Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.891,44 EUR (darin 315,24 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Gegenstand des Verfahrens ist eine Werklohnforderung des Klägers gegenüber der beklagten Verlassenschaft. Der Kläger behauptet, über Auftrag des damaligen Sachwalters der Erblasserin für diese Forstarbeiten ausgeführt zu haben, die noch nicht bezahlt seien.
Nach Zustellung der Klage am 24. 1. 2012 beantragte die beklagte Verlassenschaft am 16. 2. 2012 die Bewilligung der Verfahrenshilfe (ON 8). Dieser Antrag wurde vom Landesgericht St. Pölten unter Hinweis auf § 63 Abs 1 ZPO in der anzuwendenden Fassung (keine Verfahrenshilfe für juristische Personen) abgewiesen. Den Antrag der Beklagten, ihr die Verfahrenshilfe zur Einbringung eines Rekurses gegen diesen Beschluss zu bewilligen, wies das Landesgericht St. Pölten ab; das Oberlandesgericht Wien bestätigte diese Entscheidung.
Infolge Einspruchs der Beklagten vom 30. 7. 2012 wurde eine Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 16. 11. 2012 durchgeführt, in der die Beklagte beantragte, ein Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet der Wald- und Forstwirtschaft einzuholen. Nach Erlag eines Kostenvorschusses von 1.500 EUR am 7. 12. 2012 wurde mit Beschluss vom 12. 12. 2012 ein Sachverständiger bestellt (ON 27). Mit am 11. 1. 2013 eingelangtem Antrag begehrte die beklagte Verlassenschaft erneut die Bewilligung der Verfahrenshilfe unter Hinweis auf die Überschuldung des Nachlasses (ON 30). Am 15. 1. 2013 teilte der Sachverständige dem Landesgericht St. Pölten telefonisch mit, dass eine Gutachtenserstattung unter Berücksichtigung der Witterungsverhältnisse im März erfolgen werde; eine entsprechende Fristerstreckung wurde bewilligt (ON 31).
Mit Eingabe vom 8. 4. 2013 (ON 36) lehnte die Beklagte die zuständige Richterin und darüber hinaus sämtliche Richter des Landesgerichts St. Pölten sowie den bestellten Sachverständigen als befangen ab. Der Vertreter der Verlassenschaft und deren Mutter hätten bereits zahlreiche Gerichtsverfahren beim abgelehnten Gerichtshof geführt, in denen ausnahmslos eine Voreingenommenheit des Gerichts zum Nachteil dieser Familie erkennbar gewesen sei. Die im Ausgangsverfahren zuständige Richterin habe über einen vor geraumer Zeit eingebrachten Antrag auf Verfahrenshilfe nicht entschieden, es stehe aber die Befundaufnahme durch den Sachverständigen unmittelbar bevor. Der Vertreter der Verlassenschaft beziehe nur die Mindestsicherung, die Verlassenschaft sei verschuldet, es bestehe daher ein Interesse an der Bewilligung der Verfahrenshilfe noch vor der Befundaufnahme, damit der erlegte Kostenvorschuss refundiert werden könne. Die Verzögerung der Entscheidung sei eine Maßnahme zum Nachteil der Beklagten. Sämtliche Richter und Richterinnen des Landesgerichts St. Pölten seien aus den angeführten Gründen befangen, weil ein Großteil von ihnen in die zahlreichen Verfahren der betroffenen Familienmitglieder involviert gewesen seien.
In ihren Stellungnahmen zum Ablehnungsantrag erklären sich der Präsident und die Vizepräsidentin sowie alle Richter des Landesgerichts St. Pölten für nicht befangen.
Das Oberlandesgericht Wien wies den Antrag auf Ablehnung sämtlicher Richter des Landesgerichts St. Pölten zurück. Die Ablehnungswerberin beschränke sich auf den Vorwurf, dass über ihren Verfahrenshilfeantrag noch nicht entschieden worden sei. Dieser Umstand sei einerseits kein substantiierter Befangenheitsgrund und andererseits dadurch begründet, dass sich der Hauptakt beim Sachverständigen zur Erstellung des Gutachtens befinde. Auch die allgemeinen Ausführungen der Ablehnungswerberin gegenüber allen Richtern des Landesgerichts St. Pölten unter Hinweis auf zahlreiche Verfahren, die von oder gegen Angehörige der betroffenen Familie geführt würden, enthielten keine näher konkretisierten Befangenheitsgründe, aus denen erschlossen werden könne, die Richter des Landesgerichts St. Pölten würden sich von anderen als sachlichen Gesichtspunkten leiten lassen.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs der Beklagten ist zulässig. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Oberlandesgericht Wien in einem Ablehnungsverfahren in erster Instanz entschieden. Beim vorliegenden Rechtsmittel handelt es sich somit um einen Rekurs (vgl RIS-Justiz RS0119847). Da der Oberste Gerichtshof als zweite Instanz entscheidet, kommt der Rechtsmittelbeschränkung nach § 24 Abs 2 JN keine Bedeutung zu. Das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt.
1.1. Ein Richter ist befangen, wenn Umstände vorliegen, die es nach objektiven Merkmalen rechtfertigen, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Dabei genügt die Besorgnis, dass bei der Entscheidungsfindung andere als rein sachliche Überlegungen eine Rolle spielen könnten (Ballon in Fasching² § 19 JN Rz 5; RIS-Justiz RS0046024). Es reicht bereits aus, dass die Befangenheit mit Grund befürchtet werden muss oder dass der Anschein einer Voreingenommenheit entstehen könnte (RIS-Justiz RS0046052; 6 Ob 290/06z mwN). Es genügt, wenn der Ablehnungswerber ausreichende Gründe darlegt, die den Anschein der Voreingenommenheit eines Richters erwecken. Ein solcher Anschein liegt jedoch dann nicht vor, wenn sachliche Gründe für das zu Recht oder Unrecht kritisierte Verhalten des abgelehnten Richters vorliegen (vgl RIS-Justiz RS0045949 [T1]).
1.2. Im Fall der Ablehnung einer Mehrzahl von Richtern müssen in Ansehung eines jeden Einzelnen von ihnen konkrete Befangenheitsgründe detailliert dargetan werden. Die pauschale Ablehnung aller Richter eines Gerichtshofs ist unzulässig; die Ablehnung eines ganzen Gerichts ist vielmehr nur durch die Ablehnung jedes einzelnen Richters unter Angabe detaillierter Ablehnungsgründe für jede einzelne Person möglich, weil immer nur ein Richter als Person, niemals aber das Gericht als Institution abgelehnt werden kann (Fasching, LB² Rz 165; RIS-Justiz RS0046005; RS0045983). Pauschal und ohne Anführung bestimmter Gründe zu jeweils namentlich bezeichneten Richtern eingebrachte Ablehnungserklärungen sind nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt (RIS-Justiz RS0046011 [T6]).
1.3. Weder die behauptete Unrichtigkeit einer Gerichtsentscheidung noch die Vertretung einer bestimmten Rechtsmeinung durch den Richter bilden einen Ablehnungsgrund. Es ist nicht Aufgabe des Ablehnungsverfahrens, die Rechtmäßigkeit von Entscheidungen zu überprüfen. Eine unrichtige Lösung der Rechtsfrage kann nur im Rechtsmittelweg bekämpft werden (RIS-Justiz RS0111290; RS0046047).
2.1. Den Anschein der Befangenheit der zuständigen Richterin erblickt die Rekurswerberin darin, dass diese über den Verfahrenshilfeantrag der Beklagten vom 11. 1. 2013 bis zum 8. 4. 2013 (Ablehnungsantrag) nicht entschieden hat. Für dieses Verhalten liegen allerdings sachliche Gründe darin, dass der Akt dem Gericht von 19. 12. 2012 bis 10. 4. 2013 nicht vorlag. Ein Befangenheitsgrund lässt sich daraus demnach - wie das Oberlandesgericht Wien zutreffend erkannt hat - nicht ableiten.
2.2. Abgesehen von der zuständigen Richterin hat die Rekurswerberin konkrete Befangenheitsgründe betreffend einzelne namentlich genannte Richter des Landesgerichts St. Pölten in ihrem Ablehnungsantrag nicht aufgezeigt, sondern sich auf eine pauschale Ablehnung aller Richter dieses Landesgerichts beschränkt. Nach der zuvor referierten Rechtsprechung führen derartige pauschale Beschuldigungen einen Ablehnungsantrag nicht gesetzmäßig aus und können daher nicht auf ihre inhaltliche Berechtigung überprüft werden (vgl RIS-Justiz RS0046011 [T3, T6]). Die bloße Befürchtung einer ungünstigen allgemeinen Stimmung reicht nicht zur Begründung des Anscheins der Befangenheit aus (RIS-Justiz RS0045983 [T18]).
3.1. Soweit die §§ 19 bis 25 JN keine Sonderregelungen für das Rechtsmittelverfahren in Ablehnungssachen enthalten, richtet sich dieses nach den Vorschriften jenes Verfahrens, in dem die Ablehnung erfolgt (RIS-Justiz RS0006000). Auch im Rechtsmittelverfahren über Ablehnungsanträge gilt daher das Neuerungsverbot (4 Ob 77/98x; RIS-Justiz RS0006000 [T13]).
3.2. Die Ausführungen im Rechtsmittel betreffend eine angebliche Untätigkeit des nach einem Richterwechsel seit 1. 4. 2013 zuständigen Richters im Ausgangsverfahren sind unzulässige Neuerungen, wird doch dieser Richter im Ablehnungsantrag ON 36 nicht einmal erwähnt.
4. Insgesamt vermag die Beklagte keinen tauglichen Ablehnungsgrund darzulegen. Dem Rekurs war daher der Erfolg zu versagen.
5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50, 52 ZPO. Aufgrund der Zweiseitigkeit bildet auch das Ablehnungsverfahren einen Zwischenstreit, über dessen Kosten nach den Regeln des Ausgangsverfahrens unabhängig von dessen Ausgang zu entscheiden ist (4 Ob 143/10y; RIS-Justiz RS0126588).
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