OGH 2Ob131/12x

OGH2Ob131/12x29.8.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, Linke Wienzeile 18, 1060 Wien, vertreten durch Kosesnik-Wehrle & Langer Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagte Partei R***** eGen, *****, vertreten durch Doralt Seist Csoklich, Rechtsanwalts-Partnerschaft in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert 36.000 EUR), über die außerordentlichen Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 16. Mai 2012, GZ 3 R 85/12p‑20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 8. März 2012, GZ 18 Cg 183/11y‑16, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0020OB00131.12X.0829.000

 

Spruch:

 

I. Die Schriftsätze der beklagten Partei vom 4. 10. 2012 und 13. 6. 2013 werden zurückgewiesen.

II. Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

III. Der außerordentlichen Revision der klagenden Partei wird teilweise Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass die in Punkt 1a des Urteilsspruchs aufgenommene Einschränkung „soweit diese unzulässigerweise vereinbart worden sind“ zu entfallen hat.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei anteilige Pauschalgebühr von 648 EUR binnen 14 Tagen zu ersetzen. Im Übrigen werden die Kosten des Revisionsverfahrens gegeneinander aufgehoben.

 

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei ist nach § 29 Abs 1 KSchG legitimiert, Unterlassungsansprüche nach § 28 und § 28a KSchG geltend zu machen. Die beklagte Partei betreibt das Bankgeschäft und bietet ihre Leistungen im Großraum Graz an. Im Rahmen dieser Tätigkeit tritt sie laufend mit Verbrauchern in rechtsgeschäftlichem Kontakt und schließt mit ihnen Verträge.

Die beklagte Partei verwendet im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), die in ihrer Fassung 2009 unter Punkt V.A.3 folgende Klauseln enthalten:

3. Änderung der Entgelte für Dauerleistungen sowie des Leistungsumfangs oder der Verzinsung

Z 45 (1) Das Kreditinstitut kann gegenüber Unternehmern Entgelte für Dauerleistungen (Zinsen, Kontoführungsgebühr etc) unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände (insbesondere Veränderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen, Veränderungen auf dem Geld- oder Kapitalmarkt, Veränderungen der Refinanzierungskosten, Veränderungen des Personal- und Sachaufwandes, Veränderungen des Verbraucherpreisindex etc) nach billigem Ermessen ändern.

(2) Mangels anderer Vereinbarung werden die mit Verbrauchern vereinbarten Entgelte für die vom Kreditinstitut erbrachten Dauerleistungen (ausgenommen Zinsen) jährlich mit Wirkung ab dem 1. April jeden Jahres der Entwicklung des von der Statistik Austria veröffentlichten nationalen Verbraucherpreisindex 2000 (Indexwert des der Entgeltanpassung vorangehenden Dezember verglichen mit der Ausgangsbasis Dezember 2002) angepasst (erhöht oder gesenkt), wobei jeweils eine kaufmännische Rundung auf ganze Cent erfolgt. Erfolgt bei Erhöhung des Index eine Anhebung des Entgelts aus welchen Gründen immer nicht, so ist dadurch das Recht auf Anhebung in den Folgejahren nicht verloren gegangen.

Zinssätze im Verbrauchergeschäft können gemäß einer mit den Kunden gesondert zu vereinbarenden Anpassungsklausel geändert werden. Die gesetzliche Verpflichtung zum Ausweis dieser Anpassungsklausel in einem Verbraucherkreditvertrag bleibt unberührt.

Bindet eine Anpassungsklausel einen Zinssatz an einen Referenzzinssatz (wie zB den EURIBOR), so werden Änderungen unmittelbar ohne vorherige Benachrichtigung des Kunden wirksam. Der Kunde wird über wirksam gewordene Änderungen des Zinssatzes spätestens im folgenden Kalenderquartal informiert.

Entgeltsanpassungen nach den vorstehend in diesem Abs (2) angesprochenen Anpassungsklauseln erfolgen im Verbrauchergeschäft frühestens nach Ablauf zweier Monate, gerechnet ab dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses.

(3) Über die vorstehenden Abs (1) oder (2) hinausgehende Änderungen der Entgelte sowie Änderungen des Leistungsumfangs oder der Verzinsung sind nur mit Zustimmung des Kunden möglich. Solche Änderungen werden zwei Monate nach Verständigung des Kunden über die vom Kreditinstitut gewünschte Änderung wirksam, sofern nicht bis dahin ein schriftlicher Widerspruch des Kunden beim Kreditinstitut einlangt. Das Kreditinstitut wird den Kunden in der Verständigung auf die jeweils gewünschte Änderung sowie darauf aufmerksam machen, dass sein Stillschweigen mit Fristablauf als Zustimmung gilt. Der Kunde, der Verbraucher ist, hat das Recht, seinen Girokontovertrag bis zum Inkrafttreten der Änderung kostenlos fristlos zu kündigen.

Die beklagte Partei schickte an ca 1.200 Kreditnehmer ein Schreiben, in dem sie mitteilt, dass der Zinszuschlag verändert wird, wenn nicht innerhalb von acht Wochen ein schriftlicher Widerspruch bei der beklagten Partei einlangt. Der Text dieses Schreibens lautet:

Sehr geehrter Kunde!

Als Auswirkung der auf die globale Finanzmarktkrise zurückzuführenden Veränderungen am Geld- und Kapitalmarkt und den daraus resultierenden erhöhten Liquiditätskosten bzw Refinanzierungskosten ist es uns derzeit nicht mehr möglich, den vereinbarten Aufschlag zum vereinbarten Referenzzinssatz darzustellen.

Wir bitten daher um Verständnis, dass wir mit Wirksamkeit am 1. 9. 2010 folgende Änderung für den Kredit Kontonummer […] anstreben müssen:

Der Zinszuschlag zum Referenzzinssatz 3‑Monats-Euribor wird um 0,5 Prozentpunkte auf 2,000 verändert.

Wir möchten in diesem Zusammenhang auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (Fassung 2009) aufmerksam machen, insbesondere Z 45 Abs 3.

Diese Änderung wird als wirksam vereinbart, wenn nicht innerhalb von acht Wochen ein schriftlicher Widerspruch von Ihnen bei uns eingelangt ist.

Wir bitten Sie nochmals um Verständnis für diese notwendig gewordene Maßnahme.

Nach Ablauf der Widerspruchsfrist wurden die Kreditkunden von der beklagten Partei über den neuen Sollzinssatz, die Prozentpunkte, um welche dieser erhöht wurde, sowie den neuen Betrag der monatlichen Kreditrate verständigt.

Mit der am 23. 8. 2011 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrte die klagende Partei, es der beklagten Partei im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern zu untersagen, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die sie von ihr geschlossenen Verträgen zugrunde legt, und/oder in hiebei verwendeten Vertragsformblättern die in Z 45 Abs 3 der AGB 2009 enthaltene Klausel oder sinngleiche Klauseln zu verwenden oder sich auf diese oder sinngleiche Klauseln zu berufen, „soweit diese unzulässigerweise vereinbart worden sind“ (1a), sowie Änderungen des Zinssatzes und/oder des Zinszuschlags bei bestehenden Kreditverträgen in der Weise anzubieten, dass die Unterlassung einer Mitteilung des Kreditnehmers, insbesondere die Unterlassung eines ausdrücklichen Widerspruchs gegen die Änderung als solche oder gegen die Abbuchung der erhöhten Zinsrate bis zu einem bestimmten Zeitpunkt als Zustimmung gelten soll (1b). Des Weiteren stellte die klagende Partei ein Veröffentlichungsbegehren einschließlich zweier Eventualbegehren (2).

Zur Unzulässigkeit der inkriminierten Klausel berief sie sich auf § 864a und § 879 Abs 1 und 3 ABGB, § 6 Abs 1 Z 2, § 6 Abs 1 Z 5, § 6 Abs 2 Z 3 und § 6 Abs 3 KSchG. Die Mitteilung über die Erhöhung des Zinszuschlags sei ihrem Inhalt nach gesetz‑ und sittenwidrig und verstoße gegen § 6 Abs 1 Z 2 sowie § 6 Abs 3 KSchG.

In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 17. 1. 2012 änderte die klagende Partei das zu 1a gestellte Unterlassungsbegehren dahin, dass sie den Halbsatz „soweit diese unzulässigerweise vereinbart worden sind“ strich.

Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren und beantragte für den Fall des Prozessverlusts die Einräumung einer sechsmonatigen Leistungsfrist, weil es sich um kein „reines“ Unterlassungsbegehren handle. Gegen dessen geänderte Fassung wandte sie ein, der beklagten Partei werde damit die Möglichkeit genommen, die beanstandete Regelung im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung so zu substituieren, wie dies redliche und vernünftige Vertragspartner vorgenommen hätten.

Das Erstgericht gab dem Unterlassungsbegehren in dessen geänderten Fassung und dem Veröffentlichungsbegehren ‑ bei gleichzeitiger Abweisung des Hauptbegehrens ‑ im Umfang des ersten Eventualbegehrens (Veröffentlichung des klagstattgebenden Teils des Urteilsspruchs in einer Samstagsausgabe des redaktionellen Teils der „Kleinen Zeitung“ Ausgabe Steiermark) statt.

Das nur von der beklagten Partei angerufene Berufungsgericht ließ ‑ in Erledigung eines in der Berufung enthaltenen Rekurses ‑ die in der Tagsatzung vom 17. 1. 2012 vorgenommene Änderung des Unterlassungsbegehrens zu und änderte das erstinstanzliche Urteil dahin ab, dass es (als Minus zum geänderten Begehren) den Halbsatz „soweit diese unzulässigerweise vereinbart wurde“ in den Spruch der Entscheidung aufnahm und der beklagten Partei zu 1a der Unterlassungsverpflichtung eine Leistungsfrist von drei Monaten einräumte. Zu seinem Urteil sprach es aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Zum abändernden Teil seiner Entscheidung führte das Berufungsgericht aus, dass die beklagte Partei das Unterlassungsgebot nur durch Änderung ihrer AGB befolgen könne. Es werde ihr nicht untersagt, im Verkehr mit Verbrauchern AGB zu verwenden, sondern es werde ihr nur die Verwendung einer bestimmten Klausel verboten. Dies lasse es gerechtfertigt erscheinen, ihr für die Anpassung ihrer AGB eine Frist von drei Monaten einzuräumen. Hinsichtlich des Verbots des Anbietens von Zinssatzänderungen bei bestehenden Kreditverträgen (Punkt 1b des Urteilsspruchs) liege allerdings eine sog „reine“ Unterlassung vor, für die keine Leistungsfrist zu bestimmen sei.

Bei Verbraucherverträgen scheide nach herrschender Meinung die geltungserhaltende Reduktion wegen § 6 Abs 3 KSchG aus, weil zu weit gefasste Klauseln dem Transparenzgebot widersprechen würden. Dies sei aber kein ausreichender Grund für den Entfall der vom Gesetz vorgesehenen Einschränkung des Verbots, sich auf eine solche Bedingung zu berufen, „soweit sie unzulässigerweise vereinbart worden ist“ (§ 28 Abs 1 zweiter Satz KSchG). Denn die durchaus mögliche, im Verbandsprozess aber nicht zu prüfende Zulässigkeit der Klausel im Einzelfall (bei Altverträgen) schließe den Entfall der Einschränkung aus.

Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil die bekämpfte Klausel eindeutig gesetzwidrig sei.

Gegen dieses Berufungsurteil richten sich die außerordentlichen Revisionen beider Parteien. Während die klagende Partei die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung beantragt, strebt die beklagte Partei die Abweisung des Klagebegehrens an. Hilfsweise stellt sie mehrere Eventualanträge.

Die beklagte Partei beantragt in der ihr ‑ vor Freistellung durch den Obersten Gerichtshof ‑ erstatteten Revisionsbeantwortung, die Revision der klagenden Partei zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei ist zulässig, weil sich der Oberste Gerichtshof mittlerweile im Zusammenhang mit der auch hier gegenständlichen Klausel zu der in § 28 Abs 1 zweiter Satz KSchG enthaltenen Einschränkung („soweit sie unzulässigerweise vereinbart worden sind“) im Sinne des Rechtsstandpunkts der klagenden Partei geäußert hat. Das Rechtsmittel ist auch teilweise berechtigt.

Hingegen erweist sich die außerordentliche Revision der beklagten Partei mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO als unzulässig.

I. Die beklagte Partei brachte nach Erstattung ihrer Revisionbeantwortung beim Obersten Gerichtshof zwei weitere Schriftsätze ein. Damit verstößt sie gegen den Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels (1 Ob 210/12g; RIS‑Justiz RS0041666). Die Schriftsätze sind daher als unzulässig zurückzuweisen.

II. Zur Revision der beklagten Partei:

1. Der Oberste Gerichtshof hatte jüngst in seiner Entscheidung vom 11. 4. 2013, 1 Ob 210/12g, aus Anlass einer gegen eine andere Bank gerichteten Verbandsklage eine fast wort-, jedenfalls aber inhaltsgleiche Klausel (Z 45 Abs 3 AGB idF 2009) zu beurteilen, wobei sich die Streitteile im Wesentlichen der auch hier gebrauchten Argumente bedienten. Der erste Senat gelangte zu dem Ergebnis, dass die inkriminierte Klausel gegen das Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG und gegen § 879 Abs 3 ABGB verstößt:

Zur Begründung der Intransparenz wurde ausgeführt, die Klausel lasse Änderungen des Vertrags über eine Zustimmungsfiktion nach Inhalt und Ausmaß nahezu unbeschränkt zu. Welche Leistungen die Bank mit fingierter Zustimmung einschränken kann, bleibe völlig unbestimmt, ebenso der Umfang einer Änderung der vom Kunden zu entrichtenden Entgelte.

Eine gröbliche Benachteiligung der Vertragspartner der beklagten Partei (Verbraucher) liege darin, dass die Klausel nicht einmal ansatzweise irgendeine Beschränkung erkennen lasse, die den Verbraucher vor dem Eintritt unangemessener Nachteile bei Änderungen des Vertrags mittels Zustimmungsfiktion schützen könnte. Sie lasse eine Änderung wesentlicher Pflichten der Parteien (Leistung und Gegenleistung) zu Gunsten der Bank in nahezu jede Richtung und in unbeschränktem Ausmaß zu. Nicht nur die Änderung der vom Kunden zu entrichtenden Entgelte werde ermöglicht; geändert werden könnten auch ohne irgendeine Einschränkung alle von der Bank geschuldeten Leistungen.

Schließlich wurde zu der ‑ dort in Kontoauszügen zu Kreditverträgen enthaltenen ‑ „Änderungsmitteilung gemäß § 11 bzw § 22 VKrG“ festgehalten, die Umsetzung einer gesetzwidrig vereinbarten Zustimmungsfiktion, welche die (dort) beklagte Partei in der Praxis durch die inkriminierte Änderungsmitteilung vornehme, könne nicht rechtmäßig sein.

2. Die Grundsätze der referierten Entscheidung gelten auch im vorliegenden Fall. Es erübrigt sich daher, auf die zweitinstanzlichen Erwägungen zu den §§ 6, 9 und 11 VKrG einzugehen. Im Hinblick auf die vom Obersten Gerichtshof bereits entschiedene Unzulässigkeit der Klausel und der darauf beruhenden Geschäftspraxis sind die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht mehr erfüllt (vgl RIS‑Justiz RS0112921, RS0112769).

III. Zur Revision der klagenden Partei:

Die klagende Partei macht geltend, die Setzung einer Leistungsfrist sei im Verbandsverfahren nicht vorgesehen. Vor allem im Umfang der Verpflichtung zur Unterlassung, sich in bereits geschlossenen Altverträgen auf den unzulässigen Inhalt einer Klausel „zu berufen“, komme eine Leistungsfrist nicht in Betracht. Infolge der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (7 Ob 179/03d; 10 Ob 67/06k) und des Europäischen Gerichtshofs (Rs C‑618/10), wonach auch in Einzelverträgen mit Verbrauchern die geltungserhaltende Reduktion einer Klausel mit unzulässigem Inhalt nicht mehr möglich sei, habe § 28 Abs 1 zweiter Satz letzter Halbsatz KSchG jeglichen Anwendungsbereich verloren.

Hiezu wurde erwogen:

1. Leistungsfrist:

Nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung ist für die dem Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen in einem Unterlassungsurteil auferlegte Verpflichtung, einzelne oder alle Vertragsklauseln zu ändern, gemäß § 409 Abs 2 ZPO eine Leistungsfrist einzuräumen (vgl 4 Ob 130/03a; 10 Ob 70/07b; 1 Ob 244/11f; 6 Ob 24/11i [verst Senat]; RIS‑Justiz RS0041260 [T2], RS0041265 [T2]; Kathrein in KBB³ § 28 KSchG Rz 3). Dabei ist entgegen der Auffassung der klagenden Partei auch nicht zwischen den Tatbeständen des „Verwendens“ der Klausel oder sinngleicher Klauseln in Neuverträgen und des „Sich‑Berufens“ auf den unzulässigen Inhalt der Klausel in Altverträgen zu unterscheiden, schließt doch das Verbot des „Verwendens“ gemäß § 28 Abs 1 zweiter Satz KSchG auch das Verbot des „Sich‑Berufens“ ein (Kathrein aaO § 28 KSchG Rz 6).

2. Verbot des Sich-Berufens:

2.1. Wer im geschäftlichen Verkehr in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die er seinen Verträgen zugrunde legt, oder in hiebei verwendeten Formblättern für Verträge Bedingungen vorsieht, die gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoßen, kann nach § 28 Abs 1 KSchG auf Unterlassung geklagt werden. Dieses Verbot schließt auch das Verbot ein, sich auf eine solche Bedingung zu berufen,

soweit sie unzulässigerweise vereinbart wurde.

Der zweite Satz dieser Bestimmung wurde mit der KSchG‑Novelle BGBl I 1997/6 angefügt. Grund dafür war die von § 13 Abs 1 des deutschen AGB-Gesetzes abweichende Formulierung des § 28 Abs 1 KSchG („vorsieht“ statt „verwendet“) und die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der unter dem Begriff des „Verwendens“ auch das „Sich-Berufen“ auf unwirksame Klauseln in früher abgeschlossenen Verträgen verstand (5 Ob 227/98p; ErläutRV 311 BlgNR XX. GP 30).

2.2 Nach der in der Entscheidung 5 Ob 227/98p vertretenen Ansicht des Obersten Gerichtshofs sollte durch den dem § 28 Abs 1 KSchG angefügten zweiten Satz klargestellt werden, dass der Unternehmer, der die Verwendung bestimmter Klauseln zu unterlassen hat, sich auch im Einzelfall nicht auf unzulässige Klauseln berufen darf. Mit der Einschränkung „soweit sie unzulässigerweise vereinbart worden ist“ werde dem Umstand Rechnung getragen, dass im Verbandsprozess keine geltungserhaltende Reduktion einer Klausel vorzunehmen sei (vgl RIS‑Justiz RS0038205), die allerdings bei der Beurteilung einer Klausel im konkreten Einzelfall zu deren Unbedenklichkeit führen könne. Sie werde dann nicht „unzulässigerweise“ vereinbart (vgl auch 3 Ob 180/08d, RIS‑Justiz RS0111641).

2.3 Mit der erwähnten KSchG‑Novelle wurde durch die Schaffung des § 6 Abs 3 KSchG auch das Transparenzgebot des Art 5 Satz 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 15. 4. 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (Klausel-RL) umgesetzt. Nach dem Wortlaut des § 6 Abs 3 KSchG sind unklare und unverständliche Vertragsbestimmungen unwirksam. Daraus wurde in Lehre und Rechtsprechung abgeleitet, dass die geltungserhaltende Reduktion intransparenter Klauseln auch im Individualprozess nicht stattfinden könne (7 Ob 179/03d; 10 Ob 67/06k; 5 Ob 64/10p; RIS‑Justiz RS0122168; Kathrein aaO § 6 KSchG Rz 31).

2.4 Mit der von der klagenden Partei in ihrem Rechtsmittel zitierten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hat sich der erkennende Senat bereits in der in einem Individualprozess ergangenen Entscheidung 2 Ob 22/12t auseinandergesetzt, wobei die dort zu beurteilende Vertragsbestimmung gegen § 6 Abs 2 Z 3 KSchG verstieß.

Der Senat führte aus, die in der Lehre zuletzt überwiegend vertretene (zum Meinungsstand vgl etwa Kathrein aaO § 6 KSchG Rz 4; Langer in Kosesnik-Wehrle, KSchG³ § 6 Rz 4; zuletzt Geroldinger, Ergänzende Auslegung von Verbraucherverträgen trotz Verbots der geltungserhaltenden Reduktion?, ÖBA 2013, 27 FN 19), in der Rechtsprechung jedoch nicht lückenlos geteilte (vgl 9 Ob 68/08b; 7 Ob 22/10a ua) Rechtsansicht, dass die geltungserhaltende Reduktion nicht nur im Verbandsprozess sondern auch im Individualprozess zwischen Unternehmern und Verbrauchern unzulässig sei, habe ihre Bestätigung in der jüngsten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH 14. 6. 2012, C‑618/10 [Banco Espanol de Crédito]) gefunden. Danach stehe Art 6 Abs 1 der Klausel-RL einer mitgliedstaatlichen Regelung entgegen, wonach das nationale Gericht, wenn es die Nichtigkeit einer missbräuchlichen Klausel in einem Vertrag zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher feststellt, durch Abänderung des Inhalts dieser Klausel den Vertrag anpassen kann (vgl zB Geroldinger aaO 30). Das bedeute - auch nach der insoweit einhelligen Auffassung im Schrifttum (vgl Geroldinger aaO 30 und 40; Lukas in JBl 2012, 434 [441]; H. Böhm in immolex 2012/91, 284 [285]; Graf in immolex 2012/92, 286 [288]; VRInfo 2012 H 7, 7) ‑, dass eine geltungserhaltende Reduktion nicht ausgehandelter missbräuchlicher Klauseln im Individualprozess über ein Verbrauchergeschäft nicht mehr in Frage kommen kann. Daran habe sich auch die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu orientieren.

2.5 Auf die vor dem Hintergrund dieser Rechtslage in der Revision aufgeworfene Frage, ob ‑ wie die klagende Partei meint ‑ die im zweiten Halbsatz des zweiten Satzes des § 28 Abs 1 KSchG normierte Einschränkung („soweit sie unzulässigerweise vereinbart worden ist“) nun jeglichen Anwendungsbereichs beraubt sei (aA zu missbräuchlichen Klauseln etwa Geroldinger aaO 39 und FN 213), muss hier nicht weiter eingangen werden:

Zu der konkreten Vertragsbestimmung (Z 45 Abs 3 AGB) hat sich der Oberste Gerichtshof in der schon mehrfach zitierten Entscheidung 1 Ob 210/12g bereits dahin geäußert, dass die (dort von der beklagten Partei begehrte) Aufnahme der in Rede stehenden Einschränkung in den Urteilsspruch (mangels Anwendungsbereich) entbehrlich ist. Damit stimmt die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht überein.

Selbst wenn man aber einen möglichen Anwendungsbereich bejahen würde, weil dem Verbraucher trotz Untersagung der Klausel im Verbandsprozess im Einzelfall eine für ihn günstigere Auslegung erhalten bleiben soll (Kathrein in KBB3 § 28 KSchG Rz 6), bliebe die Aufnahme des Gesetzeswortlauts in den Spruch entbehrlich, weil die insoweit intendierte Geltung der Norm von ihrer dortigen Anführung unabhängig ist (vgl 3 Ob 180/08d).

IV. Ergebnis und Kosten:

Das angefochtene Urteil ist aus den dargelegten Erwägungen in teilweiser Stattgebung der Revision wie aus dem Spruch ersichtlich abzuändern.

Die teilweise abändernde Entscheidung des Berufungsgerichts blieb ohne Kostenfolgen, sodass lediglich über die Kosten des Revisionsverfahrens abzusprechen ist. Diese Entscheidung gründet sich auf § 43 Abs 1 und § 50 ZPO. Die klagende Partei ist mit einer ihrer beiden Rechtsrügen durchgedrungen, weshalb ihr die Hälfte der Pauschalgebühr zu ersetzen ist. Im Übrigen ist mit Kostenaufhebung vorzugehen.

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