OGH 10ObS45/13k

OGH10ObS45/13k25.6.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Harald Kohlruss (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei E*****, vertreten durch Dr. Hubert Reif, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, vertreten durch Dr. Josef Milchram und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Berufsunfähigkeitspension, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 13. September 2012, GZ 6 Rs 44/12f‑53, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 28. März 2012, GZ 24 Cgs 262/09y‑49, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat ihre Kosten des Rechtsmittelverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 20. 10. 1983 geborene Kläger besuchte die Volks‑ und Hauptschule sowie das Polytechnikum. Seit seinem 18. Lebensjahr konsumierte er (auch intravenös) Drogen. In der Zeit vom 8. 1. bis 23. 9. 2001 nahm der Kläger an einer überbetrieblichen Maßnahme der Lehrausbildung des LFI [Ländlichen Fortbildungsinstituts Steiermark] - Gleisdorf teil. Während der ersten drei Monate dieser Maßnahme fand eine Orientierungsphase inklusive Bewerbungs- und Kompetenztraining als Berufsschulvorbereitung statt, die eine 30‑Stunden‑Woche beinhaltete. An dieser Maßnahme nahm der Kläger regelmäßig teil. Anschließend organisierte er sich eine Grundausbildung im Umfang einer 40‑Stunden‑Woche mit Aussicht auf eine Lehrstelle als Maler/Anstreicher, die er am 23. 9. 2001 abbrach. Da er während der Maßnahme des LFI Lehrlingsstatus hatte und dort versichert war, erwarb der Kläger vom 8. 1. bis 23. 9. 2001 insgesamt neun Monate an Pflichtversicherungszeiten.

Aufgrund der Beschaffungskriminalität wegen des Drogenkonsums war der Kläger in der Zeit vom 16. 7. 2007 bis 8. 5. 2009 in Haft, wobei er vom 26. 3. 2008 bis 8. 5. 2009 seiner Arbeitspflicht nachging.

Als Folge des intravenösen Drogen-Konsums besteht beim Kläger, der sich seit dem Jahr 2003 im Substitutionsprogramm befindet, eine Hepatitis‑C‑Infektion. Seit 2003 leidet er auch an epileptischen Anfällen.

„Nunmehr“ leidet der Kläger an einer multiplen Persönlichkeitsstörung in Exacerbation, Polytoxikomanie (im Substitolprogramm) mit zusätzlich bestehendem massiven Kokainabusus und epileptischen Anfällen. Einem normalen Arbeitstempo ist er nicht gewachsen.

Der Zustand des Klägers hat sich aufgrund des Kokainabusus seit April 2010 zunehmend verschlechtert. Es handelt sich um einen Dauerzustand. Eine Arbeitsfähigkeit kann nicht mehr erreicht werden.

Mit Bescheid vom 25. 6. 2007 lehnte die beklagte Partei den Antrag des Klägers vom 10. 4. 2007 auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension ab. Mit weiterem Bescheid vom 18. 11. 2009 wies die beklagte Partei den Antrag des Klägers vom 4. 11. 2009 wegen entschiedener Rechtssache zurück.

Das Erstgericht hat dem Kläger antragsgemäß die Wiedereinsetzung in die versäumte Klagefrist betreffend den Bescheid vom 25. 6. 2007 bewilligt (ON 15).

Der Kläger begründet das gegen diesen Bescheid erhobene, auf Pensionsgewährung in der gesetzlichen Höhe „ab dem Stichtag“ gerichtete Klagebegehren im Wesentlichen damit, dass er während seiner „Lehrzeit“ und während der Haft (noch) arbeitsfähig gewesen sei. Er habe eine Lehre als Maler/Anstreicher begonnen, jedoch nicht abgeschlossen. Während der ersten acht Monate seiner Lehre sei er als „vollständiger Arbeitnehmer“ eingesetzt worden, wobei es jedoch in den letzten zwei bis vier Wochen der Lehre zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustands gekommen sei. Deshalb habe er die Lehre abbrechen müssen. Aufgrund der bestehenden Beschwerden sei er nicht mehr in der Lage, einer geregelten Tätigkeit nachzugehen.

Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren, beantragte Klagsabweisung und wendete im Wesentlichen ein, dass der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aufgrund seines Zustands (nach Drogensucht seit dem 14. Lebensjahr samt den festgestellten Folgen) gar nie arbeitsfähig gewesen sei. Er habe nur neun Beitragsmonate der Pflichtversicherung erworben und sei bereits vor erstmaliger Aufnahme einer Beschäftigung außer Stande gewesen, einem regelmäßigen Erwerb nachzugehen. Der Kläger sei ‑ während der einzigen von ihm erworbenen Beitragsmonate der Pflichtversicherung im Zeitraum Jänner bis September 2001 (vgl ON 39) ‑ im Rahmen des nationalen Aktionsplans für Beschäftigung mit dem LFI Steiermark (Schulungsstandort Gleisdorf) in einem Ausbildungsverhältnis gestanden. In diesem Vertrag werde festgeschrieben, dass für die Absolvierung der praktischen Ausbildung gesonderte Ausbildungsvereinbarungen abzuschließen seien. Diese seien jedoch nicht erfolgt. Der Kläger sei zu keinem Zeitpunkt in einem Dienstverhältnis gestanden. Da er nie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeitsfähig gewesen sei, habe der Versicherungsfall der Invalidität nicht eintreten können.

Das Erstgericht erkannte das Klagebegehren ab 1. 5. 2007 als dem Grunde nach zu Recht bestehend und trug der beklagten Partei eine vorläufige monatliche Zahlung von 50 EUR ab diesem Zeitpunkt auf. Es stellte noch fest, der Kläger sei wegen seiner „drogenbedingten Beeinträchtigung“ der Lehre als Maler/Anstreicher körperlich nicht gewachsen gewesen, hätte (jedoch) intellektuell eine Bürolehrausbildung absolvieren können und diese Tätigkeit auch körperlich geschafft, weil (ihm) einfache körperliche Tätigkeiten zumutbar gewesen seien, dies auch über einen 8‑Stunden‑Tag. Rechtlich beurteilte es die getroffenen Feststellungen dahin, dass der Kläger beim Eintritt in das Erwerbsleben arbeitsfähig gewesen sei. Da er bei der Maßnahme im LFI Gleisdorf „Lehrlingsstatus“ gehabt habe und auch pflichtversichert gewesen sei, sei das Erfordernis des Eintritts in das Erwerbsleben erfüllt; dies insbesondere unter dem Aspekt, dass er jedenfalls über die Orientierungsphase hinaus pflichtversichert gewesen sei. Seine bereits bestehende Affinität zum Suchtverhalten habe die Arbeitsfähigkeit nicht betroffen. Zwar sei er nicht in der Lage gewesen schwere körperliche Arbeiten, wie die eines Malers/Anstreichers, zu verrichten; er hätte jedoch einen anderen Beruf wie etwa Bürokaufmann, der mit weniger körperlicher Anstrengung verbunden sei, erlernen können, weil er auch an der Orientierungphase, die von der körperlichen Anstrengung mit einem Bürojob vergleichbar sei, regelmäßig teilgenommen habe. Seine Leistungsfähigkeit sei im Großen und Ganzen zum Zeitpunkt des Eintritts in das Erwerbsleben gleich gewesen, aber mindestens über die Hälfte derjenigen einer gesunden Vergleichsperson gelegen. Erst über die Jahre und aufgrund des fortbestehenden Drogenkonsums habe sich sein Zustand so weit verschlechtert, dass nunmehr eine regelmäßige Arbeitsleistung nicht mehr zumutbar sei. Dafür sei insbesondere der Kokainmissbrauch seit April 2010 maßgebend.

Das Berufungsgericht wies in Stattgebung der Berufung der beklagten Partei das Klagebegehren ab. Es schloss sich im Wesentlichen dem in der Entscheidung 10 ObS 144/10i vertretenen Standpunkt an, wonach es für die Beurteilung des maßgeblichen Vergleichszeitpunkts am Beginn der Erwerbskarriere nicht allein auf die Begründung einer Pflichtversicherung (wie bei Schulungsmaßnahmen nach dem AMFG) ankomme, sondern beide Elemente, nämlich die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit und der Eintritt in die Pflichtversicherung, kombiniert werden müssten, wobei auch in der Literatur darauf verwiesen werde, dass der Gesetzgeber den eigenen Pensionsanspruch bei originärer Invalidität nach § 255 Abs 7 ASVG nicht geschaffen hätte, wenn ohnehin der bloße Erwerb von Beitragsmonaten schon das Vorliegen von Erwerbstätigkeit begründen würde. Dass ein bloßer Erwerb von Beitragszeiten (noch) keine Arbeitstätigkeit begründe, sei evident. Umso weniger sei eine Arbeitsfähigkeit anzunehmen, wenn Beitragsmonate nur deshalb erworben würden, weil ein Versicherter eine Umschulung nach dem AMFG absolviere (10 ObS 144/10i mit Hinweis auf Enzlberger in DRdA 2010, 342 f). Auch hier stelle sich die Frage, ob der Kläger jemals eine Erwerbstätigkeit aufgenommen habe und damit in das Erwerbsleben eingetreten sei; ansonsten fehle es nämlich an einem maßgeblichen Vergleichszeitpunkt für die Beurteilung, ob sich die Arbeitsfähigkeit verschlechtert habe, sodass der Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit gar nicht eintreten könne.

Der Kläger habe anlässlich der einzig erworbenen Beitragsmonate der Pflichtversicherung im Rahmen der überbetrieblichen Maßnahme des LFI Gleisdorf zunächst eine Orientierungsphase mit Bewerbungs‑ und Kompetenztraining als Berufsschulvorbereitung drei Monate lang absolviert. Anschließend habe er ‑ ebenfalls im Zuge der Maßnahme ‑ an einer Grundausbildung „mit Aussicht auf“ eine Lehrstelle als Maler/Anstreicher teilgenommen. Zum Abschluss eines Lehrvertrags sei es dabei nicht gekommen. Offensichtlich sei der Kläger in einer Schulungsphase für eine Tätigkeit verblieben, der er körperlich gar nicht gewachsen gewesen sei. Auch wenn er während dieser Maßnahme Lehrlingsstatus gehabt habe und pflichtversichert gewesen sei, vertrete das Berufungsgericht die Auffassung, dass er damit in das Erwerbsleben noch gar nicht eingetreten sei.

Dass der Kläger während der Haftverbüßung seiner Arbeitspflicht nachgekommen sei, führe ebenfalls nicht zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit; außerdem habe er in diesem Zeitraum Beitragszeiten gar nicht erworben.

Darüber hinaus wäre zu beachten, dass ein allfälliger Anspruch auf Berufsunfähigkeitspension vom 1. 5. 2007 bis 30. 4. 2010 nicht abschließend geklärt sei, weil sich nach den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen der Zustand des Klägers im Laufe des April 2010 zunehmend verschlechtert habe. Für welchen Zeitraum das festgestellte Leistungskalkül gelte, könne daher noch nicht abschließend beurteilt werden.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei weil gesicherte Rechtsprechung zur Frage fehle, ob unter einem „Eintritt in das Erwerbsleben“ auch Schulungsmaßnahmen, die einen „Lehrlingsstatus“ gewähren, zu verstehen seien.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren vollinhaltlich stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig aber nicht berechtigt.

Der Revisionswerber beruft sich darauf, dass die beiden in der Entscheidung 10 ObS 144/10i genannten Elemente (Aufnahme einer Erwerbstätigkeit und Eintritt in die Pflichtversicherung) nach den Feststellungen des Erstgerichts hier jedenfalls gegeben seien, sodass auch der maßgebliche Vergleichszeitpunkt für die Beurteilung vorliege, ob sich die Arbeitsfähigkeit des Klägers verschlechtert habe. Das Berufungsgericht halte selbst fest, dass der Kläger Lehrlingsstatus gehabt habe. Damit sei er zweifellos in das Erwerbsleben eingetreten, weil er durch diese Grundausbildung eine auf wirtschaftlichen Erwerb „gezielte“ Tätigkeit ausgeübt habe. Wenn sich der Gesundheitszustand des Klägers erst ab 1. 5. 2010 verschlechtert haben sollte, wäre eine sich daraus ergebende Änderung während des Verfahrens bei der Entscheidung ebenfalls zu berücksichtigen; dadurch werde lediglich ein neuer Stichtag ausgelöst, sodass die Anspruchsvoraussetzungen für diesen Stichtag zu prüfen seien. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Berufsunfähigkeitspension gemäß § 273 ASVG lägen daher vor.

Die Revisionsbeantwortung der beklagten Partei hält dem entgegen, in der Entscheidung 10 ObS 144/10i sei ausgeführt, dass 14 Beitragsmonate der Pflichtversicherung, die der dortige Kläger als Umschüler im Rahmen des AMFG erworben hatte, nicht dazu führen könnten, dass bereits von einem die Pflichtversicherung begründenden Eintritt in das Erwerbsleben auszugehen sei. Die vorliegende Rechtssache unterscheide sich im Grundsätzlichen nicht von diesem Fall. Weder hier noch da sei die Tätigkeit unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts ausgeführt worden. Vielmehr habe sie dazu gedient, die Arbeitssuche des Klägers zu fördern (10 ObS 144/10i), bzw sich ‑ wie vorliegend ‑ auf die Berufsschule im Wege einer Orientierungsphase inklusive Bewerbungs- und Kompetenztraining vorzubereiten. Zum Abschluss eines Lehrvertrags sei es beim Kläger nicht gekommen. Aus dem Umstand, dass er während der Maßnahme Lehrlingsstatus gehabt habe und auch pflichtversichert gewesen sei, könne nicht die Schlussfolgerung gezogen werden, dass damit bereits ein Eintreten in das Erwerbsleben erfolgt wäre. Die bloße Meldung zur Pflichtversicherung im Rahmen einer öffentlich/rechtlichen Schulungsmaßnahme, die den Erwerb von Beitragsmonaten der Pflichtversicherung zur Folge habe, bedinge noch nicht, dass das Element der tatsächlichen Ausübung einer Erwerbstätigkeit als zweites maßgebliches Element erfüllt werde. Da im Sozialversicherungsrecht grundsätzlich auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen sei, komme es nicht darauf an, ob dem Kläger formal Lehrlingsstatus „zugemessen wurde oder nicht“. In der Gesamtschau sei er aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht noch nicht ins Erwerbsleben eingetreten.

Der erkennende Senat hat dazu Folgendes erwogen:

1. Nach § 236 Abs 4 Z 3 ASVG ist die Wartezeit für eine Leistung aus einem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit auch dann erfüllt, wenn der Versicherungsfall vor der Vollendung des 27. Lebensjahres des Versicherten eingetreten ist und bis zu diesem Zeitpunkt mindestens sechs Versicherungsmonate, die nicht auf einer Selbstversicherung gemäß § 16a ASVG beruhen, erworben sind.

1.1. Diese ‑ zunächst nur für Versicherte unter 21 Jahren geltende ‑ Bestimmung wurde durch die 9. ASVG‑Novelle (vgl § 235 Abs 3 lit b ASVG idF BGBl 1962/13) geschaffen und sollte dieser Personengruppe, die die sonst vorgeschriebene Wartezeit vielfach schon altersmäßig nicht erreichen kann, einen besonderen Schutz gewähren. Durch die 41. ASVG‑Novelle (BGBl 1986/111) wurde die Altersgrenze von 21 Jahren, um den Versicherungsschutz eines Behinderten im Zusammenhang mit seinen Bestrebungen nach beruflicher Eingliederung zu verbessern, auf das 27. Lebensjahr angehoben (vgl 10 ObS 26/90, SSV‑NF 4/60).

1.2. Die 50. ASVG‑Novelle (BGBl 1991/676) legte fest, dass für die Erfüllung der Wartezeit (§§ 235 Abs 2 und 3 lit b, 236 Abs 4 ASVG) Zeiten einer Selbstversicherung nach § 16a ASVG nicht herangezogen werden sollen, da ihr Hauptzweck darin liegt, die Voraussetzungen für eine Weiterversicherung in der Pensionsversicherung zu schaffen. Mit der 55. ASVG‑Novelle (BGBl 1998/138) wurde die Begünstigung hinsichtlich der Wartezeit für in jungen Jahren invalid bzw berufsunfähig gewordene Personen in § 236 Abs 4 Z 3 ASVG in Form einer sogenannten „ewigen Anwartschaft“ geregelt. Danach ist die Wartezeit jedenfalls auch dann erfüllt (und bleibt der Pensionsanspruch gewahrt), wenn der Versicherungsfall vor dem 27. Geburtstag eingetreten ist und der Versicherte bis zur Erreichung dieses Alters die besagten sechs Versicherungsmonate aufweist, gleichgültig, wann der Pensionsantrag gestellt wird (10 ObS 33/12v; vgl RV 1234 BlgNR 20. GP 36).

1.3. Dies ist hier ‑ unstrittig ‑ erfüllt, weil der bereits vor seinem 27. Geburtstag nicht arbeitsfähige Kläger bis dahin neun Pflichtversicherungsmonate erworben hat.

2. Darüber hinaus setzt der Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit ‑ sowohl nach § 255 ASVG wie auch nach § 273 ASVG ‑ jedoch voraus, dass sich der körperliche oder geistige Zustand des Versicherten nach dem Beginn seiner Erwerbstätigkeit in einem für die Arbeitsfähigkeit wesentlichen Ausmaß verschlechtert hat. Es ist daher immer auch entscheidungswesentlich, ob der Kläger ursprünglich arbeitsfähig war und seine Arbeitsfähigkeit durch eine nachträglich eingetretene Verschlechterung beeinträchtigt wurde („herabgesunken“ ist). Ein bereits vor Beginn der Erwerbstätigkeit eingetretener und damit in das Versicherungsverhältnis mitgebrachter, im Wesentlichen unveränderter körperlicher oder geistiger Zustand kann nicht zum Eintritt des Versicherungsfalls der geminderten Arbeitsfähigkeit führen (10 ObS 33/12v; 10 ObS 170/10p je mwN; RIS-Justiz RS0085107; vgl auch § 255 Abs 7 ASVG).

2.1. Maßgebend für den Zeitpunkt des Eintritts in das Berufsleben (Erwerbsleben) ist die „erstmalige Aufnahme einer die Pflichtversicherung begründenden Beschäftigung“ (§ 255 Abs 7 ASVG; RIS-Justiz RS0085107 [T13]).

3. In dem zu 10 ObS 33/12v entschiedenen Fall war für den Eintritt in das Versicherungsverhältnis auf den Beginn des Zivildienstes des dortigen Klägers abzustellen (RIS-Justiz RS0084829 [T26]). Es blieb jedoch im weiteren Verfahren zu prüfen, ob angesichts des noch festzustellenden Gesundheitszustands des dortigen Klägers der Eintritt der Arbeitsunfähigkeit im Sinne der Invalidität oder der Berufsunfähigkeit schon für einen Zeitpunkt wenige Monate nach Zurücklegung der gesetzlichen Mindestzahl von sechs Versicherungsmonaten von Anfang an medizinisch vorhersehbar war; dann müsste nämlich davon ausgegangen werden, dass der Kläger von Anfang an als nicht arbeitsfähig angesehen werden konnte und die Arbeitsfähigkeit des Klägers auch nicht „herabsank“, als die von Anfang an voraussehbaren und latent vorhandenen Beschwerden zunahmen. Bestand schon bei Antritt des Zivildienstes durch den dortigen Kläger die Gewissheit, dass schon nach kurzer Zeit Arbeitsunfähigkeit im Sinne der Invalidität oder der Berufsunfähigkeit eintreten wird, so entsteht kein Anspruch auf Invaliditätspension oder Berufsunfähigkeitspension, wenn dieser Zustand in der Folge tatsächlich eintritt (10 ObS 26/90, SSV-NF 4/60). Die objektive Beweislast dafür, dass die Arbeitsfähigkeit herabgesunken ist, trifft den Versicherten (10 ObS 168/02g, SSV-NF 16/66; 10 ObS 33/12v).

3.1. An diesen Grundsätzen hat der erkennende Senat auch jüngst (10 ObS 105/12g) festgehalten und dazu auf Entscheidung 10 ObS 144/10i, SSV-NF 24/82 verwiesen, in der ‑ im Zusammenhang mit dem maßgebenden Beginn der Erwerbskarriere ‑ bereits zum Besuch von Schulungskursen Stellung genommen wurde.

3.2. Nach ständiger Rechtsprechung ist demnach für die Beurteilung des Vergleichszeitpunkts am Beginn der Erwerbskarriere (wie die Revision zutreffend festhält) nicht allein auf die Begründung einer Pflichtversicherung (etwa bei „Schulungsmaßnahmen“ nach dem AMFG) abzustellen, sondern auf beide Elemente ‑ Aufnahme der Erwerbstätigkeit und Eintritt in die Pflichtversicherung ‑ kombiniert (RIS‑Justiz RS0084829 [T25]). Mangels exakter Feststellungen darüber, welche Tätigkeiten der dortige Kläger im Rahmen der festgestellten Schulungsmaßnahmen verrichtet hatte, wurde zu 10 ObS 144/10i, SSV-NF 24/82 davon ausgegangen, dass es sich um „diverse Kurse handelte, mit denen die Arbeitssuche des Klägers gefördert werden sollte“.

3.3. Auf dieser Grundlage wurden die (dortigen) 14 Beitragsmonate der Pflichtversicherung, die der Kläger als Umschüler im Rahmen des AMFG erworben hatte, nicht bereits als ein die Pflichtversicherung begründender Eintritt in das Erwerbsleben beurteilt (10 ObS 105/12g mit Hinweis auf 10 ObS 144/10i, SSV-NF 24/82).

4. Davon ausgehend kann die hier festgestellte dreimonatige „Orientierungsphase“ des Klägers, in der er ab 8. 1. 2001 eine „Berufsschulvorbereitung“ im Sinn eines Bewerbungs- und Kompetenztrainings absolvierte ‑ schon angesichts des allgemeinen Schulungs-Charakters (im Rahmen des nationalen Aktionsplans für Beschäftigung) ‑ ebenfalls nicht als solcher Eintritt beurteilt werden. Frühestens könnte er daher erst nach dieser Phase, mit dem Beginn einer Grundausbildung im Umfang einer 40‑Stunden‑Woche in das Erwerbsleben eingetreten sein.

4.1. Auch diese „Grundausbildung“ diente jedoch ganz offenbar bloß der Vorbereitung für eine Aufnahme des Klägers in den Lehrberuf „Maler/Anstreicher“. Die Ausübung einer Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes war damit ganz offensichtlich nicht verbunden, zumal der Kläger nach der weiteren Feststellung des Erstgerichts der Lehre als „Maler/Anstreicher“ wegen seiner „drogenbedingten Beeinträchtigung“ körperlich gar nicht gewachsen war. Zum Abschluss eines Lehrvertrags mit dem Kläger und der tatsächlichen Aufnahme einer Tätigkeit des Klägers im Rahmen eines Lehrverhältnisses ist es ‑ unbestritten ‑ auch in der Folge nicht gekommen.

4.2. Dem Standpunkt des Erstgerichts, der Kläger sei in das Erwerbsleben eingetreten und (theoretisch) „arbeitsfähig“ gewesen, weil er „intellektuell“ eine Bürolehrausbildung hätte absolvieren können und diese Tätigkeit auch körperlich geschafft hätte, hat sich daher schon das Berufungsgericht ‑ zu Recht ‑ nicht angeschlossen:

4.3. Nach der auch auf den vorliegenden Fall anwendbaren Rechtsprechung wäre für diese Beurteilung nämlich die Feststellung erforderlich gewesen, dass der Kläger auch tatsächlich eine die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem ASVG begründende Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts (10 ObS 114/01i, SSV-NF 15/62 = RIS-Justiz RS0084829 [T15]) aufgenommen hätte, sodass ein maßgeblicher Vergleichszeitpunkt für die Veränderung der Arbeitsfähigkeit heranzuziehen und gegebenenfalls für diesen Zeitpunkt das Maß der Arbeitsfähigkeit des Klägers festzustellen gewesen wäre, wobei dieser auch nachzuweisen gehabt hätte, dass zum Zeitpunkt seines Eintritts in das Erwerbsleben seine Arbeitsfähigkeit zumindest die Hälfte der eines gesunden Versicherten erreicht hätte (10 ObS 144/10i, SSV‑NF 24/82 mwN).

4.4. Eine solche Tatsachengrundlage kann dem dazu festgestellten ‑ unstrittigen ‑ Sachverhalt aber jedenfalls nicht entnommen werden: Weder die bloße Meldung zur Pflichtversicherung im Rahmen der Schulungsmaßnahme noch der Umstand, dass der Kläger „Lehrlingsstatus“ hatte, haben zur Folge, dass das erforderliche Element der tatsächlichen Ausübung einer Erwerbstätigkeit erfüllt wäre. Im Ergebnis ist somit der Rechtsansicht der beklagten Partei beizupflichten, dass der vorliegende Fall einen der Entscheidung 10 ObS 144/10i durchaus vergleichbaren Sachverhalt betrifft.

5. Der Revision des Klägers muss daher ein Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Berücksichtigungswürdige Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers, die den ausnahmsweisen Kostenzuspruch nach Billigkeit rechtfertigen könnten, wurden nicht dargetan und sind aus der Aktenlage nicht ersichtlich.

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