OGH 8Ob49/14k

OGH8Ob49/14k26.6.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr.

Spenling als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, *****, vertreten durch Dr. Gerhard Deinhofer und Dr. Friedrich Petri, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei T***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Armin Bammer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 4.411,25 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 16. Jänner 2014, GZ 1 R 268/13b‑15, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0080OB00049.14K.0626.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Der von der Beklagten geltend gemachte Nichtigkeitsgrund liegt nicht vor. Für den Verbandsprozess schließt § 30 Abs 2 KSchG die Anwendung der Bestimmung des § 7 Abs 2 Satz 1 JN und damit die Beteiligung fachkundiger Laienrichter im Senatsprozess erster Instanz und im Berufungsverfahren aus. Die zivilprozessualen Sonderbestimmungen für die im § 29 KSchG genannten Verbände sind auch dann anzuwenden, wenn diese die ihnen vom Verbraucher abgetretenen Ansprüche im Rahmen ihres Verbandszwecks geltend machen (RIS‑Justiz RS0124402).

2. Die Frage der Auslegung einer Erklärung betrifft den Einzelfall und begründet in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage (RIS‑Justiz RS0042555). Die Formulierung „zahlbar bis 9. 12.“ drückt aus, dass es sich beim angeführten Datum um den letzten Tag für eine rechtzeitige Zahlung handelt. Dieses von den Vorinstanzen gewonnene Auslegungsergebnis ist nicht korrekturbedürftig. Die gegenteilige Ansicht der Beklagten, das Datum bezeichne nur den Eintritt der Fälligkeit bzw dem Verbraucher sei eine frühere Zahlung lediglich freigestellt worden, ist nicht haltbar.

Auf die Bestimmung in den allgemeinen Reiseinformationen zur Übernahme von Anzahlungen und Vorauszahlungen kann sich die Beklagte schon deshalb nicht berufen, weil dem Verbraucher durch eine gesonderte, individuelle Erklärung eine abweichende Vorgangsweise vorgegeben wurde. Die internen Vertriebskonditionen zwischen der Beklagten und der Vermittlerin sind für den Reisevertrag mit dem Verbraucher ohne Bedeutung.

Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass durch die Entgegennahme der Restzahlung des Verbrauchers durch die Vermittlerin im Namen der Beklagten ein Verstoß gegen § 4 Abs 6 RSV (in der anwendbaren Fassung BGBl II 1999/316 idF BGBl II 2006/402) begründet wurde, erweist sich insgesamt als nicht korrekturbedürftig.

3.1 Im Anlassfall ist entscheidend, dass der Verbraucher die Restzahlung termingerecht gegenüber der Vermittlerin erbracht hat.

Nach der Rechtsprechung handelt ein Reisevermittler bei der Entgegennahme rechtsgeschäftlicher Erklärungen des Reisenden zum Zweck der Weiterleitung an den Reiseveranstalter und bei der Bekanntgabe der Erklärung des Reiseveranstalters an den Reisenden über die Annahme oder Ablehnung des Angebots nicht als Bote des Reisenden, sondern als Gehilfe des Reiseveranstalters (4 Ob 130/09k mwN). Das Risiko einer fehlerhaften Weiterleitung von Erklärungen durch den Reisevermittler trägt daher nicht der Reisende, sondern der Reiseveranstalter (RIS‑Justiz RS0019472). Allgemein ist das Verhalten eines Reisebüros dem Reiseveranstalter dann zuzurechnen, wenn und soweit sich dieser des Reisebüros zur Verfolgung eigener Interessen gegenüber dem Kunden bedient (RIS‑Justiz RS0028425; RS0028499). Dies gilt vor allem für vertragliche Zusicherungen eines Reisebüromitarbeiters. Ist das Reisebüro auch zur Entgegennahme von Zahlungen für den Reiseveranstalter befugt, so fungiert dieses als Zahlstelle. Der Vertretungsbefugte nimmt die Zahlung wirksam für den Reiseveranstalter in Empfang; Leistungsempfänger ist somit der Veranstalter (vgl 8 Ob 94/13a).

3.2 Aus diesen Erwägungen folgt, dass der Verbraucher mit der Restzahlung im November 2012 seine Verpflichtungen aus dem Reisevertrag gegenüber der Beklagten erfüllt hat. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass die Zahlungen des Verbrauchers an die Vermittlerin schuldbefreiend gewirkt haben, stellt demnach keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung dar. Die von der Beklagten geforderte neuerliche Restzahlung war vom Verbraucher nicht geschuldet, weshalb die Rückforderung berechtigt ist.

Die Fragestellung in der außerordentlichen Revision, ob es Konstellationen geben könne, in denen ein Abweichen vom Grundsatz gerechtfertigt sei, wonach Zahlungen des Kunden an das Reisebüro so zu werten sind, als ob sie direkt an den Veranstalter geleistet wurden, hat rein theoretischen Charakter. Eine erhebliche Rechtsfrage liegt aber dann nicht vor, wenn vom Höchstgericht Fragen bloß rein theoretischer Natur gelöst werden sollen (RIS‑Justiz RS0111271).

3.3 Der Umstand, dass ‑ nach der Restzahlung des Verbrauchers an die Vermittlerin ‑ über das Vermögen der Vermittlerin das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, ändert an der Beurteilung nichts. In der gegebenen Konstellation ist das Insolvenzrisiko in Bezug auf die Weiterleitung der von der Vermittlerin im Namen des Reiseveranstalters empfangenen Zahlung an den Veranstalter Letzterem zuzuordnen, weil er sich zur Erbringung seiner Leistungen bzw zur Verfolgung seiner Interessen gegenüber dem Verbraucher der Vermittlerin bedient hat und diese daher seiner Interessensphäre zugehört.

4. Auch mit ihren Ausführungen zum behaupteten Mitverschulden des Verbrauchers zeigt die Beklagte keine erhebliche Rechtsfrage auf. Der Verbraucher hat sich an die von der Vermittlerin vorgegebene Vorgangsweise in Bezug auf die Restzahlung gehalten. Wie schon das Erstgericht festgehalten hat, wurde eine Aufklärung des Verbrauchers über den Inhalt des § 4 Abs 6 RSV in der anwendbaren Fassung von der Beklagten nicht einmal behauptet. Worin ein sorgloses Verhalten des Verbrauchers gelegen sein soll, vermag die Beklagte demnach nicht schlüssig zu begründen. Der in diesem Zusammenhang von der Beklagten geltend gemachte sekundäre Feststellungsmangel liegt nicht vor.

Mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte