Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der Beschluss des Rekursgerichts wird aufgehoben und in der Sache selbst der den Mietzinsüberprüfungsantrag abweisende Sachbeschluss des Erstgerichts wiederhergestellt.
Die Antragstellerin ist schuldig, der Antragsgegnerin jeweils binnen 14 Tagen folgende Verfahrenskosten zu ersetzen:
a) 8.171,81 EUR (darin 986,99 EUR an Umsatzsteuer und 2.255,40 EUR an Barauslagen) für das Verfahren erster Instanz,
b) 202,29 EUR (darin 33,71 EUR an Umsatzsteuer) für das Verfahren zweiter Instanz und
c) 567,68 EUR (darin 62,28 EUR an Umsatzsteuer und 194 EUR an Barauslagen) für das Verfahren dritter Instanz.
Begründung
Die Antragsgegnerin ist Eigentümerin der Liegenschaft EZ 7 GB *****, auf welcher sich das Bestandobjekt (Geschäftslokal im Gesamtausmaß von ca 100 m²) befindet.
Vor Abschluss des Mietvertrags traf die Antragstellerin mit dem Gatten der Antragsgegnerin im Geschäft „O*****“ in den C***** in K***** zusammen und erklärte, dass es sich dabei um ihr Geschäft handle und sie mit dem Betrieb aufhören werde, weil es immer wieder Probleme mit den Angestellten gebe. Die Antragstellerin erwähnte überdies, dass sie zwei weitere Geschäfte in Deutschland habe. Die Antragstellerin erklärte gegenüber der Antragsgegnerin, dass es sich bei den Angestellten im Geschäft in den C***** um ihre Angestellten handle und dass sie dieses Geschäft auflösen werde. Gegenüber der Antragsgegnerin äußerte sich die Antragstellerin nie dahin, dass sie nicht selbstständig sei und die Antragsgegnerin hielt deshalb auch eine Überprüfung der Unternehmereigenschaft der Antragstellerin für nicht notwendig. Die Antragstellerin wollte im Bestandobjekt eine Filiale der Firma „B*****“ (Franchisesystem) einrichten und betreiben.
Am 13. 2. 2009 schlossen die Parteien einen schriftlichen Mietvertrag über das Geschäftslokal. Das Mietverhältnis begann am 1. 4. 2009 und ist auf 5 Jahre befristet. Es ist ein gestaffelter Mietzins vereinbart, der jeweils monatlich im ersten Jahr 2.500 EUR, im zweiten und dritten Jahr 3.000 EUR und ab dem 4. Jahr 3.500 EUR beträgt.
Die Antragstellerin begehrte die Überprüfung des ihrer Ansicht nach nicht angemessenen Hauptmietzinses, wobei auch der Befristungsabschlag zu berücksichtigen sei. Der Vertragsabschluss sei Gründungsgeschäft gewesen, weshalb die Antragstellerin nicht zur Rüge verpflichtet gewesen sei, diese aber ohnehin vor Übernahme des Bestandgegenstands vorgenommen habe. Aufgrund diverser Mängel des Bestandobjekts habe die Antragstellerin näher bezeichnete Investitionen und Ausbesserungsarbeiten vornehmen müssen.
Die Antragsgegnerin beantragte Antragsabweisung. Der vereinbarte Hauptmietzins sei angemessen. Der Vertragsabschluss sei für die Antragstellerin kein Gründungsgeschäft gewesen. Die Antragstellerin sei als Geschäftsinhaberin und Unternehmerin aufgetreten und habe ihre Rügepflicht verletzt.
Das Erstgericht wies den Sachantrag ab. Es stellte über den eingangs zusammengefassten Sachverhalt hinaus (ua) noch fest, dass der angemessene Hauptmietzins iSd § 16 Abs 1 MRG 3.040 EUR beträgt sowie dass die Antragstellerin zwischen Unterfertigung des Mietvertrags und dem Beginn des Mietverhältnisses (Übergabe des Bestandgegenstands) die Höhe des Mietzinses nicht gerügt hat. Rechtlich qualifizierte das Erstgericht die Antragstellerin als Unternehmerin ([jedenfalls] „kraft Rechtsscheins“) und stützte die Antragsabweisung auf die von der Antragstellerin unterlassene Rüge der Mietzinshöhe.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin Folge und hob den erstgerichtlichen Sachbeschluss zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Zur Zeit der Einfügung des § 16 Abs 1 Z 1 letzter HS MRG mit dem 3. WÄG (BGBl 1993/800) habe für die Geschäftsraummiete im Regelfall keine Möglichkeit der Befristung bestanden. Diese Rechtslage habe sich durch die Wohnrechtsnovelle (WRN) 2000 (BGBl I 2000/36) dahin geändert, dass seither Befristungen bei Geschäftsraummieten ohne zeitliche Ober- und Untergrenze zulässig seien. Mit dieser Novelle sei aber keine mit § 16 Abs 8 Satz 3 MRG vergleichbare Beschränkung der Rügepflicht vorgesehen worden, obwohl ein Geschäftsraummieter in Bezug auf die Bestandfestigkeit seines Vertrags ebenso schützenswert sei wie ein Wohnungsmieter. Das Rekursgericht folge der von T. Hausmann (in Hausmann/Vonkilch , Österreichisches Wohnrecht, § 16 MRG Rz 27) vertretenen Ansicht, wonach insoweit eine nachträgliche planwidrige Gesetzeslücke vorliege, welche durch Analogie zu schließen sei. In sinngemäßer Anwendung des § 16 Abs 8 Satz 3 MRG entfalle daher bei einer ‑ wie hier ‑ befristeten Geschäftsraummiete (zunächst) die Rügeobliegenheit. Die Rüge sei bei Umwandlung in ein unbefristetes Vertragsverhältnis nachzuholen, während sie im Fall der Beendigung des Bestandverhältnisses mit Ablauf der vereinbarten Frist überhaupt entbehrlich sei. Demnach sei auch hier die Antragstellerin nicht zur Rüge verpflichtet gewesen. Damit werde allerdings ein Mangel des erstgerichtlichen Verfahrens schlagend, der darin bestehe, dass das Erstgericht einen zum Zustand des Bestandobjekts geführten Zeugen nicht befragt habe, was im fortgesetzten Verfahren nachzuholen sei.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Revisionsrekurs zulässig sei, weil ‑ soweit überblickbar ‑ Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehle, ob für einen Unternehmer, der eine Geschäftsräumlichkeit auf bestimmte Dauer gemietet habe, in analoger Anwendung des § 16 Abs 8 MRG eine Rügepflicht iSd § 16 Abs 1 Z 1 MRG entfalle.
Gegen diesen Beschluss des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung dahin, dass der Sachbeschluss des Erstgerichts wiederhergestellt werde. Die Antragsgegnerin macht im Wesentlichen geltend, dass die Antragstellerin den Mietvertrag als Unternehmerin abgeschlossen habe und daher gemäß § 16 Abs 1 Z 1 letzter HS MRG zur Rüge der Mietzinshöhe verpflichtet gewesen wäre. Die auch im vorliegenden Fall eines befristeten Bestandverhältnisses geltende Rügepflicht beruhe auf einer sachlich gerechtfertigten Differenzierung zwischen Unternehmern und Verbrauchern.
Die Antragstellerin erstattete eine Revisionsrekursbeantwortung mit dem Antrag, die „Revision“ zurückzuweisen, in eventu dieser nicht Folge zu geben. Bei befristeten Bestandverhältnissen sei der Unternehmer demselben Druck ausgesetzt wie ein Konsument, dass er nämlich seinen Vermieter mit einem Antrag nach § 37 Abs 1 Z 8 MRG „verärgere“. Das Rekursgericht sei daher zutreffend von einer durch Analogie zu schließenden Lücke und vom Entfall der Rügepflicht ausgegangen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.
1. Die Antragsgegnerin geht in ihrem Revisionsrekurs ausdrücklich davon aus, dass die Antragstellerin bei Abschluss des Bestandvertrags als Unternehmerin zu qualifizieren gewesen und kein Gründungsgeschäft vorgelegen sei. Die Antragstellerin tritt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung dieser rechtlichen Qualifikation mit keinem Wort entgegen, sondern führt ausschließlich aus, dass auch ein Unternehmer bei Abschluss eines befristeten Bestandverhältnisses in analoger Anwendung des § 16 Abs 8 Satz 3 MRG nicht zur Rüge der Mietzinshöhe verpflichtet sei. Bei der folgenden rechtlichen Beurteilung ist daher ebenfalls ‑ ohne weitere inhaltliche Prüfung ‑ von der nicht mehr strittigen Unternehmereigenschaft der Antragstellerin bei Mietvertragsabschluss auszugehen.
2. Nach § 16 Abs 1 Z 1 letzter HS MRG kann sich ein Unternehmer, der eine Geschäftsräumlichkeit mietet, auf die Überschreitung des zulässigen Höchstmaßes nach § 16 Abs 8 erster Satz MRG nur berufen, wenn er die Überschreitung unverzüglich, spätestens jedoch bei Übergabe des Mietgegenstands, gerügt hat. Inhalt der in § 16 Abs 1 Z 1 MRG normierten Rügeobliegenheit des Geschäftsraummieters ist die Geltendmachung der Überschreitung des gesetzlich zulässigen Mietzinses. Die Rüge muss dem Vermieter signalisieren, dass von der Möglichkeit einer gerichtlichen Mietzinsreduzierung unter Aufrechterhaltung aller übrigen Bestimmungen des Mietvertrags Gebrauch gemacht wird, falls er auf Einhebung des rechtsunwirksam vereinbarten Mietzinses beharrt. Die Rüge muss zwischen rechtswirksamem Abschluss des Vertrags und Übergabe des Bestandobjekts erfolgen (RIS-Justiz RS0109327). Die Rügepflicht nach § 16 Abs 1 Z 1 MRG führt zu einer vergleichsweise raschen Klärung der Sach- und Rechtslage, weil die Unterlassung der gebotenen Rüge dazu führt, dass ein gegebenenfalls über der Angemessenheitsgrenze liegender Hauptmietzins saniert und nicht mehr bekämpfbar ist (vgl T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch , Österreichisches Wohnrecht, § 16 MRG Rz 23).
3.1. Die Regelung des § 16 Abs 1 Z 1 MRG betreffend die Rügepflicht des Geschäftsraummieters ist auch nach der durch die Wohnrechtsnovelle (WRN) 2000 (BGBl I 2000/36) eröffneten Möglichkeiten der Befristung von Geschäftsraummieten unverändert aufrecht geblieben.
3.2. T. Hausmann führt im Zusammenhang mit der Änderung der Rechtslage durch die WRN 2000 (in Hausmann/Vonkilch , Österreichisches Wohnrecht, § 16 MRG Rz 27) aus:
„Fraglich könnte sein, ob die Rüge auch bei befristeten Verträgen Voraussetzung einer späteren Überprüfung des Mietzinses durch den Mieter ist. Zum Zeitpunkt der Einfügung des Abs 1 Z 1 letzter Hs durch das 3. WÄG gab es im Vollanwendungsbereich des MRG (wohl aber außerhalb desselben, wo aber § 16 ohnehin nicht anwendbar ist), sieht man von dem eher seltenen, § 29 Abs 1 Z 3 lit d idF des 3. WÄG bis zum 30. 6. 2000 zu unterstellenden Fall ab, dass der Mietvertrag über ein im Wohnungseigentum stehendes Objekt in einem Gebäude geschlossen wurde, für welches die Baubewilligung vor dem 9. 5. 1945 erteilt wurde, keine Möglichkeit, befristete Verträge über Geschäftsräumlichkeiten abzuschließen, weshalb damals Verträge mit unbestimmter Dauer den Regelfall darstellten. Demgemäß hatte der Gesetzgeber des 3. WÄG auch keine besondere Veranlassung, eine der Bestimmung des § 16 Abs 8 Satz 3 entsprechende Ergänzung (deren ratio darin zu erblicken ist, dass der Mieter nicht um die Möglichkeit der Verlängerung seines Mietvertrages 'zittern' soll und daher nicht gezwungen werden darf, seinen Vermieter mit einem Antrag nach § 37 Abs 1 Z 8 zu 'verärgern') der Rügepflicht des § 16 Abs 1 Z 1 letzter Hs zu normieren. Erst mit der WRN 2000 wurde die Rechtslage dahingehend geändert, dass seit dem 1. 7. 2000 jedwede Befristung bei Geschäftsraummieten ohne zeitliche Ober- oder Untergrenze zulässig ist (vgl Rz 48 zu § 29). Mit dieser Novelle wurde aber keine der in § 16 Abs 8 Satz 3 enthaltenen Ausnahmeregelung vergleichbare Bestimmung zur Rügepflicht in das Gesetz aufgenommen, obwohl eine solche nach den Wertungen des Gesetzgebers zu erwarten gewesen wäre, zumal nicht einzusehen ist, warum ein Geschäftsraummieter in Bezug auf die Bestandfestigkeit seines Vertrages nicht ebenso schützenswert wie ein Wohnungsmieter sein sollte. Die Annahme liegt daher nahe, dass der Gesetzgeber der WRN 2000 diesen Fall übersehen hatte und eine nachträgliche planwidrige Gesetzeslücke vorliegt, welche durch Analogie zu schließen ist und wofür als Analogiebasis eben § 16 Abs 8 Satz 3 in Frage kommt. In sinngemäßer Anwendung leg cit entfällt daher entgegen Stabentheiner (wobl 2000, 202) und Dirnbacher (MRG 2002, 193) bei Abschluss eines befristeten Vertrages über eine Geschäftsräumlichkeit die Rügeobliegenheit, die Rüge ist aber unverzüglich nach Abschluss der Vereinbarung über die Umwandlung des befristeten Vertrages in einen solchen von unbefristeter Dauer nachzuholen. Endet hingegen der befristete Vertrag mit Ablauf der Befristungsdauer ohne Verlängerung, erscheint eine Rüge überhaupt entbehrlich.“
3.3. Die zuvor wiedergegebene Ansicht T. Hausmanns ist in der Lehre allerdings vereinzelt geblieben. So gehen Stabentheiner (Die miet- und wohnungseigentumsrechtlichen Teile der Wohnrechtsnovelle 2000, wobl 2000, 197 [202]), Dirnbacher (MRG 2002, 193), Rainer (Die Wohnrechtsnovelle 2000 ‑ ein Überblick, immolex 2000, 240) und wohl ebenso Prader (Wohnrechtsnovelle 2000 ‑ Auswirkungen auf [bestehende] Zeitmietverträge, RdW 2000/369, 394) von der Rügepflicht des Unternehmers auch bei befristeten Geschäftsraummieten aus.
4.1. Da die aus der Rügepflicht nach § 16 Abs 1 Z 1 MRG resultierende rasche Klärung der Sach- und Rechtslage auch bei befristeten Geschäftsraummieten zweckdienlich sein kann, liegen im vorliegenden Kontext keine zureichenden Anhaltspunkte für die von T. Hausmann angenommene planwidrige, also eine vom Gesetzgeber nicht gewollte bzw übersehene Unvollständigkeit des Gesetzes vor. Gerade im Bereich des Bestandrechts ist bei Annahme einer Gesetzeslücke äußerste Vorsicht geboten, ist doch hier der Gesetzgebungsprozess immer wieder Ergebnis von Kompromissen zwischen Mieter- und Vermietervertretern, die von unterschiedlichen Wertvorstellungen ausgehen, die bisweilen nicht oder nur unvollständig in Gesetz und Materialien ihren Niederschlag finden (vgl 5 Ob 2343/96m). Ohne erwiesenes Vorliegen einer Gesetzeslücke gleichsam an die Stelle des Gesetzgebers zu treten und einen Regelungsinhalt (rechtsfortbildend) zu schaffen, dessen Herbeiführung ausschließlich diesem obläge, steht aber den Gerichten nicht zu (RIS-Justiz RS0008866 [T16]).
4.2. Im Ergebnis folgt, dass die Rügepflicht nach § 16 Abs 1 Z 1 MRG auch für befristete Geschäftsraummieten gilt. Da die Antragstellerin eine solche Rüge aber unterlassen hat, ist ihr Sachantrag schon aus diesem Grund abzuweisen, ohne dass es der vom Rekursgericht für notwendig erachteten Verfahrensergänzung bedarf. In Stattgebung des Revisionsrekurses war daher der den Mietzinsüberprüfungsantrag abweisende Sachbeschluss des Erstgerichts wiederherzustellen.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG. Infolge Wiederherstellung des erstinstanzlichen Sachbeschlusses war auf den Kostenrekurs der Antragstellerin Bedacht zu nehmen. Dieser war insofern berechtigt, als die Zeugenbekanntgaben vom 19. 2. 2010, 11. 3. 2011 und 24. 3. 2011 (ON 9, 42 und 43) bereits (spätestens) beim jeweils vorgegangenen Verhandlungstermin hätten erfolgen können, weshalb die betreffenden Schriftsätze nicht zu honorieren waren. Die Eingabe vom 28. 6. 2010 (ON 19) diente allerdings auch der aufgetragenen Bekanntgabe, ob eine Erörterung des Sachverständigengutachtens gewünscht wird, weshalb für diese Kostenersatz, allerdings nur nach TP 1 RATG, gebührt. Dies führt für das erstinstanzliche Verfahren insgesamt zu einer Reduktion der der Antragsgegnerin gebührenden Kosten um 216,72 EUR, was einem Obsiegen mit dem Kostenrekurs von 86 % entspricht. Demnach ist bei den zweitinstanzlichen Kosten ein Kostenrekursersatz von 72 % von den der Antragsgegnerin zustehenden Kosten der Rekursbeantwortung abzuziehen.
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