OGH 14Os54/13t

OGH14Os54/13t25.4.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. April 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wancata als Schriftführer in der Strafsache gegen Werner K***** wegen des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 12 zweiter Fall, 15 Abs 1, 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3 StGB, AZ 065 Hv 170/12p des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die Grundrechtsbeschwerde des Werner K***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 12. März 2013, AZ 18 Bs 95/13x (ON 120), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Werner K***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Oberlandesgericht der Beschwerde des Werner K***** gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 22. Februar 2013 (ON 114), mit dem die über ihn am 1. November 2012 verhängte (ON 67 f) Untersuchungshaft erneut fortgesetzt worden war, nicht Folge und ordnete seinerseits die Fortsetzung der Haft aus den schon vom Erstgericht angenommenen Haftgründen der Flucht- und der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 1 und Abs 2 Z 1 und 3 lit b und c StPO an (ON 120).

Das Oberlandesgericht stützte die Annahme dringenden Tatverdachts wegen des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 12 zweiter Fall, 15 Abs 1, 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3 StGB auf das (unmittelbar vor der angefochtenen Beschlussfassung; ON 113 S 56 ff) gegen den Angeklagten wegen dieses Verbrechens ergangene (nicht rechtskräftige) Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 22. Februar 2013 (ON 117), mit dem dieser wegen Bestimmung Dritter zur (nicht erfolgten) Vorlage eines von ihm nachgemachten Scheckfalsifikats über einen Nennbetrag von 100 Mio US-Dollar bei der H***** im August 2007 unter Bedachtnahme gemäß § 31 StGB auf das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 4. Dezember 2008, AZ 54 Hv 63/06p, und unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von zwei Jahren (zur mit dem bezeichneten Vorurteil wegen Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB verhängten Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten) verurteilt worden war.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen gerichteten Grundrechtsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Zur Beschwerdekritik betreffend auf die vom Schuldspruch umfasste Verdachtstat nicht bezogene Haftanträge der Staatsanwaltschaft (vgl § 173 Abs 1 erster Satz iVm § 4 Abs 1 StPO) genügt der Hinweis, dass bereits der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Verhängung der Untersuchungshaft vom 31. Oktober 2012 auch die dem Schuldspruch zu Grunde liegende Tat zum Gegenstand hatte (ON 1 S 53 iVm ON 49, nun ON 38); umso mehr der (unmittelbar nach dem Schuldspruch gestellte) aktuelle Antrag auf Fortsetzung der Untersuchungshaft (ON 113 S 57).

Soweit die Beschwerde „erhebliche Bedenken gegen den Verdachtsausspruch zum erstinstanzlich (nicht rechtskräftig) verurteilten Sachverhalt“ reklamiert, übersieht sie, dass im Rahmen des Grundrechtsbeschwerdeverfahrens hinsichtlich der Sachverhaltsannahmen für die Haftvoraussetzung des dringenden Tatverdachts von denjenigen des - wenngleich angefochtenen - Urteils auszugehen ist (RIS-Justiz RS0108486; Kirchbacher/Rami, WK-StPO § 173 Rz 4). Die Beurteilung, ob das angefochtene Urteil mit formellen oder materiellen Mängeln behaftet ist, bleibt dem Nichtigkeitsverfahren vorbehalten, weswegen sich alle Einwände gegen das Urteil einer Erörterung im Grundrechtsbeschwerdeverfahren entziehen (RIS-Justiz RS0061107, RS0061112).

Entgegen dem weiteren Vorbringen einer zur Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe außer Verhältnis stehenden Haftfortsetzung hat das Beschwerdegericht angesichts der im Ersturteil verhängten und in diesem Zusammenhang maßgeblichen (vgl RIS-Justiz RS0108401; Kier in WK2 GRBG § 2 Rz 13) mehrjährigen Freiheitsstrafe und der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung etwa fünf Monate andauernden Untersuchungshaft Unverhältnismäßigkeit der Haft zutreffend verneint und die Frage, ob und unter welchen Bedingungen es zum Vollzug der Strafe kommt (und somit auch die von der Beschwerde thematisierte bedingte Strafnachsicht oder bedingte Entlassung), bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung (§ 173 Abs 1 letzter Satz StPO) mit Recht ausgeklammert (vgl RIS-Justiz RS0123343; RS0118876 [insbesondere T4 und T5]; Kier in WK2 GRBG § 2 Rz 16; Kirchbacher/Rami, WK-StPO § 173 Rz 14).

Der Einwand fehlender Berücksichtigung (behaupteter) sozialer Integration, „festen Wohnsitzes“ sowie geordneter Lebensverhältnisse des Angeklagten bei Annahme der Fluchtgefahr ist - mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 173 Abs 3 erster Satz StPO (§ 147 Abs 3 StGB) - unbeachtlich (vgl auch RIS-Justiz RS0120458 [T1 und T2]), wobei im Übrigen das Oberlandesgericht Fluchtgefahr (§ 173 Abs 2 Z 1 StPO) ohne Verstoß gegen das Willkürverbot zufolge einer über sechs Monate erfolglosen Fahndung nach dem erst nach einem anonymen Hinweis ausgeforschten Angeklagten und des mit Blick auf die erstinstanzlich verhängte mehrjährige Freiheitsstrafe bestehenden Fluchtanreizes angenommen hat (BS 3 f; vgl auch 14 Os 15/13g).

Damit erübrigt sich ein Eingehen auf die gegen die Annahme des Haftgrundes der Tatbegehungsgefahr gerichteten Ausführungen (vgl Kier in WK2 GRBG § 2 Rz 44).

Das gegen die unterbliebene Anwendung gelinderer Mittel gerichtete Vorbringen unterlässt schließlich deren konkrete Bezeichnung, die Voraussetzung eines erfolgreichen Beschwerdevorbringens wäre (RIS-Justiz RS0116422).

Die Grundrechtsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.

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