Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 187,92 EUR (darin 31,32 EUR USt) an Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die am 20. 12. 1961 geborene Klägerin bezieht bereits seit dem 9. 3. 1982 (aufgrund des Bescheids der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter vom 2. 9. 1982) eine Invaliditätspension wegen dauernder Invalidität gemäß § 254 Abs 1 Z 1 ASVG idF BGBl Nr 588/1981 (37. ASVG‑Novelle), weil anlässlich der im Pensionsverfahren durchgeführten Untersuchung festgestellt worden war, dass die Klägerin für eine geregelte Tätigkeit nicht geeignet sei und dieser Zustand bereits vor dem 18. Lebensjahr bestanden habe. Sie ist infolge der bei ihrer Geburt eingetretenen Komplikationen gesundheitlich stark beeinträchtigt. Wegen dieses frühkindlichen Gesundheitsproblems (Geburtstrauma) war sie nie arbeitsfähig.
Dennoch verrichtete die Klägerin vom Jahr 1986 bis Ende Februar 2012 Verpackungs- und Reinigungsarbeiten in einem integrativen, auf die Wiedereingliederung der Dienstnehmer in den „ersten Arbeitsmarkt“ ausgerichteten Betrieb, der ausschließlich beeinträchtigte Personen beschäftigt. Sie erwarb dadurch 345 Beitragsmonate. Im Laufe der letzten fünf Jahre hat sich ihre Arbeitsfähigkeit kontinuierlich verschlechtert, und zwar sowohl in organischer (Operationen im Lendenwirbel- und Magenbereich) als auch in psychiatrischer Hinsicht, weil die Klägerin immer weniger teamfähig wurde.
Die Klägerin war am allgemeinen Arbeitsmarkt ohne Entgegenkommen eines Dienstgebers nie einsetzbar, hatte aber während der ersten Jahre des Dienstverhältnisses die Verpackungsarbeiten zur Zufriedenheit der Vorgesetzten erledigt, was in den letzten Jahren des Dienstverhältnisses jedoch immer weniger, zuletzt gar nicht mehr möglich war. Da sie in den konkreten Arbeitsbetrieb nicht mehr eingliederbar war, kam es im Februar 2012 zur einvernehmlichen Lösung des Dienstverhältnisses.
Mit Bescheid vom 17. 4. 2012 lehnte die beklagte Partei den Antrag der Klägerin vom 3. 2. 2012 auf Gewährung von Invaliditätspension [im Sinn einer Neuberechnung] mit der Begründung ab, dass die Voraussetzung des Herabsinkens der Leistungsfähigkeit nicht erfüllt sei.
Die dagegen erhobene Klage ist darauf gerichtet, die beklagte Partei zu verpflichten, der Klägerin die Invaliditätspension „im gesetzlichen Ausmaß, insbesondere nach § 255 Abs 7 ASVG, ab 1. 3. 2012“ zu leisten. Die Sachwalterin der Klägerin habe die beklagte Partei mit Schreiben vom 1. 2. und 21. 2. 2012 ersucht, die Pension der Klägerin „neu zu berechnen“, weil der monatliche Lohn nunmehr wegfalle. Mit § 255 Abs 7 ASVG sei ein eigener Versicherungsfall der Invalidität für Personen, die trotz originärer Invalidität 120 Beitragsmonte erwerben, geschaffen worden, damit die Betroffenen nicht auf den Eintritt des Versicherungsfalls des Alters warten müssten, um von ihren Versicherungszeiten zu profitieren. Der bisher bestehende Anspruch auf Invaliditätspension werde nach § 100 Abs 2 ASVG durch den nun zustehenden ersetzt. Der Fall 10 ObS 165/09a sei mit dem vorliegenden nicht vergleichbar, weil der Kläger dort nicht ‑ wie von § 255 Abs 7 ASVG gefordert ‑ vor der erstmaligen Aufnahme einer die Pflichtversicherung begründenden Beschäftigung erwerbsunfähig gewesen sei.
Die beklagte Partei beantragte Klageabweisung. Die Neuberechnung einer Invaliditätspension der Klägerin aufgrund originärer Invalidität käme nur dann in Betracht, wenn sich ihr Gesundheitszustand zunächst so weit gebessert hätte, dass eine Verweisbarkeit am allgemeinen Arbeitsmarkt wieder möglich geworden und die Arbeitsfähigkeit später wieder abgesunken wäre. Im vergleichbaren Fall eines Querschnittgelähmten, der vom früheren Dienstgeber unter besonderem Entgegenkommen weiterbeschäftigt worden sei (10 ObS 165/09a), sei der Anspruch auf Neuberechnung der Invaliditätspension vom Obersten Gerichtshof abgelehnt worden. Dabei sei nicht zwischen originärer und „normaler“ Invalidität zu unterscheiden, sondern danach, ob der Pensionsbezieher am allgemeinen Arbeitsmarkt ohne besonderes Entgegenkommen des Dienstgebers noch arbeitsfähig sei. Daher mache es keinen Unterschied, ob ein Versicherter nach § 255 Abs 3 oder Abs 7 ASVG invalid sei, weil in beiden Fällen besonderes Entgegenkommen des Dienstgebers erforderlich sei. Ein im Wesentlichen unveränderter körperlicher oder geistiger Zustand könne bei Leistungen aus den Versicherungsfällen der geminderten Arbeitsfähigkeit nicht zum Eintritt des Versicherungsfalls und zur Möglichkeit, eine „neue Invaliditätspension“ zu beantragen, führen.
Das Erstgericht sprach aus, dass das Begehren, die beklagte Partei sei verpflichtet, der Klägerin die Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß, insbesondere nach § 255 Abs 7 ASVG, ab 1. 3. 2012 zu leisten, nach §§ 254 Abs 4 (Art VIII Abs 9 der 37. ASVG‑Novelle), 255 Abs 7 ASVG dem Grunde nach zu Recht bestehe, erkannte die beklagte Partei schuldig, der Klägerin die Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß ab 1. 3. 2012 unter Berücksichtigung auch der von 1986 bis 2012 erbrachten Versicherungsbeiträge zu bezahlen, und trug der beklagten Partei eine vorläufige Zahlung von monatlich 500 EUR auf. Rechtlich gelangte es zu folgendem Ergebnis:
Würde die Klägerin nicht längst (nämlich seit dem Jahr 1982) Invaliditätspension beziehen, hätte sie aktuell Anspruch auf Gewährung der Invaliditätspension nach § 255 Abs 7 ASVG ab dem 1. 3. 2012. Wegen der Besonderheit, dass sie bereits seit 1982 laufend Invaliditätspension (von derzeit freilich bloß rund 150 EUR monatlich) beziehe, seien neben § 255 Abs 7 ASVG auch die §§ 254 Abs 4 und 100 Abs 2 ASVG zu beachten. Zusammengefasst vertrat das Erstgericht den Standpunkt, dass ‑ anders als in dem in der Entscheidung 10 ObS 165/09a beurteilten Sachverhalt ‑ hier ein neuer Versicherungsfall eingetreten sei. Innerhalb des § 255 Abs 7 ASVG, welcher grundsätzlich kein Herabsinken erfordere, liege hier „ein solches jedoch vor“, sodass § 254 Abs 4 ASVG anzuwenden sei. Dies führe zu einem neuen Anspruch auf Invaliditätspension, wobei der seit 1982 bestehende Anspruch auf Invaliditätspension mit 1. 3. 2012 gemäß § 100 Abs 2 ASVG erlösche.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und änderte das Ersturteil im klageabweisenden Sinn ab. Der Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit könne nur einmal eintreten. Würden nach Eintritt des Versicherungsfalls weitere Versicherungsmonate erworben, könnten diese ‑ anders als bei einer Erwerbstätigkeit neben einer Alterspension, für die gemäß § 248c ASVG ein besonderer Höherversicherungs-betrag gebühre ‑ erst im Zusammenhang mit dem Versicherungsfall des Alters berücksichtigt werden (vgl OGH 10 ObS 165/09a). Eine Ausnahme davon normierten (nur) § 254 Abs 4 ASVG bzw Art VIII Abs 9 der 37. ASVG‑Novelle idF der 41. ASVG‑Novelle, wonach ein Pensionsbezieher (zusammengefasst) dann Anspruch auf Invaliditätspension habe, wenn er entweder im Wege der Rehabilitation zur Ausübung eines Berufs befähigt worden sei (§ 254 Abs 4 ASVG), oder sonst zu einem Beruf befähigt werde, ohne dass ihm Maßnahmen der Rehabilitation gewährt worden seien (Art VIII Abs 9 der 37. ASVG‑Novelle), er in dieser Berufstätigkeit mindestens 36 Beitragsmonate erworben habe und anschließend seine Arbeitsfähigkeit in diesem Beruf infolge eines körperlichen oder geistigen Zustands auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich oder geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken sei (die Verweisung auf § 255 Abs 5 ASVG in § 254 Abs 4 Z 2 ASVG beziehe sich tatsächlich auf § 255 Abs 6 ASVG [Sonntag in Sonntag, ASVG4 § 254 Rz 8]). Beide Bestimmungen setzten das Herabsinken der Leistungsfähigkeit voraus, also den Umstand, dass ursprünglich eine ausreichende Leistungsfähigkeit bestanden habe (so auch 10 ObS 165/09a; Sonntag in Sonntag, ASVG4 § 254 Rz 7). Die Klägerin sei jedoch ‑ wie in dem zu 10 ObS 165/09a entschiedenen Fall ‑ im Zeitraum des Pensionsbezugs nie in der Lage gewesen, eine Tätigkeit unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts zu erbringen. Eine unmittelbare Anwendung der zitierten Bestimmungen scheide daher aus. Eine Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 254 Abs 4 ASVG in dem Sinn, dass ein Pensionsbezieher auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 255 Abs 7 ASVG einen (neuen) Anspruch auf Invaliditätspension erwerben könne, habe der Gesetzgeber nicht vorgenommen und eine analoge Anwendung des § 254 Abs 4 ASVG (zur Begründung eines neuen Anspruchs der Klägerin auf Invaliditätspension) scheitere daran, dass keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Annahme einer planwidrigen Unvollständigkeit bestünden.
Das Berufungsgericht sprach aus, die ordentliche Revision sei zulässig, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob eine originär invalide Versicherte durch den Erwerb von 120 Beitragsmonaten der Pflichtversicherung während des Bezugs einer Invaliditätspension in analoger Anwendung des § 254 Abs 4 ASVG iVm § 255 Abs 7 ASVG einen (neuen) Anspruch auf Invaliditätspension erwerben könne.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagestattgebenden Sinn abzuändern und der Klägerin die Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß ab März 2012 „unter Berücksichtigung auch der zwischen 1986 und 2012 erbrachten Versicherungsbeiträge“ zu gewähren.
Die beklagte Partei hat die Revision nicht beantwortet.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.
Die Revisionswerberin beruft sich darauf, der Gesetzgeber belohne den mit oder ohne Rehabilitation wieder am Arbeitsleben teilnehmenden Invaliditätspensionsbezieher mit dem Erwerb eines weiteren Invaliditätspensionsanspruchs, wenn er nach Erwerb weiterer Versicherungszeiten wieder seine Arbeitsfähigkeit verliere (§ 254 Abs 4 ASVG bzw Art VIII Abs 9 der 37. ASVG-Novelle). § 255 Abs 7 ASVG behandle originär invalide Versicherte belohnend durch Gewährung der Invaliditätspension und biete einen Anreiz zur aktiven Integration in den „regulären Arbeitsmarkt“. Durch Gleichstellung originärer Arbeitsunfähigkeit bei erworbenen 120 Beitragsmonaten mit den sonstigen Fällen der Invalidität liefere der Gesetzgeber die Basis für eine „direkte Anwendbarkeit“ des § 254 Abs 4 ASVG bzw Art VIII Abs 9 der 37. ASVG-Novelle. Die Klägerin habe durch die (nach ursprünglicher Zuerkennung der Invaliditätspension) im Jahr 1982 erworbenen 345 Beitragsmonate einen „weiteren“ Anspruch auf Invaliditätspension unter Berücksichtigung dieser zusätzlichen Beitragszeiten erworben.
Dem ist zu erwidern:
1. Die Pensionsversicherung trifft gemäß § 221 ASVG unter anderem Vorsorge für die Versicherungsfälle des Alters, der geminderten Arbeitsfähigkeit (Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit) und des Todes. Aus den Versicherungsfällen der geminderten Arbeitsfähigkeit gebührt gemäß § 222 Abs 1 Z 2 lit b ASVG bei Invalidität die Invaliditätspension aus der Pensionsversicherung der Arbeiter (§ 254 ASVG). Der Versicherungsfall gilt gemäß § 223 Abs 1 Z 2 lit a ASVG im Fall der Invalidität mit deren Eintritt, wenn aber dieser Zeitpunkt nicht feststellbar ist, mit der Antragstellung als eingetreten. Der Versicherungsfall ist eine bestimmte Lebenssituation, für deren Bewältigung das ASVG bestimmte Leistungen zur Verfügung stellt. Beim Versicherungsfall handelt es sich um eine (primäre) Leistungsvoraussetzung in der Pensionsversicherung (RIS‑Justiz RS0110083). Ungeachtet des § 223 Abs 1 Z 2 ASVG, wonach der Versicherungsfall etwa mit Eintritt der Invalidität, wenn dieser Zeitpunkt feststellbar ist, als eingetreten gilt, ist eine Antragstellung und damit ein Stichtag nach Eintritt des Versicherungsfalls nicht mehr sinnvoll, weil die Frage, ob überhaupt der Versicherungsfall eingetreten ist, nur zum Stichtag geprüft werden kann (RIS‑Justiz RS0111054).
2. Bei der Klägerin ist der Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit schon im Jahr 1982 eingetreten. Daher könnten die von der Klägerin während des Bezugs der Invaliditätspension erworbenen Versicherungszeiten ‑ wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat ‑ grundsätzlich erst bei Eintritt eines anderen Versicherungsfalls (zB jenem des Alters oder des Todes) berücksichtigt werden.
2.1. Um diese unbefriedigende Rechtslage zu ändern, wurde § 254 Abs 4 ASVG geschaffen, wonach für Pensionsbezieher, die als Folge der Rehabilitation wieder in das Berufsleben zurückkehren können, aber neuerlich invalid im Sinn des § 255 (nunmehr) Abs 6 ASVG werden, unter bestimmten Voraussetzungen ein weiterer Anspruch auf Invaliditätspension besteht. Der Invaliditätspensionsanspruch, der sich auf ihre seinerzeitige Invalidität gründete, erlischt in diesem Fall gemäß § 100 Abs 2 ASVG (vgl dazu Teschner/Pöltner, MGA-ASVG 119. Erg-Lfg § 254 Anm 6).
2.2. Von der Regelung des § 254 Abs 4 ASVG nicht erfasst waren aber jene Fälle, in denen Pensionsbezieher aus einem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit während des Pensionsbezugs eine die Versicherungspflicht nach sich ziehende Beschäftigung ausübten. In diesem Fall konnten die während des Pensionsbezugs erworbenen Versicherungszeiten nach der früheren Rechtslage weiterhin grundsätzlich erst bei Eintritt des (dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit folgenden) Versicherungsfalls des Alters oder des Todes berücksichtigt werden. Für diese Härtefälle wurde in Art VIII Abs 9 und 10 der 37. ASVG-Novelle eine entsprechende Anwendung des § 254 Abs 4 ASVG vorgesehen (vgl die Mat zur 37. ASVG-Novelle abgedruckt in Teschner/Pöltner, aaO). Nach den Feststellungen scheitert die auch hier erforderliche Aufnahme der Erwerbstätigkeit an der durchgehend bestehenden Arbeitsunfähigkeit der Klägerin.
3. Die Revisionswerberin erachtet sich aber ‑ wie im bereits vom Erstgericht angeführten Fall 10 ObS 165/09a, SSV-NF 23/87 ‑ dadurch beschwert, dass sie trotz geleisteter Beiträge keine Gegenleistung in Form einer höheren Invaliditätspension erhalte. Dieser Argumentation wurde bereits in der zitierten Entscheidung mit dem Hinweis entgegengetreten, dass der Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit ‑ trotz (Wieder-)Aufnahme einer Tätigkeit ‑ nicht mehr eintreten kann, wenn der Versicherte (wie die Klägerin) weiterhin arbeitsunfähig bleibt; ein körperlich oder geistig (insoweit) unveränderter Zustand kann nämlich bei den Versicherungsleistungen wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (sowohl nach § 255 ASVG als auch nach § 273 ASVG) grundsätzlich nicht zum Eintritt eines (neuen) Versicherungsfalls führen, weil die Arbeitsfähigkeit jeweils durch eine nachträglich eingetretene Verschlechterung beeinträchtigt sein muss (vgl auch: 10 ObS 45/13k mwN; RIS‑Justiz RS0085107 [T14]). Mangels Eintritts eines neuen Versicherungsfalls war es der Revisionswerberin ‑ wie dem Kläger im Fall 10 ObS 165/09a, SSV-NF 23/87 ‑ verwehrt, die Gewährung einer „neuen“ Invaliditätspension zu beantragen.
4. Zu Unrecht beruft sich die Revision auf eine Integration in den „regulären Arbeitsmarkt“ (die im Fall der Klägerin tatsächlich nie erfolgt ist) und auf die „direkte Anwendbarkeit“ des § 254 Abs 4 ASVG bzw des Art VIII Abs 9 der 37. ASVG-Novelle (BGBl Nr 588/1981), die ‑ wie das Berufungsgericht zutreffend aufzeigt ‑ das „Herabsinken“ einer bestehenden Leistungsfähigkeit vorausgesetzt hätte. Insoweit ist schon der Entscheidung 10 ObS 165/09a, SSV‑NF 23/87, eindeutig zu entnehmen, dass nur unter der (auch dort nicht erfüllten) Voraussetzung des Eintritts eines solchen neuen Versicherungsfalls für dessen Feststellung § 223 Abs 1 Z 2 lit a ASVG entsprechend anzuwenden wäre und der bisherige Anspruch auf Invaliditätspension gemäß § 100 Abs 2 ASVG erlöschen würde (Teschner/Pöltner, ASVG, 119. Erg‑Lfg § 254 Anm 6).
4.1. Nichts anderes kann für die Klägerin gelten, wenn sie sich darauf beruft, ihre Leistungsfähigkeit „für diese Form der Arbeit“ sei zuletzt „zu gering geworden“ (ON 1). Ihr ist daher nur zuzugestehen, dass auch Personen, die ‑ wie die Revisionswerberin ‑ gemessen an den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts außerstande sind, einer geregelten Beschäftigung nachzugehen, und daher (durchgehend) nur aus Entgegenkommen und mit besonderer Nachsicht des Dienstgebers gegen Entgelt beschäftigt wurden, in die Pflichtversicherung einbezogen sind, woraus jedoch (wie bereits zu Punkt 2. ausgeführt - zB bei entsprechend langer Beschäftigung) Pensionsansprüche aus dem Versicherungsfall des Alters resultieren können.
5. Die Sonderregelungen des § 254 Abs 4 ASVG bzw des Art VIII Abs 9 und 10 der 37. ASVG‑Novelle sind daher ‑ entgegen der Ansicht der Revisionswerberin ‑ nicht unmittelbar anzuwenden. Es stellt sich daher nur noch die Frage, ob ein Anspruch auf Invaliditätspension nach § 255 Abs 7 ASVG deshalb einen „neuen“ Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit begründen oder die Möglichkeit einer „Neuberechnung“ der Invaliditätspension eröffnen könnte, weil hier eine vom Gesetzgeber nicht beabsichtigte Regelungslücke vorläge, die durch Analogie zu schließen wäre. Auch dies hat das Berufungsgericht aber zu Recht verneint:
5.1. Wie in der Entscheidung 10 ObS 100/13y erst jüngst bekräftigt wurde, gilt in der Sozialversicherung nämlich nicht der Grundsatz der Äquivalenz von Beitragsleistung und Versicherungsleistung. Vielmehr wird in Kauf genommen, dass es in manchen Fällen trotz Leistungen von Pflichtbeiträgen zu keiner Versicherungsleistung kommt (vgl 10 ObS 297/99w [Versicherungsfall des Alters kann nur einmal eintreten] ua). An dieser Rechtsprechung hat der Verfassungsgerichtshof bereits in zahlreichen Entscheidungen festgehalten (10 ObS 100/13y mwN).
5.2. Die nötige planwidrige Unvollständigkeit der rechtlichen Regelung (RIS‑Justiz RS0008757; RS0098756; 1 Ob 148/12i [P 3.3.]; P. Bydlinski in KBB3, § 7 ABGB Rz 2), die das Gesetz ‑ gemessen an seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie ‑ ergänzungsbedürftig machen würde, ohne dass seine Ergänzung einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht (RIS‑Justiz RS0008866; jüngst 10 ObS 100/13y), ist hier daher nicht zu erkennen, und die Klägerin zeigt auch gar nicht konkret auf, worin die vermeintliche Rechtslücke bestehen sollte. Die bloße Meinung, eine analoge Anwendung der zitierten Ausnahmebestimmungen sei wünschenswert, kann die Annahme einer Gesetzeslücke aber jedenfalls nicht rechtfertigen (RIS‑Justiz RS0008757 [T2]). Es steht den Gerichten nicht zu, ohne Vorliegen einer Gesetzeslücke an die Stelle des Gesetzgebers zu treten und einen Regelungsinhalt (rechtsfortbildend) zu schaffen, dessen Herbeiführung ausschließlich dem Gesetzgeber obläge (RIS-Justiz RS0008757 [T2]; RS0008866 [T16]; RS0098756 [T3 und T5]; 10 ObS 100/13y; 5 Ob 191/12t).
5.3. Aufgrund dieser Erwägungen muss die Revision erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Da die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO abhängt, entspricht es der Billigkeit, der unterlegenen Klägerin angesichts ihrer angespannten Einkommensverhältnisse den Ersatz der Hälfte der Revisionskosten zuzusprechen (RIS‑Justiz RS0085871).
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