/05a, SSt 2006/7; RIS‑Justiz RS0093126 [T3 und T4]; Schwaighofer in WK² StGB § 107 Rz 7), erfolgte zu Recht (nicht im Urteilstenor, sondern) in den Entscheidungsgründen (US 9 f [Lendl, WK‑StPO § 260 Rz 10]).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a, nominell verfehlt auch Z 10) strebt eine Abweisung des Antrags auf Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher mit der Begründung an, es läge keine Anlasstat im Sinn des § 21 Abs 1 StGB vor, weil die Tat zu Unrecht nicht bloß dem Tatbestand des § 107 Abs 1 StGB, sondern auch der Qualifikationsnorm des § 107 Abs 2 erster Fall StGB unterstellt worden sei.

Indem sie dabei Feststellungen dahin verlangt, dass die Absicht des Beschwerdeführers darauf gerichtet gewesen sei, beim „Bedrohten auch wirklich Furcht vor einem Anschlag auf sein Leben“ hervorzurufen, orientiert sie sich nicht am Gesetz (siehe aber RIS‑Justiz RS0116565 und RS0116569). Dieses verlangt nämlich die qualifizierte Vorsatzform der Absichtlichkeit (§ 5 Abs 2 StGB) nur in Bezug auf die Intention, den Bedrohten in Furcht und Unruhe zu versetzen (§ 107 Abs 1 StGB), nicht jedoch hinsichtlich der übrigen in § 107 StGB umschriebenen Tatbestandsmerkmale.

Klarstellend sei hinzugefügt, dass § 107 Abs 2 StGB sogenannte Deliktsqualifikationen normiert, für deren Zurechnung (zumindest) bedingter Vorsatz (§ 5 Abs 1 StGB) erforderlich ist (Leukauf/Steininger Komm³ § 107 Rz 15).

Soweit das Beschwerdevorbringen in Richtung des Einwands fehlender Feststellungen zur voluntativen Komponente des (bedingten) Vorsatzes hinsichtlich der Drohung mit dem Tod zu verstehen ist, lässt die Rüge ebenfalls die gebotene Ableitung aus dem Gesetz vermissen, indem sie nicht darlegt, aus welchem Grund die ‑ dem Wortlaut des § 5 Abs 1 StGB entsprechenden ‑ Feststellungen, wonach der Beschwerdeführer die Drohung mit dem Tod ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand (US 9), die vorgenommene Subsumtion nicht tragen sollen (RIS‑Justiz RS0095939 und RS0099620).

Die rechtliche Bedeutung der Abgrenzung zwischen versuchter und vollendeter Tat beschränkt sich auf die Frage des Vorliegens des Milderungsumstands des § 34 Abs 1 Z 13 StGB, also auf die Beurteilung einer für die Strafbemessung (§§ 32 ff StGB) maßgebenden entscheidenden Tatsache (12 Os 119/06a, EvBl 2007/130, 700 [verst Senat], RIS‑Justiz RS0122137 und RS0122138) und ist solcherart im Verfahren zur Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB nicht Gegenstand der Nichtigkeitsbeschwerde (hiezu eingehend Ratz in WK² StGB Vor §§ 21 bis 25 Rz 8 bis 11 sowie ders, WK‑StPO § 281 Rz 674).

Ergänzt sei, dass sich die diesbezügliche Beschwerdebehauptung, die Drohung sei dem Bedrohten nicht zur Kenntnis gelangt (dazu 15 Os 4/00, SSt 63/84; RIS‑Justiz RS0093138; Schwaighofer in WK² StGB § 107 Rz 9; Seiler SbgK § 107 Rz 19), vom festgestellten Sachverhalt entfernt (US 10).

Indem die Beschwerde die Eignung der Drohung, begründete Besorgnisse einzuflößen, bestreitet, ohne auf der Basis der Urteilsfeststellungen zu argumentieren, verfehlt sie den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).

Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO sei hinzugefügt, dass die erstgerichtliche Ableitung der rechtlichen Annahme (13 Os 124/81, SSt 52/54; RIS‑Justiz RS0092255 [T10 und T14], Jerabek in WK² StGB § 74 Rz 34) einer solchen Eignung aus dem Wortlaut der Drohung im Zusammenhalt mit dem ‑ eingehend festgestellten (US 9 f) ‑ aggressiven Gesamtverhalten des Beschwerdeführers nicht zu beanstanden ist.

Indem die Rüge unter Hinweis auf die Tatumstände und die Alkoholisierung des Beschwerdeführers der Sache nach die Feststellungen zur Ernstlichkeit der Drohung (US 9) anzweifelt, wendet sie sich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufung kommt somit dem Oberlandesgericht zu.

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