OGH 14Os15/13g

OGH14Os15/13g14.2.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Februar 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Niegl als Schriftführer in der Strafsache gegen Werner K***** wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 148 erster Fall und 15 StGB sowie einer weiteren strafbaren Handlung, AZ 352 HR 172/10v des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die Grundrechtsbeschwerde des Werner K***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 7. Jänner 2013, AZ 18 Bs 562/12x (ON 93), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Werner K***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Mit Beschluss vom 12. Dezember 2012 setzte die Haft- und Rechtschutzrichterin die über Werner K***** mit Beschluss vom 1. November 2012 wegen des Verdachts des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 148 erster Fall und 15 StGB (A) und des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB (B) verhängte (ON 67 f) und mit Beschluss vom 14. November 2012 (ON 76) verlängerte Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Flucht- und der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 1 und Abs 2 Z 1 und 3 lit b und c StPO fort (ON 90).

Der dagegen von Werner K***** erhobenen Beschwerde gab das Oberlandesgericht Wien mit dem angefochtenen Beschluss nicht Folge und ordnete die Fortsetzung der Untersuchungshaft aus denselben Haftgründen an (ON 93).

Das Beschwerdegericht ging vom dringenden Verdacht aus, Werner K***** habe in Wien

(A) gewerbsmäßig und mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen

I) verleitet, und zwar Berechtigte der J***** Werkstätte in der Zeit von 18. Mai 2011 bis 14. Juli 2011 durch die Vorgabe, vom Zulassungsbesitzer des in der Beschwerdeentscheidung bezeichneten Fahrzeugs bevollmächtigt zu sein, für ihn Reparaturen an diesem Fahrzeug in Auftrag zu geben und somit Bevollmächtigter eines auftrags- und zahlungswilligen Kunden zu sein und durch Vortäuschung seiner eigenen Zahlungsfähigkeit und -willigkeit in vier Fällen zur Durchführung von in der Beschwerdeentscheidung angeführten Reparaturarbeiten im Rechnungsbetrag von insgesamt 7.571,02 Euro;

II) zu verleiten versucht, und zwar Anfang August 2007 Berechtigte der H***** durch Fälschen eines Schecks zur Auszahlung von 100 Mio USD;

(B) seit 1. März 2010 dadurch, dass er für seine am 5. Mai 1996 geborene minderjährige Tochter vorgeschriebene monatliche Zahlungen in Höhe von 150 Euro nicht leistete, seine im Familienrecht begründete Unterhaltspflicht gröblich vernachlässigt und dadurch bewirkt, dass der Unterhalt oder die Erziehung der Unterhaltsberechtigten gefährdet wurde oder ohne Hilfe von anderer Seite gefährdet worden wäre (Rückstand per 7. Februar 2012: 3.450 Euro).

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen gerichteten Gruundrechtsbeschwerde, die eine unrichtige Beurteilung der Haftgründe, Unverhältnismäßigkeit der Haft, ungerechtfertigt unterbliebene Anwendung gelinderer Mittel und der Sache nach das Nichtvorliegen dringenden Tatverdachts behauptet, kommt keine Berechtigung zu.

Die rechtliche Annahme einer der von § 173 Abs 2 StPO genannten Gefahren wird vom Obersten Gerichtshof im Grundrechtsbeschwerdeverfahren nur dahin überprüft, ob sie aus den in der angefochtenen Entscheidung angeführten bestimmten Tatsachen (vgl § 174 Abs 3 Z 4 StPO; worunter das Gesetz die deutliche Bezeichnung der den Ausspruch über das Vorliegen entscheidender Tatsachen tragenden Gründe versteht) abgeleitet werden durfte, ohne dass die darin liegende Ermessensentscheidung als willkürlich angesehen werden müsste (RIS-Justiz RS0118185, RS0117806). Denn § 173 Abs 2 StPO verlangt nur, dass die angenommenen Haftgründe auf bestimmten Tatsachen beruhen, kennt als Vergleichsbasis des Willkürverbots mithin nur die in Anschlag gebrachten bestimmten Tatsachen, weshalb auch eine bei dieser Prognose unterbliebene Erwägung einzelner aus Sicht eines Beschwerdeführers allenfalls erörterungsbedürftiger Umstände nicht als Grundrechtsverletzung vorgeworfen werden kann (RIS-Justiz RS0117806).

Die vom Oberlandesgericht in seiner (demnach allein den Bezugspunkt der Grundrechtsbeschwerde bildenden) Entscheidung ins Treffen geführten Umstände einer über sechs Monate erfolglosen Fahndung nach dem erst nach einem anonymen Hinweis ausgeforschten Beschuldigten und des - mit Blick auf seine Vorstrafen (vgl ON 39) im Fall eines Schuldspruchs drohenden längeren Freiheitsstrafe - bestehenden Fluchtanreizes lassen einen formal einwandfreien Schluss auf die nach § 173 Abs 2 Z 1 StPO begründete Gefahr zu, er werde sich der Strafverfolgung entziehen, also dem Strafverfahren insgesamt oder zumindest der ihm allenfalls drohenden Strafe. Dabei handelt es sich weiterer Beschwerdekritik zuwider nicht um eine „vorweggenommene Strafhaftentscheidung“ im Sinn einer Schuldvermutung, sondern um eine Prognose der zu verhängenden Strafe im Fall eines Schuldspruchs (Kirchbacher/Rami, WK-StPO § 173 Rz 31).

Ein Eingehen auf die gegen die Annahme des (im Übrigen zufolge der Vorstrafen und des Verdachts wiederholter Tatbegehung ohnedies vorliegenden) Haftgrundes der Tatbegehungsgefahr gerichteten Ausführungen erübrigt sich (vgl Kier in WK2 GRBG § 2 Rz 44).

Entgegen dem weiteren Vorbringen hat das Beschwerdegericht angesichts der zu erwartenden Strafe und der zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung knapp elf Wochen andauernden Untersuchungshaft auch zu Recht ausgesprochen, dass diese nicht außer Verhältnis zur Sache oder der zu erwartenden Strafe steht (§ 173 Abs 1 zweiter Satz StPO).

Indem der Beschwerdeführer gegen die unterbliebene Anwendung gelinderer Mittel remonstriert und der Sache nach das Nichtvorliegen des dringenden Tatverdachts hinsichtlich der dem Verbrechen des schweren gewerbsmäßigen Betrugs subsumierbaren Sachverhalte behauptet, scheitert er bereits mangels Erschöpfung des Instanzenzugs (vgl Kier in WK2 GRBG § 1 Rz 41).

Es bleibt aber anzumerken, dass das im angefochtenen Beschluss zu A/II in tatsächlicher Hinsicht beschriebene Verhalten die Annahme (dringenden) Verdachts eines nach § 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3 StGB qualifizierten Betrugs nicht trägt. Da jedoch die verbleibende strafbare Handlung des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 erster Fall StGB, auf die sich der dringende Tatverdacht nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts bezieht, hier allein hafttragend ist, war die Beschwerde dessen ungeachtet mangels Verletzung des Beschuldigten im Grundrecht auf persönliche Freiheit in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen (vgl Kier in WK2 GRBG § 2 Rz 38).

Stichworte